Januar 1993

  • 17.01.93

    Natur ist die Macht der Vergangenheit über die Zukunft (die im Inertialsystem, in der Trennung von Begriff und Objekt und im Ursprung des Objektbegriffs sich ausdrückt). Nur durch Sprengung des Naturbegriffs ist die Zukunft aus dem Gefängnis der Vergangenheit zu befreien, zu erlösen. Deshalb gibt es keinen Begriff der Erlösung ohne die Idee der Auferstehung der Toten.
    Die Begründung des Inertialsystems und die Konstituierung des Objektbegriffs wären ohne die Vorgeschichte der theologische Spekulation, ohne Trinitätslehre, Christologie und Opfertheologie, nicht möglich gewesen (aber wie steht es dann mit den Antezedentien: mit dem griechischen Ursprung der Philosophie und mit der islamischen Rezeption der griechischen Philosophie? Erklärt sich in diesem Zusammenhang die islamische Schöpfungslehre, wonach Gott die Welt in jedem Augenblick neu erschafft?).
    Zur Geschichte der drei Leugnungen: Ist die Magd des Hohepriesters (nach Johannes die Pförtnerin, die Türhüterin) nicht die Theologie, und sind nicht die Umstehenden die Welt und die Philosophie?
    Hängt das Problem von Theorie und Praxis (dessen Parodie die technische Anwendung instrumentalisierter Konzepte ist) nicht mit der Form der Beziehung der Wahrheit zur Vergangenheit zusammen?
    Die Anschauung (auch die Weltanschauung) entspringt dem Sündenfall: da gingen ihnen die Augen auf, und sie erkannten, daß sie nackt waren.
    Warum ist Martin Buber, als er 1953 meinen Brief beantwortete, nicht die Sacharja-Stelle eingefallen?
    Zum Blutacker (Hakeldama): Werden nur jene durch das Blut gereinigt, die den Schrei des Blutes hören? Vgl. dazu das Hiob-Wort (1618): „O Erde, deck mein Blut nicht zu, und ohne Ruhstatt sei mein Hilfeschrei!“ Die Theologie hat geglaubt, diesem Hilfeschrei einen Ruheplatz geben zu können; sie hat ihn zum Dogma instrumentalisiert.
    Die Theologen haben den Opfern den Schnuller in den Mund gesteckt, um das Schreien nicht hören zu müssen. Der Schnuller war die projektive, selbstexkulpierende Suche nach den Schuldigen, die Unfähigkeit zur Arglosigkeit (zur Gottesfurcht), die Sünde wider den Heiligen Geist.
    Die hamitischen Medien („Die Söhne Hams sind Kusch, Ägypten, Put und Kanaan“ – Gen 106).

