Katechismus, Ziffer 157: „Der Glaube ist gewiß, gewisser als jede menschliche Erkenntnis, denn er gründet auf dem Wort Gottes, das nicht lügen kann.“ So offen operiert der Katechismus mit Zirkelschlüssen, nachdem er gerade (Ziffer 156) dargetan hat, daß der „Beweggrund, zu glauben, … nicht darin (liege), daß die geoffenbarten Wahrheiten im Lichte unserer natürlichen Vernunft wahr und einleuchtend erscheinen. Wir glauben wegen der Autorität des offenbarenden Gottes selbst, der weder sich täuschen noch täuschen kann.“ Worauf beruht die „Gewißheit des Glaubens“, insbesondere die, daß die „Autorität“, in der er gründet, die „des offenbarenden Gottes selbst“ ist?
Der Spagat zwischen Fundamentalismus und Wissenschaftsgläubigkeit wäre wohl nicht auszuhalten, wenn es nicht geheime Verbindungslinien zwischen den Prämissen beider gäbe. Vgl. Ziffer 159 zu Glaube und Wissenschaft.
Aber muß sich dieser Katechismus nicht auch dem Wort stellen: „An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen.“ Das gilt insbesondere auch für die merkwürdige Trinitätsspekulation (während die Nachfolge im ganzen Katechismus nicht vorkommt: wird sie durch das Trinitätskonstrukt ersetzt?). Insbesondere hier, in der Trinitätsspekulation, hat man das Gefühl, daß die Autoren sich selber Trost und Mut zusprechen (im Dunkeln pfeifen). War die Trinitätslehre der Preis für die Instrumentalisierung der Religion (im Kontext dieser Tr. ist eine Theologie im Angesicht Gottes undenkbar)? Und hängt sie nicht insofern mit dem Weltbegriff zusammen, als sie die Erinnerungsarbeit nicht nur verweigert, sondern den Schein erzeugt, sie sei unnnötig, überflüssig. Diese Tr. ist der Deckel auf der Vergangenheit, das eigentliche Herrschaftsmittel. Was ist das für eine „Seligkeit Gottes in sich selber“, wenn ihr jegliche Sensibilität für das, was außer ihm geschieht, fehlt, wenn ihr der Zustand der Welt schlicht gleichgültig ist? Konsequenterweise wird die „Auflehnung gegen das Übel in der Welt“ zu den Ursachen des Vergessens, der Verkennung, ja der ausdrücklichen Zurückweisung der „innigsten und lebenskräftigsten Verbindung mit Gott“ gezählt, Ziffer 29: War Hiob Atheist? Und ist der hier zugrundegelegte Begriff des seligen Lebens nicht die genaueste Beschreibung des Autismus, die dann das Wort, die Sprache, weil sie für sie gegenstandslos geworden sind, leugnet (in logischer Konsequenz einer Theologie hinter dem Rücken Gottes, in der die Sprache durch die Sexualität, die Zunge durch den Phallus, ersetzt wird)? So hat die Kirche Gott, die Welt und uns alle zum Schweigen gebracht.
Ziffer 314: Die Ästhetisierung des Bösen (das „Drama des Bösen und der Sünde“) ist eine notwendige Folge der Instrumentalisierung des Opfers (und des Ursprungs der Religion, der mit der Instrumentalisierung des Opfers zusammenfällt): der Unfähigkeit, dem realen Grauen standzuhalten. So wird „die Ermordung des Sohnes Gottes“ (wo ist die biblische Grundlage dieses antisemitischen Begriffs?) zum „schlimmsten moralischen Übel, das je begangen wurde“ (Ziffer 312). Das steht 50 Jahre nach Auschwitz, und im gleichen Jahr, in dem katholische Kroaten, muslimische Bosnier und orthodoxe Serben sich gegenseitig umbringen, im Katechismus der Katholischen Kirche!
Die vergegenständlichte Trinititätslehre ist ein Produkt der Ausblendung und Verdrängung der Nachfolge und der Umkehr (der Austreibung der Nächstenliebe und der Gottesfurcht). Aber bisher konnte der Schaden der Theologie (der Dornen, des Unkrauts und des steinigen Grundes) noch durch die humanisierende Kraft der Texte der Schrift eingedämmt werden.
Dieser Katechismus handelt nach dem Motto: Ist der Ruf erst ruiniert, lebt sich’s völlig ungeniert.
Die Perversion der kirchlichen Theologie liegt darin, daß sie die Trinitätslehre, anstatt sie als Ausdruck des Schmerzes zu begreifen, in einen Ausdruck der Befreiung und des seligen Lebens umgelogen hat. Hier liegt der Grund des pathologisch guten Gewissens und der Gemeinheitsautomatik, die den Faschismus in Europa ermöglicht haben. Die Idee des seligen Lebens Gottes in sich selber ist der Zucker, mit dem das Opfer der Vernunft versüßt wird.
Die Trinitätslehre ist das kreisende Flammenschwert, mit dem der Cherub den Eingang des Paradieses bewacht.
Die Trinitätslehre ist die vergegenständlichte und so verdrängte Umkehr (die Vorstellung vom seligen Leben Gottes in sich selber das dem Bilderverbot unterliegende Bild dieser Umkehr, eigentlich ein Bild der Vergewaltigung, der Einheit von Trunkenheit, Gewalt und Desensibilisierung).
Wie hängen Trinititätslehre und die kopernikanische Wende mit einander zusammen (zum Begriff der Umkehr)?
Woher kommt es, daß Katholiken Biertrinker und Fleischesser sind?
Das „Wenn die Welt euch haßt“ ist über die Identifikation mit dem Aggressor: über die affirmative Rezeption des Weltbegriffs (das Trinken des Kelches) am Ende zum Selbsthaß, zum Grund der Selbstverfluchung, geworden.
Klingt nicht in der Selbstverfluchung Petri das Motiv der Sünde wider den Heiligen Geist an? Dagegen steht nur das „und er ging hinaus und weinte bitterlich“ und der Satz, daß „die Pforten der Hölle sie nicht überwältigen“.
Die Autoren des Katechismus sprechen über die Schrift wie Vertreter des Wiener Kreises über die Kunst.
Wenn die Autoren des Katechismus die Sprache des AT als Bildersprache denunzieren, so gehört das mit zum Zusammenhang der Neutralisierung der Sprache, zum Kontext des kirchlichen Autismus (ihrer „Dialog“-Unfähigkeit).
Aber „Gott will nicht, daß sein Wort leer zu ihm zurückkehrt“ (Jes 5511).
Sind nicht Empfindlichkeiten generell pathologische Symptome?
Wenn die Trinitätslehre der Inhalt, ja die Erfüllung der göttlichen Offenbarung, und darin die Erlösung beschlossen wäre, dürfte sie nicht die paranoischen Folgen haben, die sie offensichtlich hat.
Ist nicht der Begriff einer „ewigen Ordnung der göttlichen Personen“ eine contradictio in adjecto: gleichsam ein Stück Isolationshaft?
Der Interpretation der Trinitätslehre im Katechismus widersprechen doch sehr deutlich Stellen wie die vom „Sitzen zur Rechten des Vaters“, über die johanneischen Texte zum Parakleten, zum Heiligen Geist, bis hin zu den Dingen, die nach den Worten Jesu dem Vater vorbehalten sind.
Ist nicht die Trinitätslehre Produkt der Inertialisierung der Theologie, der Subsumtion der Theologie unters Inertialsystem (der Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit, Bedingung der Objektivierung). Die Trinitätslehre ist ein Stück Bekehrungstheologie, aber damit das Gegenteil einer Theologie der Umkehr (des Namens und des Angesichts). Es bleibt beim autoritären Gehorsam, die Ohren bleiben geschlossen.
