Dezember 1993

  • 19.12.93

    Grund und Boden (Haus- und Grundbesitzer): Mit der Subjektivierung des Ackers zum Boden wurde auch der Grund subjektiviert: zum Reflexionsbegriff subjektiver Zwecke. Seitdem gerät auch die Sprache in den Sog der Instrumentalisierung, verschwindet die Kraft des argumentativen Denkens, verfällt das Argument dem Gesetz der Reklame.
    Die Vorstellung der Unendlichkeit des Universums, vor dem der Mensch klein, ohnmächtig und verschwindend ist, ist das naturale Deckbild eines ökonomischen Sachverhalts: einer Wirtschaftsorganisation, in der der Einzelne in der Tat nur ein kleines Rädchen ist. Aber bezieht sich hierauf nicht das Wort „Wenn die Welt euch haßt …“. mit dem Jesus den Parakleten ankündigt, und das andere von der Sünde wider den Heiligen Geist, die weder in dieser noch in der zukünftigen Welt vergeben wird. Ist nicht das Angesicht (das Ebenbild Gottes) gleichursprünglich mit der Welt (und erst als Person zu einem Teil der Welt geworden)?
    Die Vorstellung, daß der Mensch in der Natur nicht vorkommt (sich die Natur auch ohne die Menschen denken läßt), ist eine notwendige Folge der Konstituierung des Naturbegriffs, der Subsumtion der Welt unters Herrendenken.
    In Ninive ist es der König, der auch das Vieh zur Buße auffordert (und Gott schont Ninive auch wegen des Viehs).
    Petrus wird in den Evangelien: Simon, Petrus, Simon Petrus und Simon Barjona genannt (die Schwiegermutter ist die des Simon). Gibt es eine Regel für den Namensunterschied?
    War es nicht der Fehler des II. Vaticanum, daß selbst in dem, was hier als Aufbruch verstanden worden ist, wieder eine Vergangenheit (und diesmal die ganze theologische Tradition der Kirche) nur zurückgelassen, aber nicht aufgearbeitet worden ist? Gleicht das nicht der Selbstverfluchung, wenn die Kirche ihre eigene Tradition zur Häresie erklärt?
    Die Abschaffung der Binnenzölle und die Vereinheitlichung der Gewichte, des Maßes und des Münzsystems (Europäische Bankengeschichte, S. 280): war das nicht die endgültige Durchsetzung des Inertialsystems?

