Ist das „Gericht“ das „Von allen Seiten hinter dem Rücken“ (der Raum)?
Begründet das Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit nicht erstmals in der Geschichte der Naturwissenschaften die Notwendigkeit der Weltkritik?
Läßt sich das Verhältnis der Mikrophysik zum Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit nicht aufklären im Rahmen der Überlegungen, die zum Konzept des „schwarzen Lochs“ führten? Und ist nicht die Mikrophysik selbst ein System schwarzer Löcher, präsentiert sie nicht das Inertialsystem gleichsam als Sieb?
War nicht die Geschichte der Entfaltung des naturwissenschaftlichen Wissens mit dem Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit am Ende, aber ist das Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit nicht der Anfang der Erkenntnis?
Die Naturwissenschaften blenden die Erinnerungsarbeit, die Schuld- und Herrschaftsreflexion aus (machen sie gleichsam gegenstandslos), und sie unterdrücken die Fähigkeit, sich in den anderen hineinzuversetzen. Sie reduzieren das Sein der Dinge auf das Sein für andere. Genau das gründet und drückt sich aus in der hypostasierten Form des Raumes und in der Vorstellung einer homogenen Zeit.
Jeder Fundamentalismus gründet in der Unfähigkeit zur Schuldreflexion: der Unfähigkeit zur Weltkritik.
Erziehen unsere Schulen heute nicht zum Analphabetismus, und ist das nicht einer der Gründe der Xenophobie? Die Schrift (und nicht nur die hebräische) repräsentiert das Fremde, von dem die Analphabeten ausgeschlossen sind.
Verstehen wir überhaupt noch, was es heißt, wenn Jesus in den Abschiedsreden davon spricht, daß „die Welt euch haßt“, nachdem wir selber den Weltbegriff und mit ihm den Selbsthaß verinnerlicht haben (Selbstverfluchung).
Symbolisiert der Baum des Lebens die hebräische, und der Baum der Erkenntnis die griechische Sprache?
Ist es nicht vom Grundsatz her falsch, und in der Konsequenz rassistisch, wenn man beispielsweise zu den sogenannten indogermanischen Sprachen einen stammesgeschichtlichen Ursprung sucht? Wäre es nicht sinnvoller, die gesellschaftlichen Konnotationen dieses Sprachsystems in der Grammatik dieser Sprache, die übrigens auf die Ursprungsgeschichte des Staates zu verweisen scheint, jedenfalls nicht der Stammesgeschichte angehört, zu eruieren und den Ursprung in einer Konstellation zu suchen, wie sie in der Geschichte vom Turmbau zu Babel beschrieben ist?
Februar 1993
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09.02.93
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08.02.93
Das Zwangsbekenntnis ist ein projektives Bekenntnis: ein Bekenntnis für andere, aber auch ein projektives Schuldbekenntnis: Kern der Komplizenschaft derer, die die Religion nur noch ausbeuten. Es verhält sich zum wirklichen Bekenntnis wie Beethoven zu Mozart.
Wird nicht im Zwangsbekenntnis die Lehre von der Göttlichkeit Jesu an Voraussetzungen gebunden, unter denen sie nicht zu halten ist (double bind). Und hängt das nicht mit der Hellenisierung der Theologie zusammen, mit einer Objektbindung der Sprache, die z.B. in der Verbalinspiration, in dem Verständnis der „Wörtlichkeit“ (im augustinischen „de genesi ad literam“) sich ausdrückt, aber auch im Gesamtkonstrukt der dogmatischen Theologie, die eigentlich nur das philosophische Erkenntniskonzept (den Weltbegriff) rettet, aber die Gotteserkenntnis verrät? Hier liegt der Keim der nominalistischen Selbstzerstörung der Theologie, die heute endgültig der Willkür überantwortet zu werden scheint.
Die Verbindung des Logos mit der Schöpfungslehre untergräbt die christliche Vorstellung vom fleischgewordenen Gott: sie ist wahr nur, wenn sie als Symbol der Erinnerungsarbeit gefaßt wird.
