Spiegelt das Buch der Richter nicht auch noch die von Heinsohn dargestellten Verhältnisse beim Übergang zum Privateigentum (vaterlose Männer, Leben als „Fremder im Lande“, Frauen aus anderen Stämmen/Völkern), von der Simson-Geschichte mit Dalila bis hin zum Frauenraub der Benjaminiten? Vgl. auch das Buch Ruth.
Die Schuldknechtschaft begründet den Weltbegriff (wie die Lohnarbeit den Kapitalismus; zum Weltbegriff gehört die freie Verkaufbarkeit des Bodens und der Arbeitskraft). Und der Welt- und der Naturbegriff sind als zirkuläre Begriffe Totalitätsbegriffe (redundante, sich durch Selbstreferenz selbstbegründende Begriffe).
Es ist bezeichnend für die Gesamttendenz der Arbeit Gunnar Heinsohns, daß er, während er korrekt das Tabu der Stammesgesellschaft und die Schuldknechtschaft dem bürgerlichen Privateigentum zuordnet, den Aufruhr, die Rebellion, der Feudalordnung zuweist. Historisch gehört der Aufruhr zur restituierten, durchs Privateigentum vermittelten Feudalherrschaft. Aufstände von Leibeigenen oder Sklaven hat es erst gegeben, nachdem sie im Herrn die institutionalisierte Aufruhr des „Eigentümers“ vor Augen hatten, die dann die Empörung und die Aufruhr in ihnen entzündete. Erst wo es Recht gibt, kann Unrecht wahrgenommen werden.
Der biblische Schöpfungsbericht ist keine Kosmogonie (er ist keine Grundlage für eine Staatsmetaphysik).
Kriege waren offensichtlich für die Generation, die die Arbeit der Bibelkritik geleistet hat, etwas so Selbstverständliches, daß sie z.B. nach dem Grund und nach der Notwendigkeit der fürchterlichen assyrischen Kriegsmaschine nicht glaubten fragen zu müssen.
März 1992
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11.03.92
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10.03.92
Bedeutungswandel des Namens des Himmels im Christentum: Zusammenhang mit dem Namen des Logos und der Übernahme der Sünde der Welt? Konstitutiert sich dieser Himmelsbegriff in der Reflexion des Schuldzusammenhangs? Und wie hängt dieser Himmel mit dem empirischen Himmel (der „Feste“ und der Sternenwelt) zusammen? Ursprung der neuen Himmelsvorstellung in der Apokalypse, Zusammenhang mit der Schöpfungsidee und mit dem Weltbegriff?
Dankbarkeit und Schuld sind Korrelate der Gnade und des Gerichts: Ist Undankbarkeit Schuld? Und ist erzwungene Dankbarkeit noch Dankbarkeit (Ursprung des Herrschaftsverhältnisses und des Schuldzusammenhangs)? – Anwendung auf das Verhältnis von Genitiv und Dativ.
Zur Baum-Metaphorik: Unterscheidung des Baumes des Lebens vom Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen. Beide sind sprachlicher Natur, wie überhaupt Bäume mit Sprache zu tun zu haben scheinen (Erlaubnis, von den Früchten der Bäume – mit der bekannten Ausnahme – zu essen). Der Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen scheint die durch die Urteilsform geprägte und präjudizierte Sprache, die begriffliche Sprache, zu symbolisieren, der Baum des Lebens die Ausdruckssprache, die metaphorische, die Namenssprache (die Sprache, die ihre Wurzeln in ihrer benennenden Kraft hat, und in deren Krone die Vögel des Himmels nisten).
Hat der Rhizynus-Strauch im Buch Jona etwas mit dem Senf-Strauch im Gleichnis Jesu tun? Auf diesen Strauch bezieht sich der Dialog, in dem am Ende Gott auf die 120000 Menschen, die rechts und links nicht unterscheiden können, und auf soviel Vieh verweist.
Welche Bäume gibt es in der Schrift (Ölbaume, Weinbäume, Eichen, Zedern)? Nach der Kabbalah gibt es sieben Baumarten (Zusammenhang mit Schöpfung und Apokalypse, Astrologie).
