Es hat Zeiten gegeben, in denen Eltern ihre Kinder und Könige ihre Untertanen in der dritten Person Singular anredeten. Umgekehrt durften die Untertanen den König nur in der dritten Person Plural ansprechen (ähnlich die Kinder ihre Eltern). Diese Anrede in der dritten Person Plural ist im Prozeß der Vergesellschaftung von Herrschaft mit vergesellschaftet worden. Steckt in dieser Kollektiv-Anrede nicht die (durch die Institution des Königs vermittelte, dann im Christentum institutionalisierte) Anerkennung der Welt (als Kollektivsubjekt aller objektiven Urteile).
Im Englischen ist es das wechselseitige „you“, die zweite Person, die sowohl im Singular wie im Plural verwandt wird. Hängt das Kollektiv-Du mit dem englischen Empirismus zusammen?
Was ist der Unterschied zwischen Kollege, Kamerad und Genosse?
Das katholische pokerface, diese harten, verschlagenen Gesichter, Produkt eines Religionsverständnisses, das nicht mehr die Schuld auflöst, sondern nur noch das Schuldbewußtsein wegnimmt und deshalb der Reue, der Umkehr nicht mehr bedarf, sie – mehr noch – diskriminiert. Wer büßt, der muß es schlimm getrieben haben. Und Umkehr wird nur noch als Eingeständnis der Schuld verstanden (anders hätte es der Umkehr nicht bedurft), das aber darf um keinen Preis laut werden (Ursprung der Apologetik, mit deren Hilfe immer schon die schlimmsten Untaten gerechtfertigt, und d.h. im Nachhinein begründet wurden).
Die subjektive Form der Anschauung ist
– der Angelpunkt, um den sich die Welt dreht,
– das firmamentum, das die Wasser über und unter dem Firmament scheidet,
– der Balken, durch dessen Optik hindurch die Splitterforschung betrieben wird.
Das Poe’sche Bild vom Maelstrom, das Adorno in seinem Kierkegaard-Buch zitiert, realisiert sich im Hegelschen Absoluten (Inbegriff und Modell der Isolationshaft des Denkens).
Philosophie in Erfahrung übersetzen bedeutet heute insbesondere: endlich den Geburtsfehler der Philosophie begreifen. Die Philosophie ist der Balken im eigenen Auge.
Vom Splitter und vom Balken: Der Balken, ist das der Baum der Erkenntnis?
Die Person ist als Objekt, was die Persönlichkeit als Subjekt ist.
Das Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit rührt von der anderen Seite her an den Begriff der Materie. Es bezeichnet gleichsam dessen Innenseite und macht damit die Naturwissenschaft zur Schale, die zu knacken ist, wenn man an den Kern herankommen will.
Ist der (christologisch bestimmte) Naturbegriff der (gordische) Knoten, den Alexander bloß durchschlagen hat, und den es jetzt endlich zu lösen gilt?
Ist der Hahn in der Geschichte der drei Leugnungen eine Metamorphose des über den Wassern brütenden Geistes, der auch vor der Morgendämmerung des ersten Tages erscheint?
Haben die Wasser oberhalb und unterhalb des Firmaments etwas mit der Gravitation zu tun? Und hat die Feste, die die Wasser scheidet, etwas mit den kantischen subjektiven Formen der Anschauung oder mit dem Inertialsystem zu tun? Steckt nicht in dem kantischen Wort von dem erhabenen Sternenhimmel über mir und dem moralischen Gesetz in mir ein Hinweis auf diese Feste?
Haben die Wolken des Himmels etwas mit den Wassern oberhalb des Firmaments zu tun?
Der Balken im eigenen Auge wächst mit der Anpassung an die Welt: Die Welt ist alles, was der Fall ist; d.h. die Welt ist der Abgrund, der die Menschen voneinander trennt, und dem sie in dem Maße verfallen, in dem sie selber der Welt sich anpassen.
Der descensus ad inferos hat mit der Lösung des Drachens am Ende des Millenariums zu tun (Signatur dieser Epoche).
Der Unterschied zwischen Genitiv und Dativ ist bei „trotz“ und „wegen“ der Unterschied ums Ganze. (Nach der Duden-Grammatik, Nr. 641, ist der Dativ in der Regel veraltet, regional oder umgangsprachlich: Es wäre nun doch wohl an der Zeit, endlich einmal den Geist der Duden-Grammatik zu bestimmen.)
Babylon, genauer Ur in Chaldäa (die Schuldknechtschaft), ist der Ursprung der Hebräer, Ägypten (das Sklavenhaus) ihr natürliches (unerlöstes) Telos.