Die Deutschen haben keinen Witz, weil sie Witze machen: weil sie unfähig sind, sich der Komplizenschaft des obszönen Witzes zu entziehen (Funktion des obszönen Witzes für die Geltungskraft des Realitätsprinzips).
Der Weltbegriff verdrängt die Erinnerungsfähigkeit, die der benennenden Kraft der Sprache zugrunde liegt.
Verweist die „Bitte“ im Brief an Martin Buber (und seine Folgen) nicht auf ein mimetisches Verhältnis zur Tradition: Bin ich nicht gleichsam (unter dem Druck des Faschismus) in diese Theologie hineingekrochen? Ich habe sie mir nicht vom Leibe halten können.
In welchem Zusammenhang stehen in den Qumran-Texten (Eisenmann/ Wise) die Hinweise auf „Fels“, „Turm“, „Wand“ und „Festung“ (Körperliche Raumbegriffe?), auf Jona und auf die Kreuzigung (S. 148/151)?
Der Naturbegriff bezeichnet die Objektseite, der Weltbegriff die Subjektseite der verräumlichten Dingwelt (des kantischen Reichs der Erscheinungen). Das Wissen gründet in dem Konstruktionsprinzip, das Natur und Welt verbindet und trennt (in System der transzendentalen Logik): es definiert die Gestalt des gegen die Offenbarung (die Prophetie) sich verstockenden Bewußtseins. Sind nicht wir das halsstarrige Volk, als welches wir die Juden ansehen? -
06.02.93
Ist nicht der AcI eine sprachliche, grammatische Konstruktion, die die Dinge in den Herrenblick rückt?
Was haben die Handbücher der EDV-Hard- und Software mit Auschwitz zu tun?
Der Weltbegriff ist das Apriori der Instrumentalisierung. Der Weltbegriff und der Naturbegriff stützen sich gegenseitig.
Leer, gereinigt und geschmückt: Gereinigt und geschmückt erinnern an den lateinischen und griechischen Weltbegriff, an mundus und kosmos. Leer ist das Ergebnis der Geschichte der Naturwissenschaften; Wird dieses Leer nicht von den verzweifelten Rechten als Handlungsanweisung verstanden? Das Vacuum zieht die sieben unreinen Geister an, die sich als Feinde der unreinen Geister maskieren.
Die Fähigkeit zur Reflexion des Raumes eröffnet den Blick auf die vergangene Zukunft (während der unreflektierte Raum als Form der äußeren Anschauung ihn versperrt).
Der Stein, der Fels, ist die neutralisierte Umkehr: nur noch schwer (und so das Fundament der Kirche?).
Ist es nicht merkwürdig, und steckt nicht möglicherweise mehr dahinter, daß die Wahlplakate der etablierten Parteien diesmal alle in der gleichen Grundfarbe erscheinen: in blau (neben F.D.P. diesmal auch CDU, SPD und die Repubklikaner). Rote Schrift haben die CDU und die SPD.
Das Licht ist der Quellpunkt des Angesichts, das Gegenstück zum Kristallisationskern der Verdinglichung.
Was haben die Flußpferde, die Nilpferde, mit den Pferden zu tun? Weshalb heißen sie Pferde, und ist dieser Hinweis auf die Pferde auch in anderen, insbesondere in den altorientalischen Namen des Flußpferds enthalten? Wenn Pferde, Adorno zufolge, die Nachfahren der Helden sind, sind dann die Flußpferde Inbegriff und Realsymbole des mythischen Helden, Verkörperungen des tragischen Verstummens?
