Februar 1993

  • 28.02.93

    Wer es nicht wagt, einen Konflikt offen (im Angesicht des Adressaten) anzusprechen, kann, was er denkt, nicht in jedem Falle vor dem andern verbergen: die offene Frage erscheint dann als entlastende Aggression (einmal muß es doch heraus), als „Spitze“. Hat diese „Spitze“ etwas mit den Dornen und Disteln der Bibel zu tun: am Ende auch mit dem Konzept und der Form des Raumes und seiner Hypostasierung? – „Da gingen ihnen die Augen auf, und sie erkannten, daß sie nackt waren.“ Ist nicht der Raum (als „Spitze“) die Form der Beziehung zu anderen, in der jeder sich als nackt erkennt?
    Sind nicht die Geschichten von Judith und Holofernes, von Esther und Haman, Geschichten, die den Satz aus dem Fluch an die Schlangen nach dem Sündenfall erläutern: „Feinschaft will ich setzten …, ihr Nachkomme wird dir den Kopf zertreten“?
    Beziehung des Bilderverbots zum Gebot der Feindesliebe: Sind nicht seit dem Ursprung des Weltbegriffs alle Bilder Feindbilder? – Der Raum oder die Instrumentalisierung und Neutralisierung der Umkehr. Liegt hier nicht die weltgeschichtliche Bedeutung der Entdeckung des Winkels und der Orthogonalität?
    Worin liegt der logische Kern der Begründungen, die der Antinomie der reinen Vernunft zugrunde liegen? Wird hier die „verandernde Kraft“ des Seins bestimmbar? Ebenso die Beziehung der Begriffe Welt und Natur, die sich gleichsam wechselseitig widerlegen und bestätigen?
    Zum Buch Jonas: Wir können Oben und Unten unterscheiden, ebenso Vorn und Hinten; aber Rechts und Links können wir nicht mehr unterscheiden.
    Ist Habermas der Buber der kritischen Theorie? Mit der Verdrängung des Naturproblems verdrängt Habermas den theologischen Ursprung und damit einen zentralen Teil der Tradition der Philosophie. Die Emanzipation der Philosophie von der Theologie, Ursprung der modernen Aufklärung, ist selber theologisch vermittelt. Über die Theologie wurde das gleiche Schicksal (Urteil) verhängt (gefällt), das sie ihrem eigenen jüdischen Ursprung hat widerfahren lassen.
    In der Geschichte der Aufklärung wurde die Orthodoxie ersetzt durch das Inertialsystem. Und die Orthodoxie darin (in den kantischen Formen der Anschauung) wiederfinden, sie so entschlüsseln, daß diese Beziehung durchsichtig wird, wäre ein entscheidender Beitrag zur Aufklärung der Aufklärung.
    Stephanus war der erste Märtyrer, der zweite Jakobus, der Bruder des Johannes, den Herodes mit dem Schwert hinrichten ließ (Apg 121f).
    „Maria aber bewahrte all diese Worte in ihrem Herzen“. Unterm Kreuz hat Jesus sie dem Johannes anvertraut.

  • 27.02.93

    Ist das Feuer das ausgelachte Licht?
    Was die Welt „im Innersten zusammenhält“, ist die Projektion.
    Der griechische Mythos ist der erste konsequent von städtischen Prämissen durchdrungene Mythos, während die an den Jahresablauf gebundenen Elemente (insbesondere die Bilder der Auferstehung) im orientalischen Mythos noch an agrarische („pagane“) Hintergründe erinnern.
    Unsere Welt ist immer noch die gleiche Welt, in der auch Jesus gekreuzigt wurde; und sie ist keineswegs entsühnt.
    Sind nicht die Geschichten von der Mutter Konstantins, Helena, die bei einer Pilgerreise nach Jerusalem das Kreuz wieder aufgefunden hat, Legitimationslegenden? Hier ist das Kreuz in die caesarische Tradition gerückt (und Pilatus ins Credo und in die Messe mit aufgenommen) worden.
    Mir scheint, es wäre sinnvoll und notwendig, die Schlüsselfunktion des Tertullian für das „abendländische“ (lateinische) Christentum genauer zu bestimmen. Tertullian hat die lateinische Sprache fürs Dogma (für die orthodoxe Theologie) geschaffen; aber hierbei, bei der Übertragung aus dem Griechischen ins Lateinische, ist die Theologie nicht die gleiche geblieben. Person ist nicht identisch mit hypostasis, und essentia nicht identisch mit ousia. Aber waren diese Verschiebungen nicht notwendig – und das wäre zu prüfen -, wenn die Theologie, insbesondere ihr Kern: die Trinitätslehre, die Opfertheologie und die Christologie, im Lateinischen in ein konsistentes System übertragen werden sollte? Die andere Logik der lateinischen Welt und Sprache mußte zwangsläufig zu einer anderen Theologie führen.
    Sind die die Dornen und Disteln, das Schwert und der Kelch die drei großen geschichtstheologischen Symbole der Schrift?
    – Die Dornen und Disteln weisen zurück auf den Sündenfall,
    – das Schwert auf die Vertreibung aus dem Paradies (das „kreisende Flammenschwert“), und
    – der Kelch? Hierzu gehören die Stellen über Trunkenheit und Wein, die Geschichte mit Noe und Ham (Aufdeckung der Blöße und Knechtschaft, mit der Vorgeschichte der Scham), der Taumel-und Zorneskelch und der Kelch in Getsemane.
    Der Spruch des Schicksals ist ein Urteil.
    Ist nicht das Lachen die instrumentalisierte, entfremdete Freude? Und steckt darin nicht die Verzweiflung über die Schändung der Freude durchs Lachen? Das instrumentalisierte Lachen ist in seinem Kern zynisch, aber trifft das nicht heute den Kern der Welt? Uns steckt nicht in der dogmatischen Gestalt der Orthodoxie ein Stück dieses Zynismus, ein Stück dieses Lachens?

  • 26.02.93

    Erinnert nicht das Verhältnis der Kopenhagener Schule zu Einstein an die Beziehung von Hegel zu Kant? In beiden Fällen wird die Systemkritik als Motor des Systems ins System zurückgenommen und integriert, das kritische Moment herausgebrochen.
    Der Gott der Philosophen ist nicht der Gott der Offenbarung. Wenn man versucht, beide mit allen Konsequenzen zu harmonisieren, kommt der Islam dabei heraus.
    Dein Wille geschehe, fiat voluntas tua: Wie heißt und welche genaue Bedeutung hat das griechische Verb, das hier mit „geschehen“, „fieri“ übersetzt wurde? – „Genätäto to teläma sou“ (Mt. 610: von ginomai, werde geboren, entstehe, werde erfüllt, getan). Wenn aus dem ginomai das Tun herausgebrochen wird, entsteht genau das, was die Christen immer in den Islam hinprojiziert haben (zusammen mit der nur kriegerischen Interpretation des jihad): die Unterwerfung unter den Willen Gottes anstelle des Tuns. Ist hier nicht eines jener Beispiele, an denen sich (wie an den Begriffen Welt und Natur) nachweisen läßt, welche Folgen die Übersetzung der Philosophie und der Theologie aus dem Griechischen ins Lateinische gehabt hat?
    Was ist das movens der Ursprungsgeschichte des Römischen Reiches? War nicht so etwas wie ein sprachlich-logischer Zwang mit darin enthalten, der sich aus dem Übergang von der heidnischen Idolatrie (vgl. die römische Religion, ihren Unterschied zur griechischen) zur Aufklärung und zur Installation des Weltbegriffs herleiten läßt? Ist hier nicht der Ort des aristotelischen „Ersten Bewegers“, der noesis noeseos; und muß hier nicht daran erinnert werden, daß Alexander ein Schüler des Aristoteles war? Lag nicht der Keim der Orientalisierung der griechischen Philosophie im Hellenismus in der inneren Tendenz und Logik dieser Philosophie selber?
    Das ex nihilo in der philosophisch-theologischen Schöpfungslehre ist mit der Einführung der Null in die Mathematik (im Kontext des Ursprungs der doppelten Buchführung und des Inertialsystems) gegenstandslos, obsolet geworden; es hat nur noch niemand bemerkt. An dem Unvermögen, das zu begreifen, ist die nachislamische kirchlich-christliche Theologie (Grund des Universalienstreits) zugrundegegangen.
    War nicht die Nazizeit eine Zeit der Einübung in das Heulen mit den Wölfen?