„Da gingen ihnen die Augen auf, und sie erkannten, daß sie nackt waren“: Hier ist der Ursprung des Weltbegriffs, die reinste Beschreibung des Falls, und zwar sowohl als Vorgang, als Prozeß, als auch der Bahn, auf der dieser Vorgang verläuft.
Die Zeitdilatation ist richtungsabhängig und nicht unmittelbar auf den ganzen Raum bezogen. Bedeutung für die Frage der Chronologie, der Umkehr, der sieben unreinen Geister, der Schöpfung und Apokalypse?
Das „Seid klug wie die Schlangen“ (griechische Tradition) ist leicht im Verhältnis zu dem „arglos wie die Tauben“ (jüdische Tradition).
„Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben“: Hängt das mit der Umkehr und den sieben unreinen Geistern zusammen (vgl. auch die sieben Werke der Barmherzigkeit bei Matthäus)?
Die Hebräer haben im Sklavenhaus Ägypten Ziegel gebrannt: wurden die Pyramiden mit Ziegeln oder mit Quadersteinen erbaut; war der Ziegelbau nicht eine Spezialität in Mesopotamien?
Das christliche Dogma blockiert die Sprache und den Dialog auf ähnliche Weise wie das Rechtbehaltenwollen bei (nicht nachprüfbaren) Zukunftsaussagen (negative Prognosen).
Parakletisches oder messianisches Denken vermag nicht die Schöpfung zu rekonstruieren, den Schöpfungsprozeß nachzuvollziehen, aber es reicht heran an den Ursprung des Sündenfalls (an den Grund der Sünde der Welt).
„Ich bin das Licht der Welt“: Das Licht macht die Welt nicht durchsichtig, aber hell, und das ist möglich nur im Kontext der Auf-sich-Nahme der Sünde der Welt. -
09.03.92
Die Umwandlung der Welt in eine Touristikwelt nach dem zweiten Weltkrieg ist der Grund der Verniedlichung des Behemoth. Die Befassung mit der Schrift sollte mehr sein als Vergangenheitstourismus.
Asymmetrie von Gott, Mensch und Welt: Die Grundlage der Vergöttlichungs- oder Vermenschlichungskonzepte ist die Verweltlichung.
Kann es sein, daß die sabbatianische Bewegung (und schon ihr Vorläufer: Isaak Luria) Opfer einer Verdinglichung der mystischen Tradition ist: Opfer der Verräumlichung der mystischen Phantasie oder der Unfähigkeit, die Weltkritik und die Idee der Übernahme der Sünde der Welt ins mystische Konzept mit hereinzunehmen (Zusammenhang mit den magischen Tendenzen in der Kabbalah und mit der barocken Gestalt der Entzauberung von Herrschaft durch Privatisierung)?
Macht, Herrschaft, Gewalt: Der Satz an der Startbahnmauer „Anarchie ist Macht ohne Herrschaft“ könnte wahr sein. Wenn Macht als Änderungskompetenz begriffen wird. – Was bedeutet der Satz „Er redete wie einer, der Macht hat“? – Herrschaften und Mächte waren einmal Teile der Engelhierarchien.
Hängt die Bezeichnung „Barbaren“ so wie mit den Hebräern auch mit bara zusammen (d.h. mit dem Bilde derer, die „Schöpfung, Schöpfung“ stammelten)? Dann wären Barbaren diejenigen, die die Logik des Weltbegriffs nicht akzeptieren (und in der Gottesfurcht bleiben). Die Verdoppelung des bara im Begriff Barbarei ist höhnisch, nicht ironisch.
Auch das gehört zu den großen Einsichten des „Stern der Erlösung“: Schöpfung, Offenbarung und Erlösung gehören zusammen, lassen sich nicht trennen, und alle drei Begriffe bezeichnen Vorgänge im sprachlichen Bereich. Der wesentliche Effekt des Weltbegriffs ist die Leugnung von Schöpfung, Offenbarung, Erlösung. Der Versuch, den „Glauben“ im Kontext dieser Leugnung zu erretten, zu erhalten, führt zwangsläufig ins kirchliche Herrschaftssystem.