Pferde sind das ästhetische Bild des Rassischen. Enthält nicht der Begriff der Rasse Konnotationen, die sich in seiner biologischen Bedeutung nicht erschöpfen, es sei denn, daß man das Biologische selber realsymbolisch begreift, ähnlich wie die Lebensphilosophie versucht hat, den Begriff des Lebens zu erfassen? Sind nicht die Namen Leben, Rasse, Pferd, Held Teil eines Bedeutungsfeldes, zu dem auch die Begriffe des Schicksals und des Tragischen gehören? Dieses Tragische, Schicksalhafte gehört zu den Ursprüngen des Antisemitismus, und das deshalb, weil mit dem Jüdischen das Prophetische als das Antitragische und das Antischicksalhafte schlechthin erahnt wurde. Die Rosenzweigsche Konstruktion des Tragischen, des Schicksals und des Mythos unter dem Begriff der Vorwelt gibt einen Vorbegriff dessen, was mit der Verinnerlichung (und Umwandlung) dieser Kategorien unter dem Begriff der Welt dann eingetreten ist.
Ist nicht der Islam die Kunstreligion? Und ist nicht Mohammed auf einem Pferd in den Himmel aufgefahren? Hat nicht der Islam die Prophetie als Richten mißverstanden (mit den bekannten Folgen in der durch den Islam vermittelten Gestalt der mittelalterlichen christlichen Theologie)?
Im Gegensatz zu den jüdischen Gelehrten, die Schriftgelehrte sind, sind die islamischen Rechtsgelehrte: Sind nicht die christlichen Gelehrten Rechtsgelehrte, die sich als Schriftgelehrte mißverstehen, und deshalb dogmatisch? Die Gefahr des theokratischen Mißverständnisses der Religion wird erst dann gebannt sein, wenn das Christentum sich selbst begreift. Die theokratische Version der Religion hat ihr Realsymbol in Petrus/Kephas. Darauf bezieht sich das „Weiche von mir Satan“, die Gethsemane-Geschichte und die Geschichte von den drei Leugnungen.
Gehören zum Petrus nicht auch die Simon-Geschichten: vom Simon von Cyrene über den Magier Simon bis hin zur Simonie. -
05.02.93
Das reale gegenständliche Korrelat der christlichen Theologie ist nicht der Himmel mit seinen Engeln und Heiligen, sondern -und darauf weist schon die bekannte augustinische Bemerkung hin, wonach zum Glück der Seligen im Himmel der Anblick der Leiden der Verdammten in der Hölle gehört – Auschwitz. Hierin erfüllt sich die Realitätssucht, von der die katholische Theologie nicht lassen kann. Deshalb gewinnt das Ereignis Auschwitz eine Qualität, die sonst nur der Heiligen Schrift eignet.
Drei Dinge von Rosenzweig: die Umkehr, der Name und das Angesicht. (Und drei Dinge für Adorno: daß es im Zustand der Befreigung des Ich nicht mehr bedarf, daß die Natur noch unter einem Bann steht, und daß der Ursprung der Philosophie der Verinnerlichung des Schicksals sich verdankt. Nachtrag: Ist das Recht das vergesellschaftete Schicksal, und liegt hier der Grund dafür, daß Gemeinheit kein strafrechtlicher Tatbestand sein kann?)
Ist nicht der Dekalog erst im Christentum vergesetzlicht worden? Mit der Folge, daß insbesondere das zweite, das vierte und das achte Gebot (die Heiligung des Gottesnamens, die Ehrung der Eltern und das Verbot des falschen Zeugnisses wider den Nächsten) nie verstanden worden sind (nicht gemeint sind: „du sollst nicht fluchen“, „de mortuis nihil nisi bene“ und „du sollst nicht lügen“).
De mortuis nihil nisi bene: die Begründung der Raumvorstellung, mit der die Auseinandersetzung mit den Eltern stillgestellt worden ist.
Wo kommen (außer bei Susanna, im Jesus-Prozeß und bei Stephanus) falsche Zeugen vor?
Der Weltbegriff verhindert die sich mit dem andern identifizierende Erkenntnis, indem er den Objektivationsprozeß, die Vergegenständlichung sanktioniert und seine Folgen zugleich ausblendet.
