Nicht die Person und nicht die Seele, sondern das Angesicht: weil nur das Angesicht die Realidee des richtigen und befreiten Handelns in sich enthält. Das aufgedeckte Antlitz ist der Inbegriff der Freiheit der Kinder Gottes, auf die die ganze Schöpfung harrt.
Man kann die Wahrheit bewahren, d.h. seßhaft verwalten, und man kann sie bewähren, d.h. sie auf dem eigenen Rücken weiter befördern. Nur die Bewährung ist der Idee der Wahrheit angemessen.
Gibt es etwas der Umkehr (ihrem sprachlichen, nicht geometrischen Sinn) Vergleichbares auch im Hinblick auf das Inertialsystem? Und müßte diese Umkehr nicht so etwas wie eine Tendenz-Umkehr sein, die die Gewichtsverhältnisse umkehrt: im Gravitationsgesetz die Ungleichnamigkeit (die Heliozentrik als notwendigen Schein) und im Falle des Lichts die „Fortpflanzungs“-Bewegung als Umkehr der realen Intention des Sehens (des Gesichts) -die Lichtgeschwindigkeit als Maß der Vergängnis, gegen die das Lebendige (das Streben nach dem Licht) sich abarbeitet – begreifen. Das Inertialsystem selber ist der terminus ad quem des Falles.
Kreuz und Kelch: „Wer mein Jünger sein will, der nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach“ und „Vater, wenn es möglich ist, so lasse diesen Kelch an mir vorübergehn“. In welcher Beziehung stehen diese beiden Sätze? Der Kelch ist (in Prophetie und Apokalypse) der Kelch des Zornes und der Taumelkelch. Beide sind auf Herrschaftszusammenhänge bezogen. Sind die, die aus dem Kelch trinken, andere als die, die das Kreuz auf sich nehmen? Sind es vielleicht die, die anderen das Kreuz aufbürden? Nochmal „Laß diesen Kelch an mir vorübergehen?“ Ist das nicht die Bitte: Erlasse denen, die mir nachfolgen, das Kreuz? Ist es überhaupt vorstellbar und denkbar, daß Jesus im Garten Getsemane nur für sich die Angst erlitten und gebeten hat? Und sind nicht ebenso die Worte am Kreuz bis hin zum „Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen“ weniger auf die einsame Selbsterfahrung der Person Jesus als vielmehr auf die, die ihm nachfolgen und denen er die ganze Last des Scheiterns aufbürdet, zu beziehen, auf das, was er mit diesem Tod den andern antut, aufbürdet, zumutet? – Ist hier nicht die Schlüsselstelle für das Verständnis des Ganzen? Und ist nicht genau diese Stelle in der gesamten kirchlichen Tradition (in der Tradition des Schlafs der Petrus, Jakobus und Johannes und der Leidensmystik, die diesem Schlaf korrespondiert) auf den Kopf gestellt worden? Wachet und betet, damit ihr nicht in Versuchung fallet. Das „Laß diesen Kelch an mir vorübergehen“ bezieht sich nicht auf sein privates Schicksal („Todes-angst“), sondern darauf, welche Folgen und Nebenwirkungen sein Schicksal haben wird.
Kreuz und Kelch: Hier liegt der Grund der Ambivalenz der Vergöttlichung des Opfers (von der christlichen Opfertheologie bis zum modernen Naturbegriff).
Mit dem Kreuz hat Jesus nicht unmittelbar befreit, sondern zunächst einmal die Last weitergegeben (und wenn, dann nur dadurch befreit).
Ist die Getsemane-Geschichte ohne die „Engel des Himmels“ beim Lukas zu halten?
Die falsche Leidensmystik, die sich auf der Getsemane-Geschichte herleitet, ist antisemitisch.
Zu Brot und Wein (zum vorangehenden Abendmahl und zum Kelch) vergleiche auch die Geschichte mit den Träumen der beiden Mitgefangenen des Josef, auch die Melchisedech-Geschichte. Zum Kelch vgl. auch die Noe- und Lotgeschichte (Aufdeckung der Scham durch Ham und Inzest der Töchter Lots; war Noe der Erfinder des Weinbaus?).
Ex 3728: Kelche in der Form von Mandelblüten (vgl. Jeremias).
Mk 1038: Wie hängen (Zornes-/Taumel-)Kelch und Taufe zusammen?
März 1992
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31.03.92
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30.03.92
Der Dativ bezeichnet den Adressaten der Gnade, der Barmherzigkeit, des Schenkens, der Akkusativ den des Gerichts, der Genitiv das Subjekt-Objekt der Herrschaft und des Eigentums. Abgedeckt wird in der Sprache das Verhältnis von Rechts und Links, Oben und Unten, während das Verhältnis von Im Angesicht und Hinter dem Rücken innersprachlich (außer an der Qualität eines Textes) nicht sich nachweisen läßt, dafür aber an den Grund der Sprache selbst rührt.
Ist nicht die Gründung des Staates Israel, zu der es keine Alternative gab, ein weiteres Indiz für den Rückfall in Naturgeschichte, für einen Zustand, der gleichzeitig dadurch bezeichnet ist, daß nach dem zweiten Weltkrieg ein Friedensvertrag in Europa nicht mehr möglich war. (Lassen sich die Bedeutung und die Folgen des Zusammenbruchs des „real existierenden Sozialismus“ auch im Hinblick auf die innere Entwicklung Israels ermessen? Wäre es denkbar, daß der Islam als gleichsam naturgeschichtlicher Erbe die Nachfolge des Ostblocks antritt?)
Ein Friedensvertrag, eine neue Grenzsetzung, war nach Auschwitz deshalb nicht mehr möglich, weil zum Verfahren der „Endlösung“, des Holocaust, auch die Instrumentalisierung der Grenzfrage gehörte: Bevor sie umgebracht wurden, wurden die Juden (durch einen Gesetzesautomatismus) staatenlos gemacht und dann jenseits der Grenzen des Reiches vernichtet (vgl. Hannah Arendt).
Das homousia ist nicht nur eine Manifestation des cäsarischen Gewaltmonopols, sondern seit seiner konstantinischen Dogmatisierung der Rechtfertigungsgrund des Gewaltmonopols des Staates (Grenz- und Wasserscheide der Zivilisation).