  • 16.01.93

    Ein Haus hat nur vier Wände, nicht wie eine Kiste sechs, dazu den Fußboden und die Decke, das Dach. Die oberen und unteren Flächengrenzen (der Boden und das Dach) sind durch ihre objektive Beziehung zur Schwere, die auf sie von außen auftrifft, von den seitlichen, zur Richtung der Schwerkraft parallelen Begrenzungen des Hauses eindeutig zu unterscheiden.
    Erst ein Denken, das aus dem Bann der Herrschaft heraustritt: Herrschaftskritik in sich mit aufnimmt, eröffnet auch den Himmel wieder. Erst die vollständige Umkehr sieht den Himmel offen.
    Der mathematische Raum subsumiert alles, auch die obere Welt, unter die Vergangenheit. Deshalb ist dort kein Himmel, an dem nichts vergangen ist, sondern, in den Bildern der Herrschaftsmetaphorik, nur das Subjekt, das den Himmel usurpiert und als dessen subjektive Form der Anschauung der mathematische Raum sich konstituiert.
    Die transzendentale Logik Kants hat durch die subjektiven Formen der Anschauung das Moment der Tätigkeit aus dem Urteil (durch Verdinglichung des Verbs zum Prädikat, zum Begriff) herausgenommen und in den subjektiven Akt des Urteils, ins Urteilen, verlegt (zurückgenommen): Sie hat das Urteilen selbst als (die Objektivität verändernde) Tätigkeit, die Theorie als Moment der Praxis, begriffen. Deshalb heißt das Subjekt Subjekt, hat es eine Bezeichnung angenommen, die vordem dem Subjekt im Urteil zukam. Das Subjekt des Urteils wurde durchs Objekt ersetzt (durch das Produkt der objektivierenden Tätigkeit des Urteilenden). Hier wurde das erkennende Urteil durchs richtende, der intellectus durch den Verstand ersetzt. Ziel war nicht mehr die adaequatio intellectus et rei, sondern die Übereinstimmung des Begriffs mit dem Gegenstand, die apriori hergestellt war: Konsequenz des auf die Logik übergreifenden Trägheitsprinzips. So hat das Inertialsystem auch die Philosophie ergriffen und verändert: Die Geschichte der Objektivierung der Dinge war die Geschichte ihrer Subjektivierung.
    Die kantischen synthetischen Urteile apriori sind Produkt der Herrschaft des Trägheitsprinzips übers Urteil. Durchs Trägheitsprinzip wird das Subjekt als Objekt in die Form des Urteils mit hereingenommen. das Urteil selber neutralisiert und die benennende Kraft der Sprache zerstört.
    Begriff und Trägheitsprinzip: Die Austreibung der Tätigkeit (des Subjekts) aus dem Urteil (in der Konsequenz der Logik des Begriffs und der bewußtlosen Rezeption des Trägheitsprinzips) vollendet sich in der Hypostasierung der Kopula: in der Ontologie. Eine Zwischenstufe war die Umwandlung der Moral, die durch die Wertphilosophie aus einem Element der Selbstverständigung und einer Anleitung zum Handeln zu einem Objekt des passiven Zuschauens gemacht und in eine Urteilslehre transformiert wurde. So ergreift das dem Zuschauen und Urteilen korrespondierende Trägheitsprinzip alles, was in den Bannkreis des Objektivierungsprozesses hereingerät (Modell Fernsehen).
    Stephanus sah den Himmel offen, während Paulus nur in den dritten Himmel entrückt wurde.
    Nicht die naturwissenschaftliche Aufklärung, die selbst nur eine andere Gestalt des Mythos ist, sondern die Offenbarung ist das Maß, an dem der Mythos gemessen werden muß.
    Die Gründe, aus denen Theologen glauben, den Nachweis führen zu müssen, daß mit dem Weltbegriff im Johannes-Evangelium nicht der Kosmos gemeint sei, sind ein Teil jenes Argumentationszusammenhangs, durch den sich die Theologie um Kopf und Kragen geredet hat.
    Die Neutralisierung von Himmel und Erde zur Welt ist die Erbsünde der Theologie.
    Die Geschichte des Gottesbegriffs unterm Nominalismus ist der Beweis dafür, was aus der Gottesidee zwangsläufig wird, wenn sie mit der Idee verbunden wird, daß Gott die Welt erschaffen habe. Es ist die gleiche Welt, die nach dem Johannes-Evangelium „euch (d.h. jeden, H.H.) haßt“, ihre „Schöpfung“ wäre demnach eine sadistische Handlung Gottes (diese Konsequenz hat die Gnosis gezogen, als sie diesen Gott als Demiurgen erkannte; falsch war nur die Identifizierung dieses Demiurgen mit dem jüdischen Gott: in Wahrheit war er der Staat). Die Lehre von der creatio mundi wäre nur zu halten, wenn der Logos gemäß dem geschichtskritischen Logozentrismus-Konzept als Begriff gefaßt wird, dessen Geschichte in die des Staates verflochten ist. Dieser Gott wäre der Feind des Heiligen Geistes. Darauf, so scheint mir, ist der Satz zu beziehen, daß die Sünde wider den Heiligen Geist die einzige ist, die weder in dieser noch in der zukünftigen Welt vergeben wird (Hinweis auf die Bedeutung der Sündenvergebung im Evangelium, die Dämonenaustreibung und deren Zusammenhang mit der Übernahme der Sünden der Welt). Aber ist dann nicht diese Theologie insgesamt ein Teil der Sünde wider den Heiligen Geist? Bewegt sich diese Theologie nicht in dem gleichen Zirkel des Selbstwiderspruchs, der durch das „ja aber“ und durch kühne apologetische Konstruktionen immer weniger zu bewältigen ist? Das Netz, in das sich die Theologie verstrickt hat, wird immer enger, die Erstickungsängste werden immer akuter.
    Der Satz „Herr, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun“ bezieht sich auf die (damals) zukünftigen Generationen: wir sind sein Objekt und unser Leben ist Produkt der (von uns) verratenen Zukunft.
    Am Zustand der Sprache ist der Stand der Dinge zu ermessen; nach ihrem Tod und Begräbnis (wo war Lazarus begraben?) ist die Sprache in Verwesung übergegangen, und von ihr gilt das Wort „Herr, sie riecht schon“.
    Ist nicht die Schöpfungsgeschichte, das Sechs-Tage-Werk, die Geschichte der Bildung des Antlitzes als Seines Ebenbildes: und liegt nicht hier der Grund des Sabbat, ist sein Grund nicht im Werk des ersten Tages, im Licht, gelegt worden? Vor diesem Hintergrund gewinnen das Öffnen der Augen (der Erkenntnis der Nacktheit) nach dem Sündenfall und das Senken des Blicks nach dem Brudermord beim Kain (mit dem Hinweis auf das Lauern der Sünde als Dämon an der Tür) ihre wirkliche Bedeutung. Ist nicht das auf die Kirche bezogene Wort von den Pforten der Hölle, die sie nicht überwältigen werden, ein Echo des Lauerns des Dämons an der Tür?
    Die Geschichte der Beziehung von civitas dei und civitas terrena (und d.h. die Geschichte der Kirche) wäre an den beiden Gestalten des Henoch zu demonstrieren. Von Adam her gezählt ist der kainitische Henoch der dritte (Tag des Hervorgehens der Pflanzen und Bäume: des „organischen Lebens“, seiner Selbstinstrumentalisierung), der setische Henoch der siebente in der Geschlechterfolge (an welchem Tag Gott ruhte von all seiner Mühe). Hat die Umkehr der Reihenfolge der drei auf Kain/Kenan folgenden Generationen etwas mit der Beziehung von Abel und Set, mit Set als Abel redivivus, zu tun?
    Der schlimme Satz von dem guten Gewissen, das in Deutschland als sanftes Ruhekissen gilt: Ich befürchte, die KZ-Schergen haben gut schlafen können, weil sie unfähig waren, die Leiden ihrer Opfer auch nur in Gedanken nachzuvollziehen. Jedes gute Gewissen hat etwas von dieser Unfähigkeit, ist in sich selber pathologisch, Produkt der Selbstexkulpation und Reflex der falsch „entsühnten“ Welt. Es entspringt aus der Verdrängung der Gottesfurcht.
    Merkwürdig am Christentum sind seine Ursprünge in der Provinz: in Galiläa, Nordafrika, Irland und heute in Südamerika.
    Die Geschichte kann nur dann zum „große(n) Becken, in welchem der Mensch von aller Schuld reingewaschen wird“ (Rosenzweig: Hegel und der Staat, S. 97) werden, wenn sie Naturgeschichte ist. Und als solche hat Marx die Hegelsche Weltgeschichte dann auch entschlüsselt.
    Wenn Benjamin (in der Einbahnstraße) schreibt, daß die entscheidenden Schläge heute mit der linken Hand geführt werden, hat das etwas mit den „linkshändigen Benjaminiten“ im Buch der Richter zu tun?

