Hat nicht die Unkenntnis des Blutsymbols, die Verwendung des Begriff „ad litteram“ und die Unfähgkeit zu Kritik des Weltbegriffs und in diesem Falle der Naturwissenschaften (die Rückprojektion unseres heutigen Bewußtseinsstandes in die frühe Christenheit), die Opfertheologie und das Dogma insgesamt verhext?
Die Natur ist die aufgedeckte Blöße der Welt, und die Materie die Scham.
Klingt nicht in dem paradiesischen „Sie waren nackt und sie schämten sich nicht“ die Verklärung an (der Stand vor der Verblendung durch Materie)? Steckt darin wie in dem anderen Satz „Da gingen ihnen die Augen auf, und sie erkannten, daß sie nackt waren“ nicht die Geschichte des Ursprungs der Materie?
Sind nicht die subjektiven Formen der Anschauung Fixierungen aufs Sehen und die Abstraktion vom Gesehenwerden (Grund des Prinzips: man darf alles, sich nur nicht erwischen lassen)? Die Abstraktion vom Gesehenwerden drückt sich selbst wieder in der Form der inneren Anschauung aus. Hier ist der Zusammenhang mit der Schicksalsidee begründet (Verinnerlichung des Schicksals als Grund des begrifflichen Denkens). Der Begriff der Materie bezeichnet die auf dem Sehen auf der Objektseite korrespondierende Scham. Die Heußsche „Kollektivscham“ hat nicht nur die Aufarbeitung der Vergangenheit blockiert, sie hat die Deutschen in die schicksalhafte Beziehung zur Welt, zum „Ausland“ gebracht, dagegen der Rechtsradikalismus heute so vergeblich wie selbstzerstörerisch aufbegehrt. Und kein Zweifel: Es gibt eine lustvolle Scham, wobei die Lust daher rührt, daß die Scham den Sich Schämenden von Schuldgefühlen befreit, indem es ihn von dem Subjektsein befreit, das den Schuldgefühlen zugrunde liegt. So ist die Scham der Keim des moralischen Trägheitsprinzips. Die Scham macht namenlos („Oh, wie gut, daß niemand weiß, …“), man begibt sich in der Scham außer Reichweite des Hörens.
Ein Papst, der Galilei rehabilitiert und der Inquisition guten Glauben bescheinigt, kann natürlich auch einen Pinochet seiner Freundschaft versichern (FR heute).
Eine Kirche, die sich so in ihrem Schuldverschubsystem verfangen hat, daß sie selber zur Schuldreflexion unfähig geworden ist, ist der Greuel am heiligen Ort.
Entspricht nicht die Beziehung von Kaninchen und Schlange in mancher Beziehung der des Hundes zum Mond: Gibt es diesen bannenden Blick der Schlange, und hat er etwas mit dem berüchtigten Blick Hitlers zu tun?
Während Seiters, Rühe, Hintze, auch Kinkel und Rexroth so aussehen, als könnten sie einen nicht anblicken, hat Schäuble den stechenden Blick.
Beelzebul, der Herr der Fliegen: Verhalten sich nicht die Insekten (Ursprung des Namens der Insekten?) zu den Blüten wie das Inertialsystem zum Licht und zur Materie? Sind die Insekten gleichsam lebendige Verkörperungen des Inertialsystems (ähnlich wie vielleicht die Dornen und Disteln und die Hörner der jüdischen Opfertiere)?
Sind nicht generell die symbiotischen Systeme in der Natur Repräsentanten der Doppelnatur des Lichts?
Bei Elisa (2 Kön?) steht die Geschichte von der Frau, die nach dem Tode ihres Mannes ihre Kinder in Schuldknechtschaft geben muß.
Ist nicht die Geldwirtschaft insgesamt ein System der Schuldknechtschaft, die sich auf die Naturwissenschaft bezieht wie die Trunkenheit Noes auf das Aufdecken der Blöße durch Ham.
Die in der Simson-Geschichte immer wiederkehrende Wendung „Da überkam ihn der Geist Gottes …“ ist sowohl komisch als auch ein noch aufzuklärender Hinweis auf die Beziehung des Geistes Gottes zu den Grundlagen der Gewalt, zu ihrem Naturgrund.
Die Welt ist das fensterlose Haus der Monade: die Isolationshaft des Subjekts. Nur die Kritik des Begriffs und die Wiedergewinnung der benennenden Kraft der Sprache führen heraus. Das „qui tollit peccata mundi“ ist das Ausbruchswerkzeug.
Der Antisemitismus (und sein kirchliches Pendant, der Antijudaismus) ist ein Versuch, sich die prophetische Kritik vom Leibe zu halten, der Verpflichtung des Votums für die Armen und die Fremden sich zu entziehen.
Juni 1993
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30.06.93
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29.06.93
Die Trinitätslehre gehört zu den Konstituentien des Weltbegriffs (des Objektivations- und Instrumentaliserungsprozesses).
Im orthos im Begriff der Orthodoxie steckt der gleiche Abstraktionsmechanismus, dem auch der Begriff der Orthogonalität sich verdankt. Damit hängt es zusammen, wenn die Geschichte der Orthodoxie sich als die Geschichte der drei Leugnungen begreifen läßt.
Das metaphorische Element, in dem die benennende Kraft der Sprache gründet, ist im griechischen Mythos, und zwar bereits in seinem Ursprung, im Bilde des Labyrinths (mit dem Minothaurus im Zentrum) vorgestellt worden. In der Metaphorik kann man sich wie im Labyrinth verirren. In der Philosophie wurde dieses Labyrinth von seiner metaphorischen Wurzel abgeschnitten und als Logik des Begriffs (der Begründung und der Reflexion) spiritualisiert. Hier gründet die Verführungskraft der (von ihren Wurzeln in der Schrift abgehobenen) Trinitätslehre. Die Welt des Mythos und der logische Zusammenhang der Philosophie sind zwei Seiten ein und derselben Sache.
Ist nicht die Sintflut und das „Alles ist Wasser“ beim Thales ein Symbol für den Ursprung des Weltbegriffs (mit dem das Ich die Schöpfung überflutet), und die Arche schon ein Prototyp des Turms von Babel?
Der Weltbegriff bezeichnet die Wände der Monade, der Naturbegriff die Spiegelung des Außen im Innern der fensterlosen Monade.
In ihren wesentlichen Gestalten ist die Philosophie ein Versuch des Auftauchens aus dem Meer des Vergessens, in dem das Leben der Gesellschaft sich bewegt. Steckt nicht in diesem Satz die Auflösung des Rätsels der großen Meerestiere?
Der Zusammenhang von Phylogenese und Ontogenese gilt auch für die Sprache und das Bewußtsein. Das Vergangene ist nicht nur vergangen, es steckt noch in uns drin.
Laßt die Toten ihre Toten begraben: In der Geschichtsforschung begraben die Toten die Toten; aber wird so nicht die Auferstehung vorbereitet? Eine Kirche, die an die Auferstehung der Toten glaubt, muß auch die Verantwortung für ihre eigene Vergangenheit übernehmen.
Ist nicht das Modell jenes augustinischen Konstrukts, wonach zum Glück der Seligen im Himmel der Anblick der Leiden der Verdammten in der Hölle dazugehört, die Beziehung von Reichtum und Armut: Zum „Glück“ der Reichen gehört das (unerträgliche und deshalb seit dem Ursprung des bürgerlichen Bewußtseins verdrängte) Bewußtsein der Leiden der Armen (das real ebenso unabänderlich ist wie nach kirchlicher Lehre das Leiden der Verdammten in der Hölle), denn diese Leiden sind die Quellen seines Reichtums, und er genießt sie zusammen mit seinem Reichtum. Verarbeitet wurde dieses Syndrom in der Opfertheologie, in der entsetzlich entstellten kirchlichen Rezeption von Joh 129. Hilft dagegen nicht die ungeheuerlich Wendung im Hebräerbrief (928 im Zusammenhang mit 104 und 11?
Zu Brot und Wein (Melchisedech):
– das Brot vom Himmel, die ungesäuerten Brote und das Gleichnis vom Sauerteig;
– die Beziehung des Weins zur Blutsymbolik (die noachidischen Gebote und die Trunkheit und die aufgedeckte Blöße Noahs), der Kelch (der Kelch des Neuen Bundes und Gethsemane: „Könnt ihr diesen Kelche trinken?“ und „Vater, wenn es möglich ist, laß diesen Kelch an mir vorüber gehn“, der Taumelkelch und der Becher des göttlichen Zorns, der Becher mit dem Unrat in der Apokalypse), Kelch des Segens und Kelch der Dämonen, Wasser, Wein und Blut.
– Sauerteig und Kelch (Ihr werdet ihn trinken, aber das Sitzen zu meiner Rechten oder meiner Linken habe nicht ich zu vergeben), Brot und Wein: Rechts und Links, Barmherzigkeit und Gericht.