Daß „die Theologie heute klein und häßlich ist und sich ohnehin nicht darf blicken lassen“ (Walter Benjamin), hängt mit der Geschichte des Zerfalls der staatlichen Strukturen (Faschismus, Holocaust, Unmöglichkeit eines Friedensvertrages nach den Weltkriegen), dem Rückfall in Naturgeschichte, der Unmöglichkeit, ökonomische Macht nochmal zu domestizieren, und dem damit (mit dem Zerfall des Staates) zusammenhängenden Zerfall der Logik, des argumentativen Denkens, zusammen. Adornos Bemerkung, daß die Studenten heute nur noch heraushören, wofür oder wogegen einer ist, sonst aber an sachlicher Argumentation nicht mehr interessiert sind, hat darin ihr fundamentum in re.
Die Menschen können den Gedanken an Gott, unabhängig von den damit begründeten gesellschaftlichen Institutionen, Normen und Abhängigkeiten, nicht mehr denken, weil sie ihn nicht mehr ertragen: Die darin (in der Gottesfurcht) liegende Autonomieforderung, die nicht mehr zuläßt, sich hinter der kollektiven Absicherung eines Bekenntnisses (zur Konfession, zum Staat) und d.h. hinter dem Weltbegriff, auf dessen Sanktionierung jedes Bekenntnis hinausläuft, zu verstecken, ist nicht mehr zu erfüllen.
Begriff und Schluß sind durchs Urteil vermittelt, beide drücken die Gewalt des Schuldzusammenhangs aus.
Ambivalenz des Bindens und Lösens: Auch das Millenarium ist eine Geschichte des Bindens und Lösens; es gründet im Binden des Drachens und endet mit seiner Lösung. Aber die Dialektik des „je schlimmer, umso besser“ (die Säkularisierung der Lehre vom Antichrist) dürfte nach dem Faschismus nicht mehr zu halten sein.
Das Heideggersche „In-der-Welt-Sein“ bezeichnet den Ursprungs-und den Wendepunkt der Bekenntnislogik, ihren irreversiblen Verfall an die Ambivalenz.
Hält nicht die Ilias und Odyssee, eigentlich das Epos überhaupt (wie das Gilgamesch-Epos, die Aeneas und auch das Nibelungenlied) die entscheidende Phase der Ursprungsgeschichte des Patriarchats (des Privateigentums, der Ehe, des Geldes und der Schrift) fest: die Geschichte der vaterlosen Söhne und ihrer Auseinandersetzung mit den Müttern? Und gibt es eine Beziehung zwischen Sodom und Gomorra und der Geschichte von Troja?
Zusammen mit der Entdeckung der Flächengeometrie (des Winkels) entsteht die menschliche Skulptur, zusammen mit der Geometrie des Raumes (der Entdeckung der Perspektive und des Inertialsystems) das Portrait. -
29.03.92
Der Raum (Inbegriff des „Hinter dem Rücken“) ist das Nichts, aus dem der Demiurg die „Welt“ (das System aller Prädikate) erschaffen hat, und zwar als dreifaches Nichts.
Die These scheint begründbar zu sein, daß der Weltbegriff erfunden wurde, um die Herrschenden gegen Kritik abzuschirmen. Der Weltbegriff lebt von der eingebauten Logik der Identifikation mit dem Aggressor. Und er ist die automatisierte (und unkenntlich gemachte) Verletzung des achten Gebots: Du sollst kein falsches Zeugnis geben wider deinen Nächsten.
Ist die Simson-Geschichte ein Astralmärchen?
Die kantische Vorstellung vom Chaos des Gegebenen – eine Zwangsvorstellung, soweit sie dem Zwang der transzendentalen Logik gehorcht – bezeichnet präzise die chaotische Struktur des Dativ in einer vom Akkusativ beherrschten Vorstellungswelt: die Verwandlung von Gnade, Barmherzigkeit (der rechten Seite) in Chaos. Hiermit hängt es zusammen, wenn die Menschen das (aktive wie passive) Schenken verlernen, zwangshaft jedes Geschenk am Tauschprinzip messen.
Linken Autoren scheint generell der Gebrauch des Konjunktiv suspekt geworden zu sein. Ein Verdacht, der – wie auch immer er begründet erscheinen mag – im Indikativ ausgesprochen wird, kann nur als Unterstellung erfahren und „zurückgewiesen“ werden. -Sprache als Kriegssprache: Der Indikativ als Eroberungsversuch, als Versuch, ein dem Feind gehörendes Gelände zu besetzten. Aber nur wenn das Moment des Verdachts am Verdacht festgehalten und keine Gewißheit supponiert wird, wird auch die Schuldsolidarität festgehalten, verschwindet das Feinddenken.
Auch Robert Kurz scheint dem Tausch-Paradigma verfallen zu sein, seine Beziehung zum Schuldzusammenhang (Ursprung des Geldes in der Schuldknechtschaft) nicht zu durchschauen.
Name und Angesicht: die Grenzen des Raumes (des Inertialsystems) gegen das An sich. Gibt es einen Zusammenhang des Angesichts und der benennenden Sprache mit Licht und Schwerkraft?
Die Form der Raumes (der äußeren Anschauung) ist der Grund dafür, daß wir als Urteilende immer auch Objekte unserer eigenen Urteile sind. Als Urteilende sind nicht nur die Anderen Andere für uns, sondern wir sind auch Andere für Andere.
Der Titel Weltbild zeigt nur noch einen Kontenpunkt der paranoischen Struktur der Welt an.
Die Erkenntnis des Guten und Bösen ist die erste Gestalt der Unterscheidung von Innen und Außen, der Ursprung des Innen-Außen-Paradigmas.
Der Wiederaufbau und die Sanierung unserer Städte hatte u.a. auch diese Wirkungen: die Abschaffung der Vergangenheit und die Schaffung von Bedingungen, unter denen Arme nicht mehr leben können.
Der Staat gründet auf dem Opfer, und zwar konkret auf dem Menschenopfer; die letzte Erinnerung daran war die Todesstrafe. Und mit der Abschaffung der Todesstrafe wurde auch diese Erinnerung an den Ursprung des Staates beseitigt, und der Staat ist vollends böse geworden.