Das Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit korrigiert das Inertialsystem als Referenzsystem des naturwissenschaftlichen Objektivationsprozesses, indem es zugleich das Wissen von der Erkenntnis trennt, den Schein der Konvergenz beider destruiert.
Hängt der Name des Pharao nicht mit dem des Sklavenhauses zusammen: Sklaven sind Sklaven des Hauses; in Ägypten aber ist das ganze Land das Haus. Die Josefsgeschichte beschreibt die Ursprungsgeschichte der Einheit und des ökonomisch-politischen Kontextes dieses „Hauses“.
Die Vergesellschaftung von Herrschaft hat mit der griechischen Philosophie, mit der Überwindung des Mythos durch Verinnerlichung ihres logischen Kerns, des Schicksals, begonnen: Hier haben erstmals alle von dem Kelch getrunken. Bezieht sich nicht darauf das Jesus-Wort in Gethsemane: Wenn es möglich ist, laß diesen Kelch an mir vorübergehen.
Ist es nicht die Orthodoxie, die bewirkt, daß wir Rechts und Links nicht mehr unterscheiden können? -
04.02.93
Erinnert das im zweiten Kapitel des ersten Teils des „Beschreiben …“ angesprochene Problem nicht an das Problem der Autorenschaft insbesondere in der apokalyptischen Literatur (aber auch beim Pseudo-Dionysius und beim Sohar), das sich, wie vielleicht das Fälschungs-Problem im Mittelalter und das Chronologie-Problem insgesamt, nicht mehr unter dem Titel Fälschung erledigen läßt? Die Authentizität eines Werks kann nicht immer daran gemessen werden, ob sich der Autor zu seinem Werk „bekennt“. Umgekehrt: Setzt dieses „Bekenntnis“ nicht eine Identität der Person voraus, die an die der subjektiven Formen der Anschauung (an die Einheit des Ich denke, bei der heute zu fragen ist, ob sie der Idee der Wahrheit noch standhält) gebunden ist und mit dieser steht und fällt.
Reproduzieren sich nicht angesichts von Auschwitz die theologischen Probleme, in die sich die christliche Theologie nach der Vergegenständlichung und Instrumentalisierung des Kreuzestodes verstrickt hat?
Zeitunglesen: das allmorgendliche Drachenfutter, weltlicher Exorzismus gegen die Gewalt der nächtlichen Träume.
Ist die Befreiung der Maria Magdalena von den sieben unreinen Geistern nicht auch eine Form des Erkanntwerdens in dem Sinne, in dem es heißt, daß Adam sein Weib erkannte?
Die Auflösung des Banns der Vergangenheit ist die Auflösung des Wissens durch erinnerndes Erkennen. (Hat das Prädix er- etwas mit der dritten Person sing. masc. zu tun?)
Zum „Laß den Kelch an mir vorübergehen“: heißt das, er möge es mir ersparen, ihn trinken zu müssen? Und wie heißt das Vorübergehen im Griechischen?
Die affirmative Rezeption des Weltbegriffs war erkauft mit der Versteinerung der Kirche. Und war das nicht vorbezeichnet im Namen des Kephas?
Motive, die Adornos Interesse geweckt haben, waren wohl:
– daß die Verwirklichung der Utopie sich daran messen läßt, daß es des Ich nicht mehr bedarf;
– daß die gesamte Natur noch unter einem Bann steht; und
– daß der Ursprung der Philosophie der Verinnerlichung des Schicksals sich verdankt.
Hat sich nicht das gesamte Realitätsverständnis verändert, als physis mit natura und kosmos mit mundus übersetzt wurde?
Wenn Prophetie Herrschaftskritik ist, dann ist – nach der Vergesellschaftung von Herrschaft – Erkenntniskritik die letzte Gestalt ihrer Verkörperung.