Die Kirche hat den Kelch getrunken, von dem Jesus in Getsemane gehofft hat, er möge an ihm vorübergehen. Aber das Kreuz hat sie nicht auf sich genommen.
Die Trinitätslehre, wenn sie einmal begriffen wird, wird sich als der Gegenstand der Todesangst Jesu in Getsemane erweisen.
Der hakeldama, das „Blut, das vom Acker zu mir schreit“ und das auf die erde geschüttete Blut beim Opfer (zusammen mit dem Verbot, Blut zu trinken): welcher Zusammanhang mit der Eucharistie?
Ist die Kirche nicht eher das ägyptische Sklavenhaus als Babel (das Sklavenhaus der schechina)? Vgl. die Beziehung von Theologia und Oikonomia bei den Kirchenvätern (Ziffer 236), auch „Heilsökonomie“.
Gliederung der Kritik des Katechismus:
– Sünden der Welt (Übernahme, nicht Hinwegnahme; Begriff der Welt),
– theologischer Ursprung der Naturwissenschaft (Verweltlichung der Welt), Naturwissenschaften als „Kloß im Hals der Theologie“, -Kritik der Trinitätslehre (Folge der Rezeption des Weltbegriffs, Ursprung der Bekenntnislogik, entstellter Inbegriff der Umkehr), die dreifache Leugnung und der Hahn,
– Das Lachen und die Austreibung der Dämonen, Weinen und Erinnerungsarbeit als Trauerarbeit (Kreuzestod kein Gegenstand der Empörung),
– Getsemane und der Kelch (Todesangst und Weltbegriff), die Trinitätslehre und das kreisende Flammenschwert,
– Philosophie und Prophetie, die Barbaren und die Hebräer (Natur und Materie), Name und Begriff.
War die Dogmatisierung der homousia ein Werk des Heiligen Geistes, und Konstantin sein Instrument? Oder gehört sie zu jenen Ärgernissen, von denen es heißt, sie müssen kommen, aber wehe denen, durch die sie kommen.
In der Tat die Verweltlichung der Welt christlichen Ursprungs.
Die nach Rosenzweig nicht unerhebliche Frage, ob Künstler selig werden können, wäre endlich auch auf Theologen anzuwenden. ist nicht die Theologie – nach der Kunst – zur letzten Bastion des Mythos geworden? Und sind nicht die Bekenntnislogik, die Trinitätslehre und die Opfertheologie durch die Anpassung an die Welt erzwungene Machinationen zur Abwehr und Verhinderung der Umkehr?
Ist nicht der verdinglichte Zeugungsbegriff in der Trinitätslehre eine Ersatzbildung für den verlorenen Begriff der Erkenntnis, und das „Hervorgehen“ (des Heiligen Geistes) ein Produkt der Neutralisierung der messianischen Wehen?
Das positivistische Dogmenverständnis, der Preis für die Rezeption der Philosophie, erzeugt durch das hierzu erforderliche Bindemittel der Bekenntnislogik eine hochexplosive Mischung.
Die Trinitätslehre als Theologendroge (Theologie als Theologie für Theologen).
Der Begriff der Kontingenz, den Theologen gerne nutzen, ist ein metaphysischer Totschlagebegriff. Er dispensiert von Differenzierung und Reflexion.
Was hat es eigentlich mit den „Fleischtöpfen Ägyptens“ auf sich?
Mai 1993
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15.05.93
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14.05.93
Erbsünde: Der Begriff bedeutet nicht, daß man sich diese Sünde zurechnen lassen muß, sondern daß man sie begeht, wenn man sich nicht ihrem Zwang (durch Übernahme der Schuld der Welt: durch Gottesfurcht) entzieht. Bekennt sich Jesus nicht in dem Satz „Ehe Abraham ward, bin ich“ als Täter der Sünde Adams?
In dem kantischen „Ich denke, das alle meine Vorstellungen muß begleiten können“ klingt jene Sponateität an, die in dem Ich=Ich des deutschen Idealismus dann abgeschnitten und verdrängt, in das System „meiner Vorstellungen“ mit einbezogen wird. Dieses Ich=Ich ist die Identifikation mit dem Aggressor: das Anderssein des Ich, das Ich des andern, dem ich unter Verdrängung der Spontaneität mich angleiche, ein Stück Welt.
Wie sind die Pyramiden orientiert: sind die Flächen oder die Ecken den Himmelsrichtungen zugeordnet? Gibt es eine Beziehung zu dem Richtungssystem im Sohar, in dem den vier Himmelsrichtungen die acht oberen und unteren Zwischenrichtungen zugeordnet sind (während oben und unten fehlen)?
Die drei evangelischen Räte richten sich gegen die Logik der Instrumentalisierung:
– der Gehorsam gegen das Inertialsystem,
– die Armut gegen das Tauschprinzip und
– die Keuschheit gegen die Bekenntnislogik.
Zum Inzestproblem bei Jean-Jacques Rousseau: Die Geschichte des Natur- und des Weltbegriffs ist die Geschichte zweier ineinander verflochtener Begriffe: der Grund der Geschichte der Sexualität. Vgl. die Beziehung von physis und kosmos, natura und mundus, Natur und Welt (Umkehrung von „leer, gereinigt und geschmückt“).
Die neuplatonischen Emanationslehren, die unterm Bann der Verhältnisse im Römischen Reich stehen, erinnern nicht zufällig an eine Dynamik, bei der sich nicht mehr entscheiden läßt, ist sie das Bild der Onanie oder das einer Sturzgeburt. Es ist das in patriarchalem Kontext entstehende Problem der Beziehung von physis und natura, von Zeugung und Geborenwerden, bei gleichzeitiger Diskriminierung des Weiblichen: der Materie (Verteufelung der Produkte der eigenen projektiven Phantasien, die die ganze mittelalterliche Geschichte beherrscht und manifest wird in den Teufels- und Höllenphantasien und in der Geschichte der Juden-, Ketzer- und Hexenverfolgungen).
Zum et und atah im Sohar: wie steht es mit der Beziehung von et und at (2. Pers. fem.) in dem et haschamajim we’et haarez?
War die Biologie (und mit ihr der Rassismus, insbesondere der sprachgeschichtliche, der heute die gesamte Sprachreflexion verhext) nicht erst möglich, nachdem die Erde und das Lebendige durch die modernen Naturwissenschaften (durch Kopernikus und Newton, letztlich durchs Inertialsystem) begrifflich geschieden waren? Beziehung der Nazi-Parole „Blut und Boden“ zum hakeldama, genetische Ableitung der Nazi-Parole? Ist nicht in dieser Nazi-Mythologie das Konzept der Gräberschändungen angelegt (Vergangenheitsvernichtung Folge der christlichen Vergangenheits-„Überwindungen“, Grund: Instrumentalisierung des Kreuzestodes)?
Gibt es nicht einen Aspekt des Kreuzessymbols, der unters achte Gebot fällt, ist das Kreuzessymbol nicht vom Ursprung und von der ebenso realen und unbewußten Bedeutung her ein antisemitisches Symbol? Würden wir ein Bild aus Auschwitz in unseren Schlaf- und Wohnzimmern (ohne projektive Verarbeitung) ertragen, und mit welchen Folgen für unsere Kinder und für uns? Das Bild des Gekreuzigten ständig vor Augen zu haben, muten wir uns zu?