April 1992
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03.04.92
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02.04.92
Der Personbegriff ist eine Emanation der Scham, mit der die Menschen nach dem Sündenfall auf die neue Fähigkeit reagiert haben, sich selbst von außen zu sehen (als „persönlich“ wird alles empfunden, was an die Scham rührt). Als Personen befinden sie sich endgültig hinter ihrem eigenen Rücken (Zusammenhang mit dem Ursprung der Sexualmoral). Oder anders: Die Person ist der Statthalter der Welt (und die Scham Index der Schuld der Welt) im eigenen Innern. So klärt sich auch der historische Zusammenhang der Person mit der Maske (deren Vorläufer und Modell waren die Opfer), sowie der genetische Zusammenhang des Personbegriffs mit dem Ursprung der Trinitätslehre und des Dogmas und mit dem Ödipuskomplex (mehr noch als der angebliche „Sexualismus“ Freuds war die instinktive Erfahrung, daß das Konzept vom Ödipuskomplex an die Wurzeln des kirchlich-christlichen Selbstverständnis rührte, Grund der kollektiven Entrüstung, die die Psychoanalyse ausgelöst hat).
Mit der Vorstellung des unendlichen Raumes wird die Immanenz als Schuldzusammenhang irreversibel und unentrinnbar. Es bleibt nur der Wille zur Macht, der bewußtlos schon den Ursprung und die Struktur des Dogmas beherrschte.
Drei Bedeutungen des Prinzips der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit:
– selbstreferentielle Beziehung zum Inertialsystem,
– exzentrischer Status des Inertialsystems (äußerliche Beziehung zum Objekt),
– Neubestimmung des Status der naturwissenschaftlichen Erkenntnis und ihrer Beziehung zum Objekt.
Die Kopenhagener Schule ist der lebendige Beweis für die Gültigkeit des Satzes vom Balken und vom Splitter (Inertialsystem als Balken im eigenen Auge).
Industrialisierung der Splitterproduktion: Inertialsystem, Geld und Bekenntnis als Balken. Aufzulösen nur durch die siebenfache Umkehr?
Eine Volkskirche ist nur als Bekenntniskirche vorstellbar und ist insoweit zwar real, aber eine contradictio in adjecto. Es gehört zu den Symptomen der Hilflosigkeit der Kirchen gegen den Nationalsozialismus, daß ausgerechnet eine „Bekennende Kirche“ zum Symbol des Widerstands gegen den Faschismus geworden ist.
Der Fall Drewermann ist nur ein Symptom dafür, welch entsetzliche Verwirrung im Prozeß des Zerfalls der autoritären Strukturen in der katholischen Kirche um sich greift:
– als Unfähigkeit der Theologen, das reale Wahrheitsmoment in der kirchlichen Tradition noch wahrzunehmen, und
– als Unfähigkeit der Kirche, mit solchen Konflikten umzugehen.
Die Grundversuchung ist heute die Versuchung zur Komplizenschaft; sie hat ihren Ursprung im pseudotheologischen Kontext von Rechtfertigung und Bekenntnis.
Empörung als Unterhaltung: „Kritische Sendungen“ sind affirmativ, weil sie nur der Empörung ein Ventil (und dem Zuschauer das gute Gefühl, sich selbst durch Empörung seine Moral und seine Unschuld zu beweisen) verschaffen, aber nichts ändern. Das Ganze erinnert mich an Habermas, der sich (gegen Benjamin, Horkheimer und Adorno) durch sein Bekenntnis zur Unabänderlichkeit der Natur das Alibi des Kontemplativen verschafft hat, nicht mehr im Ernst an eine Änderung der Dinge denken zu müssen. Heute ist die Empörung zur Grundlage der Zustimmung geworden. Empörung ist der Genuß des Zuschauers an der Folter (er entspricht dem Genuß des Voyeurs an der Pornographie und dem Beifall im Konzert). Nicht gegen das Unrecht, sondern gegen die Ohnmacht, in die einen der Anblick des Unrechts versetzt, gilt es anzugehen. Aber ist dieser Kampf gegen die Ohnmacht am Ende doch nur noch mit Hilfe der Theologie (mit der Hilfe dessen, was Benjamin die „göttliche Gewalt“ genannt hat), möglich? Jede andere Gewalt – insbesondere die der „Medien“, die an die Bedingungen der Öffentlichkeit (des Andersseins) gebunden bleibt – bleibt in das Unheil verstrickt und reproduziert es. „Allein den Betern kann es noch gelingen …“: aber anders als es das fromme Gemüt sich vorstellen kann. Erst wenn das Gebet zur Gewalt wird … Oder: Wie ist es möglich, die Politik Gottesfurcht zu lehren? Und: Ist die Abschaffung der Folter erst nach (oder zusammen mit) der Änderung auch der Natur möglich? (Sieg Hitlers in der Fernseh-Demokratie? Erst die Ästhetisierung der Wirklichkeit durchs Fernsehen verwischt jene Differenz, die Grenzen in Politik und Recht allein möglich macht: Bedingung des Friedensvertrags, Neugründung des Rechts.) -
01.04.92
Gleichnamigkeit des Ungleichnamigen: Grund des Selbstmitleids (Symbol des Kelches, Getsemane, unbekehrtes Christentum); der verandernden Kraft des Seins: das Eine ist das Andere des Anderen. Unvermeidbarkeit unter den Bedingungen des Nominalismus (der Vorstellung des unendlichen Raumes). Erste reale Anwendung: das newtonsche Gravitationsgesetz. Verhexung Gottes, der Natur und der Menschen. Anwendung auf die Naturphilosophie: erstes Opfer das Licht, das einzige direkt durchs Wort Geschaffene?