Welchen Wert hat die Taufe, wenn sie nicht die Erinnerung an den Täufer in sich enthält: an das „Kehret um, denn das Himmelreich ist nahe“ und das „Seht das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt auf sich nimmt“ -
03.02.93
Wozu benötigt die Sprache das Futur II? Hat das Futur II (als sprachlicher Kern des Herrschafts-, Schuld- und Verblendungszusammenhangs) etwas mit dem babylonischen Turm, der bis zum Himmel reichen sollte, zu tun? Ist sie der Ursprung des Falls (die Antizipation des Selbstmords)? Das „Es wird gewesen sein“, die Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit, begründet mit dem Selbsterhaltungsprinzip die wechselseitige Äußerlichkeit der Dinge im Raum, sie konstituiert damit die Raumvorstellung selber: die die Orthogonalität und die Reversibilität der Richtungen im Raum begründenden Logik. Sie begründet das abschlußhafte, die Dinge wie die Vergangenheit abschließende Wissen, seine vergegenständlichende Kraft, die in der Trennung und wechselseitigen Konstituierung von Natur und Welt sich manifestiert.
Das Futur II neutralisiert den Wunsch und das Gebot; es ist der Grund des Gesetzes, ein Graecum, kein Hebraicum. Es hat mit dem Orakel und mit den Auguren zu tun, nichts hingegen mit der Prophetie. Es ist der sprachliche Grund und Reflex der Subjektivierung des Schicksals (der Philosophie und des Weltbegriffs) und insoweit das reale Korrelat der Geschichte des Turmbaus zu Babel.
Zielt nicht der katholische Gebrauch des Begriff des Fundamentalismus heute auf die Wahrheit selbst: sich selbst erfüllende Projektion?
taz, 03.02.93 („Unterm Strich“): Die Redensart „Aus Saulus wird
Paulus“, aus einem schlechten Mensch wird ein guter Mensch, fußt nach neuesten Bibelforschungen auf falschen Voraussetzungen. Der Apostel habe seinen ursprünglichen Namen niemals abgelegt, sei zeitlebens Jude geblieben und gelte fälschlicherweise als Mitbegründer des Christentums, erklärte der jüdische Neutestamentler Pinchas Lapide in einem AP-Gespräch. Saulus, der später als zweiten, römischen Namen Paulus angenommen habe, habe sich nie zum Christentum bekehrt. „Das Wort Bekehrung kommt in der sogenannten Damaskus-Vision überhaupt nicht vor, sondern es heiße dort Berufung zum Apostolat“, erläutert der in Frankfurt am Main lebende Religionswissenschaftler. Nach der Überlieferung hatte Paulus auf dem Weg von Arabien nach Damaskus die Vision, daß Jesus ihn zum Apostel berufen wolle. Mit dem Menschen Jesus ist Paulus jedoch nie zusammengetroffen. Zu Petrus und Jakobus soll Paulus einmal gesagt haben: „Meine Vision der Auferstehung war wichtiger als eure Begegnung mit dem irdischen Zimmermannssohn.“ Als ein wesentliches Forschungsergebnis bezeichnet es Lapide, daß sich Paulus entgegen der Überlieferung im Galater-Brief niemals in Arabien aufgehalten habe. Vielmehr sei er von Arawah (hebräisch Steppe) nach Qumran gegangen, die beide am Toten Meer liegen. Den Weg habe Paulus zu Fuß oder auf dem Esel in etwa einer halben Stunde bewältigt. Qumran, wo im Jahre 1947 die berühmten Schriftrollen gefunden wurden, habe früher den Beinamen „Damaskus in der Wüste“ getragen, erläutert Lapide. So sei fälschlicherweise überliefert worden, Paulus sei von Arabien nach Damaskus in Syrien gegangen. Gegen die klassische Überlieferung spreche auch, daß es damals etwa von Riad nach Damaskus eine Achttagereise gewesen wäre, erklärte der Neutestamentler. Die berühmten Qumran-Rollen, Handschriften vor allem aus Büchern des Alten Testaments, wurden 1947 in einer Höhle von Beduinen entdeckt, die auf der Suche nach einer entlaufenen Ziege waren. „Die meisten Rollen sind aus Leder, wenige aus Papyrus und nur zwei aus Kupfer“, erläutert der Neutestamentler. Da Wissenschaftler noch heute dabei seien, die Rollen auszuwerten, werde spekuliert, daß mit einer Gesamtveröffentlichung „die Einzigartigkeit von Jesus und seiner Botschaft geschmälert“ werden könnte. (Zusatz taz: Oh weh, oh weh.)