Gewalt bezeichnet die Fähigkeit zu töten. Deshalb drückte sich das Gewaltmonopol des Staates vorab in seiner Kompetenz, die Todesstrafe zu verhängen, aus. Der Todesstrafe aber bedarf es nicht mehr, wenn die andere Potenz, die die Macht zu töten, in sich enthält, nämlich das Eigentum, das schon von sich aus leistet.
Eigentum und Gemeinheit: Gewalt ist heute deshalb nicht mehr domestizierbar, weil sie in die Formen der Gemeinheit gerutscht ist. Gemeinheit ist nicht an sich, sondern nur dort, wo sie auch die Gestze verletzt, ein Straftatbestand; wäre sie es an sich, müßte das Eigentum abgeschafft werden. Und nicht mehr Kriminalität an sich, sondern nur noch Dummheit und Armut (Reichtum verbunden mit Dummheit, jedoch Armut, auch wenn sie schlau ist) stehen heute in der Gefahr, in die Hände des Rechtsstaats zu fallen.
Im Augenblick bricht mehr zusammen als nur der real existierende Sozialismus. An allen Ecken und Enden tauchen „Grenzfragen“ auf; und hierbei zeigt sich, daß Grenzfragen nicht mehr nur Grenzfragen sind, sondern mit aller Deutlichkeit auf den naturgeschichtlichen Aspekt des Eigentumsbegriffs hinweisen.
Heute schützt das Militär keine Grenzen mehr (dazu gab es in der BRD dann auch schon den „Grenzschutz“), sondern das Kapital (den Eigentumstitel) direkt. Das ist der Grund für die Existenz der Folter in der Welt.
Die gegenwärtige Verfassungsdiskussion hat etwas Hilfloses. Das Gefühl drängt sich immer mehr auf, daß auch eine neue Verfassung an den Grund der Dinge nicht mehr rührt, daß der vorentschieden ist insbesondere dadurch, daß wir in einer Welt leben, in der eine Versöhnung (eine Bestimung der Grenzen des Staates nach Außen und nach Innen) durch einen Friedensvertrag nicht mehr möglich ist, weil die Ökonomie nationalstaatlich nicht mehr zu domestizieren ist. Das war das realgeschichtliche Problem von Versailles, das nach dem zweiten Weltkrieg zusätzlich in der nicht wirklich gelösten Rechtsproblematik der Nürnberger Prozesse (dem Versuch, ein zwischenstaatliches Problem mit Hilfe des Strafrechts zu lösen) sich manifestierte.
Nicht die Identität sondern die Differenz der Genealogien des Kain und des Kenan ist entscheidend (ähnlich wie in den Fällen Jahwe und Elohim, Hebräer und Israeliten). Sie hat auch zu tun mit den Brüder-Problemen: Kain und Abel, Ismael und Isaak, Esau und Jakob. Lot hingegen war ein Neffe Abrahams. – An die Patriarchenzeit erinnern Moab und Ammon, Ismael und Edom.
Hat Ilias etwas mit El und Troja mit Jahwe zu tun? Und woher stammt die Verbindung von Edom und Rom (Heine)?
Der Raum ist die Brille, die die Schöpfung zur Natur verhext und die Barbaren produziert: Und die „subjektive Form der Anschauung“ ist nur zu verstehen als „Brille“, durch die hindurch wir die Welt sehen. „Da gingen ihnen die Augen auf, und sie erkannten, daß sie nackt waren“: Sie erkannten sich hier zum ersten Mal im Blick des Andern.
Wie hängt der Turmbau zu Babel mit dem Paradies zusammen: Beide bezeichnen Angelpunkte in der Urgeschichte der Sprache, und beidemale kommt Gott hernieder.
Die Orthogonalität des Raumes und die Trennung der drei Dimensionen im Raum (die Existenz der drei Freiheitsgrade des Raumes) hängen mit seiner Beziehung zur Zeit, zur Materie und zum Raume selbst im Inertialsystem zusammen.
In der Vorstellung des unendlichen Raumes war Auschwitz tendentiell mit angelegt.
Der biblische Charakter des Buchs der Richter scheint sich mir auch darin anzuzeigen, daß keine Pferde darin vorkommen (während Pferde auch religionsgeschichtlich mit dem Sonnenkult zusammenzuhängen scheinen).
Die Entfremdung ist die Verfeindung. Und das Gebot der Feindesliebe ist auch als Gebot, die Entfremdung aufzuheben, zu verstehen.
Der Kubismus war ein Angriff auf die Perspektive: So hing er mit der Russischen Revolution zusammen. -
26.03.92
Das Konzept von Robert Kurz ist – wie es scheint – doch noch arg idealistisch: Der Sprung in die Utopie (Abschaffung der Arbeit, des Geldes und der Warenform) ist überhaupt nicht durchsichtig und scheint sich einer redundanten, selbstreferentiellen Logik zu verdanken (Vergleich: Kritik der „klassischen Physik“ durch die Kopenhagener Schule). Ein Heisenberg des Marxismus (sucht auch eine Weltformel)?
Wo sieht er in der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts die empirische Entwicklung, die einen direkten Anhaltspunkt für die eben deshalb als dunkel erscheinende Logik der Marxschen Kritik biete? (S. 88)
Ist Robert Kurz ein Sabbatai Zwi des Marxismus?
S. 99: Dieser Schein ist nicht endgültig verflogen, sondern er verknotet sich hier zur Undurchschaubarkeit, und daraus scheint Robert Kurz zu glauben, die Befreiung ableiten zu können.
Das sieht mir doch etwas zu sehr nach ökonomischer Elementarteilchenforschung aus. Und eine Sackgasse für einen Ausweg zu halten, macht keinen glücklichen Eindruck.