  • 25.02.93

    Nach Walter Burkert treten die Initiationsriten mit dem Aufkommen der Schriftlichkeit und mit der Stadtkultur zurück, „um schließlich zu verschwinden – vollständig erst in unserer Zeit der atomisierten Gesellschaft“ (S. 47). Aber was sind Erstkommunion und Firmung anders als Initiationsriten?
    Zu Christine Kuby: Woran anders wird die „Schwere der Schuld“ gemessen als an der Stärke der Racheimpulse? Der Umgang mit den Gefangenen der raf ist längst ein Indiz für die Verkommenheit unserer Justiz.
    Die Vorstellung, daß das „Herrschaftsgebot“ der Genesis eine der Ursachen der Geschichte der gesellschaftlichen Naturbeherrschung sei, ist, abgesehen davon, daß sie sich durch eine genaue Lektüre des Textes widerlegen läßt (das vegetarische Nahrungsgebot, mit dem es zusammensteht, schließt das Töten aus), ist nicht nur falsch, sie bestätigt im genauesten Sinne eines double bind genau das, wogegen sie protestiert: das Schuldverschubsystem, das als logischer Kern dem Ursprung und der Geschichte der Naturbeherrschung zugrunde liegt. Sie ist ein Teil jenes Syndroms, demzufolge Religion jeder für sich nur noch als Seelenbalsam und für andere als ein System von Moralvorschriften und Handlungsanweisungen begreift: als Religion für andere, Religion als Herrschaftsmittel. Aber wird diese Religion fatalerweise nicht gerade dann bestätigt, wenn man aus ihr glaubt austreten zu können? Und ist nicht Petrus/Kephas der Typos einer Religion, die nur noch Religion für andere ist: Fundament einer Kirche, die zum steinernen Herzen der Welt geworden ist? Es ist ein System des Sich-wechselseitig-in Schach-Haltens, in dem dann, nach einem Adorno-Wort, heute jeder Katholik so schlau ist, wie früher nur ein Kardinal. Das Modell und die reale Verkörperung dieses Systems ist der Staat, seine innere Struktur das Recht.
    Läuft nicht unser Autoritätssystem, wenn es auf Texte angewandt wird, nach dem Modell Heilige oder Hure (mit der merkwürdigen Analogie der patriarchalischen Beziehungen zu Texten und zu Frauen)? Wäre es nicht sinnvoller, gerade in alten Texten die Erfahrung, daß da etwas drinsteckt, was nur durch Reflexion wiederzugewinnen ist, mit der Erfahrung der Unzulänglichkeit dieser Texte zusammenzudenken? Das hatte Walter Benjamin im Sinn, als im Hinblick auf Franz Rosenzweig sagte, er habe es vermocht, die Tradition auf dem eigenen Rücken zu befördern anstatt sie seßhaft zu verwalten. Merkwürdig, daß alle Offenbarungsreligionen ihren Absolutheitspunkt in der Vergangenheit (in den Heiligen Schriften und den damit verbundenen Ereignissen) haben.
    Bezeichnet nicht das „leer, gereinigt und geschmückt“ in der Parabel von den sieben unreinen Geistern auch das Bild von der Vergangenheit, das wir im Kopf haben? Grund unserer Erinnerungsunfähigkeit?
    Weltanschauungskriege sind Vernichtungskriege (nach den christlichen Vorläufern in den Kreuzzügen, Pogromen, Ketzer- und Hexenverfolgungen in säkularisierter Gestalt zuerst im Krieg der Nazis „gegen den Bolschewismus“), weil sie die Nutzung des Schuldverschubsystems, dessen Resultat eine „Weltanschauung“ ist, auch durch Strafen (die dann Vernichtungsstrafen sind) in der Realität verankern wollen. Es handelt sich offensichtlich um eine Zwangsfolge nicht mehr reflektierter (weil nicht mehr reflexionsfähiger) Herrschaftssysteme. Nicht zufällig werden sie als Reinigungsaktionen (Endlösung der Judenfrage als Reinigung der Welt von den Juden, ethnische Säuberungen in Bosnien) begriffen; sie weisen zurück auf den lateinischen Weltbegriff: mundus.
    Ist eigentlich die Frage, ob es Menschen ohne Schrift, vorschriftliche Gesellschaftsformationen, gibt, so sinnlos? Die Vorstellung, daß „die Wilden“ Produkt einer Regression, eines Rückfalls sind, hilft vielleicht im Verständnis des Ursprungs der Schrift weiter als äußerliche, banale Erfindungstheorien.
    Sind die ersten Opfer in der Bibel nach den Opfern Kains und Abels die des Abraham und des Melchisedech?
    Wäre die Lessingsche Parabel von den drei Ringen heute nicht durch eine andere zu ersetzen: Jeder sitzt im Gefängnis seiner Geschichte, aber die Schlüssel dazu haben jeweils die anderen? Die Hauptaufgabe liegt bei den Christen; nur ihnen ist gesagt worden: was du auf Erden lösen wirst, wird auch im Himmel gelöst sein.
    Die Kritik der Naturwissenschaften hätte damit zu beginnen, daß man nachweist, daß in den Naturwissenschaften das Licht nicht mehr vorkommt, Licht und Finsternis bedeutungslose Begriffe sind: es ist unmöglich, in naturwissenschaftlichem Kontext das Licht zu rekonstruieren. Nur noch gleichsam deiktisch läßt sich der Berührungspunkt bezeichnen: das Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit. Die Rekonstruktion des Lichts über diesen „Berührungspunkt“ läßt die Naturwissenschaften nicht unberührt.
    Sind in den drei Versuchungen Jesu (vgl. z.B. Mt 41ff) die drei Totalitätsbegriffe mit angesprochen: Wissen, Natur und Welt:
    – Im Vertrauen auf die Behütung durch die Engel, „damit dein Fuß nicht an einen Stein stößt“, das Wissen,
    – in der Verwandlung von Steinen in Brot der Naturbegriff und
    – im Herrschaftsversprechen und in der Anbetung des Teufels der Weltbegriff?
    Wäre das Neue Testament nicht erst dann richtig zu verstehen, wenn man, anstatt es unmittelbar ins Deutsche zu übersetzen, es zunächst ins Hebräische übersetzen würde?
    Ist die Rede von einer Sünde wider den Heiligen Geist, die weder in dieser noch in der kommenden Welt vergeben wird, nicht eine Erläuterung der Geschichte vom Binden und Lösen? Dann wäre das Binden die Sünde wider den Heiligen Geist, und das Binden, das vorgibt, das Lösen zu sein, die Selbstverfluchung.
    Ist es nicht in der Tat, die Tat, die die Tatsachen schafft, auf die sich dann das Wissen bezieht, das als Absolutes die Vollendung des Andersseins des Selbst repräsentiert? Und ist das Absolute des deutschen Idealismus (Fichte, Schelling, Hegel) nicht die Bindung der rechten Hand Gottes?
    War nicht das Christentum bis heute die Anbetung und die Ausnützung des Scheiterns der messianischen Kraft Jesu (und in der Mystik das Verliebtsein in dieses Scheitern)?
    Gibt nicht die Situation in einem Fahrstuhl, in dem keiner den andern anschaut, einen aufschließenden Hinweis auf das Problem des Angesichts?
    Zur Theorie des Rechtsradikalismus: Nur weil wir uns das Beste versagen müssen: gut zu sein, schlagen wir andere tot.
    Politischer Aschermittwoch: Auch das war eine Erfindung von Franz Josef Strauß: Politik als Unterhaltung, und das als neue Qualität der Politik (nicht mehr zu trennen von der „Politikverdrossenheit“). Kern der seitdem irreversibel sich ausbreitenden parteipolitischen Ghettobildungen: nichts ändern, aber die Anhänger bei Laune halten (und süchtig machen).