Ist die Materie die Scham der Dinge, gleichsam der Erdboden, in den sie versinken möchten: das Sein wie die anderen? Ein Medium, in dem das Selbstsein als Schuld erfahren wird, dessen man sich schämen muß. Ist das Blut die Scham des Lebendigen, Substanz und Medium des Ursprungs und des Mediums des Schuldzusammenhangs des Lebendigen, Grund des Schicksals? (Wenn das Volk sich als Schicksalsgemeinschaft definiert: ist dann ein Volksstaat denkbar ohne das ius sanguinis?)
Der Blutkreislauf wurde in der gleichen Zeit entdeckt, als auch das heliozentrische System: das Kreisen der Planeten um die Sonne (und damit dem Erkenntnisgrunde nach, das Gravitationsgesetz) entdeckt worden ist. Gibt es eine Beziehung des Blutes zum kreisenden Flammenschwert des Kerubs, der den Eingang des Paradieses bewacht? Hat das Blut etwas mit dem Fall zu tun (ist das Blut das Realsymbol des Falles? Gibt es aus deisem Grund keine Sühne ohne das Blut? Und ist das Opfer der Sünde deshalb das Blutopfer? Denn „fast alle Dinge werden mit Blut gereinigt nach dem Gesetz, und ohne Blutvergießen gibt es keine Vergebung“ (Hebr 922), und „Fleisch und Blut können nicht das Reich Gottes ererben“ (1 Kor 1550).
Liegt nicht eine sehr tiefreichende logische Konsequenz darin, daß im Paradies bemerkt wird, daß die Menschen nackt waren, aber sich nicht schämten, während sie nach dem Sündenfall, nachdem ihnen die Augen aufgingen, „erkannten“, daß sie nackt waren: Die Scham selbst wird nicht mehr genannt; sie steckte in dieser „Erkenntnis“.
Ochs und Esel: Der Ochs kennt seinen Eigner, der Esel die Krippe seines Herrn (Jes 13). Was unterscheidet den Eigner vom Herrn? Der Ochse wird ins Joch gespannt und zieht den Ochsenkarren, dem Esel wird die Last aufgebürdet.
Läßt sich der Satz „Man soll dem Ochsen, der da drischt, nicht das Maul verbinden“ (Deut 254 und 1 Kor 99) nicht auf den „Umbau des Sozialstaats“ beziehen?
Sind die Billardkugeln, das gegenständliche Paradigma der mechanischen Stoßprozesse, nicht die neutralisierten Bücke des mythischen Zeitalters?
Zur Logik des Raumes: Wir nutzen die verdinglichende, objektivierende und instrumentalisierende Gewalt des Raumes, sind aber unfähig, das in den Beziehungen der Dimensionen versteckte Moment der Reflexion (das Rätsel der Reversibilität und Orthogonalität der Richtungen im Raum) zu begreifen, genauer: wir verdrängen es.
Die mathematische Form des Raumes verdankt sich der Abstraktion von jenem Zeitmoment, das am Ende der Geschichte der Physik im Prinzip der Konstanz der Lichtsgeschwindigkeit gleichsam zwangserinnert wird.
Das Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit klärt die Beziehung von Rechts und Links, von Wein und Brot, von Griechisch und Hebräisch.
Marx, Freud und Einstein: das Geld, das Bekenntnis und der Raum, oder Armut, Keuschheit und Gehorsam. (Die Physik ist nicht der Kloß im Hals, sondern der Stöpsel im Ohr.)
War nicht die Verklärung auf dem Berge Tabor die Antizipation des vollendeten Werks des Opfers der Sünde? Und hier wollte Petrus drei Hütten bauen: dem Moses eine, dem Elias eine und Jesus eine. -
28.06.93
Zur Logik des Raumes: Selbstreferenz und Rückkoppelung sind Momente der Logik der Instrumentalisierung und Subjektivierung der Wahrheit.
Zu Joh 129 vgl. Hebr 928, 104, 1011: In der Einheitsübersetzung wird das anenengkein, aphairein und perielein mit (hin-)wegnehmen übersetzt. Müßte man nicht bei genauerem Hinsehen differenzieren:
– 928: Nur hier ist das Wort auf Christus bezogen, auf seine einmalige Opferung (hapax prosenechtheis, von prosphero), und genau hier müßte es heißen: „die Sünden opfern“, „darbringen“ („anenengkein hamartias“, anenengkein: Inf. Aor. v. anaphero) und nicht: sie „hinwegnehmen“.
– 104 und 1011: Hier heißt es in der Tat „wegnehmen“, aber das nicht im Zusammenhang einer positiven Aussage über das Opfer Christi, sondern von negativen über
. „das Blut von Stieren und Böcken“, das „unmöglich Sünden hinwegnehmen“ könne, und über
. den Priester, der „viele Male die gleichen Opfer dar(bringt), die doch niemals Sünden wegnehmen können“.
Enthält die ungeheure Vorstellung, daß Jesus „die Sünden“ und nicht sich selbst für die Sünden „opfert“ eine sehr präzise Erläuterung zu Joh 129, zum „ho airon tän hamartian tou kosmou“ (ist das tän hamartian nicht ein Singular: das Lamm Gottes, das „die Sünde der Welt aufnimmt“, nicht die Sünden?).
Zu Joh 129 vgl. 1 Joh. 35, lt. Einheitsübersetzung: „Ihr wißt daß er erschienen ist, um die Sünde wegzunehmen …“, wörtlich: …, hina tas harmatias arä. Das arä kommt vom gleichen Verb wie das ho airon in Joh 129 (von airo, nehme auf, ziehe empor, erhebe, hebe auf) und wäre wie dort mit „aufnehmen“, nicht „hinwegnehmen“, zu übersetzen.
Daß die Sünden geopfert, und durchs Opfer „gesühnt“, „hinweg-genommen“ werden „wie durch Feuer“, nicht durch Unterwerfung,
– paßt zu dem Wort: „Barmherzigkeit will ich, nicht Opfer“, denn die Barmherzigkeit ist das (Schlacht-, Brand-, Versöhnungs-) Opfer der Sünde;
– macht verständlich, weshalb das Opfer Abels (das Tieropfer) angenommen, das des Kain (die Früchte des Feldes repräsentieren nicht die Sünde) aber zurückgewiesen wird;
– hängt auch mit der Melchisedech-Tradition (in der nicht die Früchte des Feldes, sondern deren Verarbeitungsprodukte: Brot und Wein geopfert werden) zusammen;
– wirft ein neues Licht auf das Passah-Opfer vor dem Auszug aus Ägypten (den Erstgeborenen der Ägypter entspricht das Passah-Lamm, mit dessen Blut die Pfosten der Türen bestrichen werden);
– befreit die Blutsymbolik vom Schein der entsetzlichen „Metzger“-Theologie (zum Blutsymbol vgl. dessen Beziehung zum pflanzlichen Blattgrün und zum kopernikanischen System);
– befreit den Opferbegriff vom Bann des Tauschprinzips.
Entspricht der Verinnerlichung des Opfers nicht das Verständnis des Objektivations- und Verweltlichungsprozesses selber als Opfer, das die Religion von der blasphemischen Tradition ihrer Instrumentalisierung (wie durch Feuer) reinigt?
Durch die Vorstellung einer „Entsühnung der Welt“ (durch die Opfertheologie, die selber Produkt einer Instrumentalisierung ist) wird der Instrumentalismus freigesprochen und die Idee des objektiven Ziels (der Parusie) abgeschnitten: durch die „Entsühnung der Welt“ wird der Himmel zerstört.
Eph 55: „Kein unzüchtiger, schamloser, habgieriger Mensch – d.h. kein Götzendiener – erhält ein Erbteil im Reich Christi und Gottes.“ Hat das „unzüchtig, schamlos und habgierig“ (und insgesamt der „Götzendienst“) etwas mit den drei evangelischen Räten zu tun? Dann müßte „schamlos“ der Kontrapart zum „Gehorsam“ sein. Aber sind nicht „unzüchtig, schamlos und habgierig“ heute die Konstituentien der Welt?
Kol 213: „Gott aber hat euch zusammen mit Christus lebendig gemacht und uns alle Sünden vergeben.“ Hier verknüpft Paulus die Vergebung der eigenen Sünden mit der Auferweckung der anderen! -
27.06.93
Merkwürdige Bileams-Geschichte: Die Verführung durch die moabitischen Frauen: Essen von Götzenopferfleisch und Unzucht (Off 214, vgl. dazu Num 22-24, und 251-3, 318,16, Jos 1322 u.a., 1 Kor 7-10, 2 Petr 215, Jud 111). Besteht ein Zusammenhang mit der anderen Bileams-Geschichte: mit der Weigerung, den Fluch über Israel zu sprechen (und der Rolle des Esels und des Engels in dieser Geschichte)? Gibt es eine Beziehung zur Ruth-Geschichte, die auch eine Moabiterin war, dann in den Stammbaum Davids und Jesu hineingekommen ist
Sind nicht bei den Bewegungen im Raum zu unterscheiden:
– die reine Trägheitsbewegung, die von der Seite gesehen wird (Rechts und Links),
– die Bewegung auf uns zu und von uns weg (im Angesicht und hinter dem Rücken), die uns als Größer- bzw. Kleinerwerden des Objekts erscheint, und auf die wohl primär das Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit sich bezieht (vgl. den Doppler-Effekt), und
– die Fallbewegung (Oben und Unten).