Bei aller notwendigen Kritik an der Kasernenhofwirtschaft des Ostens ist doch nicht zu leugnen, daß auch ein Wirtschaftskrieg geführt worden ist, so wie heute immer noch ein Wirtschaftskrieg gegen Kuba geführt wird; auch die westliche Gestalt des Kapitalismus hat ihre in vieler Hinsicht militaristischen Aspekte (die Rüstung ist ein reales ökonomisches Systemproblem: ihre explosive Ausdehnung nach dem zweiten Weltkrieg verlief in direkter Abhängigkeit von der ebenso explosiven Ausdehnung des Bankgeschäfts, zur Absicherung des aggressiven Kredit- und Geldgeschäfts und als Mittel zur Disziplinierung der Armen draußen und drinnen). Die Rüstungswirtschaft ist keine bloße Kriegswirtschaft, und ein nicht unerheblicher Teil der Friedenswirtschaft ist längst ein Teil potentieller Kriegswirtschaft: der kalte Krieg war der Motor der Weltraumforschung, der Atom- und Automobilindustrie und des Wirschaftswunders in der BRD.
Zusammenhang der explosiven Ausbreitung des Bankengeschäfts, der Armut, der Schuldenkrise in der Dritten Welt und der Rüstung. Der Kolonialismus war ähnlich wie die Sklaverei in dem Augenblick überflüssig, in dem es andere Mittel gab, die den gleichen Zweck erfüllten.
Der steigende Anteil des fixen, gebundenen Kapitals an der Produktion wird gespeist durch Kredite, durch Schuldenkapital. (Zusammenhang von Credo und Kredit?)
Zu kurz kommt das Problem der organischen Zusammensetzung des Kapitals und seiner Nachkriegsgeschichte (mit dem tendentiellen Sinken der Profitrate, das nur scheinbar aufgefangen wird durch das ökonomische Gravitationsgesetz, das die Reichen immer reicher und die Armen immer ärmer macht). Kern des Mega-Schuldverschubsystems.
Eindruck, daß Robert Kurz gelegentlich fehlende analytische Fähigkeiten durch (projektive) Polemik ersetzt (Hinweis auf einen unvermeidbaren logischen Defekt jeder linken Theorie?).
Der Weltbegriff als Schuldverschubsystem und Schuldverdrängungsmaschinerie?
Der Weltbegriff schließt tendentiell die Barbaren aus, das aber heißt: er schließt die Hebräer aus; er schließt die aus, die bara bara sagen; er schließt eben damit den Schöpfungsbegriff aus und mit dem Schöpfungsbegriff den Namen des Logos und die Reflexion der Schuld der Welt.
Dieser Schuldbegriff wird in der Vorstellung der absoluten Abhängigkeit der Kreatur (und in dem davon abhängigen diffamatorischen Gebrauch des Kreaturbegriffs) falsch reflektiert. Die absolute Abhängigkeit ist die Abhängigkeit vom Schicksal, während durch die Beziehung zur Schöpfungsidee gerade die Aufhebung, die Auflösung des Schicksals und der Vorstellung der Abhängigkeit von einem Übermächtigen einzig möglich ist.
An den Ursprungszusammenhang mit der Schuldkechtschaft erinnert noch der Begriff des Symbolum, und zwar nicht sein Begriff, sondern auch sein Inhalt, das Dogma (Trinitätslehre, Christologie, Opfertheologie).
Was hat zu bedeuten, wenn die Pharisäer an die Auferstehung und die Engel glauben, die Sadduzäer hingegen nicht?
Was drückt sich geschichtsphilosophisch darin aus, wenn
– nach dem zweiten Weltkrieg ein Friedensschluß nicht mehr möglich war (Rechtssetzung als Grenzsetzung),
– es möglich war, das Strafrecht auf die Politik und die Regierenden selber angewendet wurde (wie jetzt wieder gegen Honecker),
– und in Deutschland die Todesstrafe abgeschafft wurde?
Sind Faschismus und Auschwitz nicht doch nur vor diesem Hintergrund real zu begreifen, und sind diese Folgen nicht doch reale Folgen des Faschismus und des Holocaust?
Die Rüstungsexplosion ist ein Indiz für den Rückfall in Naturgeschichte.
Ergänzend zu Walter Benjamin wäre festzuhalten, daß Schicksal und Charakter nicht nur begrifflich, sondern geschichtsphilosophisch geschieden sind. Auch hier gilt: Wo Schicksal ist ist kein Charakter, und wo Charakter, kein Schicksal. Der Charakter entspringt in der gleichen Bewegung, in der das Schicksal verinnerlicht wird. In dem gleichen Prozeß entspringt der Weltbegriff.
Wenn das homologein („bekennen“) auf den Namen des Logos sich bezieht, der Logos in der Übernahme der Sünde der Welt sich konstituiert, dann wird auch der Begriff des Bekenntnisses verständlichen: es ist in der Tat ein Schuld-Bekenntnis.
Nach der Vergebung der Sünden kommt die Auferstehung der Toten.
„Wer nicht für mich ist, der ist wider mich“: Dieser Satz hat von seinem Kontext her eine andere Bedeutung als Adorno unterstellt, und er ist erst durch die Bekenntnislogik direkt und unmittelbar böse geworden (Teil des autoritären Syndroms).
Der Prozeß der Verinnerlichung des Schicksals und der Genesis des Begriffs, die Entzündung des Subjekts im Schicksal (oder des Subjekts durch Infektion durchs Schicksal), müßte an der Geschichte der Vorsokratiker nachzuvollziehen sein.
Der Ausdruck „Entfremdung“ ist insoweit korrekt, als er einen Vorgang bezeichnet, in dem das Moment der Fremdheit aus den Dingen verdrängt wird, der die Dinge zu Dingen für mich macht (Stichwort: Das Eine ist das Andere des Anderen).
Unkenntlich gemacht wurden in der Geschichte der Philosophie jene Momente, die die Erfahrung des Schicksals kennzeichnen:
– die Bindung an die Schuld,
– Erfahrung des Zweideutigkeit und
– der Schrecken.
Diese drei Momente sind im Begriff des Objekt und der Materie untergangen.
Alle Logik ist Schicksalslogik; der logische Zusammenhang ist ein Schuldzusammenhang und hat teil an der Zweideutigkeit dieses Schuldzusammenhangs, die nur durch die „List der Vernunft“ sich zur Dialektik domestizieren läßt.
Die „verandernde Kraft des Seins“ ist die präziseste Bestimmung des im Sein unkenntlich gemachten Schicksals.