  • 14.01.93

    Merkwürdige Beziehung: Das Subjekt wird (unrettbar) schuldig durch die „Entsühnung der Welt“, es wird erlöst durch die Übernahme der Sünden der Welt. Genau das ist die Folge der Herrschaftsbeziehung, durch das Neutrum und den Weltbegriff unkenntlich gemacht wird.
    Merkwürdige Beziehung des gegenwärtigen Zustands der katholischen Kirche zur „ägyptischen“ Tradition, wie sie offensichtlich auch von Küng und Drewermann reklamiert wird. Dazu die Stelle von Herodot bei Benveniste (S. 506). Enthält nicht auch der Josefs-Roman einen prophetischen Bezug zur Weltgeschichte der Kirche?
    Ist nicht unsere gesamte Geschichtswissenschaft von der Intention und vom Ansatz her „superstitiosus“ (sh. s. 516f).
    Hat die Arglosigkeit der Tauben etwas damit zu tun, daß auch die Taube in Israel ein Opfertier (das Opfertier der Armen) ist, und daß sie wie das Lamm „zur Schlachtbank geführt“ wird? Weshalb erscheint dann der Geist in Gestalt einer Taube? Hat nicht die Trinitätslehre etwas mit der Trinität von Stier, Widder und Taube zu tun? Gibt es in Israel das Stieropfer, und wenn ja, in welchem Zusammenhang? Das Widderopfer hing mit der Rettung Isaaks, mit der Abgeltung der Kinderopfer (der Erstgeborenen?), zusammen, bei der Geburt Jesu wurde eine Taube geopfert.
    Wer die Sünden der Welt auf sich nimmt, dem ist das messianische Ego alles und das durch Schande und Verletzbarkeit (Empfindsamkeit) verführbare und entzündete private Ego zunichte geworden. Er ist in dem Sinne keine Privatperson mehr und völlig unpathologisch geworden.
    Die Fremdenfeindschaft ist eine Folge des unaufgearbeiteten schlechten Gewissens, das von der privaten Existenz (von der Privatisierung der Religion) nicht abzulösen ist.
    Wäre es eigentlich möglich, zum „Bruttosozialprodukt“, zu den in Geldwert ausgedrückten Leistungen der gesamtwirtschaftlichen Erfolgsrechnung, die Gegenrechnung aufzumachen: die roten Zahlen niederzuschreiben (die Summe aller Schulden, die Bilanz der realen Armut in der Dritten Welt und des Armutsdrucks in der Ersten)?
    Bezeichnend für das Schellingsche Konzept am Anfang der Weltalter ist, daß er für die Zukunft die Ahnung reklamiert, gleichsam eine unvollkommene Gestalt des Wissens (die aber am Wissen sich mißt), und nicht die Hoffnung und nicht die Moral. Er verschweigt das praktische Element in der Beziehung zur Zukunft. Er hält daran fest, daß auch das Zukünftige einmal vergangen, Gegenstand des Wissens und nicht mehr änderbar, sein wird: So wird es Gegenstand eines (wenn auch unvollständigen) Wissens: der Ahnung. Durch die Ahnung wird die Zukunft in eine Schicksalsperspektive gerückt: Indem er von der Hoffnung und von der Praxis absieht, verwandelt er die Totalität in bloße Natur, in der das tätige Subjekt nicht mehr vorkommt, bereitet er die mythische Philosophie vor, auf die das Ganze am Ende hinausläuft.
    Das kreisende Flammenschwert trennt das reale Leid vom erinnerten Leid.
    Erst wenn die Theologie von der Vorstellung sich befreit, Verkehrsregelungen für die Phantasie der der Menschen, für ihre Vorstellungskraft, produzieren zu müssen, erst dann hat sie eine Chance, selber zu einem Gefäß des Heiligen Geistes zu werden.
    Wer von euch ohne Schuld ist, der werfe den ersten Stein: Heute ist die Kirche zu einem Verein von Steinewerfern geworden. Voraussetzung ist das falsche Zeugnis: die falschen Zeugen werfen, nachdem sie ihre Kleider abgelegt haben, den ersten Stein.

  • 13.01.93

    In der Geschichte von drei Leugnungen repräsentieren die „Um-stehenden“ die Welt.
    Die Weltgeschichte des Christentums ist die Geschichte der Selbstinstrumentalisierung. So ist das Christentum zum steinernen Herzen der Welt geworden. Das Christentum ist nicht Urheber der Greuel, die in seinem Namen begangen wurden, aber es muß diese Greuel sich zurechnen lassen. Wenn Karlheinz Deschner (zuerst in „Und abermals krähte der Hahn“, dann aber vor allem in seiner „Kriminalgeschichte des Christentums“) das Christentum zum Urheber dieser Dinge macht (so als wäre das Ganze nicht passiert, wenn es das Christentum nicht gegeben hätte), verkennt er das Gewicht des Weltlaufs.
    Das Lösen ist die Befreiung der vergangenen, unter der Last der Vergangenheit verschütteten Zukunft (als Antwort auf die fortschreitende Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit; Auflösung der Last der Vergangenheit, anstatt sie durch affirmativen Gebrauch des Weltbegriffs bloß abzuwerfen: Die Welt ist der Inbegriff der Last der Vergangenheit).
    Das objektivierende Denken zerstört die Kraft der Identifikation, die Fähigkeit, sich in den anderen hineinzuversetzen. Deren Grundlage aber ist die Erinnerungsarbeit (Lots Frau, und das „vos estis sal terrae“: Eröffnung der Zukunft durch den Rückblick, die Rücksicht).