  • 24.02.93

    Karl Marx hat in seiner Kapitalismus-Analyse etwas übersehen, was den den politischen und den prophetischen Wert seiner Analyse erheblich einschränkt:
    – einmal das für die Ursprungsgeschichte der Geldwirtschaft wichtige Institut der Schuldknechtschaft (und seine Bedeutung für den Ursprung und die gesellschaftliche Bedeutung des Geldes),
    – zum andern aber, und damit zusammenhängend, die Funktion der Banken (Geldschöpfung, Kredit und Schuldendienst) und des Staates (Gewaltmonopol, Recht und Finanzhoheit; Zentralbanken und Militär).
    – Insbesondere hier aber liegt der Grund dafür, daß es einen Weltbegriff ohne nationalistische Konnotationen, ohne eine Zwangslogik, die in den Nationalismus hineinführt, nicht gibt.
    Erst im Kontext des Bankwesens, im Blick auf den Wechsel auf die Zukunft, den das Bankwesen symbolisiert, läßt sich eine insgesamt haltbare Kapitalismuskritik erst begründen. Das Hegelsche Absolute bildet den Staat ab, aber nicht Gott. Und das Hegelsche Weltgericht ist nur ein Euphemismus für eine darwinistische Geschichtsphilosophie: für das survival of the fittest. Das theologische Konzept einer creatio mundi ex nihilo ist im Kern nationalistisch. Das Geld als Referenzsystem der Ökonomie ist ohne den Staat gegenstandslos. Zu den Marxschen „theologischen Mucken“ der Ware gehört der christologische Naturbegriff und die Bedeutung der Christologie und Opfertheologie für die Geschichte des Objektbegriffs, des historischen Objektivationsprozesses und der Geschichte des Herrendenkens.
    Zum Problem der Sündenvergebung: Wenn ich sage, daß ich jemandem seine Schuld vergebe, bedeutet das nur, daß ich sie ihm nicht mehr vorhalten werde; er ist damit (außer im Verhältnis zu mir) seine Last nicht los.
    Natur und Welt sind Totalitätsbegriffe und operative Begriffe zugleich.
    Was heißt Wasser auf Griechisch? (hydros)
    Die christliche Theologie hat den Abgrund zwischen dem griechischen und dem römischen Weltbegriff zu überbrücken versucht.