Die Darstellung der Theologie im neuen Katechismus: Positivismus in Watte gepackt (was fehlt: Antisemitismus und die Auseinandersetzung mit der antijudaistischen Tradition der kirchlichen Theologie; die Unfähigkeit zur Aufarbeitung der eigenen Vergangenheit: Ketzer, Hexen, Geschichte der „Bekehrungen“, „Autorität“ und Befreiung; Demokratie; Befreiungstheologie und feministische Theologie; der kirchliche Wahrheitsbegriff, Verzicht auf Schuldreflexion und die Konfliktunfähigkeit der Kirche). -
13.05.93
Ist nicht das „Wachet und betet“ in Getsemane auf die beiden Augen (den Unterschied des rechten und linken Auges) bezogen (vgl. Sohar, S. 77)?
„Ich nehme das Herz von Stein aus eurer Brust und gebe euch ein Herz von Fleisch.“ (Ez 3626)
Zur Theologie Jes 287: Priester und Propheten schwanken vom Bier, sind überwältigt vom Wein.
Zur Politik Jes 2814ff: Darum hört das Wort des Herrn, ihr Spötter, ihr Sprüchemacher bei diesem Volk in Jerusalem. Ihr habt gesagt: Wir haben mit dem Tod ein Bündnis geschlossen, wir haben mit der Unterwelt einen Vertrag gemacht. Wenn die Flut heranbraust, erreicht sie uns nicht; denn wir haben unsere Zuflucht zur Lüge genommen und uns hinter der Täuschung versteckt. …
Den Anfang des Stern der Erlösung (die Todesfurcht) anstatt auf die Erfahrung des ersten Weltkriegs auf Getsemane beziehen.
Warum hat eigentlich niemand aus der Nazi-Parole Blut und Boden das hakeldama, den Blutacker, herausgehört?
Ist nicht der Begriff der Rasse ein Versuch, die in der Schrift noch unterschiedenen Begriffe Stämme, Völker, Sprachen und Nationen gleichnamig zu machen, in einem Objekt zusammenzuziehen? Und bietet sich da nicht das Deutsche als gleichsam natürlicher Bezugsrahmen an?
Vaterland und Muttersprache, oder die Schuld der Väter und die Sünden der Mütter.
Ist nicht die Biologisierung der Sprachgeschichte durch den Rassebegriff eine Verschiebung: Verdrängt sie nicht die Erinnerung an den Sprachleib?
War das peri physeos der Vorsokratiker nicht eine Abwehrwaffe gegen die Schrecken der Mächte der Vergangenheit?
… Hier gilt: Wer sein Leben erhalten will, wird es verlieren.
Ist nicht das Inertialsystem ein Spinnennetz; und gibt es nicht Spinnen, bei denen das Weibchen das Männchen nach der Begattung frißt?
Die Bemerkung im Sohar, „daß es das Ich ist, welches die Flut bringt“ (S. 119) wird durch den Satz des Tales: „Alles ist Wasser“ bestätigt: Die Hegelsche Philosophie ist die Sintflut (die vom Ich überschwemmte Welt).
Idee einer Gestalt der Erkenntnis, die dadurch frei ist, daß sie den Rechtfertigungszwängen (der normativen Gewalt des Begriffs des Wissens) entronnen ist: Sie konvergiert mit dem Begriff einer Erkenntnis, die sich die Idee des seligen Lebens nicht ausreden läßt. Bangemachen gilt nicht.
Als Walter Benjamin (und nach ihm auch Ernst Bloch) einmal den „berühmten Rabbi“ zitierten, als welcher sich dann später Gerschom Scholem bekannt hat, haben sie da nicht den Hahn und den Messias verwechselt. Die geringfügige Änderung, die alles zurechtrückt, betrifft den Gebrauch des Weltbegriffs.
Das Dogma ist die versteinerte Wahrheit, und durch das Dogma zum steinernen Herzen der Welt geworden. Bezieht sich darauf nicht die Geschichte vom Hahn?
Zum Hinter dem Rücken gehört Benjamins Wort über Franz Rosenzweig, er habe es vermocht, die Tradition auf dem eigenen Rücken weiterzubefördern, und die Übernahme der Last: der Sünden der Welt. Nicht nur stellvertretend die Schuld der Welt auf sich nehmen, sondern real, durch das Bekenntnis „ich war’s“: die Sünden der Welt. Aber das ist schwierig, fast unmöglich, in einer Welt, die vom Schuldverschubsystem lebt, sich vom Drachenfutter nährt.
Das Problem der Beziehung von Philosophie und Prophetie ist das Problem der Beziehung von Name und Begriff, von Im Angesicht und Hinter dem Rücken und von Sünde und Umkehr.
Im Symbolum wurde das Bekenntnis noch als ein Metaphorikum begriffen.
Ist die feministische Theologie heute nicht in der Situation der Martha (oder war es Maria?), die angesichts des toten Lazarus zu Jesus sagte: Herr, er riecht schon? Über das tote Mädchen sagte Jesus: Sie ist nicht tot, sie schläft nur.
In Büchners „Lenz“ gibt es die Szene, in der der verwirrte Lenz ein verstorbenes Kind ins Leben zurückzurufen versucht („Sehen Sie, Herr Pfarrer, wenn ich Gott wäre, ich würde retten, retten“). Dem folgt die Stelle, an der Lenz real begreift, daß der Mond nur eine Steinwüste ist, und „in diesem Moment griff mit einem entsetzlichen Lachen der Atheismus in ihm Platz“. Dieses Lachen begreift mehr von der Physik und vom „naturwissenschaftlichen Weltbild“ als alle theologischen Harmonisierungsversuche. Und nach diesem Lachen (als Mimesis ans Subjektlose), meine ich, reicht die Wahrnehmung, daß Jesus in den Evangelien nie lacht, wohl aber die Dämonen austreibt, sehr nahe an den Wahrheitsgehalt der Evangelien heran.
Im autoritären Denken (im Konkretismus und in der Personalisierung) präokkupiert der Herr die Stelle der Armen und Fremden. Hier liegt der Grund des Gebrauchs der projektiven Begriffe Barbaren, Natur und Materie, von dem das autoritäre Syndrom (Zusammenhang mit der Struktur der „indogermanischen“ Sprachen?) nicht abzulösen ist. -
12.05.93
„Alle, die Deine Weisung lieben, empfangen Heil in Fülle.“ (Ps 119165, Einheitsübersetzung) Die gleiche Stelle wird im Sohar (Diederichs gelbe Reihe, S. 35) so übersetzt: „Friede viel denen, die Deine Thora lieben.“ Ist überall da, wo christlich vom Heil die Rede ist, der Friede gemeint? In der deutschen Übersetzung von Lukas und Johannes wird soteria (Rettung, wahrscheinlich über lateinisch salus) mit Heil übersetzt.
Welt und Natur verhalten sich nicht wie Familien- und Vorname, sondern wie die heute so beliebten Doppelnamen.
Das Problem der Metaphorik hängt mit dem der Vermittlung, und d.h. mit dem der Genesis des Nominalismus zusammen.
In Ps 119.126 wird, was Franz Rosenzweig mit „zernichten“ übersetzt, im Sohar mit „gebrochen haben“ übersetzt (S. 27). Steht dieses Zerbrechen für das Problem der Vermittlung und der Metaphorik? Und ist die Bruchstelle die Welt? Hegel hat den Anfang gemacht mit der Reflexion dieses Bruchs (als Reflexion des Urteils), nur daß Hegel, anstatt das Zerbrochene zusammenzufügen, den Bruch totalisiert.
Sind die drei evangelischen Räte nicht eine genauere Bestimmung dessen, was bei Johannes dem Täufer Umkehr, Buße heißt (vgl. auch die Buße im Buch Jonas)?
Ist nicht die Kirche als apostolische Bekenntnisgemeinschaft die auf der Basis des Weltbegriffs reflektierte Stammesgemeinschaft? Und ist nicht unsere Blindheit, Taubheit und Lahmheit durch die Kirche versiegelt: Wie hängen die Blinden, die Tauben und die Lahmen in den Evangelien mit den drei evangelischen Räten zusammen?