Wenn es denn eine Beziehung Rosenzweigs zu Heidegger gibt, dann liegt sie darin, daß Rosenzweig die Zweideutigkeit, die Heidegger bloß ausbeutet („Sinn des Seins“), aufschlüsselt. Diese Beziehung ist ähnlich invers wie die der Hebräer zu den Barbaren.
Gewitzt ist der, der andere über die Opfer seines eigenen Handelns zum Lachen bringt, und das heißt: jede mögliche Solidarität mit den Opfern schon im Ansatz erstickt..
Die dialektische Beziehung des Lachens zur Waffe drückt sich im Begriff der Entrüstung aus. (Wie hängen Entrüstung und Entfremdung zusammen?)
Der biblische Begriff des Fremden hängt sprachphilosophisch mit der Reflektion des Schreckens zusammen, der sich grammatisch im Gebrauch der dritten Person (Sing. und Pl.) ausdrückt; er hängt mit den Begriffen des Schreckens und des Opfers zusammen, die beide im Ursprung des Begriffs der dritten Person erinnert werden. Die Philosophie ist auf dieser Versachlichung, die sich im Gebrauch der dritten Person ausdrückt, abgefahren; das war sozusagen ihre Geschäftsgrundlage. Dagegen hat die jüdische Tradition genau das, was hier verdrängt wird, erinnert und aufbewahrt. Gegen den Hegelschen Satz, daß das Eine das Andere des Anderen ist, hält die jüdische Tradition daran fest, daß darüber das Eine nicht vergessen werden darf. Diese Differenz, die an den Begriff des Fremden sich anschließt, drückt sich in der Differenz von Barbaren und Hebräern aus. Abraham war ein Hebräer, und er lebte als Fremder im Land, d.h. als „Barbar“. Der heutige diffamatorische Gebrauch des Kreaturbegriffs erinnert an diesen Zusammenhang: des Selbstbewußtseins der Fremdheit mit der Schöpfungslehre, mit dem bara. Die Objekte des bara, nämlich Himmel und Erde, die großen Seetiere und der Mensch (als Ebenbild Gottes, als Sein Ebenbild – Übergang Gottes in die dritte Person – , als Mann und Weib), sind die Reflexionsgestalten der Fremdheit, die im Begriff der Schöpfung sich selbst begreift.
Zur Differenz von Natur und Schöpfung; Zusammenhang beider mit dem Schuldbegriff: Beide verhalten sich zu einander wie der Name des Barbaren zu dem des Hebräers.
Schicksal und Charakter: Wer die Sünde der Welt auf sich nimmt, muß die Verantwortung für seinen eigenen Charakter übernehmen. Der Charakter aber drückt sich aus im Gesicht, und d.h.: er muß sogar die Verantwortung für sein Gesicht auf sich nehmen. Beziehung zu Antlitz und Angesicht?
Zu Derrida: Wenn es eine Beziehung des Begriffs der göttlichen Gewalt zu Auschwitz, zum Holocaust, gibt, dann läßt er sich einzig beziehen auf die Urheber, auf die Täter; und erst der Schrecken, der dem Anblick dieser göttlichen Gewalt entsprechen würde, wäre die angemessenste Bestimmung der Gottesfurcht heute.
Der prophetische Kampf gegen die Idolatrie war der Kampf gegen das Vergessen. Was die Hegelsche Idee als Natur frei aus sich entläßt, ist präzise das Deckbild dessen, was in der Hegelschen Erinnerung der Idee vergessen wurde, und dieses Vergessen ist eine Leistung des Begriffs. -
25.03.92
„Vom Fresser kommt Speise, vom Starken kommt Süßes“ (Ri 1414), oder zur Kritik des Darwinismus: Das wirkliche Fressen und Gefressenwerden findet nicht mehr in der Natur, sondern in der Gesellschaft statt und läßt sich an der Veränderung der Funktion des Gebrauchswerts demonstrieren: Es gibt keinen Tausch- ohne Gebrauchswert, und zu den Gebrauchswerten zählen nicht mehr nur so schöne Dinge wie der Gänsebraten, der Wein und das schöne Kleid, sondern auch die Arbeitskraft und das „sinnliche Ding“, die Frau. Und Konsumenten sind nicht nur die heute so genannten „Endverbraucher“, sondern die instrumentalisierten Produkte selber: vorab das „Instrument an sich“, der Staat, aber auch jeder Betrieb, der Arbeitskräfte und know how konsumiert, sowie die Wohnung und die dauerhaften Gebrauchgüter, insbesondere die technischen Geräte, die Wasser, Energie und die Erhaltungs-, Renovierungs- und Wiederbeschaffungskosten konsumieren. Das Auto ist heute schon teurer und wichtiger als Kinder (die tendentiell zu „unnützen Essern“ werden: Grund der sinkenden Geburtenrate). Wir füttern die Maschinerie, die uns ernährt, und ihre Unterhaltung wird langsam so teuer, daß die Frage, wie lange wir sie uns noch leisten können, nur deshalb nicht gestellt wird, weil keine Alternative sichtbar ist. Sofern es daran liegen sollte, daß etwas den Blick verstellt (Grund des Verblendungszusammenhangs), wäre auf den Inbegriff der instrumentalisierten Produkte hinzuweisen: auf den Begriff der Welt. Transzendentales Subjekt dieser Welt ist die subjektlose (gleichsam tierische, behemothische) Maschinerie, nachweisbar an der logischen Konstruktion des Wertbegriffs, den Robert Kurz nur deshalb mit dem „schlechthin Guten“ in Verbindung bringen kann, weil er das Subjekt zu dem im Wertbegriff versteckten Urteil: die Welt, nicht sieht.
Nochmal Ri 1414: Kurzfassung der Kritik der politischen Ökonomie des Faschismus. -
23.03.92
Der Turmbau zu Babel: Bezeichnet nicht das Herniederfahren Gottes den Ursprung der Idolatrie?
Das Gesicht, das die Propheten schauen, hängt mit dem Licht zusammen, das durchs Wort geschaffen wurde; sein Licht ist ein sprachliches Licht, und es selbst ist ein innersprachliches Gesicht.