Was bei den Griechen die Heroen sind, sind in der jüdischen Tradition die Richter. Und der „Triumph of Irony“ ist das notwendige Mittel der Entheroisiserung (Indiz des antimythischen Charakters des Richterbuches). Den Durchbruch dieses Verständnisses erarbeitet zu haben, ist das große Verdienst Lillian Kleins. -
08.03.92
Die Geschichte der Banken als Geschichte der Rationalisierung und Instrumentalisierung von Schuld, als Grund der Herrschaftsgeschichte (die gnoseologische Funktion der Banken).
Wird „Staub“ bei der Schlange und bei Adam (bei der Verfluchung nach dem Sündenfall) durch das gleiche Wort bezeichnet? Ist Staub das Produkt und das Medium des Falls?
Bezeichnen Eigenschaft, Qualität und Ausdruck den gleichen Sachverhalt?
Der immer noch unbegriffene Entwicklungsschub in diesem Jahrhundert (und seine seismographische Wahrnehmung im ersten Jahrzehnt des Jahrhunderts), die Katastrophen dieses Jahrhunderts (die beiden Weltkriege sowie die technologischen Anpassungsversuche an den Entwicklungsschub in Faschismus und Sozialismus): Besteht nicht die Gefahr, nachdem diese Katastrophen bisher nur schicksalshaft hingenommen wurden, daß die nächste Katastrophe die vorausgegangen nur noch übertreffen kann?
Wenn die Kirche das Gewissen der Welt ist, dann ist die jüdische Tradition seit dem Urschisma das verdrängte und externalisierte Gewissen der Kirche, Indiz und Katalysator der Veräußerlichung des kirchlichen Gewissens (Grund der kirchlichen Judenfeindschaft).
Gehöre nicht das Buch Jona und das Buch Tobit auf eine verdeckte Weise zusammen? Der Jona im Bauch des großen Fisches, ist das nicht die andere Seite des blinden Tobit?
Ist nicht das Bild des Kessels (nicht nur bei Jer) mehrfach verbunden mit dem des Nordens (der linken Seite) und mit dem des Dampfdrucks? Und ist dieser Dampfdruck der zu Herrschaftszwecken instrumentalisierte Druck der Schuld? Gibt es einen Zusammenhang zwischen diesem Dampfdruck, den vier Winden, dem Hauch Gottes, der ruach? – Stichworte: Kessel (Topf), Dampf, Norden, Wind.
Die Beziehung Hebräer / Barbaren wird mit bestimmt durch die ironische Verdoppelung (Kollektivierung) des ‚br, die den Namen in einen Begriff verwandelt.
Elemente der Josefsgeschichte:
– Hebräer / Barbaren,
– der hebräische Sklave,
– Potiphars Frau und der Ursprung der Sexualmoral,
– Schuldknechtschaft, Gefängnis, Traumdeutung (vgl. die Daniel-Geschichte),
– Erhebung zum Vizekönig (Vorgeschichte der Königsgeschichte), Tempel- und Vorratswirtschaft, Ursprung des Geldes, Geschichte der ursprünglichen Akkumulation, – Vorgeschichte des Hofjuden (Jud Süß-Paradigma),
– Hebräergeschichte: Ansiedlung als (diskriminierte) Kleinviehnomaden im Land Gosen, Sklaverei, Exodus.
Zur Königsidee in Israel: Buch der Richter, der Sohn des Jerubbaal und die Jotams-Fabel; Samuel, Saul, David; Saul, David, Salomo; Richter- und Königsgeschichte als Abfallgeschichte; Übergang von der Richter- und Stammengeschichte zur Königs- und Volksgeschichte (Vorspiel Jakob / Israel); Ergänzung der Richtertradition durch die sakramentale Königstradition, Ursprung der Messiasidee. Vorgeschichte des Weltbegriffs, auf den dann (als anders richtende Instanz) die Messiasidee sich bezieht: im Christentum Zusammenhang von Logosidee und Übernahme der Sünde der Welt. Der Messias stammt aus der weltbegründenden Königstradition, die dann umschlägt in die des Weltenrichters.
Ist auch Ibn Daud ein „Sohn Davids“?