  • 12.01.93

    Bezeichnet der Begriff des Schicksals den Ursprung und das Zentrum des Neutrum (Benveniste, S. 400)?
    Sodom, Jericho, Gibea:
    – In Sodom bietet Lot seine Töchter an, aber er wird mit seinen Töchtern dadurch gerettet, daß die Engel JHWHs den Mob blenden. Lot, seine Frau und seine Töchter (ohne die Schwiegersöhne) entkommen, Sodom wird zerstört. (Wer ist Lot?)
    – In Jericho rettet die Dirne Rahab (hat sie etwas mit dem Meeresungeheuer Rahab zu tun?)die Boten Josues vor dem Mob, indem sie sie unbemerkt entkommen läßt. Jericho wird durch Posaunenschall zerstört, Rahab wird gerettet.
    – In Gibea bietet der Levit seine Nebenfrau (aus Bethlehem) an, sie wird zum Opfer des Mobs. Aber das wird zum Anlaß des Rachefeldzugs aller israelische Stämme gegen Benjamin und der Zerstörung Gibeas.
    Die früher in Schulen gebräuchliche Disziplinarstrafe: Stell dich in die Ecke und schäme dich, ist wohl nach dem Krieg aus dem Gebrauch gekommen. Hängt das mit dem falschen Ergebnis der Kollektivschuld-Diskussion (der „Kollektivscham“) zusammen?
    Kommen Wotan und Odin aus der gleichen Sprachwurzel, aus der auch odium, Haß, kommt? Und sind nicht Haß und Wut Komplementärformen, deren Zusammenschluß (Verkörperung) in der objektlosen Angst sich wiederfindet?
    Wie stehen Haß und Wut zu Macht und Ohnmacht?
    Haben die Befreiungskriege nicht Wotans Heer zitiert: Das war Lützows wilde, verwegene Jagd.
    Ist nicht das Dogma ein Anästhetikum: gehört nicht zur Konstruktion des Dogmas (zur Logik des Bekenntnisses) eine narkotisierende Wirkung? Folge der „verandernden Kraft des Seins“, der Ontologisierung.
    War Paulus nicht der erste Konvertit, und gibt es eine Konversion ohne einen Rest von Ressentiment? Und: Wie verhält sich die Konversion (als bloßer Wechsel des Bekenntnisses) zur Umkehr?
    Zum Begriff des Neutrum: Seid klug wie die Schlangen und arglos wie die Tauben.
    Die Kopenhagener Schule: Ist das nicht der ebenso ungeheuerliche wie entsetzliche Versuch, aus den Todeszuckungen die Anfänge des Lebens herauslesen zu wollen?
    Ist nicht der christliche Antijudaismus gerade jener Paranoia verfallen, die Jesus selber mit dem „Herr vergib ihnen“ auch als Opfer noch hat vermeiden wollen?
    Johannes wurde von Herodes geköpft, Jesus von Pilatus gekreuzigt und Stephanus von Saulus gesteinigt. Johannes ist der Rufer in der Wüste, der hinweist auf das Lamm, das die Sünden der Welt auf sich nimmt; Stephanus sah den Himmel offen und Jesus zur Rechten Gottes sitzen.
    Ist das Blut die flüssige, dingliche Scham? Was hat es dann
    – mit dem Blut Abels, das zum Himmel schreit,
    – dem Verbot, Blut zu essen,
    – mit dem Blutvergießen (dem Mord- und Tötungsverbot),
    – der seit zwölf Jahren blutflüssigen Frau, die durch die Berührung seines Gewandes geheilt wird,
    – mit dem „Dies ist mein Blut, … trinket alle davon“,
    – mit der (von Sünden) reinigenden Kraft des Blutes
    auf sich? Und wie hängt der Blutkreislauf mit dem Kreisen der Planeten zusammen (das kreisende Flammenschwert mit dem Verbot, Blut zu vergießen), mit der Beziehung des Blutes zu den Blättern der Pflanzen (das Innen bei Tieren entspricht dem Außen bei Pflanzen: rot und grün; Chlorophyll: Beziehung zum Licht, wie die Scham, in der der irdische Ursprung des Lebens in seinen Anfang zurückkehrt)?
    Hi 1618: Erde, decke mein Blut nicht zu, und für meinen Klageschrei sei kein Ruheplatz da.
    Ps 913: Denn der dem vergossenen Blut nachforscht, hat ihrer gedacht; er hat das Schreien der Elenden nicht vergessen.
    Joel 34: Die Sonne wird sich in Finsternis verwandeln und der Mond in Blut, ehe der Tag des Herrn kommt, der große und furchtbare. (Vgl. Off 612)
    Kain ist „verflucht vom Ackerboden hinweg“, denn das Blut Abels „schreit vom Ackerboden her“ (Gen 411, vgl. auch Hi 1618), und der Acker, den die Hohepriester für das „Blutgeld“ des Judas kauften, heißt seit dem „Blutacker“ (Mt 278).
    Eph 213: Jetzt aber, in Christus Jesus, seid ihr, die ihr einst fern wart, durch das Blut des Christus nahe geworden.
    Ebd. 612: Denn unser Kampf ist nicht gegen Fleisch und Blut, sondern gegen die Gewalten, gegen die Mächte, gegen die Weltbeherrscher dieser Finsternis, gegen die Geister der Bosheit in der Himmelswelt.
    Ist nicht jetzt die Zeit des Endes aller Symbole und des Beginns der Erkenntnis gekommen?