Erkennbar ist die Gleichnamigkeit des Ungleichnamigen im Kontext von Schuld, Verdacht und Empörung (und hier liegt zugleich der Grund der Mathematik). Indiz für den Stand der Dinge sind die Erkenntnisse von Marx und Freud, die als Wissenschaften des Verdachts seit je Empörung provoziert und auf sich gezogen haben (Beweis des flüssigen Charakters der Schuld).
Modell der Gleichnamigmachung des Ungleichnamigen: die Abtreibungsdebatte (Beispiel für das Verfahren der Verschiebung und Projektion: Zusammenhang mit der Raumvorstellung).
Die praktische Bedeutung der Marxschen und Freudschen Theorien (proletarische Revolution und Psychoanalyse als Therapie) ist sicherlich zu Recht umstritten, nicht aber die theoretische Bedeutung, ihre originäre Beziehung zur „Sünde der Welt „; und praktische Bedeutung hat weiterhin der Umgang mit diesen Theorien: ihre Abwehr führt genau in jenen Bereich (der Schuld) herein, der von ihrer Kritik getroffen wird.
Biblische Elementenlehre: Hier sind die „Elemente“ die Buchstaben der Schrift; aber welche Bedeutung haben Erde (und Himmel), Wasser (unter und über dem Firmament), Luft (pneuma, ruach) und Feuer (fire next time)?
Der Begriff des Volkes bezeichnet die Schicksalsgemeinschaft, der der Nation die Sprach-Gemeinschaft (unterm Gesetz des Inertialsystems die „Rasse“-Gemeinschaft: Grund in der Trinitätslehre nach der Verknüpfung von Logos und Zeugung?), oder die Rechtsgemeinschaft (Bund, Vertrag, Verfassung)?
Num 2420: Amalek war das erste unter den Völkern, doch es endet im Untergang.
Zum Begriff der Welt vgl. Deut 2849f: Der Herr trägt zum Kampf gegen dich ein Volk aus der Ferne herbei, von den Enden der Erde, das wie ein Adler herabstößt, ein Volk, dessen Sprache du noch nie gehört hast, ein Volk mit unbeweglichem Gesicht, das sich dem Greis nicht zuwendet und für das Kind kein Mitleid zeigt.
Das Bekenntnis ist die genaue Umkehrung des anklagenden, richtenden Denkens. Beide beziehen sich auf die gleiche Schuld, nur mit dem Unterschied, daß das (objektivierende) anklagende, richtende Denken diese Schuld nach außen projiziert und so sich selber in den Schuldzusammenhang verstrickt, während das Bekenntnis (als Bekenntnis zum messianischen Namen) seinen Anteil an der Auflösung des Schuldzusammenhangs durch die (messianische, parakletische) Übernahme der Sünde der Welt wahrnimmt. Dieses Bekenntnis ist dem anderen genau entgegensetzt: die entfremdete Bekenntnislogik hat das objektivierende, anklagende und richtende Denken zur Voraussetzung. Es ist mit ihm wesensgleich und verhärtet, stabiliert es zugleich. Das wirkliche Bekenntnis konstituiert sich in der Umkehr des entfremdeten als Gottesfurcht.
Adorno Aktueller Bezug Antijudaismus Antisemitismus Astrologie Auschwitz Banken Bekenntnislogik Benjamin Blut Buber Christentum Drewermann Einstein Empörung Faschismus Feindbildlogik Fernsehen Freud Geld Gemeinheit Gesellschaft Habermas Hegel Heidegger Heinsohn Hitler Hogefeld Horkheimer Inquisition Islam Justiz Kabbala Kant Kapitalismus Kohl Kopernikus Lachen Levinas Marx Mathematik Naturwissenschaft Newton Paranoia Patriarchat Philosophie Planck Rassismus Rosenzweig Selbstmitleid Sexismus Sexualmoral Sprache Theologie Tiere Verwaltung Wasser Wittgenstein Ästhetik Ökonomie