Zum Bekenntnisbegriff: das Bekenntnis des Namens (homologein) klingt weit eher an den Begriff der Heiligung des Gottesnamens an, und gewinnt da seine Wahrheit, als an den modernen Bekenntnisbegriff. Erst wenn die Bitte um Heiligung des Namens mehr wird als ein frommer Wunsch, bekommt das Programm der Entkonfessionalisierung der Kirchen einen konkreten Inhalt.
Eine Jogginggruppe: Die Leute nehmen wirklich nichts mehr wahr (und möglicherweise ist das der Zweck des Jogging: die Einübung der Zerstreutheit); obwohl ich schon so nahe wie möglich am Rande des Weges ging, hätten sie mich fast übergelaufen. -
07.03.92
Wird mit der Verdrängung der Schöpfungsgeschichte nicht der apokalyptische Hintergrund der Schöpfungsgeschichte verdrängt?
Der Raum ist Ausdruck des Lachens und der Klage zugleich, die Einheit beider: der ungezielten, objektlosen Anklage und des verzweifelt-höhnischen Lachens über die Dinge.
Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet: Der erste Teil des Satzes bezeichnet den Ursprung der Welt, der zweite Teil die Bedeutung der Welt für das in ihrem Begriff Befaßte.
Hängt der „Anfang“ in Gen 11 und Joh 11 mit den archä der Philosophie zusammen?
Rechts und Links nicht unterscheiden können: verweist das auf eine Zone der Indifferenz, die sowohl jenseits als auch diesseits des Guten und Bösen liegen kann? Nietzsches „Jenseits von Gut und Böse“ klingt daran an (ähnlich wie die „Umwertung der Werte“ an die Umkehr).
Sprache und Umkehr (Urteilsform und Umkehr): das Objekt ist das angeschaute Objekt, das Prädikat das Urteil hinter seinem Rücken (das „synthetische Urteil a priori“ Kants). Die Logik oder das Verhältnis von Begriff, Urteil und Schluß hängt mit räumlichen Beziehungen zusammen und ist nur verständlich, wenn man die Beziehung des Raumes zur Umkehr mitdenkt (Bedeutung für den Begriff und das Verfahren der Definition). Aber es ist der Raum als die subjektive Form der äußeren Anschauung, der die Sprache von ihrer Wurzel, vom Namen und von ihrer benennenden Kraft abschneidet, sie ihrer argumentierenden, begründenden Kraft beraubt; wiedergewinnen läßt sich die Sprache nur im Kontext der Umkehr.
Rosenzweigs Wort, die Sprache sei die Morgengabe des Schöpfers an die Schöpfung, wäre genauer zu bestimmen: Vgl. hierzu die Gleichnisse Jesu über die Talente, die der Herr den Verwaltern anvertraut hat; man darf sie nicht vergraben.
Könnte es sein, daß im Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit auf eine noch aufzuklärende Weise auch die Beziehung des Raumes zur Sprache sich ausdrückt?
Im Innen-Außen-Paradigma (das der Beziehung der Logik zum Raum zugrundeliegt) wird das Innere vom Äußeren wieder eingefangen; und das ist wahr und unwahr zugleich.
Sind die sieben Middoth die sieben Namen der Barmherzigkeit, christlich gesprochen die sieben Werke der Barmherzigkeit? Vergleiche die Matthäus-Stelle mit der Exodus-Stelle.
Links und Rechts nicht unterscheiden können: das ist die Situation des „Proletariers“: er lebt von der gleichen Institution, die ihn zugleich zum Objekt macht, ihn „verurteilt“. Er kann die lebenserhaltende von der vernichtenden Potenz nicht mehr unterscheiden. Aber wer ist heute im strengen Wortsinn kein Proletarier (und welcher Proletarier ist nicht bestochen, korrumpiert)? Der Inbegriff der Ununterscheidbarkeit von Rechts und Links ist das Geld; und „niemand kann Gott und dem Mammon zugleich dienen“. Hier wird Rechts und Links wie im neutralisierten Raum gleichnamig gemacht.
Kann es sein, daß das „und soviel Vieh“ nicht nur auf die Anzahl, sondern auch auf die Größe: ein so großes Vieh (Behemoth), sich bezieht?