  • 11.01.93

    Urteil (lat. iudicium): wie heißt das Urteil (im Recht und in der Logik) im Griechischen? Grundlage des Urteilsspruchs ist der Zeuge oder der Eid (der Gott zum Zeugen nimmt; in der Bibel muß der Schwörende seine Hand an die Lende dessen legen, vor dem der Schwur abgelegt wurde, berührt): Wie verhalten sich Zeugenschaft und Schwur zum Raum? Ist der Raum nicht die anonymisierte Zeugenschaft aller (Medium der Vergesellschaftung) und ist die Ausdehnung des Raumes nicht ein Produkt des automatisierten Fortzeugens (mit der Orthogonalität als Grund und Zentrum der Automatik): die Indifferenz von Tätigkeit und Statik (dynamischer und mathematischer Qualität: Trennung und Begründung von Objekt und Begriff, Natur und Welt)?
    Der Objektbegriff und die Verführung durch Herrschaft verändert die Sprache. Herrschaft gründet in dem Recht zu töten, das über die Raumvorstellung vergesellschaftet wird; so dringt das Gewaltmonopol des Staates in die Sprache ein (wie der Raum in die Zeitvorstellung und in den Begriff der Materie). Darin liegt der naturgeschichtliche Grund der Naturwissenschaften und des Kapitalismus, den sie selber wiederum instrumentalisieren.
    Das Sein ist das unkenntlich gemachte Gewaltmonopol des Staates.
    Zu Kafkas Geschichte vom Schauspieldirektor, der eine Premiere, die Inszenierung eines neuen Stückes, vorbereitet. Das Bild wäre noch zu verschärfen: Nach dem Selbstverständnis der Prophetie beginnt die Umkehr im Mutterleib.
    Zu den fatalen Ergebnissen der Kollektivschuld-Diskussion nach dem Krieg gehört es, daß die Aufarbeitung der Schuld, die Erinnerungsarbeit, durchs Schambekenntnis ersetzt wurde. So hat man sich nur durch die Scham überschwemmen lassen, damit aber genau jene Verdrängungsarbeit unterstützt, die die Aufarbeitung heute fast unmöglich macht. Die nachfolgende Politik mußte eine Feigenblatt-Politik sein (und darin ist Kohl Meister). Die Aufforderung zur Scham hält ihr Objekt infantil (während die Schuldverarbeitung es erwachsen werden läßt). War vielleicht die Benennung der Tiere durch Adam eine Aufforderung zur Scham: So ist ihnen das Fell gewachsen? Das Unverschämte (des Begriffs, der Welt) und das Schamlose (des Objekts, der Natur) sind Zwangsfolgen der falschen Verarbeitung der Scham. Nicht Scham, sondern Umkehr: Der kosmische Ausdruck der Scham ist die Materie.
    Ist die Frage Kains „Bin ich der Hüter meines Bruders?“ mehr als eine rhetorische Fangfrage? Weist die Frage nicht darauf hin, daß er „es nicht war“, daß es etwas in ihm war (vor dem er vielleicht dann doch seinen Bruder hätte behüten sollen), und bezieht sich darauf das Wort Gottes vor der Tat: „Wenn du recht tust, darfst du aufblicken; wenn du nicht recht tust, lauert an der Tür die Sünde als Dämon“. Diese „Sünde als Dämon“ ist die „Sünde der Welt“ aus Joh 129. Die Sünde an der Tür und das, was in Kain als Es den Abel erschlug und den Mord beging, war der Ursprung der Welt. Und diese Welt ist in der Tat „aus Nichts“ erschaffen, aber auch nicht von Gott.
    Ist das Benennen (in der Schrift) wirklich etwas so Harmloses: die Benennung der Tiere durch Adam, aber auch schon davor die Benennung des Lichts und der Finsternis, auch die der Feste, die die Wasser scheidet? Die Söhne werden in der Regel von den Müttern benannt (und von den Vätern als gegeben hingenommen). Gibt es außer bei der Geburt des Johannes (wo der Zacharias durch Bestätigung des Namens die Sprache wiedergewinnt) noch andere Ausnahmen (wie ist das bei den Kindern der Propheten)?
    Bezieht sich nicht auch der Titel „Erstgeborener“ auf die Mutter, deren Mutterschoß der Erstgeborene eröffnet, nur Jesus ist der „Erstgeborene des Vaters“?
    Wäre nicht zu den etymologischen Forschungen (Benvenistes und anderer) darauf hinzuweisen, daß auch das Bedeuten und Bezeichnen in die grammatischen Strukturen der Sprache eingebunden ist. Wie unterscheiden sich Bedeuten und Benennen? Bezeichnen nicht das Deuten und Bedeuten den Indifferenzpunkt zweier gegeneinander gerichteter oder zueinander inverser Tendenzen, nämlich einer expressiven und einer deiktischen Tendenz. Wie verhält sich das zu der bemerkenswerten Zweideutigkeit, die im Deutschen den Sinnbegriff kennzeichnet?
    Das Christentum hat die Umkehr bis heute nicht begriffen, statt dessen kennt es wohl Bekehrungen. Drückt nicht das Affix be- ein projektives Element aus, die falsche, veranderte Umkehr: die im andern reflektierte und verdinglichte Umkehr?
    Entspringen die indogermanischen Sprachen mit der Bildung des Neutrum, mit der Nutzung seiner exkulpativen, herrschaftssichernden Gewalt? Und waren die ersten Neutra nicht herrschaftssichernde Kategorien (Emanationen der Schlange)?
    Ist das Futur II Produkt der Instrumentalisierung des kreisenden Flammenschwerts? Hängt sein Ursprung zusammen mit dem Sternendienst? Und ist das, was durch dieses kreisende Flammenschwert abgetrennt (weltlich konstituiert) wird, in den astrologischen Bedeutungen der Planeten (im antiken Sinne) genauer bezeichnet? Und wurde dieser Knoten nicht durchschlagen durch einen Akt, in dem das heliozentrische System begründet wurde? Wie hängt die Heliozentrik mit der Geschichte der Großreiche, mit Alexander und dem Cäsarenwesen zusammen, oder auch mit dem Begriff des „Reichs“?
    Ist die Physik die Finsternis über dem Abgrund? Und wäre nicht die Theologie über den nächsten Satz, den Geist Gottes über den Wassern, zu begründen? Oder genauer: verhalten sich Finsternis und Abgrund zum Geist Gottes und den Wassern wie Philosophie und Begriff zur Prophetie und zum Namen? Hat der Sündenfall nicht nur den Abgrund eröffnet, und den Menschen die begrenzte Befugnis, sich der Mächte des Abgrunds zu bedienen?
    Die jüdische Tradition kennt den Brudermord; ist nicht der Vatermord ein bis heute unaufgeklärtes und unbegriffenes mythisches und christliches Erbe (im Ursprung des Weltbegriffs), und bezieht sich darauf nicht der Freudsche Mythos von der Urhorde?
    Die Tiere wurden benannt, der Gottesname soll geheiligt werden: Ist die Heiligung des Gottesnamens nicht die Antwort auf die Opferung des Gottesnamens (seine Verbergung hinter dem Namen des Vaters), und ist bisher nur diese Opferung Gegenstand der christlichen Tradition? Drückt diese Opferung sich im Bilde vom Sitzen zur Rechten des Vaters (der Bindung der Rechten des Vaters, die nach Paulus zeitlich begrenzt ist: bis Ihm alles unterworfen ist) aus?