  • 23.02.93

    Off 411: Ist ta panta ein Plural? Dann kann man es nicht mit „Welt“ übersetzen.
    Virginitas: Nach Hypostasierung der Materie (der Sexualität) Heiligsprechung der Unschuld; Produkt der Individualisierung und Privatisierung der Moral, Folge des Verzichts auf Weltkritik, Abwehr des Anteils am Schuldzusammenhang des kollektiven Weltgrunds.
    Als Gefangene unserer Geschichte sind wir Gefangene der anderen.
    Müßte man im NT nicht das homologein im „Bekenntnis“ des Namens mit „Heiligung“ des Namens übersetzen?
    Nicht Herrschaft-, sondern Gewaltkritik: Idee einer Herrschaft ohne Gewalt (Gen 1: Zusammenhang des Herrschaftsauftrags mit dem vegetarischen Nahrungsgebot, d.h. ohne Töten der Tiere).
    Das Votum gegen den Anthropomorphismus der jüdisch-christlichen Tradition (eine notwendige Folge der Rezeption des Weltbegriffs) ist ein Votum gegen die Erinnerung, gegen das Verstehen des andern: ein Votum gegen den Heiligen Geist.
    Der Weltbegriff symbolisiert die vollendete Selbstentfremdung.
    Wenn die Welt durchs Kreuzesopfer entsühnt wurde, kann Politik kein Gegenstand der Kritik mehr sein.
    Hängen die Differenzen im Weltbegriff im Griechischen und Lateinischen (kosmos und mundus) mit denen im Naturbegriff (physis und natura) zusammen?
    Das Christentum kann sich nur über die jüdische Religion und über den Islam selbst begreifen.
    Zum Binden und Lösen vgl. Hiob 3831 (vgl. auch Hiob 99 und Am 58): Knüpfst du die Bande des Siebengestirns, oder löst du des Orions Fesseln? (Siebengestirn = großer Bär? Orion = Sternbild der Äquatorzone, im Winter am Abendhimmel sichtbar.)
    Der affirmative Gebrauch des Weltbegriffs trennt das Tun vom Urteil: vom Erwischtwerden. Er verlegt die Sünde ins Erwischtwerden. Das war der Hintergrund der Seiterschen Bemerkung nach Rostock, als er nur die Befleckung des deutschen Namens im Ausland wahrnahm, aber weder die Ängste und die Schmerzen der Opfer jetzt, noch die Erinnerungen derer, die die Schrecken der Vergangenheit erlebt und überstanden haben, und auch nicht den barbarischen Zustand der Täter. Hat er damit nicht die Opfer (auch die vergangenen, die schon einmal ausgebürgert wurden) in einem ganz neuen Sinne zu „Ausländern“ gemacht? Und sind die Lichterdemonstrationen nicht doch auch nur ein Stück Exkulpationsdemonstration: Wir sinds nicht gewesen (der Sprachregelung Kohls entsprechend: Die Deutschen sind nicht ausländerfeindlich)? Klingt in dem Ganzen nicht auch ein spätes Echo der Friedensreden Hitlers nach?
    Die sieben unreinen Geister, sind das nicht auch Produkte des Mißbrauchs der sieben Sakramente (als Instrumente zur Begründung und Stabilisierung des Weltbegriffs)? Und ist nicht die analogia entis ein nicht ganz ungefährliches Konstrukt: ein früher Hinweis darauf, daß am Ende die Natur christologische Züge angenommen hat?
    Hängen die sieben unreinen Geister damit zusammen, daß auch der Syrer Naaman erst durch die siebenfache Taufe im Jordan von seinem Aussatz befreit wurde? Was hat es mit dem Jordan auf sich: Johannes taufte am Jordan; und mit der Überschreitung des Jordan beginnt die Landnahme unter Josua?
    Das Hegelsche Weltgericht ist der Inbegriff der Sünden der Welt, Produkt der Unfähigkeit, sich in den andern hineinzuversetzen.
    Erinnerungsarbeit ist die Antwort auf die Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit (Hinweis: der Raum ist die Macht der Vergangenheit über die Zukunft). Dazu bedarf es der Arglosigkeit, der Freiheit vom paranoiden Denken.
    Gibt es heute noch Reichtum; und eröffnet sich hier, in der Vorstellung des Reichtums selber, nicht ein Abgrund.
    „Sind wir Gefangene unserer Geschichte?“ Bezieht sich das Wir und das Unser auf das gleiche Subjekt: Gibt es hier nicht ein Übergewicht der Last der christlichen Geschichte?
    Der Weltbegriff ist der Vorhang, hinter dem wir unschuldig schuldig, und d.h. gemein geworden sind. Ist nicht die Physik eine Form der paranoiden Erkenntnis? Der Weltbegriff ist ohne einen projektiven Anteil (und ohne die Stabilisierung dieses projektiven Anteils) nicht zu halten. Die „Entsühnung der Welt“ ist eigentlich die Entsühnung des Subjekts: die Erlaubnis, sich ohne Bewußtsein von Schuld des Instruments des Weltbegriffs zu bedienen. Durch die creatio mundi ex nihilo wurde diese Schuld Gott, und durch die Opfertheologie zugleich Jesus angelastet: Liegt hier der logische Grund der homousia?
    Wird aus dem Koran das gleiche Wort im Englischen mit „creator“ und im Deutschen mit „Herr“ übersetzt? Wenn ja, welcher Schöpfungsbegriff steckt dahinter: einer, der den Untertan zur Kreatur seines Herrn macht?
    Wo liegt die Grenze zwischen dem Privaten und dem Öffentlichen (zwischen mir und dem anderen)?
    Das Frauen, wenn sie in den Himmel kommen, zu Männern werden, ist keine Erfindung Tertullians; es steht schon so bei Lukas, wo es heißt, daß die, „die Gott für würdig hält, an jener Welt und an der Auferstehung von den Toten teilzuhaben, … durch die Auferstehung zu Söhnen Gottes werden“ (Lk 2036).
    Nehmt euch fest vor, nicht im voraus für eure Verteidigung zu sorgen (Lk 2114): Das ist das Verbot der vergegenständlichenden Theologie.
    Im Schöpfungsbericht kommt dreimal bara und dreimal baruch vor, dreimal „schaffen“ (Himmel und Erde, Fische und Vögel und die Menschen) und dreimal „segnen“ (im Hinblick auf die Fische und Vögel, die Menschen und den siebten Tag).
    Der biblische Herrschaftsauftrag an den Menschen unterscheidet sich von der Geschichte der Naturbeherrschung dadurch, daß er das Töten ausschließt. Er folgt nach dem vegetarischen Nahrungsgebot für Menschen und Tiere. Herrschaftskritik wäre von Gewaltkritik zu unterscheiden, und an den Naturwissenschaften die Verblendung zu bestimmen, die auf die Gewaltsubstanz der Welt (auf die Beziehung zum Gewaltmonopol des Staates) verweist.
    Hängt die Frage der Beziehung von Herrschaft und Gewalt (und der Beziehung beider zur Macht) mit der Bildung des Angesichts zusammen? Wie unterscheiden sich Herrschaft, Gewalt und Macht?
    Wenn jemand nicht aus Wasser und Geist geboren wird, kann er nicht in das Reich Gottes kommen (Joh 35). Bezieht sich das nicht auf Gen 12 (auf den Geist Gottes über den Wassern, und die erste Geburt, vor der Wiedergeburt, auf die Finsternis über dem Abgrund)? Ist die Finsternis über dem Abgrund die Idolatrie, und der Geist über den Wassern die Prophetie?
    Nach Auffassung des Islam ist Koran das Äquivalent der zerstörten ersten Tafel vom Sinai, und ebenso das Äquivalent zur Person Jesu, nicht zu den Evangelium, zum „Neuen Testament“. Ist nicht nur der Koran eine „Heilige Schrift“ (und die entsprechende Benennung der Bibel ein Produkt der Islamisierung)?
    Was bedeutet es, wenn im Hebräischen schon die zweite Person (und nicht erst die dritte) nach Geschlechtern getrennt ist? Gibt es einen Zusammenhang mit dem Gebot: Du sollst kein falsches Zeugnis wider deinen Nächsten geben?
    Mit der Verdrängung der Idee des seligen Lebens wurde die Wurzel der Sinnlichkeit abgeschnitten.
    Lebt nicht die Stummheit des Helden in veränderter Gestalt im Begriff und in der persona fort?
    Falsch ist die quasi teleologische Beziehung des Kreuzestodes auf mein Seelenheil.
    Kann es sein, daß die männliche Rolle des Konfessors daher rührt, daß die Männer das Opfer begehen, d.h. die Schuld auf sich nehmen, während die Frauen zum Priestertum nicht zugelassen wurden, um sie vor der Schuld des Opferns zu bewahren (Grund der religiösen Bedeutung der virginitas)? Vgl. auch Walter Burkert: Wilder Ursprung.
    Materie und Opfer: Das Opfer hängt mit der Erfahrung des Tötens zusammen, ist ein Mittel der Verarbeitung dieser Erfahrung. Es wurde überflüssig mit der Verinnerlichung des Opfers: mit dem Ursprung der subjektiven Form der äußeren Anschauung, der Konstituierung der Raumvorstellung. Auch die Materie ist Produkt des Tötens.
    Burkert, S. 22: Darstellung eines Schuldverschubsystems.
    Der Weltbegriff rechtfertigt das Töten und die Naturbeherrschung ohne die Erinnerung des Opfers (unter Verdrängung dieser Erinnerung).
    Wo gibt es die indogermanische Mediopassivform, und was bedeutet sie (Burkert, S. 25)?
    Gibt es einen generellen Zusammenhang zwischen Musik und Opfer? Hängt der Ursprung der Musik in der kainitischen Genealogie mit der Ursprungsgeschichte des Opfers zusammen?
    Burkert, S. 26: Maskierte Männer haben das Tier zu töten. Die Maske schützt die Täter vor dem Erkanntwerden. Leistet das nicht seit dem Ursprung dieses Begriffs der Begriff der Person (Zusammenhang mit dem biblischen Feigenblatt)? Mit Vorliebe treten Chöre in den Tragödien in der Maske von Fremden oder von Frauen auf; wenn sie Athener darstellen, können dies allenfalls alte Männer sein, kaum je aber die jungen Bürger von Athen.
    Die Idee des Schicksals (als Schuldzusammenhang des Lebendigen) gründet im Tötungsritual des Opfers. In dieser Tradition steht die Geschichte der Naturwissenschaften (Bedeutung der Opfertheologie für die Ursprungsgeschichte der Naturwissenschaften).
    Sprachdenken ist metaphorisches Denken, aber eines, das man unter Kontrolle behalten muß. Ein sich verselbständigendes (hypostasiertes) Bilderdenken führt von der Sache weg. Man kann sich auch in Bildern verfangen und verstricken.
    Wie hängen die drei Aspekte des Naturbegriffs: Herrschaftsobjekt, Medium der Exkulpation und Ursprung von allem, mit dem Raum zusammen, mit dem Im Angesicht und Hinter dem Rücken, Rechts und Links und Oben und Unten?
    Problem der Beziehung der Verinnerlichung des Opfers zur These, daß nichts Vergangenes wirklich vergangen ist: Werden nicht am Ende die Steine wirklich schreien? Und hat der Satz „Maria bewahrte alles in ihrem Herzen“ etwas mit der verborgenen Erinnerungskraft der Materie zu tun (Erinnerung der Zukunft)? Wäre das „Macht euch die Erde untertan“ nicht zu ergänzen durch das Verbot zu vergessen?
    Worauf bezieht sich das „Herniederfahren“ Gottes beim Turmbau zu Babel?
    Der Weltbegriff entmächtigt die Sprache.
    Das Christentum ist als Kirche durch seine Leugnung hindurch gerettet worden.
    Was trennt die Innenwelt von der Außenwelt, das Private vom Öffentlichen? Bezeichnet nicht das Schwert die Grenze von Innen und Außen (Enthauptung)? Ist das Schwert nicht ein Symbol für diese Grenze (kreisendes Flammenschwert)? Und gibt es einen Zusammenhang des Schwertsymbols mit der Geschichte des Opfers? Das Schwert ist in der Geschichte des Opfers geschmiedet worden. Und eine, wenn nicht die zentrale Verkörperung des Schwertsymbols ist der Weltbegriff als Inbegriff des Begriffs und als Konstituens des Natur- und Objektbegriffs.
    Der Gedanke, daß ich kein Recht hatte, die Privilegien der Opfer für mich in Anspruch zu nehmen, gehorcht schon einer sowohl christologischen wie auch antisemitischen Logik. Privilegien der Opfer gibt es nur im Christentum; Nur hier hat das Leiden Verdienstcharakter (Grund der Vergöttlichung Jesu).
    Der Gegenbegriff zum Vorbestraften und zum Verbrecher ist der des Unschuldigen (u.U. „wegen erwiesener Unschuld freigesprochenen Bürgers“). Aber ist nicht der unschuldige nur der „unbescholtene“ Bürger (Schuld gleich Bescholtenheit, bewiesener Verdacht)? Was heißt eigentlich „Vorbestraft“? Unterscheidet sich der Vorbestrafte vom Unbescholtenen nicht doch nur durchs Erwischtwordensein? Die aktive Nutzung des Nicht-Erwischtwerden-Könnens ist der Quellpunkt der Gemeinheitsautomatik.
    Drei sind es, die Zeugnis ablegen: der Geist, das Wasser und das Blut; und diese drei sind eins. (1 Joh 57) Wie hängt das zusammen mit Gen 12, dem Geist Gottes über den Wassern, und der Beziehung von Johannes- und Jesus-Taufe? Aber was hat es mit dem Blut auf sich? Klingt darin die Vorstellung mit an, wonach Blut als Ausdruck der verinnerlichten Scham sich fassen läßt? Gründet hier die Heiligkeit des Bluts; und ist es dieses Blut, das zum Himmel schreit (Abel, Noe, Ursprung und Geschichte des Opfers)? (Hat die deutsche Blutwurst etwas mit der Eucharistie zu tun?)
    Beziehung zum Kelch in Getsemane: Verstrickung des Christentums in die Herrschaftsgeschichte. Diesen Kelch trinken heißt: der durch ihn verursachte Trunkenheit sich nicht überlassen, dabei seiner selbst mächtig bleiben (Abstieg zur Hölle?). Entspricht dem nicht das „Seid klug wie die Schlangen und arglos wie die Tauben“? Und ist das nicht gemeint in der Frage an Jesu an die Zebedäus-Sühne: Könnt ihr den Kelch trinken, den ich trinken werde?
    Das Neutrum (ne-utrum) macht das Ungleichnamige gleichnamig. Es gründet im Futur II, der grammatischen Form der Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit, die das Andersein der Zukunft ausschließt: Quellpunkt des Inertialsystems. Der genaueste Anwendungsfall einer Reflexion, die diesen parvus error in principio aufzulösen versuchen wollte, sind die Naturwissenschaften, insbesondere die Astronomie, die Kosmologie. Die philosophische (und vor ihr die mythische) Subsumtion von Himmel und Erde unter den Totalitätsbegriff Welt ist der Ursprung der Gleichnamigmachung des Ungleichnamigen; mit ihr ist die nominalistische Konsequenz der Philosophie mitgesetzt, ihre sprachzerstörerische Kraft. Sie gründet in dem mathematischen, die Mathematik begründenden Konstrukt, dessen Symbol das Gleichheitszeichen ist: der Orthogonalität, die die Richtungen im Raum reversibel und Vergangenheit und Zukunft ununterscheidbar macht und die Gegenwart ausblendet. Sie macht insbesondere die Umkehr gegenstandslos: Hier lassen sich Vorn und Hinten, Rechts und Links sowie Oben und Unten nicht mehr unterscheiden. In diesem Kontext ist die Umkehr (im Christentum) zur Buße geworden. So leugnen die Naturwissenschaften das Angesicht, die Gnade und den Islam (den Willen Gottes). Der Islam im rechten Verstande, die „Unterwerfung“ unter den Willen Gottes, ist kein Passivum, sondern ein Aktivum: nicht das Erleiden eines Schicksals, sondern das Tun des Willen Gottes.
    Theologische Ableitung des Inertialsystems: Hat es nicht auch symbolische Bedeutung, wenn der Islam den Sabbat auf den Freitag vorverlegt hat, gleichsam vor dem Sabbat stehenbleibt, während das Christentum den Sabbat auf den Folgetag (die dies dominica) verschoben hat, ihn gleichsam „überwunden“ hat, als Preis dafür aber selber dem Inertialprinzip verfallen ist (die Ruhe des Sabbat, die Spitze und Erfüllung der höchsten Aktivität, in die Ruhe des Toten: in Trägheit zurückübersetzt hat)? Ausdruck dieser „Überwindung“ des Sabbat ist das Symbol des steinernen Herzen der Welt.
    Ist nicht der Weltbegriff ein Instrument, das es uns ermöglicht, uns den Anblick des Wirbels, in dem wir stehen, zu ersparen, uns den falschen Begriff der Ruhe (als Bewegungslosigkeit: vorgestellt im ruhenden Raum des Inertialsystems) zu vermitteln? Er installiert im Zentrum der Theologie den Götzendienst.