Die „Beschreibung des Holocaust“ von James E. Young rührt an einen zentralen Punkt: an das Problem des Schreibens heute überhaupt und an das Verständnis der Schrift. Nähe zur „Grammatologie“ von Derrida und zum „Widerstreit“ von Lyotard. Erinnerung an die Selbstmorde von Jean Amery, Primo Levi und Paul Celan (unsere Mitschuld daran, weil wir nicht bereit waren, den Schrei aufzunehmen). Lyotards Reflexionen über das vollkomene Verbrechen rühren an ein Problem der Sprache, für das Auschwitz auch steht: an die Unfähigkeit, den Bann der Gemeinheit zu sprengen und zugleich die rechtlichen Kriterien der Zeugenschaft zu erfüllen. Dazu ist an den Kontext des Logos-Begriffs und das „Was ihr dem geringsten meiner Brüder getan habt, …“ zu erinnern, die das Problem in einen realen theologischen Zusammenhang rückt. Läßt sich über Auschwitz erst im Kontext der Idee der Auferstehung (oder erst nach der Auferstehung der Toten) schreiben? Rückt das die deutsche Abwehr der Postmoderne nicht doch in ein anderes Licht? Und hat es nicht doch verhängnisvolle Folgen, wenn dieser Diskurs in Deutschland fast nur abgewehrt und die Postmoderne wie eine Häresie verfolgt wird?
In Auschwitz ist der Weltbegriff mit untergegangen, er ist seitdem für die Theologie nicht mehr brauchbar. Auschwitz ist der Maelstrom, dessen Poe’sche Beschreibung Adorno als Motto vor seine Kierkegaard-Arbeit gesetzt hatte: der Wirbel, der die Sprache ihrer benennenden Kraft beraubt. Wir leben in diesem Wirbel und halten ihn immer noch – unter dem Bann der subjektiven Form der äußeren Anschauung, des Raumes – für eine ruhende Welt. Auschwitz ist der Beweis dafür, daß der Logos die Last, die wir ihm aufbürden, indem wir die Nachfolge verweigern (und die Erscheinungen für die Dinge an sich halten), nicht zu tragen vermag. Die Last ist endgültig auf uns übergegangen.
Erinnerungsarbeit und Vergangenheitskolonialismus: Solange wir glauben, die Richter der Toten sein zu können, richten sie uns.
Zeugenschaft und Eingedenken: Dieses „Das darf nicht vergessen werden“ ist das zentrale Motiv, nicht die Widerlegung der Leugner.