  • 10.01.93

    Der aus der Selbstrechtfertigung von Herrschaft (dem Weltbegriff) stammende projektive Anteil in der Theologie hat sie unter sich begraben.

  • 09.01.93

    Hängt der Name des Pharao („das große Haus“?) mit dem gesellschaftlichen Begriffsfeld Haus (domus, dominus) zusammen; und gehört der Name des Sklavenhauses dazu?
    Zu Franz Rosenzweigs Bemerkung über Eugen Rosenstock: Ist nicht das Christentum generell die systematische Vermantschung der Symbole, notwendig im Kontext des projektiven Bibellesens, die den biblischen Text insgesamt zu einer erbaulichen Soße zusammenfließen läßt.
    Ist das Christentum nicht vorgebildet in der Geschichte Kains: mit dem zurückgewiesenen Opfer und dem daraus erfolgenden Brudermord am Anfang, dem „Bin ich denn der Hüter meines Bruders“, der anschließenden Stadtgründung und Kulturentwicklung, und schließlich mit Lamech am Ende. Welche Bedeutung haben hier die Parallelen und Differenzen der Geschlechterfolge Kains zu der des Set? Und was hat es mit dem Kainszeichen auf sich, und wer sind Ada und Zilla?
    Set ist nach Kain geboren (als Abel redivivus), aber Kenan, der den Stammbaum Kains im Stammbaum Sets eröffnet, ist sein Enkel (der Sohn seines Sohnes Enosch, Menschlein: Klein-Adams). Und Kain gründet eine Stadt, die er nach seinem Sohne Henoch nennt, Henoch aber, als Urenkel des Kenan (die Folge Henoch-Irad-Mehujael wird umgekehrt in Mahalalel-Jered-Henoch, danach kommen dann Metuschael/Metuschelach und Lamech), „war seinen Weg mit Gott gegangen, dann aber war er nicht mehr da; denn Gott hatte ihn aufgenommen“. Der kainitische Lamech nahm sich zwei Frauen, Ada und Zilla, und zeugte Jabal und Jubal, sowie Tubal-Kajin und Naama, der setische Lamech zeugte Noach.
    Ist nicht Metz‘ Theologie der Welt eine Konsequenz aus dem undurchschauten kainitischen Christentum (Folge der Verwechslung der göttlichen Verheißungen mit der Welt?
    Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit (Begriff der Kritik): Gibt es eine selbstreferentielle Anwendung des Urteils auf die Urteilsform? Das Schwert, das die Wunde schlägt, heilt sie auch?