  • 15.02.93

    (15. – 22.02.93 JCM-Konferenz in Bendorf)

  • 14.02.93

    Es gibt eine Steigerung, die verharmlost. Dazu gehört das Dogma von der Göttlichkeit Jesu.
    Falsch ist im Anblick von Auschwitz die Identifikation mit den Opfern; wichtig ist sie allein im Kontext der Selbstreflexion der Täter. Gilt das nicht auch für den Kreuzestod Jesu?
    Ist nicht die Dogmatik ein falsches (verdinglichtes) Metaphern-Konstrukt?
    Die Entdeckung der sogenannten Tiefenzeit, die Verlängerung der Chronologien, zerstört den Gegenstand der Erinnerung: falsche Zärtlichkeit für die Welt.
    Wer unfähig ist zur Schuldreflexion, muß alles, was von außen an Schuld erinnert, als Angriff, als Beleidigung erfahren. Deshalb sucht er es zu beseitigen, bis hin zu Vernichtung. Das hat insbesondere den Charakter des Wiederaufbau der deutschen Städte, in denen nichts mehr an die Vergangenheit erinnern durfte, bestimmt, es erscheint aber auch in den Gräberschändungen der Rechten nach Auschwitz.
    Die Kirche bekennt mit den Lippen, Jesus sitze zur Rechten des Vaters. Sie handelt so, als säße er zur Linken: sie hält den umgestülpten Handschuh für den richtigen.
    Das Buch Jona bezieht sich auf den Anfang der Kirche: Ninive wird nicht zerstört (angesichts der 120000, die rechts und links nicht unterscheiden können, und so viel Vieh). Aber daneben steht (im katholischen Kanon) das Buch Tobit, und da wird der Fisch erlegt, Sara vom Dämonen Asmodai befreit, das Symbolum eingelöst, Tobit von der Blindheit geheilt und am Ende Ninive doch zerstört. Wird hier nicht das Ende der Kirche beschrieben?
    Der Weltbegriff stammt aus der Geschichte der Idolatrie, das Inertialsystem aus der der Inquisition.
    Was die Philosophie mit dem Mythos gemacht hat, hat die christliche Theologie (und zwar schon die Vätertheologie, mit Hilfe des Dogmas und der Orthodoxie) mit der Prophetie gemacht. Die Theologie hat die Philosophie gerettet, aber die Prophetie verraten. Die Orthodoxie war ein Mittel, gegen den Einspruch der Prophetie den Objekt- und Realitätsbezug der Philosophie zu retten. Aber er wurde nicht nur gerettet: Durch ihre Beziehung zur Prophetie hat sich mit der Theologie (im Kontext der Verinnerlichung des Opfers) der Objektbegriff so geändert, daß erst danach der Ursprung des Kapitalismus und des Inertialsystems möglich war.
    Ist nicht Sebastian ein griechischer Augustinus?