– Die Taubheit gehört offenkundig zum „Gehorsam“ (zum Herschaftssyndrom), aber wie lassen sich Blindheit und Lähmung der Armut und der Keuschheit zuordnen?
– Heilt die Keuschheit von der Blindheit (Verblendung), und die Armut von der Lähmung (inertia, Trägheit)?
Durch die Vergöttlichung Jesu wurde der Logos von der Schuldreflexion entlastet, damit aber auch die Sprache ihrer benennenden Kraft beraubt. So wurde der Logos zur Hypostase des Begriffs.
Im Gefängnis gibt es drei Ausbruchswege: das Durchsägen der Gitter, die Überwältigung des Wärters und der Tunnel durch den Boden. Auf jeden Fall ist es falsch, mit dem Kopf gegen die Wand zu rennen.
Der Weltbegriff enthält in sich ein dezisionistisches Moment: Quellpunkt des Gewaltmonopols des Staates. Das Ordnungsprinzip, das der Weltbegriff repräsentiert, wirkt durch Gesetze; diese aber sind durch Strafen in der Realität zu verankern. Das Strafbedürfnis in der Gesellschaft ist ein Gradmesser des historischen Stands der Geschichte des Weltbegriffs: der „Verweltlichung der Welt“.
Der Verlust der Fähigkeit, die subjektiven Formen der Anschauung zu reflektieren, ist Produkt einer Entscheidung: Darin steckt das dezisionistische Moment. Der Begriff des Wissens verdankt sich der Abstraktion von der Schuldreflektion: Deshalb ist dieses Abstraktiosngesetz in die Grundlagen des Wissenschaftsbetriebs mit eingebaut.
Bezeichnet nicht die Zwei-Naturen-Lehre in der Christologie aufs genaueste die Vergöttlichungsfalle, in die das Christentum hineingeraten ist? Um den Kreuzestod instrumentalisieren zu können, mußte Jesus nachträglich noch zweimal totgeschlagen werden: als Gott und als Mensch.
Die gesamte Geschichte der Verweltlichung läuft über den Naturbegriff.
Die Übersetzung von Nachfolge mit „imitatio“, ein Wort, das wiederum mit Nachahmung und nicht mit Nachfolge übersetzt werden müßte, liegt genau in der blasphemischen Tradition der dogmatischen Theologie. Hier wird die in Selbstmitleid gründende und Selbstmitleid produzierende Leidensmystik initiiert, die das reale Leiden in der Welt dem Blick und der Reflexion entzieht, die Reinheit der Sensibilität in die unreinen Gefilde der Empfindlichkeit transponiert und so das Gefühl (den Statthalter der inertia, der Trägheit im Subjekt) begründet, indem sie es demoralisiert. Die Empfindlichkeit ist Grund und Produkt der Sprachverwirrung (wäre an Kohl und der Kopenhagener Schule zu demonstrieren: beide stehen in der nominalistischen Tradition, sind Produkt der Unfähigkeit, sie durch Reflexion wieder sprachfähig zu machen).
Steht nicht die politische Nutzung von Sprachregelungen in einer Tradition, die ebenfalls theologischen Ursprungs ist, nämlich in der der Apologetik? Es gibt heute einen katholischen Positivismus (eine „Wissenschaftsgläubigkeit“), der die Autorität, den letzten, verwesenden Rest des Dogmas, mit Mitteln rechtfertigt, die die Fähigkeit zur Sprachreflexion im Grunde destruiert, die verhindert, daß das Wort nicht leer zu ihm zurückkehrt.
Kohl steht in der katholischen Tradition, die soweit ist, daß sie auch des Prinzips der Rechtfertigung entbehren kann. Das „Aussitzen“ Kohls ist ein Teil seiner Fähigkeit, mit der Methode des „Haltet den Dieb“ schon im vorhinein alle die Stellen zu besetzen, von denen der Angriff kommen könnte (von denen die Rechtfertigungszwänge ausgehen können). Es ist diese Herrschaft über die Definition der Mittel der politischen Auseinandersetzung, die ihm die Vorteile des Igels verschafft, der immer sagen kann „Ick bün all do“, während der Hase SPD sich die Seele aus dem Leibe läuft. Kohl braucht nur sitzen zu bleiben, um immer da zu sein, wo andere hinwollen.
Hat es eigentlich nicht immer schon diese Korrespondenzen in der Politik gegeben, die an Figuren wie
– Stalin und Hitler,
– Adenauer, Pius XII,
– Kennedy, Chruschtschow, Johannes XXIII, Brandt,
– heute an Kohl, Johannes Paul II, Gorbatschow und Jelzin, Reagan und Bush
sich festmachen läßt? -
11.05.93
Die Hypostasierung des Raumes verdankt sich der Hypostasierung der Linken. Die Linke ist der Grund der „schlechten Unendlichkeit“.
In einem ägyptischen Text (aus der Autobiographie des Amenophis, Sohn des Hapu) der Ausdruck „Gestein, fest wie der Himmel“ und „bleibend wie der Himmel“ (Schlott, S. 231). Ist die Trennung der oberen von den unteren Wassern, der zweite Tag, die Voraussetzung des Trockenen vom Feuchten am dritten Tag? Erst hier heißt es „Das Wasser unterhalb des Himmels sammle sich an einem Ort, damit das Trockene sichtbar werde“ (Gen 19). Werden erst hier die Vergangenheiten (die Wasser unterhalb des Himmels) zusammengefaßt: entspringt erst hier die homogene Zeit? Der Apokalypse zufolge bezeichnen die „vielen Gewässer“, an denen Babylon, „die große Hure“ sitzt, die „Völker und Menschenmassen, Nationen und Sprachen“ (Off 1715). Drückt darin die Beziehung zur Macht der Vergangenheit sich aus? – Aber das Meer und die Vergangenheit werden am Ende nicht mehr sein (211u.4).
Zu Adelheid Schlott: Sie blendet Religion, Kult und Priestertum, die Funktion der Schrift in den Tempeln, die Beziehungen des Ursprungs der Schrift zu den ägyptischen Ursprüngen der Wissenschaft, die von den Griechen vielfach bezeugt ist (Theologie, Astronomie), völlig aus, außerdem die Astronomie, das Kalenderwesen und die Chronologie-Probleme. Und Geschichte taucht eigentlich nur auf als Herrschafts- und Kriegsgeschichte (unter Abstraktion von Wirtschaft und Technik). Welche Naivität oder welches Interesse gehört eigentlich dazu, wenn man glaubt, Phänomene, die augenscheinlich so nahe beieinander liegen (in der Schrift wie in der Bildersymbolik), durch tausendjährige Zeitdilatationen trennen zu müssen?
Die Naturwissenschaften enthalten in ihren eigenen Prämissen die Grundlagen ihrer Verblendung, die an die Grenze ihrer Unaufklärbarkeit rührt. In die Dynamik ihrer Selbstverblendung (und der Unaufklärbarkeit) haben die Naturwissenschaften ihren eigenen Ursprung, das theologische Dogma und die Bekenntnislogik, mit hereingezogen.
Ob es eine Auferstehung „geben wird“, weiß ich nicht, aber die Lehre von der Auferstehung, die Beziehung zur Vergangenheit, die darin sich ausdrückt, wenn sie nicht mehr durch die Lehre von der Unsterblichkeit der Seele entstellt wird, ist das einzige Mittel zur Kritik des Verblendungszusammenhangs, dem auch die Theologie unterlegen ist. Die Idee des seligen Lebens ist ohne Erinnerungsarbeit und ohne deren objektive Begründung (durch die Lehre von der Auferstehung der Toten) nicht mehr zu halten.