Im Inertialsystem wird die Seitensicht zur Totalen gemacht.
Hat die Geschichte von den drei Leugnungen nicht auch die Bedeutung, daß sie das perspektivische Moment in der Wahrheit hervorhebt, ihre Beziehung zur Reflexion, wobei die dritte Leugnung das Ende der Fallbewegung bezeichnet (den Fall als Grund der Reflexion in die Reflexion mit einbezieht). Aber steht das nicht auch in Beziehung zur Geschichte des Nominalismus, daß diese letzte Stufe, die die der sogenannten Postmoderne ist, das Konzept der Moderne in der Tat destruiert. Dagegen an der Moderne festhalten begründet einen neuen Dogmatismus und führt in die „Neue Unübersichtlichkeit“. Anders als bei Hegel, bei dem die Natur den Begriff nicht halten kann, kann hier der Begriff sein Objekt nicht mehr halten.
Zum Begriff der Welt-Religion: War nicht die christliche Mission, ähnlich wie die islamischen Eroberungen, ein Versuch, das, was wir heute Natur-Religionen nennen, gleichsam auf Welt-Niveau zu heben (die Einheit der Welt durchzusetzen: deshalb war die Mission vom Kolonialismus nicht zu trennen und diese Durchsetzung der Einheit der Welt der Beginn ihrer Selbstzerstörung)?
Wäre es nicht ein fantastisches Programm, die Geschichte der Menschheit insgesamt als Sprachgeschichte zu begreifen (Voraussetzung wäre es, zu begreifen, daß die alten Schriftsprachen alle Kunstsprachen waren, insbesondere das Hebräische, das Griechische und das Lateinische, während erst die modernen Sprachen gesprochene Sprachen, und zwar erstmals reflexions- und deshalb literaturfähige gewordene gesprochene Sprachen sind)? Die Konstruktionsprinzipien der Sprachen sind alle Ausdruck des historischen Prozesses.
Die Geschichte der Mode als eine Geschichte der Scham begreifen.
Zwischentitel:
– Joh 129,
– der kantische Versuch der Definition des Natur- und Weltbegriffs,
– der Weltbegriff und die Bekenntnislogik, die Natur und das Dogma;
– im Angesicht und Hinter dem Rücken;
– die Logik des Raumes (die Logik der Rückkoppelung, selbstreferentielle Strukturen; das Geld und das Bekenntnis; Trinitätslehre und Opfertheologie);
– Maria Magdalena,
– die sieben Siegel der Offenbarung,
– Hören und Sehen,
– der Haß der Welt,
– Rechts und Links,
– alles ist Wasser: Thales und die Sintflut,
– Turmbau zu Babel,
– und es ward Licht,
– als Mann und Weib schuf er sie,
– die drei Leugnungen Petri,
– das Substantiv und der Name,
(bleibt fortzusetzen). -
26.06.93
Mit dem Weltbegriff wurde die Herrschaft der Vergangenheit über die Zukunft etabliert, damit die Quelle des Fortschritts eröffnet und die Erinnerungsfähigkeit domestiziert (abgeschnitten). In diese Geschichte ist das Christentum als Lehre und als Institution solange unheilbar verstrickt, wie es seine eigene Vergangenheit, nämlich die jüdische Tradition, nur in der durchs Dogma entstellten, antijudaistischen Gestalt erinnert.
Bezieht sich das zweite bara in der Schöpfungsgeschichte (die Erschaffung der großen Seeungeheuer) auf den Staat?
Ist die Metzsche Ersetzung der Sensibilität durch die Empfindlichkeit nicht ein Anpassungseffekt?
Die Erweckungsgeschichten: der Jüngling von Naim, die Tochter des Jairus und Lazarus.
Der Begriff der Gesellschaftskritik hatte auch ein Stück Exkulpations- und Alibifunktion: Schuldig waren die, die sich mit dieser Gesellschaft identifizierten, sie repräsentierten; der Gesellschaftskritiker war (wie generell der Empörte) durch seine Kritik (Empörung) ausgewiesen als einer, der der Schuld enthoben war. Auf die Änderung kam es schon gar nicht mehr an.
War nicht die Enttäuschung der Parusieerwartung durch ihre Folgen (durch einen selbstreferentiellen Rückkoppelungseffekt) selber eine der Ursachen der Verzögerung, des Ausbleibens der Parusie? War sie nicht selber ein Teil der Parusieblockade? Und ist nicht das Dogma der Felsen, in den das Grab gehauen war, und der Stein vor dem Grab? Aber am Ende wird sich erweisen, daß das Grab leer ist. Als Petrus und der andere Jünger (Joh 203ff) zum Grab liefen, war der andere Jünger als erster am Grab, aber Petrus ging als erster hinein.
Ist nicht der Begriff einer Enttäuschung der Parusieerwartung nur ein taktvoller Ausdruck für die Verdrängung der Parusieerwartung, und das etablierte Christentum die Erfüllung einer selffulfilling prophecy? Die Christen haben das letzte Wort am Kreuz umgekehrt: Sie vertrauen auf die Vergebung Gottes, indem sie sich bemühen, nicht mehr zu wissen, was sie tun. Wenn auch der neue Katechismus wieder die Barmherzigkeit Gottes in die Sündenvergebung legt, so apelliert er genau an diesen Mechanismus. Begründet ist das ganze in einem Personalismus, der die Schuld verrechtlicht, sie an das Prinzip der Zurechenbarkeit (und damit ans Prinzip des Beweises) knüpft, und dann nach dem Motto lebt, was die Welt nicht weiß, macht mich nicht heiß.
Der Rechtsradikalismus heute hat seine Wurzeln nicht auf der Bekenntnisebene (im „Rassismus“), sondern auf der Verhaltensebene: in Ritualen und Wiederholungszwängen. Das ist es, was die Linken so irritiert, die selber von der idealistischen Vorstellung, daß das Tun in Vorstellungen und Ideen gründet, nicht mehr loskommen. Der Rechtsradikalismus zeichnet sich dadurch aus, daß er die Bekenntnislogik endlich vom Inhalt des Bekenntnisses gelöst, sie auf ihre Identifikationsfunktion reduziert und so zu einer reinen Verhaltenslogik gemacht, damit aber erstmals analysierbar gemacht hat.
Läßt sich nicht die Kritik des verdinglichenden Denkens und die Kritik des Weltbegriffs aus dem „Richtet nicht …“ herleiten?
Steckt die Beziehung des Glaubens- zum Schuldbekenntnis nicht in dem Schein der Schuldbefreiung (der „Rechtfertigung“) durch den Glauben, in der falschen, weil autoritären Plausibilität der Vorstellung, daß Er, wenn ich Ihn als den Herrn anerkenne, mich dafür lieb haben wird? Hier ist nicht mehr die Tat, sondern wie ich angesehen werde: das Erwischtwerden entscheidend (Problem der Scham). Und geht es nicht genau darum in der Geschichte von den drei Leugnungen: repräsentieren die Umstehenden nicht die Welt, die Ursache der Scham?
Auschwitz ist die Frage an Petrus (die Kirche) vor der dritten Leugnung, und die Kollektivscham (der neue Katechismus, mit dem die Kirche der Kollektivscham ausweglos verfällt) die mit der Selbstverfluchung verbundene dritte Leugnung.
Die Sorge um die Zukunft und die Sorge um den andern gehorchen der gleichen Logik.
Auch das „Liebet eure Feinde“ ist (wie die Umkehr und das „Richtet nicht …“) ein erkenntnistheoretisches Prinzip: Es ist ein Sinnesimplikat der Kritik der Verdinglichung. Der Objektbegriff selber ist Repräsentant des Feindes im Objektivierungsprozeß, der von der Unterwerfung des zum Objekt Gemachten sich nicht trennen läßt. Das Urteil gründet im Schuldzusammenhang und konstituiert ihn zugleich; diesen Zusammenhang erstmals in die Nähe der Erkenntnis gebracht zu haben, ist das große Verdienst der kantischen Transzendentalphilosophie. Das Gebot der Feindesliebe ist nicht zu trennen vom Nachfolgegebot und seiner Begründung in Joh 129, von der „Übernahme der Sünden der Welt“. Die dogmenbegründende Opfertheologie perpetuiert das Feindbild und seine Logik (die Bekenntnislogik, die durch das opfertheologische Konstrukt der „Entsühnung der Welt“ und durch das Opfer der Vernunft das Bekenntnis von der Erkenntnis trennt). Sie hat seit je mehr an den Teufel als an Gott geglaubt.
Ist nicht das lateinische ire (gehen) ein reines Infinitivsuffix? Hat dieses ire etwas mit ira (Zorn) zu tun? Was bedeuten Verben wie dare (geben) und fere (tragen), die das Infinitivsuffix nur an einen Vokal binden? Gibt es nicht auch zu den gestae (Geschehnissen) einen Infinitiv gere?