  • 13.02.93

    Der Weltbegriff bewirkt, daß wir uns selbst im blinden Fleck stehen; diesen blinden Fleck projizieren wir zugleich nach draußen: als Natur. Um diesen blinden Fleck zu erhalten, bedarf es der Opfertheologie; und zwar der Opfertheologie als Nachfolge-und Gottesfurcht-Vermeidungs-Strategie, die das Schuldverschubsystem begründet, dessen diverse Auskristallisationen wir Welt nennen.
    Sind nicht die Gräberschändungen symbolische Handlungen: hilflose Abwehrreaktionen gegen die als reale Gefahr erfahrene Wiederkehr des Verdrängten? Haben diese Gräberschändungen, durch die rechte Aktionen sich von linken unterscheiden, nicht erst nach dem Kriege, genauer: nach Auschwitz, und hier als Zeichen nicht geleisteter Erinnerungsarbeit eingesetzt? Ist hier nicht eine neue Qualität in der Geschichte des Antisemitismus, und rührt diese neue Qualität nicht auch an die Grenze theologischer Sachverhalte? In den Evangelien waren es (neben Petrus) die Dämonen, die das Messiasbekenntnis abgelegt haben.
    Das Reich der Erscheinungen schließt das Was der Erscheinungen von sich aus, bleibt äußerlich dagegen, macht es unkenntlich. Diese Äußerlichkeit drückt sich in den Totalitätsbegriffen Natur und Welt aus. Die Welt ist das Subjekt des Subjektlosen; sie konstituiert sich als Inbegriff des gleichen, durch die Institution des Opfers begründeten Vakuum, in das zuvor die Idolatrie die Götter hineinprojiziert hatte.
    Ist nicht die Übernahme der Sünden der Welt die Restituierung der Gottesfurcht unter den Bedingungen des neuen Äons? Und haben wir nicht mit der Vergöttlichung Jesu ihn mit dieser Gottesfurcht allein gelassen? Und in welcher Beziehung steht die Gottverlassenheit des Gekreuzigten zu der Verlassenheit, in die wir ihn gestürzt haben?
    Die bloße Verwerfung der Dogmen, der Orthodoxie, der Sakramente, des Priestertums und der Hierarchie gehört in den Zusammenhang des erinnerungslosen Abschieds: sie wiederholt zwangshaft das Ursprungsgesetz der Dogmen, der Orthodoxie und der anderen dazugehörenden Dinge. Es gibt eine Art des Umgangs mit der Vergangenheit – und fast unsere ganze Geschichtsschreibung gehört hierher -, die darauf hinausläuft, die in der Befassung mit dem Vergangenen aufbrechenden Erinnerungen unschädlich zu machen, das Verstörende gleichsam zu domestizieren. Die Schrift nicht nach Belieben (nach den Gesetzen unserer Verdrängungsmechanismen) auswerten, sondern als Rätselschrift lesen lernen, das ist die Voraussetzung dafür, daß sein Wort nicht leer zu ihm zurückkehrt.
    Die höhnische (oder ironische) Verdoppelung im Namen der Barbaren, ist das nicht auch ein Hinweis auf den Grund der Reversibilität aller Richtungen im Raum und der Irreversibilität der Vorstellung einer homogenen Zeit (der Verknüpfungsbegriffe von Welt und Natur): des Ausschlusses der nur in Identifikation mit dem Fremden sich begreifenden Idee der Gegenwart? Ist das nicht m.a.W. ein Hinweis auf das projektive Moment in aller Objekterkenntnis? Und ist dann nicht die Geschichte der Naturwissenschaften die Geschichte der Barbarisierung der Welt?
    Gibt es eigentlich einen sprachlichen Zusammenhang zwischen dem melech und dem maleach, dem König und dem Boten, dem Engel, und ist es nicht eine Verharmlosung des Boten, des Engels, wenn man glaubt, seinen Namen fein säuberlich von dem des Gottessohns trennen zu können? Ist nicht auch der Sohn ein Bote?
    Der Horkheimer-Satz „Es gibt keine menschenfreundlichere Religion als das Christentum, aber es gibt auch keine Religion, in deren Namen solche Untaten begangen worden sind“ bezieht sich nicht auf die beiden Seiten eines Blattes, sondern auf die beiden Seiten eines Handschuhs. Beim Umstülpen ist die Mahnung aus dem Märchen zu beachten: Vergiß das Beste nicht!
    Woher kommt das Wort Mal; gibt es einen Zusammenhang zwischen Denkmal, Wundmal, einmal, nochmal, malnehmen, Maler (der Anstreicher wie der Künstler)?
    Hegels Satz, daß die bürgerliche Gesellschaft bei all ihrem Reichtum nicht reich genug sei, der Armut und der Erzeugung des Pöbels zu steuern, bewahrheitet sich heute global aufs ungeheuerlichste. Hegel hat nur den zusätzlichen Hinweis vergessen, daß die bürgerliche Gesellschaft zugleich den blinden Fleck erzeugt, der die Wahrnehmung dieses Sachverhalts fast unmöglich macht.
    Ist nicht das Lamm in Joh 129 identisch mit dem Lamm der Apokalypse, das allein berufen ist, die sieben Siegel zu lösen?
    Der Tag des Herrn kommt wie ein Dieb in der Nacht: Deshalb fällt der Kreuzestod nicht unter die Blutschuld (Ex 22). Aber hat dieser Dieb etwas mit Hermes/Merkur zu tun?

  • 12.02.93

    Zu Karl Lehmann:
    – Lehmann ist nur noch jovial (eine realmythische Figur).
    – Gehört nicht die Gen-Technologie – ebenso wie die Atomphysik und die Weltraumforschung – zu den Kamikaze-Technologien der Menschheit?
    – Müßte man nicht das Prinzip Verantwortung von dem bloßen Verantwortungsbewußtsein unterscheiden (und die ungeheure Zweideutigkeit des Begriffs Verantwortung mit reflektieren)? In der Verantwortung, von der Lehmann spricht, klingt nur der Slogan von der „Schwere der Verantwortung“ an, ein auf blasphemischste Weise christologisches Wort (wer diese „Verantwortung“ übernimmt, nimmt dem andern die Verantwortung und die Mitschuld ab, die ihn vielleicht zum Handeln, zum Eingreifen veranlassen könnte; er signalisiert: halt du dich da raus). Hier handelt es sich um eine „Verantwortung“, mit der man Hierarchien und die hohen Gehälter der „Verantwortungsträger“ rechtfertigt. Reale Verantwortung aber würde darin bestehen, daß man endlich versucht zu begreifen (und nicht mehr nur zu rechtfertigen), was man tut.
    – Karl Lehmann übt ein Amt aus, in dem es eigentlich unmöglich sein müßte, sich als Privatperson daneben zu stellen, so als wäre das, was in seinen Kreisen gerne Berufung genannt wird, nur ein Job, aus dem man sich aus raushalten kann. Immerhin hat er die Anzeige ja auch als Bischof – mit dem Zeichen des bischöflichen Segens versehen – unterschrieben (er hat also sehr wohl die Autorität seines Amtes mit eingebracht und kann sich eigentlich – aufgrund des Anspruchs, mit dem diese Autorität sonst verknüpft wird – nicht auf eine Privatmeinung zurückziehen; diese Autorität hat er verspielt; und macht er das mit seinem Rechtfertigungsversuch nicht nur noch schlimmer?).
    – Wittgenstein: Die Welt ist alles, was der Fall ist. Aber muß sich die Kirche unbedingt in den sich hier eröffnenden Abgrund mit hineinstürzen?
    – Die Kirche steht in der prophetischen Tradition des Votums für die Armen und die Fremden. Und ich hätte es mir gewünscht, daß der Vorsitzende der deutschen Bischofskonferenz mit ähnlichem Aufwand und mit ähnlicher Deutlichkeit sich beispielsweise in der Frage der Kürzung der Sozialhilfe (über die Hintergründe könnte er sich allerdings bei keinem Industrieverband, nur bei der eigenen Caritas informieren) und in der Frage der ausländerfeindlichen Pogrome in diesem Land zu Wort gemeldet hätte. Auf keinen Fall aber scheint es mir Aufgabe der Kirche zu sein, Feigenblätter zu produzieren.
    – Hat die Rehabilitierung Galileis (und gleichzeitig der Inquisition) durch den Papst eine Schleuse geöffnet: Wird das Lehramt in Richtung Industrie und Wissenschaft verlagert?
    – Was diese Anzeige demonstriert: Allen Lesern wird Wirtschaftsmacht als Autorität, die sogar der Bischof absegnet, vorgeführt. Wie in anderen Werbungen auch wird an irrationale Ängste appeliert (Krebs und Aids), an nationalistische Emotionen (Deutschland muß erstklassig bleiben), und es wird suggeriert: Laßt uns nur machen, wir wollen nur euer Bestes und arbeiten nur am Fortschritt, der auch euch zugute kommt, aber haltet euch da raus.
    – Karl Lehmann ergreift die Partei der gleichen Welt, von der es heißt, daß sie „euch haßt“; es ist ein Akt der Identifikation mit dem Aggressor (zu dessen Folge u.a. die brutalen und mörderischen Aktionen der Rechten gehören).
    Die theologische Tradition seit den Kirchenvätern und das Dogma bilden das Kreuz, an das die christliche Lehre geschlagen wurde, nachdem die Kirche sich weigerte, es auf sich zu nehmen.
    Wie paßt eigentlich das „sein Kreuz auf sich Nehmen“ des Nachfolgegebots zur Kreuzigung: Gewinnt es nicht erst dann Sinn, wenn es auf die Schuld an der Kreuzigung und nicht auf die Kreuzigung selbst bezogen wird?
    Die Kirche war das Instrument der Vergesellschaftung der Philosophie und des Herrendenkens.
    Die Vergöttlichung Jesu bezieht sich auf die Göttlichkeit, die wir ihm qua Bekenntnis zusprechen, mit dem wahnsinnigen Glauben, daß seine Göttlichkeit davon abhinge (was sie nur tut, wenn sie als Göttlichkeit für andere: als ein Instrument in unserer Hand, verstanden wird). Die andere Seite dieser Vergöttlichung ist der Exkulpationsmechanismus, den sie begründet: die Rechtfertigungslehre.
    Die Theologie hat die Lehre nicht auf den Kopf gestellt, sondern sie hat sie umgestülpt, so wie man einen rechten Handschuh umstülpen kann, und es wird ein linker daraus. Dieser Mechanismus, der in der Theologie (genau: in der Opfertheologie, in der Objektivation und Instrumentalisierung des Kreuzestodes) begonnen wurde, ist im Konstrukt des Inertialsystems zu sich selbst gekommen, in der Vergegenständlichung des Konstrukts der subjektiven Formen der Anschauung. Das Inertialsystem ist der umgestülpte Handschuh. Und hierauf beziehen sich die Bilder von den sieben unreinen Geistern und von den sieben Siegeln der Apokalypse. Hier haben wir uns im System unserer eigenen Projektionen verstrickt. Und beim Umstülpen kommt es darauf an, die Stelle zu finden, an der man in den Handschuh hineinkommt; diese Stelle hat Einstein entdeckt: im Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit. Vor diesem Hintergrund gewinnen die mittelaufwendigsten Forschungsbereiche, wie Atomphysik, Gentechnologie und Weltraumforschung, ihre apokalyptische Dimension. Hier wird man wieder lernen müssen, Rechts und Links zu unterscheiden.
    – Hat das Bild des Handschuhs etwas damit zu tun, daß Jesus zur Rechten des Vaters sitzt (und wurde er – das jedenfalls scheint der kirchlichen Tradition genauer zu entsprechen -durchs „Umstülpen“ nach links versetzt: von der Seite der Barmherzigkeit auf die Seite des Gerichts – so wurde aus dem Jüngsten Gericht das Weltgericht)?
    – Aber die Hand hat nur fünf Finger; woher kommen die sieben unreinen Geister? (Hinweis: In den astrologischen Planetenlehren gehören zu den sieben Planeten auch Sonne und Mond.)
    – Haben die paulinischen Archonten etwas mit diesem „Umstülpen“ zu tun, und auch das Paulus-Wort, wonach die ganze Schöpfung seufzt und in Wehen liegt, und auf die Freiheit der Kinder Gottes wartet? Aber Paulus war nur bis in den dritten Himmel entrückt.
    – Im Krieg Josues mit Amalek hielten Aaron und Hur die Arme des Moses, und solange sie hochgehalten wurden, siegte Josue über Amalek.
    – Nach Ex 22 entsteht keine Blutschuld, wenn ein Dieb beim Einbruch erschlagen wird, ausgenommen: die Sonne ist bereits aufgegangen. Nach 1 Thess 52 kommt der Tag des Herrn „wie ein Dieb in der Nacht“ (vgl. auch Off 33, Mt 2442f, Mk 1333, 2 Pt 310: „Dann wird der Himmel prasselnd vergehen, die Elemente werden verbrannt und aufgelöst, die Erde und alles, was auf ihr ist, werden nicht mehr gefunden.“).
    – Im Islam gehört es zur Scharia, daß dem Dieb die Hand abgehackt wird.
    Ist nicht die Düsseldorfer Entscheidung in Sachen Dellwo u.a. ein erneuter Beleg dafür, daß Gemeinheit kein strafrechtlicher Tatbestand ist, und daß objektive und exakte Phantasie: die Kraft sich vorzustellen, welche Folgen die eigenen Entscheidungen haben werden, nicht zu den Karrierevoraussetzungen unserer Richter gehören. Ihre Entscheidungen (und ihre Urteile) gehen auch in dem Sinne im Namen des Volkes, daß sie vor keiner Reflexion standzuhalten brauchen.