Nachträgliche Bemerkung zum gestrigen Jahrestag der Bücherverbrennung: Erinnerungsarbeit ist der Inbegriff des undeutschen Geistes. Wie schnell haben die Katholiken doch die Erinnerung daran verdrängt, daß sie die Judenverfolgung vor fünfzig Jahren als Menetekel der eigenen, nach dem Kriege zu erwartenden Verfolgung erfahren haben. Und diese Verfolgung ist (allerdings anders als erwartet, nämlich als Selbstopfer der Identifikation mit dem Aggressor) nach dem Kriege dann in der Tat eingetreten.
Das Hinter dem Rücken ist zu ergänzen: In ihrer Gegenwart hinter ihrem Rücken über sie reden (die Grundstruktur der Autismus-Genese). War das Dogma, das diesem genetischen Gesetz gehorcht, nicht die einzige Möglichkeit, um die Irritation, die von der Gestalt Jesu ausging, gleichzeitig zu rezipieren und abzuwehren?
Ist nicht die Vergöttlichung Jesu als Mittel der Abwehr und Neutralisierung des Nachfolgegebots die in der Geschichte von den drei Leugnungen Petri angesprochene, benannte Leugnung?
Verhalten sich Physik und Kunst wie Kreuz und Auferstehung?
Die Habermassche Version des Adorno-Zitats „Eingedenken der gequälten Natur im Subjekt“ verfälscht und entstellt das Zitat, indem sie durch die adjektivische Bestimmung der „gequälten“ Natur ein Subjekt des Quälens unterstellt. Er unterstellt eine Paranoia, von der es bei Adorno heißt, daß die Welt, die sich ihr immer mehr angleicht, von ihr doch zugleich falsch abgebildet werde.
Der Geiz, die Vorstellung einer homogenen Zeit und parakletisches Denken: Das Rentabilitätsprinzip, das Prinzip der Gewinnorientierung in der Ökonomie, ist der in den Gesellschaftskörper installierte Geiz, Grund einer Rationalität, die apriori jede Identifikation, das Sich in den andern Hineinversetzen, ausschließt. Der „Solidaritätspakt“ und die Xenophobie gehören zusammen: So erweist sich das Herrendenken heute durch das „no pity for the poor“, die Knechtsgesinnung durch die Fremdenfeindschaft, beide sind nur zwei Seiten ein und derselben Medaille. -
10.05.93
Im Ägyptischen ist das Wasser ein Symbol für Vergangenheit und für die Präposition „für“ (Dativbildung), wenn z.B. der Adressat eines Befehls nicht durch den Wechsel der Schreibrichtung (die den Befehlenden und den Befehlsempfänger in das Verhältnis „von Angesicht zu Angesicht“ setzen) gekennzeichnet werden soll (vgl. Schlott, S. 35 u. 49). D.h. das Wasser bezeichnet sowohl die Vergangenheit als auch das „hinter dem Rücken“. Wirft das nicht ein neues Licht
– auf den Ursprung der Philosophie (der Thalessche Satz „Alles ist Wasser“ ist der genaueste Ausdruck des objektivierenden Prinzips) als auch
– auf den Namen des Himmels (haschamajim), auf den über den Wassern brütenden Geist Gottes, die Trennung der oberen von den unteren Wassern (als eine Trennung im Begriff der Vergangenheit selber, den Ursprung des Begriffs der zuküntigen Vergangenheit), die Sintflut. -
09.05.93
Die mikrologische Arbeit ist der Versuch, den Bann, unter dem der Begriff steht, durch Reflexion aufzulösen: die Sache selbst zum Sprechen zu bringen.
Ableitung des Konstrukts, wonach es heute nicht mehr auf die Tat, sondern aufs Nicht-erwischt-Werden ankommt, aus der Logik des Begriffs, die darin übereinstimmt mit der Logik der politischen Sprache. Kohl bleibt solange unwiderlegbar, und das Verhängnis ist nicht aufzuhalten, wie es nicht gelingt, die Logik des Begriffs (das darin enthaltene Moment der „List der Vernunft“) zu entschlüsseln. Diese Logik ist ein Ausfluß des trinitarischen Konzepts, die das Konzept der Opfertheologie und das der Schöpfung und Entsühnung der Welt mit einschließt.
Die vollständige Säkularisation aller theologischen Gehalte setzt die Kritik der falschen Säkularisation, der die christliche Tradition verfallen ist, voraus.
Das Land der unbegrenzten Zumutbarkeiten hat Wurzeln, die durchs Christentum begossen und zum Wachsen angeregt, zum Blühen und Fruchttragen gebracht worden sind, und deren Früchte wir heute genießen. An diesen Früchten wird man es erkennen (vgl. das Gleichnis vom Feigenbaum).
Der Hund und die subjektiven Formen der Anschauung, oder die Trennung von Sehen und Gesehenwerden: Das Zeitalter des Antichrist wird das Antlitz des Hundes tragen. Die subjektiven Formen der Anschauung als Formen des Angeschautwerdens begreifen: das ist der Schlüssel zum Verständnis der kantischen Philosophie.
Das Nichts in der Lehre von der creatio mundi ex nihilo wird als ein nihil absolutum vorgestellt, aber das ist nicht denkbar. Dieses Nichts, dieses nihil absolutum war ein Konstrukt zur Begründung einer göttlichen Autorität, die mit Seinem Namen Mißbrauch treibt. Durch dieses nihil absolutum ist die den Herrschenden seit je gefährliche Lehre von den göttlichen Namen destruiert worden. (Liegen nicht überhaupt die Wurzeln des Derridaschen Dekonstruktionskonzepts in der Geschichte der dogmatischen Theologie und in der Konsequenz ihrer blasphemischen Logik?)
Das Wort vom Binden und Lösen geht nicht nur an Petrus, sondern zugleich auch an die Jünger, an die Gemeinde.
Eine Leiche im Keller, an der alle ihren Schuldanteil haben, paralysiert heute die Politik.
Ist nicht der „Wissenschaftsbetrieb“ ein Betrieb im Sonnemannschen Sinne, und der Positivismus eine Berufskrankheit, gegen die sich die Schutzimpfung durch die kritische Theorie nur bedingt als wirksam erwiesen hat?
Das Hinter dem Rücken und der Weltbegriff als Grund und Inbegriff des leeren Objekts, oder „auf dem Bauche sollst du kriechen, und Staub sollst du fressen“, oder die dritte Leugnung, oder über den Ursprung des Autismus in Kirche, Wissenschaft und Staat (die Privatisierung von Religion, Wissenschaft und Politik).
Ist der Autismus nicht ein Produkt der verandernden Kraft des Seins, kommt in ihm nicht die sprachzerstörerische Kraft des Nominalismus auf seinen Begriff?
Ist die Schlange nicht deshalb das klügste aller Tiere, weil sie das Bewußtsein, von einem Unerkennbaren erkannt zu sein, verinnerlicht hat? Der Preis hierfür war es, (wie an der astronomischen Begründung der modernen Naturwissenschaften nachzuweisen wäre) auf dem Bauche zu kriechen und Staub zu fressen.
Wissenschaft lebt von der Verinnerlichung der gesellschaftlichen Produktions- und Kontrollmechanismen und der Leugnung der Spontaneität der Erfahrung.
Der Samen der Schlange ist der Objektbegriff (das leere Weltenei).
Die Geschichte der drei Leugnungen ist die Geschichte des historischen Objektivationsprozesses: die Geschichte von Herrschaft, Schuld und Verblendung, die Herstellung jenes Zustandes, den Jeremias als „Schrecken um und um“ beschreibt.