  • 08.01.93

    Futur II (Vorstellung der homogenen Zeit) und Materie: Ist die indoeuropäische Sprachstruktur nicht doch durch das kräftig überwiegende patriarchalische Element bestimmt? Die Zeiten Gliedern sich zunächst nach Generationen (Tagen), dann nach Stämmen (Monaten) und Sprachen (Jahren); erst der Staat schafft die unendliche, homogene Zeit.
    Gilt Besoffenheit im deutschen Rechtswesen deshalb als Strafmilderungsgrund, weil sie an den mystischen Grund des Gewaltmonopols des Staates erinnert?
    Gibt es einen Zusammenhang zwischen den „vier Kreisen der gesellschaftlichen Zugehörigkeit“ (Benveniste, S. 230ff) und den biblischen „Stämmen, Völkern, Sprachen und Nationen“?
    Die Rechtfertigung führt über den Schein der Befreiung in den Wiederholungszwang (Grund der Vorstellung einer homogenen Zeit und des Naturbegriffs).
    Adornos Satz „Das Ganze ist das Unwahre“ macht die Begriffe Natur und Welt für die Erkenntnis der Wahrheit (außer im Kontext der Umkehr) unbrauchbar.
    Daß die Berufung Heideggers auf die Vorsokratiker nur erschlichen ist, läßt sich leicht daran erkennen, daß es den Naturbegriff bei ihm nicht gibt, sondern nur den Weltbegriff als einen selbstreferentiellen Herrschaftsbegriff. Und Heideggers Satz „Warum ist überhaupt etwas und nicht vielmehr nichts“ ist Ausdruck der Furcht des Herrn (der objektlosen Angst), sein Objekt zu verlieren: Der Begriff des Nichts ist Ausdruck der philosophischen Hybris und der Verworfenheit zugleich.
    Das erkenntniskritische Moment im ontos on, im Seienden des Seienden wird durch die Übersetzung als „Sein des Seienden“ storniert und positivistisch verfälscht.
    Man muß sein Denken den sanften Erschütterungen des Gehens aussetzen: Nur so gelingt ist, die Begriffe in neuen Konstellationen neu sich begründen zu lassen. Insbesondere gilt es, endlich einen Begriff der Kritik zu gewinnen, der nicht auf Widerlegung abzielt (nicht unter dem Gesetz der Erkenntnis des Guten und Bösen: dem Gesetz der Urteilslogik steht), sondern auf Reinigung, Befreiung.

  • 07.01.93

    „Wotans Heer“ ist das wütende Heer oder das verkleidete Heer der Toten (Benveniste, S. 92). Also auch vor den Toten muß man Angst haben (Ausbeutung der Angst vor den Toten)? Gründet das Urteil im Mord oder in der Todesstrafe?
    Ursprung der Begriffe Kauf und Verkauf, sowie Wert, aus der Gefangennahme und dem Verkauf (Loskauf?) eines Gefangenen (S. 105)? Asymmetrie von Verkaufen und Kaufen (S. 106): Im Verkauf wird geopfert, im Kaufen wird befreit. Hängt das lateinische „sum“ (ich bin) mit dem sumere, dem Nehmen (consum), zusammen?
    Das Vorhandene und das Zuhandene, der Handel, die Nutzung (die Industrie als Subsumtion der Nutzung unter die Gesetze des Handels) und das Begreifen.
    Das Neutrum ist auf den Tausch bezogen (sh. die Bedeutung von mutuus, S. 147), es ist in der Tat das ne-utrum: keins von beiden (oder die Identität von Opfer und Befreiung).
    Röm 623: Der Lohn der Sünde ist der Tod. (Aber „Stark wie der Tod ist die Liebe“, Hl 86.) Wie hängt das mit dem Weltbegriff, mit den Sünden der Welt, mit der Beziehung von Welt und Tod zusammen? Es heißt zu Recht: der Lohn der Sünde (nicht der Lohn der Schuld), wie es auch zu Recht heißt: Übernahme der Sünden (nicht der Schuld) der Welt.
    Drücken nicht die Hilfszeitverben Possessiv-, Herrschafts- und Schuldbeziehungen aus: sein, haben, werden, sollen, müssen?
    Entspringt die Ontologie nicht erst im Barock, aber nur aus dem Grunde, weil hier erstmals das ontos on unverständlich wird und deshalb in das Heideggersche Sein des Seienden übersetzt (verkürzt) werden muß? Folge der Isolationshaft im transzendentalen Apparat (durch den Objektbegriff, der den intellectus: den Blick nach draußen, versperrt). Ist nicht die Ontologie der Versuch der Philosophie, nachdem sie endgültig zur Erkenntniskritik geworden ist, sich noch einen eigenen Gegenstand zu sichern, um so den Status der Wissenschaft sich zu erhalten? So hängt die Fundamentalontologie in der Tat, wie von Weizsäcker vermutet, mit der Atomphysik zusammen, die auch die Reflexionsgestalten (die mikrophysikalischen „Objekte“) eines in der Physik selber entsprungenen erkenntniskritischen Moments (des Prinzips der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit) zu einem Gegenstand der Physik zu machen versucht. Aber ist dieser „Gegenstand“ nicht hier wie dort das Gegenteil des Gegenstandes: der Schlüssel, der die Zelle der Isolationshaft verschließt?
    Hat die Geschichte mit den beiden Wangen (in der Bergpredigt) etwas mit dem Problem von Rechts und Links zu tun? Und wird Jesus in der Passionsgeschichte nicht auch auf die Wange geschlagen?
    Das Thalessche „Alles ist Wasser“ bezeichnet den Indifferenzpunkt im Übergang vom Mythos zur Philosophie. Im Mythos selber ist dieser Übergang in der Sintflutgeschichte dokumentiert.
    Im Angesicht und Hinter dem Rücken, Rechts und Links, Oben und Unten: Sind das nicht alles Innen-Außen-Relationen? Wenn ich einen rechten Handschuh umstülpe, paßt er zur linken Hand.
    Im Begriff der Existenz wird das Prinzip der Selbsterhaltung auf den Punkt gebracht.