Das Gesicht drückt die produktive Indifferenz von aktivem und passivem Sehen und Hören aus. Vgl. dazu die ähnlichen Wortbildungen wie Gedicht, Gewicht, Gericht, oder das Neutrum Gesicht und das Femininum Geschichte. Beachte überhaupt die Reimworte wie gut, Wut, Hut oder auch so banale wie Herz und Schmerz (Zorn, Dorn, Korn, Born, Horn). Welche Bedeutung hatte der Reim in der Sprachgeschichte (im Anfang der Moderne)? Der Reim lebt auf andere Weise von der (wie das Bekenntnis gemeinschaftsstiftenden) Bedeutung der Vokale als von der der Konsonanzen, die im Reim die eigentlichen Bedeutungsträger sind.
Das Allgemeine ist die gemeinsame Einsamkeit aller, die unversöhnte gemeinsame Einsamkeit aller.
Läßt sich die Geschichte mit dem einen unreinen Geist und den sieben unreinen Geistern (auch die Geschichte mit Maria Magdalena) auf Hegel beziehen? Die einmalige Vergebung ist nur die scheinhafte Selbstexkulpation; die Versöhnung beruht auf der siebenmal siebzigmaligen Vergebung. Hier liegt der Grund der Adornoschen Kritik des Identitätsprinzips (als des Prinzips der Selbstexkulpation, des Ursprungs des philosophischen Subjekts, der philosophischen Emanzipation vom Mythos).
Die Austreibung des einen unreinen Geistes ist das Prinzip der Überwindung des Mythos durch die Philosophie, die Austreibung der sieben unreinen Geister: das wäre die Austreibung des Mythos durch Umkehr.
Das Identitätsprinzip fundiert und stabilisiert die der Welt, deren Herrschaft durch die herrschaftskritische Übernahme der Sünde der Welt aufzulösen wäre. -
04.03.92
Gegenstand des Buches Hiob ist nicht die Theodizee, sondern die Schöpfungslehre und die Gottesfurcht (Anthropodizee). Die Theodizee, die Vorstellung, daß Gott sich rechtfertigen müsse, ist der genaueste terminus a quo der Umkehr. Die Theodizee gehört wie der ontologische Gottesbeweis zu den Gottesfurcht-Vermeidungs-Strategien.
Es wäre eine ebenso interessante wie lohnende Untersuchung, festzustellen, welche Zweifel die Kirche zuläßt und welche sie sanktioniert. Differenzen hinsichtlich der Schöpfung, der Wunder, der Auferstehung lösen keine Konflikte mehr aus, aber die Jungfrauengeburt und die Unfehlbarkeit des Papstes dürfen öffentlich nicht in Frage gestellt werden, weshalb?
An der Physik hat sich die Kirche die Finger verbrannt, und das gebrannte Kind scheut das Feuer.
Die Gottesfurcht, die Weltkritik und das Angesicht sind für die Kirche leere Hülsen geworden.
Es ist die Rolle des Zuschauers, in die die Theologie die Gläubigen versetzt, die dann zwangsläufig die Frage der Rechtfertigung nach sich zieht, die nach dem richtigen Leben aber erstickt.
Mit der Rezeption der Philosophie hatte die Kirche schon ihren Frieden mit der Welt geschlossen; deshalb ist sie heute unfähig, den Stand der Dinge zu erkennen.
Der Begriff der Buße klingt heute so sehr nach demütigendem Herrendenken, daß der Ursprung im Begriff der Umkehr nicht mehr erkennbar ist.
Die Kirche hat mit Petrus und gegen Maria Magdalena die dreifache Leugnung gewählt und die Umkehr ausgeschlagen.
Kann das „Deus sive natura“ des Spinoza nicht auch bedeuten, daß die im modernen Naturbegriff zum Schweigen gebrachte Theologie die Sprache wiederfinden muß (deshalb Adornos Eingedenken der Natur im Subjekt). Das Nest der Widersprüche im Naturbegriff löst sich nur zusammen mit der Selbstreflexion des Dogmas: der Trinitätslehre und der Opfertheologie.
Spürt man in Adornos Philosophie nicht doch einen Hauch von Katholizismus?
Die Gemeinheitsautomatik (siehe die Stasidiskussion) hat die fatale Eigenschaft, daß sie den Verlierer an den Pranger stellt, während der Gewinner fein heraus ist (Zusammenhang mit dem „pathologisch guten Gewissen“ der Angeklagten in Nazi-Prozessen).