Wahrheit und Gerechtigkeit begründen sich gegenseitig ohne Redundanz. D.h. zur Wahrheit gehört auch das Erkennen des Unrechts: Es gibt keine Idee der Wahrheit ohne die Kritik der Welt. -
22.03.92
Ägypten ist ein Sklaven- und Arbeitshaus (ein eiserner Schmelzofen), Babylon eine Handels- und Kriegsmacht.
Sünde der Welt, oder Bemerkungen zum Weltbegriff und Elemente einer theologischen Erkenntniskritik.
Die Sünde der Welt, die Autorität der Schrift und der Logos. Das Verständnis der Autorität der der Schrift, das der Kanonbildung zugrundelag, enthielt die Tendenz zur Islamisierung in sich. Die reale Autorität der Schrift erschließt sich nur dem, der ihre Inspirationsquelle sucht, der sie als Medium des Zugangs zu der Inspiration begreift, aus der die Schrift erwachsen ist. Die Autorität wird falsch verstanden, wenn die Schrift zum Steinbruch wird, aus dem man Zitate herausschlagen kann, um schriftfremde Konstrukte damit zu beweisen.
Wenn von der Aufklärung nur die Tradition des Herrendenkens übrigbleibt.
Die Vorstellung vom „edlen Wilden“, die mit dem Konzept des „christologischen“ Naturbegriffs (der Hypostasierung des Opfers und der Depotenzierung der Sprache) zusammenhängt, gehört mit zu den Ursprüngen der modernen Barbarei.
Daß nach dem letzten Krieg ein Friedensvertrag nicht mehr möglich war, hängt damit zusammen, daß das Faschismusproblem bis heute politisch nicht aufgearbeitet werden konnte: Es konnte unter Anwendung des Schuldverschubsystems nicht aufgearbeitet werden, weil es selber der Inbegriff dieses Schuldverschubsystems war (und noch ist).
Ist dieser Zusammenhang nicht in der Geschichte der Physik, insbesondere der sogenannten Kopenhagener Schule, ablesbar? Die Kopenhagener Schule war zum Westen hin, trotz der Differenzen (bzw. nach Verwischung der Differenzen) im einzelnen, frontübergreifend; und die innerdeutsche Auseinandersetzung mit der Deutschen Physik hatte hier nur Alibifunktion. Der Schlüssel zur wirklichen Selbstaufklärung, das Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit, wäre nur nutzbar gewesen bei gleichzeitigem Verzicht auf Teilhabe an der Macht (in Rüstung und Wirtschaft). -
21.03.92
Sprachen, Völker und Nationen: Wie heißen diese Begriffe im Urtext, und welche Differenzen drücken sich in diesen Begriffen aus? Verdankt sich die Neigung, Sprachen mit Völkern (vgl. Sumerer, Hebräer, Indogermanen u.ä.) gleichzusetzen, nicht der gleichen Logik, der sich jegliche Verdinglichung, bis hin zur Atomphysik, verdankt (Futur II als innersprachliche Voraussetzung der Hypostasierung, des hypokeimenon)?
Zum Fall Drewermann: Unter christlichen Prämissen lassen sich aus dem Opfer-Sein ohne blasphemische Konsequenzen keine Rechte ableiten. Die Vergöttlichung des Opfers ist nicht übertragbar, weder auf die Natur, noch auf das leidende Subjekt.
Drewermann ruft die Welt zum Zeugen seiner Anklage gegen die Kirche, die in seinem Falle allerdings nicht nur Täter ist, sondern zugleich Produzent der Welt, an die er appelliert.
Sündenfall, Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen, Urteilsform, Objektivation und Instrumentalisierung, Inertialsystem, Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit. Und das Licht ist das erste und das einzige Erschaffene, das rein durchs Wort erschaffen worden ist.
Es gibt einen Trost, der einen Angriff auf die Würde des Menschen darstellt: es ist der Trost, der davon ausgeht, daß den Menschen die Wahrheit nicht zugemutet werden darf (der Trost der Ärzte und der Theologen).
Die Frage der Frauen: Wer wälzt den Stein vom Grabe? hat auch einen geschichtstheologischen Aspekt.
Der Logos konstituiert sich in seiner Beziehung zur Sünde der Welt. Wird Gottes Wort gelesen, nicht gehört, ist es Schrift, nicht gesprochenes Wort? Was trennt das Angesicht Gottes von dem der Menschen (seinem Abbild), und worin liegt die tödliche Gefahr des „von Angesicht zu Angesicht“? (Was unterscheidet das Antlitz vom Angesicht? – Vgl. das „Antlitz deines Gesalbten“, Ps. 8410, „Denn deinetwegen trage ich Hohn, hat Schande bedeckt mein Antlitz“, Ps. 698, und das Angesicht Gottes, des Herrn, Adams u.ä.)
Die Ersetzung der „Übernahme“ (der Sünde der Welt) durch „Hinweggenommen“ ist eine Konsequenz aus der Bekenntnislogik, ein Teil ihrer verdinglichenden Gewalt. Es begründet zusammen mit der Opfertheologie, zu der es gehört, die Bekenntnisbindung, die sich aus der Bekenntnislogik herleiten läßt. Ist es diese Bindung, deren Lösung der Kirche heute aufgegeben ist (gordischer Knoten und Weltbegriff).
Hegels Satz „Das Eine ist das Andere des Anderen“ ist nur dann wahr, wenn der Bruch, der darin sich ausdrückt, festgehalten wird. Es stimmt: Das Eine ist das Andere des Anderen, aber es geht darin nicht auf (außer als Totes: Deshalb „Laßt die Toten ihre Toten begraben“).
Wer am positiven Begriff des Rechts festhält, ist hilflos dem Selbstmitleid (der Klage, der objektlosen Anklage) ausgeliefert, dem er verfällt, wenn ihm selber Unrecht geschieht. Adornos Satz: „Heute fühlen sich alle ungeliebt, weil keiner zu lieben fähig ist“, bezieht sich genau auf diesen Sachverhalt.
Das Ewige ist versprengt, und der Sprengsatz war die Trinitätslehre als Statthalter der Subjektivität im Ewigen.
Die kantische Lehre von der Subjektivität der Form der äußeren Anschauung gehorcht, ohne es zu wissen, dem Nachfolgegebot („Nehmt euer Kreuz auf euch …“).