Nochmal zum Sein:
– Ist nicht auch das esse ein reiner Infinitivsuffix? Dann aber diese merkwürdige Folge sum, es, est, sumus estis, sunt, mit gleichen Stämmen
. in der 1. Pers. sing. und der 1. und 3. Pers. pl. (ich, wir und sie) bzw.
. der 2. und 3. Pers. sing und der 2. Pers. pl. (du, er, sie, es und ihr).
Hat das sum, sumus, sunt etwas mit sumere (nehmen) zu tun, das auf die merkwürdige (instrumentalisierende) Beziehung des Seins zum Eigentumsprinzip verweisen könnte?
– Ist das Griechische einai ein durch das -ai suffigiertes Infinitivsuffix -ein? Gibt es das Suffix -ai auch sonst noch im Griechischen, ist es vielleicht Ausdruck einer Hypostasierung (durch Pluralisierung)?
– Im Deutschen sind die Stammbindungen anders verteilt: bin, bist, ist, sind, seid, sind: Verbunden sind das ich und du, dann die Pluralbildung, während die 3. Pers. sing. (und anders die 3. Pers. pl., die rückwirkend auch die 1. Pers. pl. bestimmt: Selbstobjektivierung des wir!) an die entsprechende lateinische Bildung anklingt.
– Im Englischen ist der Infinitiv von Sein (das to be) von den präsentischen Deklinationsformen getrennt (am, are, is, are, are, are, mit der merkwürdigen Identität aller Pluralformen mit der 2. Pers. sing. – Zusammenhang mit dem to be, der Hypostasierung des Präfixes be-?).
Zur Sprachlogik des „Seins“ vgl. auch die Frage der Perfektbildungen mit den Hilfszeitverben haben und sein (im Englischen nur mit have). Ich habe getan, ich bin gewesen (I have been).
Wird der Ausdruck „(diese) Person“ nur von Frauen über Frauen im diskriminierenden Sinne gebraucht? Bei einem Mann ist ein vergleichbarer Ausdruck „(der) Kerl“. Ist im Falle des Personbegriffs nicht gemeint, daß hier eine Frau sich herausnimmt, Person zu sein, was doch nur einem Mann zusteht? Und drückt darin nicht auch sich aus, daß der Personbegriff sich als Produkt einer Projektion begreifen läßt: als Produkt der Personalisierung; indem ich jemand als Person bezeichne, halte ich ihn für sein Tun rechtlich und moralisch verantwortlich. (Vgl. den theologischen Ursprung und Gebrauch des Personbegriffs in der Theologie: bei Tertullian; Grund der urpatriarchalischen Trinitätslehre?)
Mit herauszuhören ist beim diskriminierenden Gebrauch des Personbegriffs auch der Anklang an die Diskriminierung der Prostitution, die weniger an die Verletzung des Sexualtabus (dann müßte die Diskriminierung sich gegen den Mann richten) als an das Problem der Emanzipation (der aktiven Teilnahme von Frauen am Warenverkehr) erinnert. Ist nicht der diskriminierende Personbegriff ein veralteter Ausdruck für das, was heute „Emanze“ heißt? Und rührt das ganze nicht viel mehr an das Problem der Ehe und deren Verstrickung in den historischen Prozeß (und an die politischen Konnotationen der Sexualmoral bei den Propheten)? Kulminiert dieser Konflikt nicht heute in der Werbung, die nicht nur den Tod verschweigt, sondern jeden Genuß auf den der sexuellen Gewalt reduziert (zurückführt)? Wäre nicht anhand der Werbung (und ihrer Vorform: der Propaganda, deren Begriff kirchlichen Ursprungs ist) zu demonstrieren, was heute Keuschheit heißen müßte, zusammen mit der Reflexion des Sachzwangs: Es gibt keine Massenproduktion (weder von Waren, noch von Christen) ohne Werbung. Die Produkte müssen sich (wie Babylon durch den Turm, wie die Christen seit Antiochien) einen Namen machen. Seitdem kann man sich dem Zwang, in jeder sprachlichen Äußerung nur noch herauszuhören, wofür oder wogegen einer ist (der Erkenntnis des Guten und Bösen), fast nicht mehr entziehen kann.
Merkwürdige Beaobachtung beim Scharping (gestern in der ARD): Was hatte es zu bedeuten, wenn er in der Befragung gestern abend beim Wechsel des Fragenden jedesmal mit einer Wendung des Kopfes reagierte, die auszudrücken schien, welche Mühe es ihm bereitete, sich von der vorhergehenden Frage (und dem Fragenden) zu lösen, um der neuen Frage sich zuwenden zu können?
Im Angesicht Gottes, oder wie hängen Sehen und Hören mit einander zusammen? Sind nicht die Blinden und die Tauben, nur beide mit charakteristischen Differenzen, auch von physiognomischen Wahrnehmungen und Erkenntnissen bestimmt? Die physiognomischen Wahrnehmungen des Blinden und seine Art der Aufmerksamkeit unterscheiden sich signifikant von denen des Tauben: Der Blinde lebt vom natürlichen Vertrauensvorschuß, während der Taube dem paranoiden Mißtrauen nur mit großer Anstrengung sich entziehen kann. Ist nicht die Erfahrung des Hasses der Welt eher ein Sinnesimplikat eher des Hörens als des Sehens? Und muß nicht, wer mit den Augen hören lernen will, durch diesen Haß der Welt hindurch? An diesem Haß der Welt habe ich als Sehender größeren Anteil denn als Hörender; er wird auf den begriffslosen Begriff gebracht durch die subjektive Form der äußeren Anschauung: durch die Form des Raumes. Heute vergeht dem wirklich Sehenden das Hören, dem wirklich Hörenden das Sehen. Aber lernen müßten wir, mit den Augen zu hören und mit den Ohren zu sehen. Steckt nicht das in dem Wort: Wer euch angreift, greift meine Augapfel an.
Hat es nicht doch eine ganz anderen metaphysischen, oder genauer prophetischen Hintergrund, wenn heute die Beziehung der Geschlechter nicht mehr im Kern durch die Ehe, sondern durch den Zustand der Welt (der prophetisch im Bilde der Ehe zu begreifen wäre) definiert werden?
Anhand der Ehe wäre zu demonstrieren, welche Bedeutung die Sakramente einmal für das „Bestehen der Welt“ (im objektiven, logischen, wie im subjektiven, moralischen Sinne) hatten, und welche Kräfte, Zwänge und Notwendigkeit hier wie auch bei der Säkularisation der anderen „Sakramente“, in der Geschichte des modernen Staates, wirkten und zugleich sich entfalteten, freigesetzt wurden (Ursprung der modernen Staatsmetaphysik). Diese Geschichte steht in Wechselwirkung mit dem Ursprung und der Entfaltung des Inertialsystems: Hier wurden die Sakramente zu den Siegeln (mit dem Nationalismus als säkularisierter Eucharistie: vgl. Bölls Sakrament des Büffels), deren Lösung die Apokalypse beschreibt.
Ist nicht die Säkularisierung der sieben Sakramente beschrieben in Geschichte von den sieben unreinen Geistern? Und bezieht sich das Wort vom Binden und Lösen nicht auf diese sieben Sakramente? Welche Bedeutung hat in der Johannes-Apokalypse (108ff) das Essen des Buches (im Munde süß, im Magen bitter)? Gibt es eine Beziehung zum Trinken des Bechers des Zorns? Ist das nicht die letzte Gestalt der Eucharistie? (Vgl. 1 Kor 1125ff)
Was bedeutet das to arnion to esphagmenon (Offb 512, lt. Einheitsübersetzung: das Lamm, das geschlachtet wurde) wörtlich? Ist nicht das im Katechismus zitierte entsetzliche Lumen gentium-Wort von der „liebenden Zustimmung zur Schlachtung des Sohnes“ eine projektive Verarbeitung der Schuld, ohne die das Amt des Papstes nicht mehr zu ertragen wäre? Es reicht nicht mehr, nur Jesus die Schuld der Welt aufzubürden; auch diese Schuld (der Verdrängung, der zwangshaften und vergeblichen Wiederholung des Opfers) muß noch abgewälzt werden auf Maria: So wird sie zur „Mittlerin aller Gnaden“. Da ist das Stabat mater ehrlicher. Gibt es nicht ein herzzerreißendes und steinerweichendes Weinen?
Diese ungeheure Schwammspinner-Johannistrieb-Natursymbolik? Wann begreifen wir’s endlich?
Bezieht sich die Vertreibung der Geldwechsler aus dem Tempel auf das finster gewordene Geheimnis des Bußsakraments?