Die Gemeinheitsautomatik und die Rechtfertigungsmechanismen – das gesamte Schuldverschubsystem – mit Verschiebung und Projektion gründen in der Sprachverwirrung: in der Beziehung des Raumes, der Mathematik, zur Sprache. Erst mit der Herrschaft des Inertialsystems ist das Eine zum Anderen des Anderen geworden.
Unterscheiden sich Mythos und Offenbarung nicht wie der Naturkreislauf und die Genealogie? Und ist nicht die zentrale Bedeutung der Sexualmoral im Christentum begründet in der Vergeistigung der Genealogie in der Trinitätslehre und der Verinnerlichung des Opfers? Die Kritik der Sexualmoral und die Kritik des verdinglichten Dogmas: der Trinitätslehre und der Opfertheologie, gehören zusammen.
Zum Traum in der Bibel (bei Joel werden in den letzten Tagen die Greise Träume und die Jünglinge Visionen haben, während die Söhne und Töchter wie auch die Knechte und Mägde weissagen, jedoch nicht die Väter und Mütter, auch nicht die Herren): Sind es nicht in der Regel die Träume der Könige (Nebukadnezar/Daniel; Pharao/Josef), aber auch Josef träumt (er werde König über seine Brüder), auch Jakob und Salomo. Dagegen fällt Adam in Tiefschlaf, als Eva erschaffen wurde, auch Abram (Gen 1512, vgl. auch Hi 413). Außerdem gibt es die prophetische Entrückung (Elias, Ezechiel, Habakuk). Gibt es im NT keine Träume (außer den Träumen Josefs im Zusammenhang mit der Geburt und der Kindheitsgeschichte Jesu, dem Traum des Zacharias bei der Geburt des Johannes, dem Traum der Frau des Pilatus, dem Traum des Paulus vor der Griechenmission, dann in Korinth, in Jerusalem, auf dem Schiff vor Malta, dem Traum des Hananias bei der Bekehrung des Paulus, dem Traum des Kornelius vor dem Auftrag zur Heidenmission an Petrus), nur Besessene und die Austreibung von Dämonen?
Vgl. Sir 133: Das Traumbild ist ein Spiegel: ein Abbild des Gesichts gegenüber dem Gesicht selbst. – Bezeichnet hier das „Gesicht“ sowohl das reale Gesicht als auch die Vision?
Sind unsere Theologen nicht wie die blinden Hühner, die auch gelegentlich ein Korn finden, aber kein Hahn darunter?
Gehört nicht der episcopus zum Anfang jener Geschichte, die mit den Aufsehern endet? -
03.03.92
Der Kerub mit dem kreisenden Flammenschwert: Genesis des Hinter dem Rücken?
In der Mathematik drückt sich der „Name“ im Bruch aus, im „Nenner“: in der Beziehung auf die Einheit, auf das Maß. Welche Bedeutung hat dieser Zusammenhang für die Sprache?
Anzahl, Maß und Gewicht: Anzahl ist die auf sich selbst bezogene Einheit, das Maß die Einheit für andere; aber was ist das Gewicht? – Anzahl, Maß und Gewicht sind die Grundlage, das gegenständliche Korrelat des Tauschprinzips.
In welcher Beziehung steht der Prophetenspruch des Jonas „Noch vierzig Tage und Ninive wird zerstört“ (34) zu seinem Auftrag „Geh nach Ninive, in die große Stadt, und droh ihr an! Denn die Kunde von ihrer Schlechtigkeit ist bis zu mir heraufgedrungen“ (12).
Religion als Ablenkung.
Das Angesicht oder das hörende Auge.
Der Himmel ist im Anfang erschaffen; danach erschuf Gott die Feste, die das obere von dem unteren Wasser scheidet; und diese Feste nennt Gott Himmel (Einheit von Ding und Name).