Zustand der Theologie: die offizielle. lehramtliche Theologie ist die der dritten Leugnung; alle Ausbruchsversuche aber sind bis heute auf Identifikationen mit dem Aggressor hinausgelaufen (bei Metz direkt nachweisbar im ersten Teil seiner Theologie der Welt).
Wie hängt das Votum für die Armen und die Fremden mit den sieben Werken der Barmherzigkeit zusammen?
Die Geschichte der Kirche und der Theologie hat Teil am Abstieg zur Hölle (deren „Pforten“ sie nicht überwältigen werden).
War Kohl nur im Katholizismus möglich?
Nicht nur das Überzeugen, auch das Widerlegen ist unfruchtbar: Beide gehorchen dem Bekenntnisprinzip und der Bekenntnislogik (ist nicht das Ideologieproblem ein Problem der Bekenntnislogik? Wie verhalten sich Weltanschauung und Ideologie?).
Im Autismus kommt der Objektbegriff zu sich selber, der Autismus ist eine Form der Isolationshaft (wie die deutsche Staatsmetaphysik). Wie verhält sich der Autismus zur Paranoia und zur Schizophrenie, ist er nicht die Systemeinheit beider (und darin Modell und Produkt des Objektbegriffs)? Rührt daher die besondere Art des autistischen Sprachverlusts (moderne Version der Stummheit des Helden)? Das Kaninchen vor der Schlange, der Anblick der Medusa oder der Schrecken Isaaks.
Laufen nicht alle, die heute auf Identitätssuche sind, in die Autismusfalle?
Die transzendentale Logik ist eine Fernsehlogik: Man sieht, aber wird nicht gesehen.
Drückt nicht die Schlottsche Hypothese (in Adelheid Schlott: Schrift und Schreiber im Alten Ägypten, München 1989, S. 21f), die die Buchstabenschrift aus der Rezeption der Fremdsprachenschrift anderer (im Falle der Phönizier: Handels-) Völker herleitet, sich aufs genaueste im Namen der „hebräischen“ Schrift aus? (Woher kommen die Namen Griechisch und Latein? Haben die Griechen sich selbst Griechen genannt?)
Die hebräische Sprache ist eine Objektsprache in dem Sinne, daß sie davon lebt, die Dinge selber zum Sprechen zu bringen.
Ist nicht die Identität von Sprache und Volk (auf dem Grunde der Idee der Schicksalsgemeinschaft) ein Produkt der modernen Welt (die englische, französische, deutsche Sprache)? Wie drückt sich das in den modernen Sprachen aus? Sind nicht die hebräische, die griechische und die lateinische Sprachen im Kern Kunstsprachen?
Läßt nicht an der Schlottschen Theorie vom Ursprung der Schrift sich das metaphorische Element der Sprache und der Ursprung seiner Notwendigkeit und seiner Depotenzierung (seines Verfalls) zugleich nachweisen? Das metaphorische Element läuft übers Prädikat und mündet ein im Begriff.
Die Hegelsche Geschichtsphilosophie führt das kontrafaktische Urteil ad absurdum: in der Idee des Absoluten. Vergleiche hierzu den ungeheuerlichen und blasphemischen Satz, dieses von Hegel umgeformte Schillerzitat, am Ende der Phänomenologie des Geistes:
aus dem Kelche dieses Geisterreiches
schäumt ihm seine Unendlichkeit. -
08.05.93
Die Logik der politischen Sprache, das Gleichnamigmachen des Ungleichnamigen, und die Struktur des moralischen Urteils sind mit einander und mit der Mathematik durch den Wertbegriff verbunden. Hängt das Gleichnamigmachen des Ungleichnamigen nicht mit der unentwirrbar gewordenen Beziehung von Sehen und Gesehenwerden zusammen, mit der Zerstörung des Angesichts?
Durch die Vergöttlichung Jesu haben wir uns von der Gottesfurcht entlastet. Das Auf-sich-Nehmen der Sünden der Welt ist die seit dem Ursprung des Weltbegriffs einzig mögliche Gestalt der Gottesfurcht. Ist die Befreiung von der Entlastung nicht der Anfang Seiner Wiederkunft? Und ist die Freiheit der Kinder Gottes, auf die die ganze Schöpfung wartet, nicht erst dann erreicht, wenn wir von der Vergöttlichung des Erstgeborenen absehen?
Was dem Vater vorbehalten ist:
– die Kenntnis des Tages und der Stunde,
– die Vergabe der Plätze im Gottesreich,
– die Erfüllung der Bitte.
Der kantische Begriff von der selbstverschuldeten Unmündigkeit gibt einen sehr präzisen und logischen Sinn, wenn die Übernahme der Sünden Welt als die Übernahme der Sünden Adams verstanden wird. Das setzt voraus, daß diese Übernahme der Sünden der Welt nicht mehr durch die Vergöttlichung Jesu neutralisiert wird.
Durch die Vergöttlichung Jesu haben wir der Nachfolge den Weg versperrt. -
07.05.93
In der Einheitsübersetzung wird, was im Buch Bahir als Tohu bezeichnet (und an anderer Stelle als Materie verstanden) wird, als Götzen übersetzt (Bahir, 113, S. 120 zu 1 Sam 1221). Ist der Materiebegriff der Erbe des Götzendienstes?
Zivilisiert sind die, die sich gegenseitig als Eigentümer anerkennen (aber erst nachdem sie das Eigentum durch Raub erworben und die Erinnerung daran verdrängt haben). Die Nichtzivilisierten (die Barbaren, die Sklaven, dann die Wilden, jetzt die Ausländer) werden als Nichteigentümer angesehen (die der „Schicksalsgemeinschaft“ des Volkes nicht angehören). Ist nicht der Kampf um die Anerkennung in der Phänomenologie des Geistes der Kampf um die Anerkennung als Eigentümer?
Ist die dogmatische Begründung auch nur eines der sieben Sakramente wirklich überzeugend? Steckt nicht in der gesamten Argumentation ein Stück Willkür, das nur mit Hilfe der imgrunde autoritären Bekenntnislogik unkenntlich gemacht werden kann?
Zum Ursprung der Bekenntnislogik: War nicht die sogenannte religiöse Erneuerung im Mittelalter, der Ursprung der religiösen Bewegungen des Mittelalters (paradigmatisch der devotio moderna), auch ein Stück projektiver Schuldverarbeitung, die seitdem ununterbrochen die Geschichte des Geistes beherrscht? Und ist nicht die Geschichte der „Fälschungen“ im Mittelalter eine der Voraussetzungen der europäischen Geschichte der Aufklärung (wie die Geschichte des Vorurteils ihr Schatten)? Gehört sie nicht zu den Ursprüngen dessen, was man heute das Projekt Moderne nennt, in dem auch die Vergangenheit so zurechtgelogen wird, daß sie als Einspruch gegen die verstockte Subjektivität nicht mehr verwandt werden kann. Gehören nicht die Fälschungen des Mittelalters zu den Gründen der unlösbar gewordenen Probleme der Chronologie und der Astronomie?
Die Barbaren waren eine Erfindung der Griechen; sind nicht die Wilden eine Erfindung der Moderne, ohne die die projektive Gestalt der Erkenntnis nicht zu halten gewesen wäre?
Zum Begriff der Wilden im Kontext der projektiven Verarbeitung der Vergangenheit vgl. den merkwürdigen Zusammenhang des Untergangs der Tasmanier mit dem Ursprung der Darwinschen Evolutionstheorie.
Wenn Habermas die „Dialektik der Aufklärung“ für „überholt“ hält, verwechselt er dann nicht die Geschichte des Geistes mit einer sportlichen Wettkampf, vielleicht einem Marathonlauf?