Hängt der Patriarchalismus des Christentums mit dem Gebrauch des Personbegriffs in der Trinitätslehre zusammen? Welche Bedeutung hatte hier die Übertragung der Theologie aus der griechischen in die lateinische Sprache (Tertullian)? -
25.06.93
Heute eine Polemik von WoS (Wolfram Schütte) gegen Hans Magnus Enzensberger in der Rundschau, die durch die Enzensberger-Zitate sich selbst den Boden entzieht, und auf die Adornos Satz anzuwenden wäre: daß die Studenten heute nur noch heraushören, wofür oder wogegen einer ist, aber auf eine inhaltliche Diskussion sich nicht mehr einlassen. Hat diese Mode ihren Ursprung nicht in der Habermas-Schule (von Brauckhorst über Metz bis zum Feuilleton der FR), mit der Etablierung bekenntnisartiger Kollektiv-Urteile (durch die man sich als zugehörig ausweisen kann) z.B. über die „Dialektik der Aufklärung“ („veraltet“) und die Postmoderne, durch Tickets, an denen sich die Gruppen-Angehörigen erkennen?
Die durch den Liberalismus verwilderten Wirtschaftsinteressen: Gibt es nicht eine Ähnlichkeit mit dem Naturbegriff der Grünen?
Wir Deutsche kommen von Auschwitz nicht los: Sind nicht die deutschen Krimis (Derrick, Der Alte, Tatort, auch die deutschen Inszenierungen von Eurocops) allesamt Auschwitz-Verdrängungs-Krimis, projektive Exkulpierungs-Veranstaltungen, Ausdruck des nicht mehr auslöschbaren Strafbedürfnisses? Hier geht es nicht mehr um die Aufklärung eines Verbrechens, sondern um die Gewißheit, daß der Verbrecher gefaßt und seiner gerechten Strafe zugeführt wird. Verglichen mit Agatha Christie, Conan Doyle, allgemein dem englischen, auch dem französischen oder italienischen Detektivfilm, die Fragen der Logik oder der Moral lösen wollen, geht es den deutschen Krimi-Serien um den Nachweis, daß der Verbrecher, der in der Regel schon zu Beginn des Films bekannt ist, in jedem Falle erwischt wird, und um das Interesse des Zuschauers, im eigenen Nicht-erwischt-worden-Sein den Schein der eigenen Unschuld zu genießen. Im letzten Krieg, gleichzeitig mit den Verbrechen in Auschwitz, gab es u.a. den Spruch, man habe doch niemanden umgebracht, mit dem man sich vor sich selbst und den anderen der eigenen Unschuld versicherte. -
24.06.93
Die Kritik des Weltbegriffs ist die Grundlage einer Metakritik der Kritik der reinen Vernunft.
Zum Begriff der Lebenswelt: Schicksal ist der Schuldzusammenhang des Lebendigen. Auch die Fachwelt ist eine Lebenswelt, die des Fachidioten. Ist nicht auch der Begriff des Lebens „idiotisch“, und der Weltbegriff ohne den des Lebens nicht zu denken?
Ps 165: „Der Herr ist Teil meines Erbes und mein Becher.“ Was hat das Erbe mit dem Becher, und haben vielleicht beide etwas mit dem Blut zu tun?
Ist nicht die Blutsymbolik, wenn sie nicht, wie in dem Katechismus-Zitat aus Lumen Gentium, zum Kern einer Metzger-Theologie werden soll, eigentlich die Aufforderung, der Entfremdung bis ins Innere der physis nachzuspüren: ein Einspruch gegen die Urteilslogik, gegen die Trennung von Gegenstand und Begriff, Leib und Seele?
Eine Assoziation zu dem Lumen-Gentium-Zitat: Nur die allerdümmsten Kälber wählen ihre Metzger selber; und ist nicht die katholische Marien-Verehrung zum Infektionskeim einer solchen Dummheit geworden?
War nicht der Arbeitstitel „Religion als Blasphemie“ eine Art Forschungsprogramm zum Begriff „Greuel am heiligen Ort“?
Bis auf wenige Ausnahmen scheint es im Hebräischen keine Prä-und Suffixe zu geben (s. die Stichworte Präfigierung und Suffigierung in der Hebräischen Grammatik). Zu diesen wenigen Ausnahmen gehören das b‘, das ha-, das -oth und das -im, die alle auf Nomen und deren genus und numerus sich beziehen. Kann es sein, daß die Konjugationen der Verben, die über die Vokalisierung laufen, unters Bilderverbot fallen (und die hebräische Schrift deshalb eine Konsonantenschrift ist)?
Hat das hebräische b‘, als Orts- oder Zielbestimmung, etwas mit dem Präfix be- (auch dem englischen to be) zu tun (so daß im Enlischen und Deutschen dieses telos-bestimmende b‘ zusammen mit seiner Instrumentalisierung gedacht wird, woraus sich dann zwanglos der Übergang vom englischen to be zum deutschen Sein sich herleiten ließe: Zusammenhang der Instrumentaliserung mit der Umwandlung in anonymes Eigentum, in „Sein“)?
Das Vorhandene ist herrenloses Gut.
Hängt das Sein nicht mit dem „Es gibt“ zusammen, wobei das Es als anonymisierter, vergesellschafteter Gesamteigentümer (Begründung des Nationalismus in der Dinglogik der Geldwirtschaft) zu verstehen wäre (vgl. das Hegelsche System-Programm, das die Substanz als Subjekt zu begreifen sich vornimmt, das dann direkt in die Staatsmetaphysik hineinführt)? Auch der kantische Begriff des „Gegebenen“, der das Sinnliche als ein von außen ans Subjekt Herankommendes vorstellt, erinnert an diesen Zusammenhang. Dieses Es ist seit dem Ursprung der Philosophie als Natur vorgestellt worden.
Ist das Geben nicht eine reine Präfix-Bildung, zusammengesetzt aus ge- und be-, während das dem entsprechende lateinische dare (Dativ) auf das deiktische da- (vgl. das Du und seine Ableitungen und die bestimmten Artikel im Deutschen) zurückweist?
Die subjektiven Formen der Anschauung sind die Mühle, die der gefangene, geblendete und gefesselte Simson im Gefängnis der Philister drehen mußte (Ri 1621).
Liegt hier nicht der Schlüssel für den Namen des ägyptischen Sklavenhauses: Gibt es ein Haus (als Objektivation der Form des Raumes) ohne Sklaven?
Enden nicht die Bücher der Könige damit, daß der Pharao seitdem keinen Kriegszug mehr aus Ägypten heraus geführt hat, nachdem der König von Babel ihm alles genommen hat, vom Grenzbach Ägyptens bis zum Euphrat, und auch Jerusalem erobert und geplündert und die Juden in die Deportation geführt hat.
Ist nicht der Neofaschismus in diesem Land auch ein Reflex auf die ekelhafte Anbiederung an das „Ausland“, die davon ausgeht, daß alles, was die andern Staaten tun, doch auch uns erlaubt sein müsse. Und da scheint Kinkel in der Konsequenz seines vorlaufenden Gehorsams noch den Genscher zu übertreffen. Hat nicht diese Bundesregierung in der „Wiedervereinigung“ nur die Chance des nationalen Gefühls gesehen, aber die praktischen Aufgaben und die Situation, auf die sie konstruktiv hätte reagieren müssen, nicht wahrgenommen, sondern das Land den durch die liberale Wirtschaftspolitik verwilderten Wirtschaftsinteressen überlassen und ausgeliefert. -
23.06.93
Das (moderne) Substantiv unterscheidet sich vom (alten) Nomen durch seine Beziehung zum bestimmten Artikel, zu dem darin enthaltenen deiktischen Moment. Hier ist in die Sprache ein selbstreferentielles Moment, eine automatische Objektbindung, hereingekommen. In welchen anderen Sprachen gibt es eine Entsprechung zum deutschen Substantiv?
Der englische Artikel (the), in dem jede Erinnerung an das genus oder an die Deklination getilgt ist, ist auf die reine deiktische Funktion eingeschränkt, und damit hängt die sprachliche Gestalt des englischen Infinitivs von Sein, das „to be“, aber auch der englische Empirismus zusammen. Aber ist das Deiktische nicht generell ein Moment im Präfix „be-„? Hängen die Prä- und Suffixe nicht überhaupt mit dem deiktischen Element in der Sprache (mit ihrem „sumerischen“ Ursprung) zusammen, und zwar die Präfixe mit der deiktischen Intention der Sprache (mit dem Nominalismus), die Suffixe mit der gegenläufigen „deiktischen Intention“ des Objekts (mit dem Verstummen des Objekts, mit seiner Verräumlichung: sind die Sprachen des Altertums, insbesondere die griechische, nicht reine Objektsprachen – Ausnahme: die hebräische Sprache, die eine Sprache „im Angesicht“ ist)? Besiegelt der Begriff des Substantivs (der gleichsam das schwarze Loch der Sprache bezeichnet) die Zerstörung der Kraft des Namens, die Zerstörung der benennenden Kraft der Sprache?
Läßt sich der deutsche Idealismus aus der grammatischen Funktion des bestimmten Artikels herleiten (der deutsche Idealismus hat selbst „das Ich“ noch zu einem Substantiv gemacht).