Zu Otto F. Best (FR von heute): Die Deutschen haben keinen Witz, weil sie Witze machen. Dadurch unterscheiden sie sich u.a. von den Franzosen. Witz ist die Fähigkeit zur Sprachreflexion, die das Witze-Machen durch seine verdinglichende, vergegenständlichende Gewalt (durch Gelächter) zerstört. Der deutsche Witz ist eine xenophobe und paranoide Notwehraktion (Indiz der verfolgenden Unschuld). Karl Kraus hat einmal darauf hingewiesen, daß die Deutschgesinnten in der Regel des Deutschen nicht mächtig sind. (Vgl. Adenauers Wort: „Je einfacher Denken ist eine guten Gabe Gottes“. Einschlägig scheinen auch die Satzeinschübe Kohls zu sein, wie z.B.: „das werde ich an dieser Stelle sagen dürfen“, mit denen Kohl seine Rede unterbricht, um sein Erstaunen darüber auszudrücken, was er hier wieder einmal sagt, und mit denen er zugleich sich selbst ermächtigt, es zu sagen. Das liegt auf der gleichen Ebene wie seine eigene Unfähigkeit und die anderer Mitglieder seines Kabinetts, zu den xenophoben und antisemitischen Ausschreitungen der letzten Zeit überhaupt auch nur einen vernünftigen Satz zu sagen. Zugrunde liegt die allgemeine Erleichterung darüber, daß wir nach der wiedergewonnenen Einheit uns keine Zurückhaltung mehr auferzulegen brauchen und endlich wieder sagen dürfen, was wir denken; die Irritation durch die ausländerfeindlichen Ausschreitungen wird real verdrängt und verschoben auf das bedauernswerte Unverständnis des Auslands für diese deutsche Eigenart, auf die wir leider noch Rücksicht nehmen müssen.)
Die verandernde Kraft des Seins ist der Grund des Weltbegriffs, sie wird durch durch die Gewalt des Weltbegriffs unumkehrbar. Der Weltbegriff ist die verandernde Kraft des Seins als Totalität.
Ist nicht der augustinische Satz, daß zum Glück der Seligen im Himmel der Anblick der Qualen der Verdammten in der Hölle gehört, eine direkte Konsequenz aus dem Kernkonstrukt der dogmatischen Theologie: der Opfertheologie. Hier liegt der Grund, daß in der kirchlichen Tradition die Buße nur noch als Leiden verstanden wird, und nicht als Tun: die Umkehr ist gegenstandslos geworden. War nicht das Bild der Hölle ohnehin das Produkt einer projektiven Verarbeitung des Bewußtseins, daß die Gläubigen selber für sich und für die anderen die Hölle sind (mit der Exkulpierung von Herrschaft, der Legitimierung des staatlichen Gewaltmonopols, und einem Begriff der Sexualität, in dem die politische Ohnmacht bewußtlos sich reflektierte, als dem Herd des ewigen Feuers)?
Das Wort von den Pforten der Hölle (Mt 1618): ou katischysousin autäs, sie werden sie nicht überwältigen.
Die Rehabilitierung Galileis durch Johannes Paul II scheint mir auf den Versuch hinauszulaufen, den Kloß im Hals der Theologie, zu dem die Naturwissenschaften geworden sind, jetzt endlich zu schlucken: aber wird die Kirche nicht daran ersticken?
Das Dogma war der Preis, den der Staat und die Philosophie für die Rettung des Welt- und des Objektbegriffs zahlen mußten.
Hegels Satz, daß die Idee die Natur frei aus sich entläßt, müßte eigentlich unters kirchliche Abtreibungsverbot fallen (durch den affirmativen Weltbegriff hat die Theologie sich selbst abgetrieben).
Zur deutschen Staatsmetaphysik gehören neben dem Gewaltmonopol des Staates und dem Staatsanwalt auch das deutsche Staatsexamen.
Adorno Aktueller Bezug Antijudaismus Antisemitismus Astrologie Auschwitz Banken Bekenntnislogik Benjamin Blut Buber Christentum Drewermann Einstein Empörung Faschismus Feindbildlogik Fernsehen Freud Geld Gemeinheit Gesellschaft Habermas Hegel Heidegger Heinsohn Hitler Hogefeld Horkheimer Inquisition Islam Justiz Kabbala Kant Kapitalismus Kohl Kopernikus Lachen Levinas Marx Mathematik Naturwissenschaft Newton Paranoia Patriarchat Philosophie Planck Rassismus Rosenzweig Selbstmitleid Sexismus Sexualmoral Sprache Theologie Tiere Verwaltung Wasser Wittgenstein Ästhetik Ökonomie