  • 18.12.93

    Das Absolute und das Relative sind Reflexionsbegriffe: das Absolute ist Produkt der Abstraktion von der eigenen Relativität: von der Verstrickung in den Schuldzusammenhang (Korrelat des Naturbegriffs). Als Produkt des Exkulpationstriebs und des Rechtfertigungszwangs ist das Absolute der hypostasierte Abstraktionsprozeß: das Ding an sich, Reflex des hypostasierten Subjekts. Der Abstraktionsprozeß, der mit dem Objektbegriff seinen Stützpunkt in der Welt errichtet hat, hat die Welt durch den Objektbegriff überhaupt erst zur Welt (zu einer durchs Feindesland verhexten Wolfswelt: „Seht ich sende euch wie Schafe unter die Wölfe“) gemacht. Es gibt kein Absolutes ohne zugehörige Wolfswelt (ohne zugehöriges Feindbild), an dem die eigene Schuld projektiv gerächt wird (und ohne zugehörige Exkulpationsautomatik: ohne Naturbegriff).
    Absolut im strengen Sinne sind nur die subjektiven Formen der Anschauung, insbesondere der Raum (und als seine Reflexionsform das „Überzeitliche“): er entzieht sich der immanenten Kritik, wird reflexionsfähig erst im Kontext der Umkehr (und der Idee des Ewigen).
    Die Idee der Wahrheit ist nicht leer, aber der Begriff einer absoluten Wahrheit ist eine contradictio in adjecto: er relativiert die Idee der Wahrheit. Die Wahrheit hat einen Zeitkern (das Überzeitliche schließt wie der Prozeß der Dogmenbildung die Erinnerung und die Versöhnung aus: Substrat der Selbstverfluchung).
    Gehören die Trinitätslehre, die Christologie und die Opfertheologie zur Geschichte des Absoluten (ist der Absolute Geist der zur Hölle abgestiegene Geist, das Hegelsche Absolute die trinitarische Einheit von Ankläger, Verwirrer und Subjektivität: Satan, diabolus und daimon)?
    Der Geburtsfehler der Philosophie: Sie hat die an sich praktischen (durch Absolutierung) zu theoretischen Begriffen (die ethischen zu Weltbegriffen) gemacht und den Handelnden in die Position des Zuschauers gebannt: die Aufforderung zu handeln, die von den Dingen ausgeht, durch den Zuschauerbann (den Bann der Theorie) neutralisiert und storniert. Der Zuschauerbann ist der ästhetische Bann; deshalb beginnt die transzendentale Logik mit der transzendentalen Ästhetik. In dieser Ästhetik gründet auch die Kunstphilosophie, die heute unter dem Titel Ästhetik zusammengefaßt wird.
    Der Begriff des Absoluten ist die Bedingung der Möglichkeit des Objektivierungsprozesses und der Grund des Weltbegriffs: die Sünde der Welt.
    Hypostasierung und Personalisierung (die Formen der Verdinglichung) sind Emanationen des Absoluten.
    Die Idee des Absoluten ist der Quellgrund der Leidenschaften: Hier entspringen die moderne Lyrik, der Liebesroman und das moderne Drama.
    Die Ästhetik ist der Grund und die Folge der Todesweihe an den Dinge, aber „Stark wie der Tod ist die Liebe“. Kunst ist wie die Natur: nature mort (eine schöne Leiche).
    Das Objektbegriff, das ad litteram und der Antisemitismus: Der Zusammenhang wäre nachzuweisen an der Geschichte des Paulinismus: an der Rezeption der paulinischen Gesetzeskritik, die, indem sie auf ein vorbezeichnetes identifizierbares Objekt, die „jüdische Gesetzesreligion“, bezogen wird, als Mittel der Selbstreflexion, der Kirchen- und Dogmenkritik, ausgeschaltet wird. Die Gefahr heute scheint darin zu liegen, daß über die christliche Opfertheologie (die Logik der Vergöttlichung des Opfers) Israel nach Auschwitz in die Opfertheologie mit hereingezogen wird und auf eine ähnlich neutralisierende Weise heiliggesprochen wird, wie man im Anfang auch am Jesus (und an der jüdischen Tradition, in der er steht) das Beunruhigende durch Vergöttlichung neutralisiert hat. Die Kirche als Israel: das war ebenso wenig wie die Erwählung des Volkes Israel ein (den Juden geraubtes) Privileg, sondern ein Maß, an dem die Kirche ebenso wie das historische Israel sich muß messen lassen. Die Einschränkung der Prophetie auf die Juden (im Kontext ihrer „Erfüllung“ in Jesus) war die erste in der Kirchengeschichte der drei Leugnungen. Wenn die Kirche Israel ist, ist sie Objekt der Prophetie (steht sie unter ihrem Gericht), und nur als Objekt der Prophetie ist sie auch Israel.
    Melchisedek, der König von Salem, opferte Brot und Wein und war der erste Empfänger des Zehnten.
    Liegt nicht die Bedeutung (und die emotionale Besetzung) der herrschenden antiken Chronologie darin, die Objektbindung biblischer Texte abzusichern, sie gegen jeden realen prophetischen Gebrauch abzuschirmen? Ist sie nicht in der Tat fundamentalistisch (und der Grund jeden Fundamentalismus, auch des jüdischen und islamischen)?
    Das Bild, daß der Himmel sich aufrollt wie eine Buchrolle, ist eine apokalyptische Beschreibung des Ursprungs der Schrift.
    Die Welt brennt, und die Banken unterhalten und schüren das Feuer.
    Seit wann hat es die jüdischen „Hoffaktoren“ gegeben, und welche Aufgabe und Funktion hatten sie?
    Der Korpuskel-Welle-Dualismus, die Heisenbergsche Unbestimmtheitsrelation und das Bohrsche Komplementaritätsprinzip beschreiben den gleichen Sachverhalt.