  • 11.02.93

    Die Vorstellung des unendlichen Raumes macht das Chronologie-Problem unlösbar und die Schuld unaufhebbar (die Nachfolge im Sinne von Joh 129 unmöglich). Mit seiner Vergöttlichung wurde Jesus erschlagen. Hängt der affirmative Gebrauch des Weltbegriffs nicht damit zusammen, daß das Kreuz zu einem affirmativen Symbol geworden ist, und ist nicht das Kreuz selbst das Symbol der Welt? Dann aber wäre Joh 129 nur eine andere Fassung des Nachfolgegebots und im wesentlichen nicht davon unterschieden. Das Kreuz auf sich Nehmen und das die Sünden der Welt auf sich Nehmen ist eins.
    Erläutern sich Joh 129 und das „ich sende euch wie Schafe unter die Wölfe, darum seid klug wie die Schlangen und arglos wie die Tauben“ nicht gegenseitig?
    Drückt nicht im Titel Herrenbruder ein Stück Kritik an der Herrschaftsmetaphorik im Dogma von der Göttlichkeit Jesu sich aus? Waren die Verfasser des Jakobus- und des Judasbriefes Brüder des Herrn? Welche Bewandnis hat es überhaupt mit den Herrenbrüdern, die (als Herrenbrüder) erst nach Ostern zu den Jesus-Jüngern kommen?
    Wenn man im Satz Wittgensteins „Die Welt ist alles, was der Fall ist“ den Fall mit Sündenfall übersetzt, dann kommt man dem nahe, was in Joh 129 mit „Sünden der Welt“ bezeichnet wird.
    In der verhängnisvollen deutschen Staatsmetaphysik steckt finsterstes Hegelsches Erbe: Hier wird der Staat zum Subjekt gemacht und das Subjektlose, der Gemeinheitskern, das durch Umkehr zu humanisierende, verdrängt. Das wird nirgend deutlicher als in der sehr deutschen Institution des Staatsanwalts (auch in der des „Kanzlers“?).
    Ist nicht der Ausländerhaß ein nach außen gewendeter, projektiv instrumentalisierter Selbsthaß, der seine Wurzeln insbesondere in der deutschen Staatsmetaphysik hat?
    Was hat es zu bedeuten, wenn nach dem Aufdecken der Blöße des Vaters durch Ham nicht er selbst, sondern sein Sohn Kanaan zur Knechtschaft verdammt wird?
    Zum Taumelbecher und zur Trunkenheit:
    – Hegel zufolge ist im Absoluten kein Glied nicht trunken;
    – diese „Trunkenheit“ ist ein zwangsläufiges Zivilisationssyndrom, nur durch Verdrängung (unter Mithilfe realer Trunkenheit) zu ertragen;
    – sie erlaubt und erzwingt es, erinnerungslos zu leben; dazu ist der Alkohol als Zivilisationsdroge unentbehrlich;
    – deshalb ist Trunkenheit zugleich gewaltfördernd und schuldmindernd.
    Hängt es hiermit zusammen, wenn im Josephs-Roman der Mundschenk des Pharao wieder in seine Rechte eingesetzt wird (dem Pharao den Becher reicht), der Oberbäcker hingegen gehängt wird (nachdem die Vögel des Himmels das Gebäck im Korb für den Pharao fressen)?
    Drückt nicht in der Anerkennung der Trunkenheit als Strafmilderungsgrund auch ein Stück deutscher Staatsmetaphysik sich aus?
    Ist nicht die Natur das Sklavenhaus, und das Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit der Beginn des Exodus? Und liegt nicht der Ursprung des Weltbegriffs im Turmbau zu Babel? Die babylonische Gefangenschaft ist etwas anderes als das Sklavenhaus in Ägypten.
    Ist nicht die Vorstellung der Unsterblichkeit der Seele eigentlich die Vorstellung der Unsterblichkeit der Schuld? Und bezeichnet der Begriff der Seele nicht das Trägheitsmoment im Subjekt, mit dem Gefühl als Schwerkraft?
    Zum Problem der Wand siehe
    – Sauls Attentate auf David (1 Sam 1811, 198 und 2025),
    – Hiskijas Reue (2 Kön 202, Jes 382) und
    – die Schrift an der Wand: das „Mene mene tekel u-parsin“ bei Daniel (55ff).
    Ursprung des Begriffs „Sodomie“: geht es hier um den realen Verkehr mit Tieren oder um den unzüchtigen Verkehr mit dem Behemoth, dem apokalyptischen Tier, und sind in dieser Version nicht die die Nazis und ihre Erben die wirklichen Sodomiten (die, die das Antlitz des Hundes tragen)?
    Ist es nicht das steinerne Herz, das das Antlitz zum Antlitz des Hundes macht, Und fällt nicht der Ursprung des Antlitzes des Hundes in die Geschichte des Weltbegriffs (Babylon stand unterm Symbol des Hundes, Ägypten unter dem der Katze)?
    Was war das Schilfmeer? Nach Reclams Bibellexikon
    – der Golf von Akaba, der Nordostarm des Roten Meeres (1 Kön 926, Jer 4921), andere Versionen in
    – Ex 1019: der Golf von Suez,
    – 1320: bei den Bitterseen, nördlich des heutigen Suez, und
    – 142.9: am Sirbonischen See, nordwestlich von den Bitterseen.
    Der Verblendungszusammenhang, der das Ganze der Erscheinungen und mit ihm die Begriffe Natur und Welt überhaupt erst konstituiert, gründet in den subjektiven Formen der Anschauung. Die transzendentale Logik, wenn man sie affirmativ und nicht als Grundlage der Erkenntniskritik begreift, bezeichnet den Grund und den Inbegriff des Herrendenkens.
    Die Buße ist das Umdenken im Banne des Herrendenkens: die Umkehr als Erscheinung.
    Sakramente waren beim Augustinus noch das Symbolum und das Herrengebet (das Kreuzzeichen, das Salz, die Exorzismen, die Anhauchungen, das Bußgewand, die Kopfneigungen, das Ausziehen der Schuhe und die übrigen Riten des Katechumenats und der Kompetentenzeit, die Osteroktav, die Handauflegung, die Rekonziliation, das große Fasten, die geistlichen Gesänge etc.), aber auch die Taufe, die Buße, „die Feier des Leibes und Blutes des Herrn“ und die „Ölsalbung“ (van der Meer, S. 296): eigentlich die ganze symbolische Selbstdarstellung des Christentums in der unerlösten Welt; erst im Mittelalter kristallisierte sich (zusammen mit den innerkirchlichen Reformen: Zölibat, Einführung der Ohrenbeichte u.a.) die Siebenzahl der Sakramente heraus: Taufe und Firmung, Buße und Eucharistie, Priesterweihe und Ehe und schließlich die Krankenölung. Interessant wäre eine Geschichte der Sakramente (im Kontext einer Geschichte der Liturgie), in der insbesondere ihre Beziehung zur Geschichte der Herrschaft und des Weltbegriffs, zur Geschichte von Staat, Recht und Philosophie, herauszuarbeiten wäre (Basis und Medium der Islamisierung der Kirche und der Theologie, Kern des kirchlichen Erlösungsbegriffs: Nutzung der exkulpierenden Kraft der theologisierten Philosophie, Ursprung der naturwissenschaftlichen Aufklärung). Aber nach Abschluß der Vergesellschaftung und Verinnerlichung von Herrschaft: erweisen sich jetzt nicht die sieben Sa-kramente als die sieben Siegel der Apokalypse (neue Theologie der Sakramente)?
    Nicht die Philosophie als Magd der Theologie, sondern die Theologie als Magd der Philsophie, als Instrument der Absicherung ihrer zivilisationsbegründenden Kraft, war das Organisationsprinzip der Orthodoxie und der Kirchenbildung seit den Ursprüngen des kirchlichen Christentums.