Bei Kluge wird das Substantiv unter dem Stichwort Substanz als „Wort mit Inhalt“ erläutert (warum unter Substanz, und was heißt „Wort mit Inhalt“: daß in das Nomen als Substantiv die Objektbindung mit hereingenommen wird; gründet darin die Großschreibung des Substantivs im Deutschen?). Der Begriff Substantiv ist wie der der Persönlichkeit ein Weltbegriff.
Zur Bildung des Wortes Substantiv: Was ist der Unterschied zwischen dem Gerundium und dem Gerundivum? Kann es sein, daß im Begriff Substantiv der Objektbezug als Konsequenz einer Tat des Subjekts begriffen wird. Die Substanz ist noch eine Eigenschaft des Objekts, aber das Substantiv ist Produkt einer projektiven Substantialisierung des Objekts durchs Subjekt (das Substantiv ist eigentlich eine adjektivische Bildung: die Hypostasierung eines Adjektivs). Wie Welt und Natur ist das Substantiv ein die Sprache und ihr Gesetz bestimmender transzendentallogischer Begriff.
Das Hegelsche System-Programm: die Substanz als Subjekt zu begreifen, wird im Begriff des Substantivs falsch erfüllt. Deshalb wird es großgeschrieben.
Es spricht einiges für die Vermutung, daß der Begriff Substantiv aus Wilhelminischen Zeiten stammt; das würde bedeuten, daß er im Grimmschen Wörterbuch noch nicht enthalten wäre.
Zu den Prämissen des Begriffs Substantiv gehört die Unterscheidung von Sache und Ding (auch von Wut und Zorn; im Lateinischen wurden weder Sache und Ding (res) noch Wut und Zorn (ira) unterschieden), sowie der Begriff der Tatsache. (Sind das englische matter und thing wirklich Entsprechungen der deutschen Begriffe Sache und Ding?) Die emphatische Bedeutung der kantischen „Dinge an sich“ (einer contradictio in adjecto) hängt hiermit zusammen.
Zur jahwistischen Urgeschichte, insbesondere zu der Geschichte vom Turmbau zu Babel, wäre anzumerken, daß hier vor allem gilt: Nichts Vergangenes ist wirklich vergangen. Muß man nicht in die Geschichte vom Turmbau zu Babel die Vorgeschichte mit hereinnehmen: die Geschichte der Sintflut (die genaueste Beschreibung des Ursprungs des Weltbegriffs)?
Ist nicht die kantische Philosophie, insbesondere die Kritik der reinen Vernunft, der Beginn eines Versuchs, den Turmbau von Babel von innen zu beschreiben? Und gehören nicht die Petrus/Fels-Geschichten in diesen Kontext mit herein, das „Auf diesen Felsen will ich meine Kirche bauen“ und das Gleichnis von der Standfestigkeit des auf den Felsen (statt auf Sand) gebauten Hauses, aber auch das Gleichnis vom Weizen, der auf felsigen Grund fiel?
Die Opfertheologie ist die auf den Kopf gestellte Wahrheit der Erlösung. An die Wahrheit dessen, was die Texte von sich aus meinen, kommen wir nicht mehr heran; im Wege steht uns der affirmative Gebrauch des Weltbegriffs, die Verfälschung der Erlösung durch den Begriff der Entsühnung der Welt (die nichts ändert, aber alle um den Preis der Katastrophe entlastet).
Goethes Lied vom „Röslein auf der Heiden“ ist ein Vergewaltigungslied. Aber ist nicht diese Vergewaltigung in der Struktur der Welt vorgebildet, und ist nicht Goethe auch in diesem Sinne ein „Weltbürger“? Bezieht sich nicht hierauf das den Sachverhalt allein auflösende Wort von der Übernahme der Sünden der Welt? Mit der Anpassung an die Welt ist das affirmative Verhältnis zur Vergewaltigung mitgesetzt. Vgl. hierzu das Paulus-Wort von der ganzen Kreatur, die seufzt und in Wehen liegt.
Gibt es eine Geschichte der Prophetinnen, von Mirjam über Hulda (auch Debora und Judith) bis hin zu den vier Töchtern des Philippus, und unter Einbeziehung des Prophetenworts, daß am Ende auch die Töchter und Mägde teilhaben an der Prophetie? Welche Bewandnis hat es mit der Salbung Jesu im Hause Simons des Aussätzigen in Betanien durch die namenlose Frau, von der es heißt, daß man „überall auf der Welt, wo das Evangelium verkündet wird, … sich an sie erinnern und erzählen (wird), was sie getan hat“? (Mk 143-9, Mt 266-13; Johannes – 121-9 – verlegt die Geschichte nach „Betanien, wo Lazarus war, den er von den Toten auferweckt hatte“; und hier ist es Maria, die ihn salbt; bei Lukas – 737ff – ereignet sich der Vorfall im Haus eines Pharisäers, den Jesus dann mit Simon anspricht, und bei der Frau handelt es sich um eine „große Sünderin“.)
Zur Geschichte der Könige:
– welche Könige tun nicht, „was Gott mißfällt“?
– wo werden die Könige begraben (die judäischen in Jerusalem, aber welche im Hause oder Garten des Uzza(?)?
– welche Arten des Götzendienstes werden genannt?
– welcher König hat Jericho wieder aufgebaut (und dafür den Erstgeborenen und den Jüngsten geopfert)?
– die Rolle der Propheten?
Mathematik: die selbstreferentielle Gedankenlosigkeit.
Sind nicht die Trinitätslehre und das christliche Verständnis des Keuschheitsbegriffs Versuche, die Gegenwart zu retten, der Zeit ein Ende zu machen, den Prozeß zum Stillstand zu bringen? Aber dieser Versuch wurde mit der Rezeption des Weltbegriffs zu teuer bezahlt. Hier liegt der Schlüssel für das Verständnis des Zusammenhangs der Dogmententwicklung mit der Enttäuschung der Parusie-Erwartung.
Gründet nicht die kirchliche Sexualmoral im Neutrum, im ne-utrum?
Das Wort vom Binden und Lösen hat sein konkretes Objekt im Weltbegriff, in der darin wurzelnden Logik des Begriffs.
Sintflut und Fels: Aber am Ende wird der Stein ins Meer geworfen (und das Schiff scheitert vor Malta).
Mein Schreiben ist von meiner Biographie nicht zu trennen. Was kommt heraus: Bekenntnisse oder ein neuer Gottesstaat (auf der Grundlage einer negativen Trinitätslehre)?
Ist nicht Adorno die Antwort auf die Frage, ob Künstler selig werden können?
Hebr 131: Muß es hier nicht „Fremdenfreundschaft“ (philoxenias) heißen statt „Gastfreundschaft“? -
22.06.93
„Zorn ist ein Verlangen nach Rache.“ (Katechismus, Nr. 2302) Diese Definition, die auch durch das nachfolgende Thomas-Zitat nicht besser wird, rührt an den Kern der theologischen Unkenntnis und der Dummheit dieses Katechismus. Wenn sie stimmen würde, dürfte es keinen göttlichen Zorn geben, es sei denn, man unterstellte auch Gott ein Rachebedürfnis (das dann die projektive Abfuhr durch den Antisemitismus nach sich zieht: z.B. durch die Unterscheidung des christlichen Liebesgottes vom jüdischen Rachegott). Die deutsche Sprache unterscheidet Wut und Zorn; und die Katechismus-Definition trifft die Wut, nicht den Zorn. Aber ist nicht die Unfähigkeit, beide zu unterscheiden, beide unterschiedslos auf das „Verlangen nach Rache“ zu beziehen, eine zwangsläufige Folge eines theologischen Konzepts, in dem Gottesfurcht und Herrenfurcht, Umkehr und Umdenken sowie Nachfolge und Unterwerfung unter jegliche Autorität nicht mehr sich unterscheiden lassen, in dem m.a.W. der Gegenstandsbereich, auf den der Begriff des Zorns sich bezieht: die Verletzung der Gerechtigkeit, der Liebe und des Friedens, längst aus dem Blickfeld geraten ist? Hier gibt es keine Möglichkeit mehr, den göttlichen Zorn und die teuflische Wut (einen teuflischen Zorn gibt es nicht) zu unterscheiden. Zu prüfen wäre insbesondere der Begriff des Rachebedürfnisses selber (der eigentliche Existenzgrund des Rechts, der Strafe und der gesellschaftlichen Einrichtungen des Strafvollzugs): Bezeichnet er nicht das subjektive Korrelat des Schuldverschubsystems, steckt nicht in jedem Rachebedürfnis ein projektives Element, die lustvolle Verschiebung eigener Schuld auf andere? Ist nicht in jedem Objekt eines Rachebedürfnisses auch etwas vom Sündenbock? Dann aber wäre nach der Katechismus-Definition der Begriff des Zorns auf Gott nicht anwendbar, dann wäre der Begriff des gerechten Zorns gegenstandslos. Aber ist nicht die kirchliche Theologie heute dabei, mit dem theologischen Begriff des Zorns die Theologie selbst gegenstandslos zu machen?