  • 17.12.93

    Was versteht Manfred Pohl unter der „relativ autoritären staatlichen Geld- und Kreditpolitik“ im 19. Jahrhundert (S. 218)? Ist eine „nichtautoritäre“ Geld- und Kreditpolitik (die dann wohl nur den Marktgesetzen zu gehorchen hätte und auf alle Schutzregelungen für den Teil der Bankkundschaft, der auf die Dienstleistungen der Banken angewiesen sind, ihrem Machtmonopol aber nichts mehr entgegenzusetzen hat, verzichten sollte) im Ernst denkbar?
    Ebd.: Die neugegründeten Aktien- und Kreditbanken „(nahmen) sich vor allem der Finanzierung der Industrie und des Eisenbahnbaus an“, während die alten Privatbanken weiterhin „bedeutsam (waren) bei der Handelsfinanzierung und bei der Plazierung öffentlicher Anleihen“. Die Nazis unterschieden später zwischen „raffendem“ und „schaffendem“ Kapital?
    Was drückt sich in den Bezeichnungen der Währungseinheiten (Lire, Franc, Mark, Schilling, Gulden, Dollar, Pfund) aus? Ist nicht u.a. der Franc (der 1795 einführt wurde, vgl. S. 220) ein Nationalbegriff, die Mark ein Machtbegriff, das Pfund ein Gewichts- (Materie-, Masse-)begriff?
    S. 222: „Nationalinteressen waren europaweit agierenden Familienunternehmen wie Rothschild, Warburg oder Lazard (d.h. den Privatbanken, H.H.) fremd.“ Erst die Aktien- und Kreditbanken (die u.a. als Depositenbanken Einlagen entgegennahmen und als kurzfristige Kredite weiterverleihen) waren demnach nationalistisch, imperialistisch orientiert, Vorläufer und Agenten jenes Modernisierungsschubs, der in den Weltkriegen sich entlud?
    S. 229: Hinweis, daß „in den kontinentaleuropäischen Ländern seit der Mitte des 19. Jahrhunderts benötigter Wohnraum zunehmend gemietet wurde“, während „in Großbritannien ein Großteil der Bevölkerung vorwiegend in eigenen Häusern (lebte)“.
    Blut und Boden:
    – Der Zusammenhang von Blut und Sprache (wenn von semitischen oder indogermanischen Rassen und Völkern geredet wird) ist eine der keineswegs nur irrationalen (aufgrund ihrer christlichen Wurzeln nur bis heute unaufgearbeiteten) Ursachen des Rassismus: Er gründet in der christlichen Opfertheologie.
    – Ist nicht der „Boden“ (den man unter den Füßen verlieren kann) der der Herrschaft des Eigentumsprinzips unterworfene Acker? In der Bibel gibt es eine Beziehung der Schuhe (der Fußbekleidung) zur Inbesitznahme: Mußte nicht deshalb Moses vor dem brennenden Dornbusch seine Schuhe ausziehen? Ist nicht das Heilige das, was nicht zum Eigentum werden, nicht instrumentalisiert werden darf?
    Weist nicht der biblische „Staub“ ebenso auf den Begriff des Bodens (den instrumentalisierten Acker) und damit auf den Namen Adams zurück? Wann „schüttelt (man) den den Staub von seinen Füßen“ (Mt 1014)?
    Person, Schicksal und Charakter:
    – Person ist die innerweltliche Erscheinung des Subjekts (im Zeitalter des Imperialismus neutralisiert zur Existenz);
    – verhält sich nicht das Schicksal zum Charakter wie das Geld zum Bekenntnis?