Die Person ist der Träger des Namens, die aber als Träger sich ausweisen muß, den Beweis führen muß, daß sie einen amtlich legitimierten Namen hat, deshalb einen Personalausweis bei sich führen muß; andernfalls läuft sie Gefahr, zur Feststellung der Identität in Verwahrung genommen zu werden. Was ist der Dogmatisierungsprozeß anderes als diese In-Verwahrung-Nahme zum Zwecke der Identitätsfeststellung? – Was du schwarz auf weiß besitzt, kannst du getrost nach Hause tragen: als Dogma ins Haus des Seins, den letzten Abkömmling des babylonischen Turms (des Tempels und der Kirche).
Was du auf Erden binden wirst: Der Tempel oder der domestizierte Himmel. Kein Tempel ohne Opfer, kein Opfer ohne Priester.
Das Sein ist der Inbegriff der Gewalt des richtenden Urteils und Fundament des Weltbegriffs. So hat es Teil am Gewaltmonopol des Staates.
Die christologische Logik im Naturbegriff, die Logik der Vergöttlichung des Opfers, ist Teil der Schuld-Logik. Sie ist begründet in der Vorstellung von der reinigenden Kraft des Opfers: das Opfer entsühnt.
Die Begriffe Natur und Welt als Totalitätsbegriffe unterstellen, daß es ein dem Subsumtionsverhältnis des Begriffs korrespondierendes Gesamt der Erscheinungen gibt, m.a.W. daß es ein Universum gibt. Und zwar ein Universum als ein dem Subjekt Gegenüberstehendes, das es dem Subjekt erlaubt, die Rolle des unschuldigen Zuschauers einzunehmen.
Totalitätsbegriffe wie Welt und Natur enthalten ihre eigene Logik, die sich auch durchsetzt, wenn sie nicht reflektiert, nicht bewußt gemacht wird. Diese Logik wird auch (und gerade) dann adaptiert, wenn sie der Reflexion entzogen wird.
So wie der Raum sich unter dem Zwang seiner eigenen logisch-mathematischen Struktur theoriebegründend ins Unendliche fortpflanzt und ausdehnt, pflanzt sich das Geld durch seine eigene Tauschlogik praxisbegründend nach allen Seiten fort, dehnt sich als Markt ins Unendliche aus und ergreift alle Dinge. Es sind diese Logiken, die durch die Totalitätsbegriffe Natur und Welt stabilisiert und gegen die Reflexion abgeschirmt werden.
Daß die Sonne Homers auch uns bescheint, ist wahr und falsch zugleich: Die Sonne Homers war weder die Sonne des Kopernikus noch die des Carl Friedrich von Weizsäcker.
Das Christentum: eine philosophische Religion, oder die Philosophie Jesu? -
02.03.92
Die historische (altorientalische) wie auch die geologische (vor- bzw. naturgeschichtliche) Chronologie scheinen beide dem Wunsch sich zu verdanken, die dramatischen, wenn nicht katastrophischen Elemente in der Vor- wie in der Naturgeschichte nicht wahrnehmen zu müssen. Die Dehnung der Zeiten verharmlost sie zugleich, gleicht die dynastisch und nach dem Paradigma des späten Nationalismus konzipierten Reichsgeschichten den darwinistischen Zeiträumen der Erd- und Lebensgeschichte an und entstellt beide zur Unkenntlichkeit. Beide partizipieren an der projektiven Sicht, die dem Wunsch der zivilisierten Welt sich verdankt, den vulkanischen Untergrund der nur mit Gewalt befriedeten Verhältnisse zu verdrängen, während es die gleichen objektiven und realen Verdrängungsmechanismen sind, die heute zugleich als Katastrophenbeschleuniger wirksam sind. Keiner wagt hinzusehen, was im letzten Jahrhundert in Bewegung geraten ist, und mit welcher Beschleunigung und in welche Richtung dieser Apparat sich bewegt. Unvermeidbar ist dieses Wegsehen aufgrund des Schuld- und Verblendungszusammenhangs, der den Apparat gegen sein Wahrgenommenwerden schützt. Grund ist der dem Schuld- und Verblendungszusammenhang zugrundeliegende Herrschaftszusammenhang, der das Subjekt in den eigenen blinden Fleck gerückt hat (die Erkenntnis des Guten und Bösen, das Bekenntnissyndrom oder die Gewalt der subjektiven Form der äußeren Anschauung).
Wer hat wann die Chronologie der Erdgeschichte „entdeckt“, und mit welchen Gründen wurde ihr wissenschaftlicher Erfolg begründet?