Kants Philosophie ist eine Wasserscheide im Sinne des zweiten Schöpfungstages.
Konstantin ist insoweit der Erbe Alexanders, als auch er mit seinem Eingriff im Konzil von Nizäa (?) den „gordischen Knoten“ (der hier näher bestimmt wurde, als das homousia in die Theologie eingeführt wurde) nachmals durchschlagen hat.
Während in den Genealogien die Generationen-Beziehung auf die Zeugung reduziert wird, und die Mütter verschwiegen werden, sind sie in der Jesus-Geschichte vom Johannes wieder benannt worden im Begriff der Welt. Die Übernahme der Sünde der Welt reflektiert den mütterlichen Anteil an der Trinitätslehre. In der materia die mater heraushören, heißt den feministischen Anteil an der Philosophie und Theologie wieder in seine verlorene Würde einsetzen (vom „Weib, was habe ich mit dir zu schaffen“ bis hin zum „Siehe da deine Mutter“).
Hegels Wort, daß die Idee die Natur „frei aus sich entläßt“ stimmt in mehrfacher Hinsicht:
a) Historisch: Voraussetzung der Vergegenständlichung der Natur, des Ursprungs der Naturwissenschaften, ist die Geschichte der Vergegenständlichung, die sich durch die Geschichte der Philosophie und Theologie hindurchbewegt. Und
b) Begrifflich-strukturell: Das, was dann als Naturbegriff hervortritt, hat Anteil am christologischen Vorurteil, in den Naturbegriff geht die Logik der Vergöttlichung des Opfers mit ein, die in der dogmatischen Theologie System geworden ist.
Der Name des Logos ist auf die jüdische, nicht auf die griechische Tradition zu beziehen, auf die benennende Kraft der Sprache, nicht auf die objektivierende, subsumierende Gewalt des Begriffs.
Ich habe die Richter eigentlich immer als das jüdische Pendant zu den griechischen Heroen verstanden. Und mir scheint, der „Triumph der Ironie“ ist die genaue jüdische Antwort auf auf die griechische Vergöttlichung des Heros.
Zum theologischen Gebrauch des Begriffs der „gefährlichen Erinnerung“: Gefährlicher als die Erinnerung ist das Nicht-Erinnern, das Verdrängen.
Die Ontologie – und vergleichbar ist das Kopenhagener Physik-Verständnis – läuft auf eine Beziehung zur Welt hinaus, die den Vorteil hat, daß sie den Betrachter (d.h. nur für sein eigenes Bewußtsein, als Schein) in den Stand der Unschuld versetzt: Daß man die Last der Verantwortung auf das Sein abwerfen und sogar das eigene Handeln in ein neutrales Geschehen, in ein Objekt des Zuschauens verwandeln kann. Das Sein ist der Sündenbock, und deshalb göttlich. Damit hängt die Funktion der Fundamentalontologie bei der Genese und Erhaltung des „pathologisch guten Gewissens“ und der Gemeinheitsautomatik zusammen; die Fundamentalontologie ist aus ihrer eigenen Logik heraus faschistisch und antisemitisch.
Der „Kampf gegen den inneren Schweinehund“ war das subjektive Korrelat des Antisemitismus und der Endlösung. Wenn Israel der Augapfel Gottes ist, dann ist der Antisemtismus der Kampf gegen das eigene Gewissen.
Heute ist schon das nackte Überleben blasphemisch.
Gibt es eine innere Affinität des Derridaschen Konzepts der Dekonstruktion zum klerikalen Antiklerikalismus Drewermanns? Sind nicht beide abhängig von einem gleichsam „islamischen“ autoritären Text- und Wahrheitsverständnis, von einem schicksalhaften Autoritätsverständnis?
Es gibt zwei Formen der Beziehung von Texten zu Handlungen („Theorie und Praxis“). Entweder die Texte eröffnen den Freiraum für die Umkehr, oder sie sind Rechtfertigungen vergangener Handlungen. Diese zweite Form der Beziehung wird fälschlich immer wieder (zuletzt bei Derridas Lektüre von Benjamins „Kritk der Gewalt“) als Kausalbeziehung von Texten zu Handlungen verstanden, die es jedoch so nicht gibt. Was so aussieht, ist nur die weiter wirkende Rechtfertigung von Handlungen, die sich aus anderen Ursachen: insbesondere aus undurchschauten Zwängen herleiten. Und was man solchen Texten vorwerfen kann, ist nur, daß sie nicht geeignet waren, diese Zwänge aufzulösen. Überzeugen ist unfruchtbar.
Die Naturwissenschaften sind ein Korrelat der ohnmächtigen moralischen Urteilslust, der Empörung. Beide, die moralische Urteilslust und die Empörung, sind Instrumente der Rechtfertigung, der Exkulpation, des Schuldverschubsystems und der Gemeinheitsautomatik, und hängen insoweit mit den Naturwissenschaften zusammen -
19.03.92
Das Problem des Rechts ist
a) das empirische und logische Problem der Objektivität des Beweises: Nicht zufällig gehören zu den ersten Gesetzen Bestimmungen über die Beweiskraft von Zeugen; und das erste Beweisproblem war das der Vaterschaft (wer bezeugt seine Zeugenschaft? Rühren hierher die Probleme der Beweiskraft weiblicher Zeugenaussagen: Sind Frauen grundsätzlich befangen? – Das Zeugnis erübrigt sich im Falle eines Bekenntnisses) und
b) in unmittelbarem Zusammenhang damit das sachliche Problem, daß Gemeinheit kein strafrechtlicher Tatbestand und Macht nicht justiziabel ist. -
18.03.92
Opfer, Heros, König, Messias: BILD und SUPER verschaffen (produzieren) der zweiten Schuld die erforderlichen Projektionsobjekte: In den Monarchien sind es die Königshäuser, die die Aufgabe der stellvertretenden Sühne übernehmen; in der durch den Faschismus hindurch demokratisierten deutschen Gesellschaft kann jeder zum stellvertretenden Opfer für alle werden (allerdings auch nicht ohne den Lohn der Vergöttlichung: in der Gestalt des autoritären Charakters; die letzte Gestalt des säkularisierten Gottes ist der Faschist).