  • 10.02.93

    „Haus des Urteils“ und „letztes Gericht“ (Eisenmann/Wise, S. 241): Bezeichnen diese Begriffe nicht den Raum (als Form und Symbol der Verstockung gegen die Umkehr)?
    Zu Young, Beschreiben des Holocaust: Die Kritik an Peter Weiss (S. 118ff, wo er den marxistischen Ansatz von Peter Weiss kritisiert) und an Tadeusz Borowski (S. 170ff) bezeichnet genau die Grenzen des Youngschen Versuchs. Zu der folgenden Textpassage (von Tadeusz Borowski): „Erst jetzt erkenne ich, welcher Preis für die Errichtung der alten Kulturen bezahlt wurde. Die ägyptischen Pyramiden, die Tempel und die griechischen Statuen -welch ein abscheuliches Verbrechen! … Die Antike, das gewaltige Konzentrationslager, …“ schreibt Young: „So hat sich im Kopf des Schriftstellers nicht allein die Zukunft (!), sondern auch die Vergangenheit, sein kulturelles Erbe, in ein großes KZ verwandelt“. Wäre etwa die Verwandlung der Zukunft in ein großes KZ nicht so schlimm wie der verzweifelte Blick auf die Entstehungsbedingungen des „kulturellen Erbes“? Und spielt sich der beschriebene Sachverhalt nur „im Kopf des Schriftstellers“ ab? Ist der Begriff der Normalität, der dem Werk Youngs zugrundezuliegen scheint, überhaupt noch zu halten? Und trennt nicht Auschwitz in der Tat das „kulturelle Erbe“ von der Wahrheit?
    Der christliche Begriff der Buße konnte sich von dem der Umkehr ablösen und gegen ihn verselbständigen nur dadurch, daß die Welt (in der Konsequenz der Opfertheologie und unter Verletzung des Nachfolgegebots) als entsühnt begriffen und damit die Sünde entpolitisiert, privatisiert wurde. Dem theologischen Begriff der Rechtfertigung (der an die Stelle der Forderung, gerecht zu werden, tritt) setzt die vorhergehende Rechtfertigung der Welt -Grund des Bekenntnisbegriffs und dann jeder Ideologie – voraus. Und dieser Begriff des Bekenntnisses verewigt den ungerechten Zustand der Welt und macht ihn unkenntlich.
    Mit der Vorstellung des unendlichen Raumes schützt sich die Subjektivität gegen die Reflexion des sie begründenden Herrschaftsmoments. Ebenso wie die Vorstellung des Raumes sind auch die Begriffe Natur und Welt, die sich im Medium des mathematisierten Raumes überhaupt erst konstituieren, selbstreferentiell und damit fast unreflektierbar.
    Wäre das Rosenzweigsche Konstrukt nicht doch einmal anhand folgender Thesen zu überprüfen:
    – Der Weltbegriff leugnet die Schöpfung,
    – der Begriff des Wissens die Offenbarung und
    – Naturbegriff die Erlösung?
    In welcher Beziehung stehen dazu:
    – Adornos Kritik der Verdinglichung,
    – sein Konzept des Eingedenkens der Natur im Subjekt und
    – das auf Benjamin sich berufende Konzept der vollständigen Säkularisation aller theologischen Gehalte?
    Zur Jotam-Fabel (Ri 97ff): Der König steht in der Figur des Dornbuschs (und, nach Jürgen Ebach, Kains). Ist darin nicht auch ein Stück Messias-Kritik enthalten, die das kritische Element in den Evangelien (die Unkraut- und Kain-Tradition in ihm) antizipiert? Welche Bewandnis hat es dann mit dem Ölbaum, dem Feigenbaum und dem Weinstock? Ist nicht die Jotam-Fabel mehr als nur eine moralische Fabel: eine prophetische Fabel?
    Sind die Entdeckung des Winkel und die Entfaltung der Geometrie der Fläche bei den Griechen nicht ein Abfallprodukt der Entdeckung der Schrift, die ebenfalls auf die Fläche sich bezieht (Zusammenhang mit der Schrift als verstummte und deshalb tradierbare Sprache)?
    Gott will nicht, daß sein Wort leer zu ihm zurückkommt: Die in der Schrift verstummte Sprache will wieder laut werden.
    Ist nicht die christliche Theologie in ihrer dogmatischen Gestalt mehr als Hurerei: die Vergewaltigung der Schrift?

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