Unsere Theologen scheinen keinen Ausweg aus dem Dilemma zu finden, wenn sie die Theologie als Schauspiel beschreiben, in dem wir gleichzeitig Schauspieler und Akteure sind.
Jesus werden seine Feinde als Schemel unter die Füße gelegt; Gott selbst aber hat die Erde als Schemel seiner Füße (Ps 1101 und Jes 661).
Hängt das Wort „Ich bin der Weg“ mit dem Namen der Hebräer zusammen? (Vgl. hierzu die Bemerkung zu Apg 92 in der Neuen Jerusalemer Bibel.)
Das Angesicht und der Name enthalten den Schlüssel zur Sprachphilosophie.
Sadok ist der Gerechte, Dan respräsentiert das Recht. So wird der Gerechte vom Richter unterschieden.
Sind die Wasser oberhalb des Firmaments schon durch die Sintflut abgegolten, so daß vom haschamajim nur noch das Feuer bleibt?
Wittgensteins Satz „Die Welt ist alles, was der Fall ist“ verweist auch darauf, daß in der Welt das Angesicht bedeutungslos ist. Hierbei ist der Fall das unter den Allgemeinbegriff Subsumierbare, das, was unter einen Allgemeinbegriff „fällt“. Daraus folgt, daß die Welt der Inbegriff aller objektiven Urteile, aller begründeten Prädikate ist. Oder anders: Die Begriffe Welt und Natur gehören zum transzendentalen Apparat, zur Organisation der transzendentalen Logik. -
01.03.92
Innen und Außen vs. Im Angesicht und Hinter dem Rücken:
– der unendliche Raum: Herrschaft des Außen über das Innen (die Homogenität und Isotropie des Raumes),
– Zusammenhang der Geschichte der Architektur (Abgrenzung des Innen gegen das feindliche Außen) mit der Geschichte der Religionen und der Philosophie (astronomische Funktion der Tempel; Ontologie: Haus des Seins),
– Objektivation und Verdinglichung, Genese des Weltbegriffs, Konstituierung des Herrendenkens,
– Raum und Lachen (Raum und Transzendentallogik des Witzes),
– Sündenfall, Ursprung und Geschichte der Scham,
– Ausbreitung der Gewalt, Ursprung der Gemeinheit und Umschlag nach innen, Geschichte des Opfers und Verinnerlichung des Opfers, Terror und Folter,
– Geheimbereich des Staates (das Innere der objektivierenden Gewalt; Widerpart des Angesichts), Rechtsstaat (Gemeinheit ist kein strafrechtlicher Tatbestand) und Staatsanwalt, Erkenntnisbehörden (Stasi, Verfassungsschutz),
– Nietzsche und Büchner (Gott ist tot; mit einem Lachen ergriff der Atheismus in ihm Platz),
– Jesus hat nicht gelacht, aber die Dämonen ausgetrieben,
– Begriff der Gnade, Sünde wider den Heiligen Geist,
– nicht Person (Maske) oder Seele, sondern Angesicht als Bild Gottes (gegen die Trinitätslehre und das Dogma: das richtende und das parakletische Denken).
Das Hinter dem Rücken hat seinen Ursprung in der Idolatrie, im Sternendienst und im Opferwesen. Die erste Erfahrung des Hinter dem Rücken ist die Erkenntnis des Guten und Bösen; oder die Erfahrung des Todes des Anderen.
Adorno Aktueller Bezug Antijudaismus Antisemitismus Astrologie Auschwitz Banken Bekenntnislogik Benjamin Blut Buber Christentum Drewermann Einstein Empörung Faschismus Feindbildlogik Fernsehen Freud Geld Gemeinheit Gesellschaft Habermas Hegel Heidegger Heinsohn Hitler Hogefeld Horkheimer Inquisition Islam Justiz Kabbala Kant Kapitalismus Kohl Kopernikus Lachen Levinas Marx Mathematik Naturwissenschaft Newton Paranoia Patriarchat Philosophie Planck Rassismus Rosenzweig Selbstmitleid Sexismus Sexualmoral Sprache Theologie Tiere Verwaltung Wasser Wittgenstein Ästhetik Ökonomie