Hängt es hiermit zusammen, daß es in Monarchien keinen Staatsanwalt, sondern einen öffentlichen Ankläger gibt, und daß hier Indiskretionen nur gegen öffentliche Personen zulässig sind (während in Deutschland niemand besser gegen Indiskretionen geschützt ist als ein Politiker der richtigen Couleur; schutzwürdig ist hier seit je vor allem die Privatsphäre der realen Macht; seit dem Barock hat in Deutschland insbesondere die Macht ihre Privat- (d.h. Intim- und Geheim-)sphäre, die nicht aufgedeckt werden darf: das war der deutsche Weg der Entzauberung, der Weg in den absoluten Staat). -
13.03.92
Das Kommen des Messias im „Zeichen der Fische“ (S. 183).
Wie hängen
– Welt, Mensch, Gott
– Herrschafts-, Schuld- und Verblendungszusammenhang
– Begriff, Urteil, Schluß
– Verdrängung, Verschiebung, Projektion (das Instrumentarium des Verdachts)
mit der Struktur des Raumes zusammen?
SUPER und BILD scheinen die Funktion zu erfüllen, dem ungeheuren Entlastungsbedürfnis der zweiten Schuld die Opfer vorzuführen, an denen die Last per Projektion abgeführt werden kann, wobei in BILD das objektive Moment (die Präsentation der Bilder) anklingt, während SUPER das energetische Moment bezeichnet: SUPER erinnert nicht zufällig an Super bleifrei, Super plus, oder auch an Warenbezeichnungen für den gehobenen Konsum, oder einfach an das räumliche super im Sinne von Über: von Urteil, Empörung und Erhebung, an.
Beziehung zu Tratsch und vergifteter Nachbarschaft, Zusammenhang mit den Serien, die künstliche Nachbarschaften für Voyeure produzieren.
BILD und SUPER industrialisieren den Tratsch: die bewußte und organisierte Verletzung des achten Gebots (Du sollst kein falsches Zeugnis geben wider Deinen Nächsten); sie sind der vergeistigte Erbe der Gladiatorenkämpfe (hier werden die Opfer den wilden Tieren vorgeworfen, zu denen man selber gehört). Sie sind der zwangshaft immer wieder neu zu führende Beweis, daß Gemeinheit kein strafrechtlicher Tatbestand ist.
BILD-Lesen und Jogging erfüllen vergleichbare Aufgaben.
Hitler hat den Krieg durch seine Niederlage gewonnen; ähnlich scheint es jetzt mit der sogenannten Stasi-Diskussion, der BILD und vor allem SUPER zuarbeiten, zu laufen.
Heute stellt die Kirche nicht nur ihr Licht unter den Scheffel, sie betet den Scheffel an.
Die Vorstellung des unendlichen Raumes ist die Grundlage und das genaue Äquivalent dessen, was Heidegger das „Vorlaufen in den Tod“ nennt. Sie schafft die Identität von Empörung und Niedertracht, die die Heideggersche Geworfenheit zu einem Euphemismus der Verworfenheit macht.
Nach Kopernikus und nach Kolumbus, d.h. nach der Entdeckung des heliozentrischen Systems und der empirischen Bestätigung, daß die Erde rund ist, wird mit dem Begriff des Innen nur noch die Hölle bezeichnet.
Hängt der Ursprung der Vorstellung des Raumes mit der zweifachen Scheidung zusammen: des Lichts von der Finsternis und der Wasser oberhalb von denen unterhalb des Firmaments?
Das „no pity for the poor“, das Adorno e.a. zufolge zu den Strukturmomenten des autoritären Charakters gehört, ist – theologisch gesprochen – Produkt der Verdrängung der rechten Seite (der Gnade und der Barmherzigkeit).
In drei Bereichen scheint die naturwissenschaftliche Forschung irre Züge anzunehmen: in der Raumfahrt, in der Atomphysik und in der industriellen Chemie-Forschung (einschl. Genforschung). -Zusammenhang von Forschung und technischer Nutzung (Selbsterhaltung, Objektivation und Instrumentalisierung) an den Grenzen des Systems. -
12.03.92
Heinsohn, S. 120f: Geld = zu verzinsende Schuld (Differenz ums Ganze bei Schuldner und Gläubiger). Freie Verkaufbarkeit von Boden und Arbeitskraft gehören zusammen; Grundlage der Ausbreitung der Geldwirtschaft, Konstituierung des Weltbegriffs. Nach Heinsohn ist das Geld die Ursache, nicht die Wirkung der Arbeitsteilung (paßt das nicht zur Theorie Sohn-Rethels wie die Vorderseite eines Blattes zu seiner Rückseite?).
Bestimmen nicht die alten Funktionen und Leistungen der Priester in den Tempeln/Depositenbanken immer noch das Priesterwesen, nur daß an die Stelle der realen Bankfunktionen deren symbolische Vergeistigung, Verinnerlichung getreten ist (bis hinein in die Opfertheologie. in die Logik, die Funktion und den Stellenwert des Bekenntnisbegriffs: das Symbolum war einmal der Kaufvertrag; und in den alten Tempeln wurden die Kaufverträge beglaubigt und deponiert; und schließlich: war nicht das Geld ein Instrument der Rationalisierung von Kaufverträgen)? – Notwendigkeit einer Geschichte der Banken für das Verständnis der Theologie.
Behemoth: Hängt der Name mit pecunia, mit Vieh als Wertmaß, zusammen?
Das „Joch des Ochsen und die Last des Esels“ (Scholem, S. 91 und einige Seiten später nochmal): Trägt der Ochs das Joch der Herrschaft, der Esel die Last der Schuld?
Leute, die „nicht zwischen ihrer rechten und linken Hand unterscheiden können und im Finstern gehen“ (S. 96). Dazu (zu Rechts und Links und den beiden Gestalten des Endes der Tage) siehe auch S. 107.
Anwendung des Satzes „Laßt die Toten ihre Toten begraben“ (Mt 9/10, einschließlich Kontext) auf die Erkenntniskritik.
Hängt der Begriff des Himmelreichs, der nur bei Matthäus vorkommt, mit einer leichten astrologischen Tendenz bei ihm zusammen (vgl. die Magier, die „seinen Stern“ gesehen haben)?
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