  • 06.01.93

    Die Bildung des Neutrum scheint schon sehr früh erfolgt zu sein; Hängt sie mit der Hirten-Ökonomie zusammen (vgl. Benveniste)?
    Merkwürdige Urbedeutung des Wortes sacramentum: Haftgeld (Benveniste, S. 46).
    Gibt es einen etymologischen Zusammenhang zwischen Erbe, urbs und orbis (S. 68)? – Auch Schulden werden vererbt.
    Die Existenz des Privateigentums ist an bestimmte gesellschaftliche und logische Voraussetzungen gebunden, die im Begriff der Welt zusammengefaßt sind. Im Begriff der Existenz schlägt der Weltbegriff (das Meer der Völker, Stämme, Sprachen und Nationen) über den Köpfen der Privateigentümer zusammen, setzt er sie der Gefahr aus, darin zu ertrinken (Heideggers „In-der-Welt-Sein“).
    Die Erde gegründet und den Himmel aufgespannt: Der Begriff der Spannung bezeichnet sowohl einen räumlichen als auch einen zeitlichen Sachverhalt. Der räumliche Sachverhalt wurde im Gravitationsgesetz erstmals vergegenständlicht, der zeitliche im Roman. Auf den räumlichen Sachverhalt bezieht sich das Wort von den Sünden der Welt, auf den zeitlichen das von der Übernahme der Sünden der Welt. Wenn die Leuchten am Himmel, nach der Genesis, über die Zeiten „herrschen“, dann heißt das, daß sie die archä: die Anfänge und Urspünge der Zeiten repräsentieren.
    Das Angesicht des andern ist die realsymbolische Gegenwart Gottes. Gründet nicht die Benennung der Tiere durch Adam in dem Unvermögen (oder in der Weigerung), das Angesicht der Tiere zu erkennen? Auch Eva erkennt Adam nur als „Bein von meinem Bein und Fleisch von meinem Fleisch“, und die Erkenntnis Evas ist die Zeugung der Sühne Kain und Abel. In dem „Bein von meinem Bein und Fleisch von meinem Fleisch“ klingt schon das „und sie erkannten, daß sie nackt waren“ an.
    Nach Emile Benveniste hängt der Bedeutungswandel von hostis im Lateinischen (vom Gast und Fremden zum Feind, Zusammenhang mit hostia = Opfertier) mit dem Ursprung der Zivilisation (der das Eigentum begründenden und sichernden Institutionen) zusammen. Im Griechischen statt dessen die Trennung von xenos und barbaroi. Die biblischen Xenophobie-Berichte von Sodom, Jericho und Gibea setzen alle städtische Verhältnisse voraus (vgl. Ninive, die „große Stadt“).
    Zerstörung des Angesichts durchs Zeitkontinuum (oder Sprengung des Zeitkontinuums durchs Angesicht): Die Differenz zwischen „Ihm, der ist, der war und der kommt“ (Off 14) und dem Tier, das „einmal war und jetzt nicht ist, aber wieder da sein“ wird (178) ist die Differenz zwischen dem Angesicht und dem Inertialsystem (was ist der Unterschied zwischen dem Seitenblick und dem Hinter dem Rücken?), sie bezeichnet genau das Problem der Genesis des Neutrum. Beachte, daß auf 178 der gleiche Hinweis folgt, der auch bei der Zahl des Tieres, die die Zahl eines Menschen ist, steht: „Hier braucht man Verstand und Kenntnis“ (179 und 1318).
    Das Relativitätsprinzip überträgt die Homogeneität und Isotropie des Raumes auf die Vorstellung der Zeit (durch Herstellung einer quasiorthogonalen, metrikbegründenden Beziehung der Zeit zum Raum: durch Neutralisierung beider und mit der Folge der Konstituierung des Begriffs der trägen Masse: der physikalischen Materie).
    Wäre der Raum orthogonal (und nicht die Orthogonalität Produkt des intersubjektiven, subjektlosen mathematischen Zwangs), so müßte die Zeit ohne Anfang und Ende sein (der Punkt als Bild der reinen Gegenwart). Die Homogenität der Zeit (der Ausschluß der Idee des Ewigen) ist durch die Dreidimensionalität des Raumes vermittelt, durch die innere Differenzierung der Zeit, die sich in den drei Dimensionen des Raumes manifestiert. Die Zeitdilatation in der speziellen Relativitätstheorie ist richtungsbezogen.
    Die Atomphysik ist das physikalische Realsymbol der Xenophobie, und die AKW’s sind Realsymbole für den Risikostatus: für die Grenzen der Beherrschbarkeit der politischen Ökonomie.

  • 05.01.93

    Nicht die Philosophie war die ancilla theologiae, sondern die Theologie die ancilla philosophiae. Die Philosophie, die über den Christus-Mythos gerettet wurde, hat sich nur als Theologie (miß-)verstanden. Aber diese Magd ist es, von der es heißt, daß sie am Ende weissagen werde.
    Im Faschismus explodiert das Sein als männliches Possessivpronomen.
    Wittgenstein ist der Beweis dafür, daß die Sprache auch den Prozeß ihrer Selbstzerstörung noch benennen und bestimmen kann. Der Grund hierfür wurde gelegt in der Benennung der Tiere durch Adam (Zusammenhang des Logos mit dem Rock aus Fellen?).
    Kritik des projektiven Bibel-Lesens: Die Projektion wäre u.a. zu demonstrieren an
    – den johanneischen Juden,
    – den Petrus-Geschichten,
    – dem Schicksal Hams in der Noe-Geschichte,
    – insbesondere aber am offenen Problem der Erfüllung der Schrift im Handeln und im Schicksal Jesu (vgl. die Emmaus-Geschichte und die Geschichte der Bekehrung des äthiopischen Hofbeamten durch Philippus).

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