Auschwitz hat in Deutschland (und in der Kirche?) stärkere Rachebedürfnisse ausgelöst als bei den Juden (ist nicht die kirchliche Position in der heutigen Abtreibungsdiskussion, die nicht selten bei den kirchlichen Hardlinern mit Auschwitz-Assoziationen sich verbindet, eine Form der projektiven Abfuhr dieses Rachebedürfnisses: der ihr zugrunde liegenden Mordlust, die man dann in die Frauen hineinprojiziert?).
Wenn der Zorn ein Verlangen nach Rache ist, dann ist die Welt ein Geschöpf des göttlichen Zorns und der Kreuzestod der bis heute mißlungene Versuch, diesen Zorn zu besänftigen (die Welt zu „entsühnen“). Aber diesen Anschein erweckt ja nun in der Tat die christliche Theologie (aus diesem finsteren Konstrukt hat die Gnosis einmal versucht, die Konsequenzen zu ziehen). Gehört nicht in diesen Zusammenhang nicht auch der Satz: Extra ecclesiam nulla salus, der die Konsequenz mit einschließt, daß es nur um die Rettung der einzelnen aus der bösen Welt, nicht aber um die Rettung der Welt selber geht, und daß, wenn es Heil nur in der Kirche gibt, alles, was draußen ist, verworfen ist.
Der Gott, der den Tod seines eigenen Sohns als Sühne fordert: nimmt der nicht seine eigene Selbstoffenbarung im brennenden Dornbusch zurück, ist das nicht die Rücknahme des JHWH (in der Geschichte der Bindung Isaaks war es der Engel der Elohim, der das Opfer forderte, und der Engel JHWH’s, der die Forderung zurücknahm)?
Merkwürdige Stelle bei Kant (Kr.d.r.V., S.403f), wo er in der Verlängerung einer geraden Linie ins Unendliche die gleiche Logik erkennt wie bei dem Elternpaar, von dem man „in absteigender Linie der Zeugung ohne Ende fortgehen“ könne. Liegt hier, in der Beziehung der endlos sich fortzeugenden Geraden zu den endlos sich fortzeugenden Gattungen in der Natur, nicht ein Hinweis auf den Ursprung des christlichen Sexualtabus und auf sein anderes, verdrängtes Objekt: in der Verdrängung des Zeugungselements bei der Mathematisierung der Raumes (in der Abstraktion vom Licht, das beides, das Sehen und das Gesehenwerden, in sich enthält, und darin den Ursprung sowohl des Lebens wie des Angesichts; vgl. den biblischen Zusammenhang des Gesehenwerdens mit der Scham: „Da gingen ihnen die Augen auf, und sie erkannten, daß sie nackt waren“).
Auch eine Bemerkung zur feministischen Theologie: Die Vorstellung einer unendliche Ausdehnung des Raumes steht unter dem Zwang der Verdrängung des Gesehenwerdens, der Scham, die dann im Begriff der trägen Masse (und im Realsymbol des Blutes?) wiederkehrt: Ist die mathematische Raumvorstellung nicht (wie in anderer Hinsicht das Geld und das Bekenntnis) ein Realsymbol der Vergewaltigung (und der Onanie)? Liegt der Anfang hierzu in der geschlechtsspezifischen Trennung der Heiligen nach der Märtyrerzeit in Confessores und Virgines? Und liegt hier nicht ein Hinweis auf den Zusammenhang der Hexenverfolgung (einschließlich der damit verbundenen Mythen – vgl. Carlo Ginzburg: Hexensabbat) mit dem Ursprung der naturwissenschaftlichen Aufklärung?
Meistveraltet ist die jeweils jüngst vergangene Mode. Ist nicht auch das ein Teil des Schuldverschubsystems, seiner Mikrologik: Indem das gerade Vergangene nur durch den Zeitablauf reflexionsfähig wird, erzeugt es nur den Zwang zur Verdrängung; dieser das Ich bedrängenden Scham- und Schuldflut ist unser Reflexionsvermögen nicht gewachsen. Zu verarbeiten ist sie nur über die projektive Schuldverschiebung. – Anwendung auf die Beziehung zur Vergangenheit in Deutschland.
Liegt hier nicht auch der Schlüssel zum kritischen Verständnis der Habermasschen Verarbeitung der Kritischen Theorie? War nicht der „Strukturwandel der Öffentlichkeit“ schon eine affirmative, neutralisierende Umformung des Begriffs der Kulturindustrie? Unter diesem Neutralisierungsdruck ist die Kommunikations- und Diskurstheorie entstanden (die letzte Fluchtburg vor der andringenden Notwendigkeit der Restituierung der benennenden Kraft der Sprache). Ist nicht das Reale in der Habermasschen Intersubjektivität verdampft (unter dem Hitzedruck der rekursiven und selbstreferentiellen Logik der Intersubjektivität)?
Der Geist Gottes brütend über den Wassern ist bei Heidegger zur Mordlust ausbrütenden Daseins-Philosophie verkommen (Rückfall in die gleiche Finsternis über dem Abgrund, die Habermas jetzt als Neue Unübersichtlichkeit überfällt).
Der Weltbegriff bedarf der quasitheologischen Idee der Entsühnung (er bedarf der Opfertheologie), und das deshalb, weil nur auf diesem Wege die projektive Verarbeitung der Erfahrung (der historische Objektivationsprozeß), die der Weltbegriff absichert, möglich gewesen ist. Die projektive Verarbeitung selber lief unter dem Titel Naturerkenntnis.
Wie verhalten sich eigentlich die bestimmten Artikel im Deutschen, in die die Deklinationsformen sich verlagert haben, zu den Nomen selber (den deutschen „Substantiven“), an denen die Deklinationen nur noch fragmentarisch an Endungsresten erkennbar sind? Die ehemaligen Suffixe sind zusammengeschrumpft und nur noch ein verhallendes Echo der die Deklination repräsentierenden bestimmten Artikel. Welcher Unterschied liegt zwischen der Deklination des Nomens Deutscher (der D’e, des D’en, dem D’en, den D’en) und der des Nomens Wald (der W, des W’es, dem W’e, den W)? In dem einen Fall drücken sich alle Beugungen durch das -en aus, in dem anderen stehen neben der Einheit des Nominativ und Akkusativ die getrennten Formen des Genitiv und Dativ. Sind in den femininen Nomen die Deklinationen insgesamt endungslos (die Frau, der F, der F, die F)? Aber sind hier die Deklinationen nicht ohnehin nur Varianten der fem./masc. Artikelbildungen? Und sie die Wald-Endungen nicht versteckte Neutrums-Endungen (vgl. das Haus, des H’es, dem H’e, das H)? Kann es sein, daß im Deutschen die Flexionen (die Deklinationen) durch genus-spezifische Elemente überlagert werden, gleichsam eine zweite Reflexionsstufe zum Ausdruck bringen? Wenn ja, welche Sprachlogik verbirgt sich dahinter? Auffällig ist eine merkwürdige Reflexions-Beziehung des Femininum zum Maskulinen (der maskuline Artikel erscheint als Genitiv- und Dativ-Artikel im Femininum, und die feminine Deklination des Artikels ist zugleich das Modell der allgemeinen Deklination im Plural) wie des Maskulinum zum Neutrum. Gibt es einen sprachlogischen Zusammenhang mit der Ersetzung der Suffixbildung durch Bildung mit Hilfe von Hilfszeitverben bei den Konjugationen (und der Ersetzung der hierarchischen Begriffs- durch hierarchische Satzkonstruktionen) und schließlich mit dem exzessiven Gebrauch von Prä- und Suffixen im Deutschen?
Wie verhält sich eigentlich das Wort vom Weizenkorn, das sterben muß, um hundertfältige Frucht zu bringen, zu dem Gleichnis vom Weizen, der unter die Dornen, auf felsigen und auf fruchtbaren Grund fällt? Sind die Dornen und der Felsen nicht Symbole der Hypostasierung des Todes (die in die Theologie durch den affirmativen Gebrauch des Weltbegriffs hergekommen sind, und in denen sich die entscheidenden Aspekte dieses Weltbegriffs, seine Subjekt- und Objektfunktion, ausdrücken)? Grund ist die Weigerung, das Nachfolge-Gebot in die Grundlagen der Theologie (der Gotteserkenntnis) mit hereinzunehmen. Aber Gott will nicht, daß sein Wort leer zu ihm zurückkehrt.
Ist nicht die Versteinerung (der Fels) Grund und Folge der nicht übernommenen Arglosigkeit (der Unfähigkeit, die Klugheit der Schlange ohne projektive Entstellung, ohne der Paranoia zu verfallen, zu übernehmen)? Ist sie nicht eine Folge der bis heute unaufgelösten Paranoia im Kern der Welt?
Zum Brief an Metz: Das „Zeit ist’s“ verweist auf den Aktualitätskern der theologischen Erkenntnis, auf das, was die Mystiker das „nunc stans“ (und Ernst Bloch das „Dunkel des gelebten Augenblicks“) nannten. Dieser Aktualitätskern ist die bis heute ungehobene Wahrheit des Sterns der Erlösung.