Liegt nicht das Modell des Kohlschen Argumentationstricks in der Polemik der Kopenhagener Schule gegen die sogenannte „klassische Physik“? In beiden Fällen werden Spuren verwischt, wird das, was man selbst tut, an anderen diskriminiert. Vorbereitet wurde dieses Argumentationsschema in der kirchlichen Apologetik, die das Fortwirken der Vergangenheit dadurch aus dem Blickfeld rückt, daß sie mit den eigenen vergangenen Untaten die Vergangenheit insgesamt für überholt erklärt.
Der Antisemitismus war seit je ein Werkzeug der Verdrängung. Mit der Diskriminierung und Verfolgung der Juden war die Erinnerung an die fortwirkende eigene Vergangenheit gemeint, die auf diese Weise projektiv verdrängt werden sollte.
Die Lehre von der creatio mundi ex nihilo ist ein Alexander-Erbe in dem Sinne, daß sie den Knoten, den es zu lösen gilt, nur durchschlagen hat.
Barmherzigkeit will ich, nicht Opfer: In welcher Beziehung stehen die sieben Werke der Barmherzigkeit zu den sieben Sakramenten?
Sind nicht die subjektiven Formen der Anschauung und die durch sie generierten Totalitätsbegriffe Natur und Welt Produkte einer Empörungs-Dynamik, deren Objekt die unaufgearbeitete Vergangenheit ist?
In welcher Beziehung stehen die Umläufe des Mondes und der Planeten zum Gesamtumlauf des Tierkreises?
Gibt es einen genetischen Zusammenhang zwischen den Anschauungen der sogenannten Lebensschützer und der Empörungslust derer, die sich die Illustrierten kaufen, um sich über die Bilder darin zu empören? -
06.05.93
Apologetik ist zur Karate-Theologie geworden.
Die „Privatisierung“ staatlicher Unternehmen wie Post und Bundesbahn ist eigentlich eine Vergesellschaftung. Gibt es eigentlich noch Privateigentum, ist nicht alles Eigentum, und mit ihm die Institution des Privaten selber, durch die Dynamik der ökonomischen Entwicklung vergesellschaftet worden in dem Sinne, daß es anonymisiert und zum Prototyp der Macht geworden ist, der wir alle unterworfen sind und von der wir alle abhängen? Sind nicht alle nur noch „Angestellte“, die die Maschinerie bedienen, die sie mehr oder weniger ausreichend ernährt?
Gehorcht nicht auch die Wissenschaft dem Gesetz des Aufdeckens der Blöße (zum Begriff der Öffentlichkeit), und bezeichnet nicht der Objektbegriff aufs genaueste diese Blöße? Dann wäre eine „objektive“ Theologie Instrument der Aufdeckung der Blöße Gottes, das aber heißt: gegenstandslos (wie die Trinitätslehre, die durch den Begriff der Zeugung den Objektcharakter in der dogmatischen Theologie konstituiert und begründet).
Indem die Naturwissenschaften vom Gesehenwerden abstrahieren (sich der subjektiven Form der Anschauung unterwerfen und das Licht verdinglichen), verfallen sie ihm, unterwerfen sie sich, ohne es zu wissen, dem Gesetz der Dingwelt. Darin ist die Totalisierung der Scham begründet, die in den Objekten sich im Begriff der Materie manifestiert.
Die Materie-Form-Philosophie war einmal eine Handwerker-Philosophie, sie ist heute zur Industrie-Philosophie geworden.
Die Übersetzung des zentralen Begriffs in Joh 129 mit „hinwegnehmen“ hat die benennende Kraft der Sprache zerstört: den Logos endgültig gekreuzigt. Sie hat die Theologie instrumentalisiert, sie zum Herrschaftsmittel gemacht, und in ihr das Trägheitsprinzip installiert. Das „Auf-sich Nehmen“ in Joh 129 ist der Eckstein, den die Bauleute verworfen haben: der Kern des Nachfolgegebots.
Das waw (in der Kabbala Symbol der sechs Richtungen des Raumes), ist das nicht das Oh oder die Klage?
Das Dogma und die es beherrschende Bekenntnislogik sind Feigenblatt und Rock aus Fellen zugleich.
Ist nicht das „Projekt Moderne“ (der Begriff scheint aus der Habermas-Schule zu kommen) falsch säkularisiertes Christentum: die Verdrängung der Vergangenheit.
Es geht nicht darum, ob der Papst die Pille erlaubt oder verbietet, eher schon um die Lösung der Zölibatsfrage, zentral aber wäre, innertheologisch zu begreifen, daß die Erbsünde nicht über die sexuelle Lust, sondern über die Urteilslust sich fortpflanzt (über die Unfähigkeit zur Schuldreflexion). Diese Urteilslust wird z.B. in der kasuistischen Moral genährt (und macht nicht unerhebliche Teile der katholischen Sexualmoral so unerträglich pornographisch). In jeder Urteilslust steckt ein Stück jener Empörungslust, die die Struktur des Begriffs und seiner Genesis mit bestimmt, und die der Grund des projektiven Anteils in jeder Erkenntnis und das Medium des Schuldverschubsystems ist. Den evangelischen Rat der Keuschheit und die Sexualmoral insgesamt auf die Urteilslust beziehen, das macht die Geschichte der Urteilslust (die Hegelsche Geschichte des Begriffs) als Teil der Geschichte der Scham durchsichtig; sie läßt sich studieren anhand der Geschichte des Naturbegriffs. „Wenn die Welt euch haßt“: Ist der Naturbegriff nicht der projektive Indikator dieses desensibilisierten „euch“ (und ist dieses „euch“ nicht der Moloch, dem die Kinder geopfert werden)? Adornos „Eingedenken der Natur im Subjekt“ drückt das aufs genaueste aus, während Habermas‘ denunziatorische Verfälschung des Zitats, seine Einschränkung auf die „gequälte Natur“, zur Strategie der Neutralisierung des in der Dialektik der Aufklärung erreichten Stands der Reflexion gehört.
Theologie im Angesicht Gottes: Ist das nicht Theologie als Erinnerungsarbeit, als gesamtgesellschaftliche und geschichtliche Gewissenserforschung?
In den subjektiven Formen der Anschauung gewinnt die Vergangenheit Gewalt über unsere Erfahrung, unsere Erkenntnis, unser Denken. -
05.05.93 (2)
Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, daß es verbindliche marxistische Analysen deshalb nicht mehr gibt, weil man Angst vor den Konsequenzen, den Ergebnissen, hat.
Die Methoden-Diskussion: ist das nicht eine Exkulpierungsdiskussion? Sie erinnert an das Verfahren in der ministeriellen Vorstufe der Gesetzgebung, bei der Erstellung des Entwurfs, wo es nicht mehr darauf anzukommen scheint, ob die Vorlage richtig ist, ob sie den gewünschten Erfolg gewährleistet, sondern fast nur noch darauf, ob sie Fehler vermeidet, für die der Referent vielleicht zur Rechenschaft gezogen werden könnte. Es gehört in einen Zusammenhang, in dem nicht die Tat sondern das Erwischtwerden den Schuldvorwurf begründet. Methodologische Absicherungen sind Absicherungen in einem Feld, in dem verteidigendes Denken keine Chancen mehr hat; sie sind zu Formen der Identifikation mit dem Aggressor in einem Wissenschaftsbetrieb geworden, in dem jeder Richter des andern ist. Daß Gemeinheit kein strafrechtlicher Tatbestand ist, ist ein Satz, der nicht nur in der Justiz gilt; er gehört zu den Prinzipien des Wissenschaftsbetriebs. Wichtiger als die Methodendiskussion, die auf die richtige Anwendung der richtigen Instrumente abzielt, wäre es, die kantische Erkenntniskritik, d.h. die Kritik der Instrumentalisierungsmechanismen im Erkennen, auf den neuesten Stand zu bringen.