Ist nicht die Kirchengeschichte der paulinischen Theologie die Geschichte des kirchlichen Kleinglaubens, und hat nicht die lutherische Rechtsfertigungslehre diesen Kleinglauben auf den Begriff gebracht? Aber Jesus ist der, der dem Sturm und den Wellen des Meeres gebietet, und ist uns nicht ein Teil dieser Kraft in seinem Namen mitgegeben? -
21.06.93
Gründet
– der Raum in der Beziehung von Rechts und Links (Gericht und Barmherzigkeit),
– das Bekenntnis in der von Vorn und Hinten (im Angesicht und hinter dem Rücken, berith und Schwur) und
– das Geld in der von Oben und Unten (Gewalt und Herrschaft und Knechtschaft, diatheke und Tod)?
Und alle drei hängen mit Trägheit, Licht und Schwere (auch mit den drei Aspekten des Bösen: dem Satan, dem Teufel und dem Dämon) zusammen?
Haben Gottesfurcht, Umkehr und Nachfolge etwas mit den drei Abmessungen des Raumes, mit Raum, Geld und Bekenntnis (Bekenntnis des „Namens“!), und mit den drei evangelischen Räten zu tun (entspricht das „Bekenntnis des Namens“ der Keuschheit, das verdinglichte hingegen der Unzucht? – „Lehrzuchtverfahren“).
Die Bekenntnislogik ist wie die des Geldes ein Aspekt der Logik des Inertialsystems.
Die vergangene Zukunft ist die durchs Dogma neutralisierte Parusie-Erwartung.
Das Blutsymbol ist durch die Bekenntnislogik und durch das verdinglichte Dogma nicht nur unkenntlich gemacht worden: es ist in sein Gegenteil verkehrt worden. Es wird durchsichtig, wenn die verdinglichende Gewalt im Dogma getilgt wird, wenn in ihm die Gottesfurcht, die Umkehr und die Nachfolge wiedererkannt werden. Insofern ist die Opfertheologie in der Tat das zentrale Objekt der Weltkritik. Das Dogma ist der Greuel am heiligen Ort.
Die Hegelsche List der Vernunft heißt bei Kant noch schlicht und einfach Betrug (Kr.d.r.V., S. 395).
Im Futur II, im „Es wird gewesen sein“, klingt das „was wird schon gewesen sein“: die enttäuschte Erwartung, nach. Hier wird die Wurzel des Herrendenkens sichtbar: es gründet in der Verzweiflung (die die Wurzel des Neutrums ist, des Objektbegriffs: des Staubs, aus dem Adam ward, und zu dem er wieder werden wird, und von dem die Schlange sich nährt).
Der Vertrag bedarf des Schwures und der damit verbundenen Einrichtungen: des Tempels, der Religion, des Opfers und des Priestertums, während das Testament an den Tod anknüpft.
Trotz des Satzes „Niemand hat eine größere Liebe, als wer sein Leben hingibt für seine Freunde“ war der Kreuzestod kein Heldentod. Obwohl der Heldentod, der die Greuel des Krieges, die den Heldentod begründen, hinter sich verbirgt, sie unsichtbar macht, in der Tradition der christlichen Kreuzestheologie begründet ist (was ein bezeichnendes Licht auf die zentrale Bedeutung des Kreuzestodes in der deutschen Nachkriegstheologie wirft). Hier liegt zweifellos einer der Gründe, weshalb innerkirchlich die Aufarbeitung der Vergangenheit so schwer fällt: die Lösung liegt zu nah. Voraussetzung einer solchen Aufarbeitung wäre in der Tat der Bruch des Tabus, das über dem Heldentod liegt, seine Lösung vom Kreuzesparadigma: die Kritik seiner christlichen Prämissen. Ist nicht der Kreuzestod Jesu die offene Wunde der Geschichte, und die Opfertheologie – als Versuch, die offene Wunde durch Verdinglichung und Instrumentalisierung zu schließen – der blasphemische Kern der christlichen Tradition, nicht mehr nur Produkt der enttäuschten Parusieerwartung, sondern deren Hintertreibung?
Weltkrieg (dessen Name die transzendentallogische Einheit von Welt und Krieg aufs genaueste bezeichnet), Heldentod und Auschwitz bezeichnen den Kulminationspunkt einer bis heute nicht aufgearbeiteten Theologie.
Volk als Schicksalsgemeinschaft ist die Gemeinschaft einer Mordgesinnung, die glaubt, sie könne nicht haftbar gemacht werden. (Dieser Satz löst das Rätsel des Begriffs der „Volkspartei“.) Gilt das gleiche auch für „Bekenntnisgemeinschaften“? Sind nicht Bekenntnisgemeinschaften ebenfalls Schicksalsgemeinschaften? Aber die Differenz zwischen Volks- und Bekenntnisgemeinschaften ist ablesbar an der Differenz zwischen Antisemitismus und Antijudaismus: Das Schicksalhafte des Volks gründet im Biologischen, das des Bekenntnisses in einem Akt, der die Zustimmung per definitionem mit einschließt. Das Volk ist durch Gründung der Gemeinschaft im Blutprinzip antisemitisch; durchs Blutprinzip tritt das Volk in wütende Konkurrenz zum auserwählten Volk.
Müßte der Satz „Ich bin das A und das O (das Alpha und das Omega), der Erste und der Letzte“ (Apk 18, 216, 2213) wegen seines Ursprungs im Hebräischen nicht auf das Aleph und das Taw bezogen werden? Und hängt das mit dem et (dem Akkusativ-Partikel und dem mit) und dem at (dem femininen Du), in dem beide Buchstaben vereinigt sind (die nach kabbalistischer Auffassung das ganze Alphabet, die ganze Schrift, in sich befassen) zusammen? Haben die Griechen das thet und taw durch das Omikron und das Omega (beiden entspricht das hebräische waw) ersetzt: die beiden Verschlußlaute als Grenzbuchstaben durch zwei Vokale? Hängt das damit zusammen, daß die hebräische Sprache eine Sprache im Angesicht, die griechische eine Objektsprache ist (was die christliche Theologie nicht von der Gottesfurcht, der Umkehr und der Nachfolge suspendiert)? -
19.06.93
Securus adversus deos: Das war der Sinn des Götzendienstes in jeder Gestalt, die Menschen vor dem Angesicht Gottes zu schützen. Aber damit gerieten die Menschen in den Bann des Schicksals, über den sie dann mit dem Begriff und der Idee des Kosmos, der Welt, glaubten sich erheben zu können.
Götterdämmerung: Ist das ein Spezifikum des germanischen Mythos, oder gibt es Entsprechungen dazu in den Mythologien anderer Völker? Sind nicht überhaupt die Weltuntergangsvorstellungen seit dem Mittelalter mehr durch das germanische Erbe als durch christliche Traditionen bestimmt? Dazu: Kann es sein, daß insbesondere die deutsche Sprache (ihre innere Struktur: Deklination und Konjugation, Funktion der bestimmten Artikel und der Großschreibung, Funktion der Prä- und Suffixe usf.) die Logik der indogermanischen Sprache (Futur II, Neutrum, Komparativ und Superlativ) bis zur Selbstzerstörung des Namens, der benennenden Kraft der Sprache (Sprache Kohls) weitergetrieben hat? Und was bedeutet der Name Gott (Vater und Sohn), wodurch unterscheidet er sich von theos, deus (Zeus, Jupiter), Elohim, JHWH u.a.?
Sind nicht die subjektiven Formen der Anschauung der ins Subjekt verlagerte, zum Eisberg gewordene Rest der Himmel? Antizipiert die Trennung der inneren und äußeren Form der Anschauung die Trennung von Feuer und Wasser (Zeit und Raum)? Und ist nicht das Inertialsystem in der Tat der Spott und das Gelächter über die Dinge: das Schweigen Gottes.
Berith und diatheke: Das Testament ist ohne die Lehre von der Auferstehung nicht zu begreifen: Das Erbe ist die Aufhebung der Vergangenheit (der Inbegriff der göttlichen Verheißungen), nicht die Fortexistenz des Vergangenen (die Welt).
Gibt es eine Zusammenstellung der Zitate aus dem AT im NT (sortiert sowohl nach den Stellen des AT wie nach den Fundstellen im NT)?
Zur Bekenntnisfrage: Wenn ich frage, was Jesus davon hat, ob ich ihn als Sohn Gottes bekenne (anerkenne), kann die Antwort nur heißen: Nichts. Aber wie müßte die Antwort lauten, wenn ich frage, was ich davon habe? Führt die Beantwortung dieser Frage nicht auf das finstere Geheimnis der kirchlichen Tradition: die Geschichte des Dogmas als Geschichte der Exkulpationsstrategie und deren Verstrickung in die Herrschaftsgeschichte (auf die Frage nach dem Kelch)?
Theologie im Angesicht Gottes und Aktualität: Ergibt sich der Zusammenhang beider nicht aus der Idee des Ewigen, dem Begriff der Prophetie und dem des parakletischen Denkens (der Gegenwart des Zukünftigen: seiner Befreiung aus dem Bann der Vergangenheit)?
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