Als Kind war ich einmal fasziniert vom Bild eines Gesichtes, das mich, aus welcher Perspektive ich das Bild auch ansah, jedesmal anblickte. Dieses Angeblicktwerden wird heute insbesondere in den Nachrichtensendungen des Fernsehens ausgebeutet (insbesondere auch von Politikern, die im Fernsehen auftreten). Das verweist auf den Unterschied zwischen dem Radio und dem Fernsehen: Das Radio macht hörig, das Fernsehen totalisiert die Scham.
Das Inertialsystem markiert die Todesgrenze in den Dingen; aber diese Todesgrenze ist die Schamgrenze.
Das Keuschheitsgebot bezieht sich auf die Herrschaftsgeschichte; es ist von Adorno auf den einfachsten Nenner gebracht worden: Erstes Gebot der Sexualmoral: Der Ankläger hat immer unrecht.
Alle drei evangelischen Räte sind Richtschnuren des Handelns, nicht des Urteils. Es gibt keine wahren Urteile, nur richtige oder falsche, die evangelischen Räte aber rühren an die Sphäre der Wahrheit. Die Wahrheit ist keine Qualität des Urteils selber, sondern nur seiner Reflexion: sie schließt das dem Urteil unerreichbare Moment der Versöhnung mit ein. Die Bindung der Wahrheit ans Urteil (Übereinstimmung von Gegenstand und Begriff) hat das achte Gebot umgefälscht ins „Du sollst nicht lügen“. Die Restituierung des achten Gebots ist nur möglich im Kontext der Kritik des Dogmas und der das Dogma beherrschenden Bekenntnislogik: Deshalb kann man nach Auschwitz nicht mehr so Theologie treiben, als hätte es Auschwitz nicht gegeben. Theologie hinter dem Rücken Gottes lebt von der Vorstellung, man könne ohne Gottesfurcht Theologie treiben (Verwechslung der falschen Befreiung vom Mythos mit der Erlösung; die theologische Rezeption der Philosophie und des Weltbegriffs hat die Idee der Erlösung durch die Unschuldsfalle ersetzt, das parakletische Denken durch die Mechanismen der Selbstexkulpierung: durch die Instrumentalisierung der Umkehr in der Bekenntnislogik, die dann die Natur als Geisel genommen hat: Die Materie ist die Schamgrenze der Dinge, Grund ihrer Beherrschbarkeit).
Schillers Satz „Die Weltgeschichte ist das Weltgericht“ ist das letzte Echo der mittelalterlichen Islamisierung des Christentums, er zieht daraus die Konsequenz.
Während das Totalitätsprinzip (als Prinzip der Selbstzerstörung) im Faschismus das direkt intendierte Ziel ist, ist es im Sozialismus ein offensichtlich nicht unter Kontrolle zu bringender Nebeneffekt. Der sozialistische Diktator ist Opfer seiner eigenen Paranoia, während der faschistische Diktator die Paranoia aller als Quelle seiner Inspiration und als Resonanzboden seines Charismas ausbeutet. Sozialistische Länder errichten Mausoleen (für ihre Diktatoren als „Opfer“ und Helden der Revolution), Faschisten schänden Gräber. -
05.05.93
Nach dem Sohar (Diederichs-Ausgabe, S. 232) ist Brot Symbol der Rechten (der Gnade) und Wein Symbol der Linken (des Gerichts, der Strenge). Vgl. hierzu Melchisedech, die Geschichte Josephs im Gefängnis (mit dem Weinschenk und dem Bäcker des Pharao), aber auch die Geschichte vom Abendmahl, die eine andere Bedeutung gewinnt, als die Kirche ihr in der Transsubstantiationslehre zugesprochen hat. In Emmaus hat Jesus nur das Brot gebrochen (daran haben die Jünger ihn erkannt), während er beim Abendmahl den Wein sich aufbehalten hat bis zur Wiederkunft. Löst sich hier das gräßliche Entsühnungskonzept auf (bis hin zu den Stellen im Hebräerbrief)?
„Denn wäre das Salz nicht, so könnte die Welt das Bittere nicht ertragen“ (ebd., S. 233). Dazu: Ihr seid das Salz der Erde.
Ist das Gewölk die Schechina (Sohar, Ausgabe Scholem, S. 83)? -Der Menschensohn wird „auf den Wolken des Himmels“ wiederkommen.
Beachte den Zusammenhang von Waw, et und ata (sechs, und, du).
Der Weltbegriff bezeichnet nicht nur die Zivilisationsschwelle, sondern an ihm scheidet sich der Begriff der Erkenntnis in der Theologie. Die Kritik des Weltbegriffs ist der Kern der Dogmenkritik, und zwar als Beginn einer Scheidung im Dogma selber: der Befreiung der Wahrheit.
Die Ich-Schwäche bedarf des Bekenntnisses, und das Bekenntnis stabilisiert die Ich-Schwäche (durch Hypostasierung der Welt). Im Fremdenhaß kulminiert und explodiert die Bekenntnislogik.
War die Vätertheologie ein Produkt der Hellenisierung, so war die Scholastik ein Produkt der Islamisierung des Christentums.
Jesus hat den drei Versuchungen widerstanden, die Kirche ist ihnen in der Folge der drei Leugnungen erlegen, bis hin zur Selbstverfluchung:
– Die Herrschaftsversuchung (Konstantin und die Entwicklung des Dogmas),
– die Versuchung, Steine in Brot zu verwandeln (die sakramentale, insbesondere die eucharistische Versuchung),
– die letzte Versuchung, sich von der Zinne des Tempels zu stürzen (die babylonische Versuchung).
Im Gegensatz zur Empfindlichkeit ist Sensibilität nur noch im Kontext der Gottesfurcht rekonstruierbar.
Das Kapitel aus der Phänomenologie des Geistes über Herr und Knecht paßt nur auf das Verhältnis des Bürgertums zum Feudalismus, nicht auf die Beziehung des Proletariats zum Kapitalismus.
Ist das Proletariat die Arbeiterschaft, wird hier nicht der Begriff gleichsam positivistisch eingeschränkt. Sind nicht alle Nicht-Eigentümer Proletarier, und deshalb der sich durchsetzende Kapitalismus die Hypertrophie der herrenlosen Knechtsgesinnung (oder die Vergesellschaftung des Herrendenkens)?
Die Welt ist es, die kreuzigt, und die Natur ihr Opfer, aber ohne Ausblick auf eine Auferstehung. Hat eigentlich je schon jemand an die Auferstehung geglaubt?
Erst mit ihrer Entkonfessionalisierung wird die Wahrheit aus der Lähmung durch den autoritären Bann befreit.
Armut, Gehorsam und Keuschheit, sind das nicht Aufforderungen, den Ursprung des Geldes, der Schrift und des Staates endlich zu begreifen?
Das Prinzip der Neutrumsbildung (und damit des Ursprungs des Weltbegriffs und der indogermanischen Sprachen) ist der Staat.
Adorno Aktueller Bezug Antijudaismus Antisemitismus Astrologie Auschwitz Banken Bekenntnislogik Benjamin Blut Buber Christentum Drewermann Einstein Empörung Faschismus Feindbildlogik Fernsehen Freud Geld Gemeinheit Gesellschaft Habermas Hegel Heidegger Heinsohn Hitler Hogefeld Horkheimer Inquisition Islam Justiz Kabbala Kant Kapitalismus Kohl Kopernikus Lachen Levinas Marx Mathematik Naturwissenschaft Newton Paranoia Patriarchat Philosophie Planck Rassismus Rosenzweig Selbstmitleid Sexismus Sexualmoral Sprache Theologie Tiere Verwaltung Wasser Wittgenstein Ästhetik Ökonomie