  • 16.12.93

    In der Moderne waren die Banken von Anbeginn Privatbanken, auf den wechselseitigen Verkehr (Finanzmessen, dann Zentralbanken) angewiesen.
    Bankengeschichte, S. 114: Wo lag der Grund für den „außerordentlichen Geldbedarf, den die Weltpolitik der entstehenden europäischen Nationalstaaten schuf“?
    War die Währungshoheit der Staaten erst auf der Grundlage von Papiergeld möglich?
    Die Vertrautheit, die schon die Anfänge der modernen Bankengeschichte kennzeichnet, hängt mit zwei Dingen zusammen:
    – mit dem methodischen Verfahren der Darstellung: die Einschränkung auf die Entwicklung der technischen Aufgaben des Bankwesens, deren Maß der technische Standard von heute ist,
    – außerdem: vor dem Hintergrund des Christentums ist ein Weltbegriff entstanden, der diese technischen Details gleichsam wertneutral darzustellen ermöglicht.
    S. 121: Lag der Unterschied zwischen dem „Süden“ (Italien, Spanien, Frankreich) und dem „Norden“ (Niederlande, England, Deutschland) darin, daß im Süden das (private und politische) Kreditgeschäft weiter entwickelt war, während im Norden der Schuldbrief (die Regelung des Zahlungsaufschubs: gleichsam der „Kredit“ nach vollzogenem Geschäft) im Vordergrund stand (Grundlage des Diskont- und Zentralbank-Wesens?)? Versehen mit einer Inhaber-Klausel konnten diese Schuldbriefe dann auch als Zahlungsmittel verwandt werden.
    Das erste Börsen-Gebäude 1531 in Antwerpen: eine permanente Finanzmesse.
    Der logisch-systematische Grund der modernen Demokratie liegt in den Staatsverschuldungen seit der Renaissance: Die Kreditgeber erhoben den natürlichen Anspruch, über die Verwendung der Kredite mitzubestimmen. Entspringt nicht der moderne Staat generell mit der Staatsverschuldung (als Ende der Geschichte der Schuldknechtschaft)?
    Sind die kirchlichen Banken, die in der Europäischen Bankengeschichte merkwürdigerweise nicht erscheinen, nicht der Vorläufer der Zentralbanken, und das kirchliche Ablaßwesen das Modell der staatlichen Anleihen? Welchen Ursprung und welche Funktion hatten die kirchlichen Banken in der Geschichte der Kirche und der Theologie (ihr Pendant: die pornographische Epoche der kasuistischen Moraltheologie)? In welcher Beziehung stehen sie zu den opfertheologisch begründeten Vorstellungen über die kirchliche Verwaltung des Gnadenschatzes? Zusammenhang von Instrumentalisierung des Kreuzestodes, Ursprung der Sexualmoral, Sakramentenlehre und Kapitalisierung der Gnadenverwaltung, kirchlicher Imperialismus, mit der Geschichte der Geldwirtschaft (Bedeutung der Theologie für die Konstituierung des Objektbegriffs).
    Die Philosophie als der mystische Leib Christi: War Jesus nicht ein am haarez aus Galiläa, aber kein Rabbiner (und deshalb auch nicht verheiratet)?
    Sind nicht die Geschichten vom Sturm auf dem Meere und vom Schiffbruch des Paulus vor Malta Variationen zur Jona-Geschichte? Und ist nicht der dogmatisierte Glaube das, was Jesus in der Geschichte vom Wandeln auf dem Meere den „Kleinglauben“ des Petrus nennt?
    Gottesfurcht ist das Ende der Menschenfurcht: Sie bricht den Bann der Welt.
    Klugheit, Weisheit und Verstand (die „Klugheit der Schlangen“, „hier braucht es Weisheit und Verstand“, in der Prophetie „Weisheit und Einsicht“):
    – Klugheit ist das Vermögen der rationalen Selbsterhaltung,
    – Weisheit, nach Thomas von Aquin eine Tugend der Regierenden, das Vermögen der rationalen Reflexion der Klugheit (Reflexion der Klugheit der anderen im Hinblick auf das Wohl aller),
    – Verstand: das Vermögen der Einsicht, des Verstehens, ein sprachliches Erkenntnisvermögen (das Erkenntnismoment im Namen, Medium der Gotteserkenntnis); das eigentlich mystische Organ ist der Verstand.
    Das Denken der Philosophie ist ein Denken mit eingebautem Feindbild.
    Mit Assur und Babylon beginnt die seither nicht mehr unterbrochene Geschichte der Weltreiche; Ägypten war nur das Sklavenhaus. So war der Pharao der König von Ägypten, ein König unter anderen Königen; der König von Babylon hingegen der König der Völker, ein König der Könige.
    „Oh, du fröhliche …“. Müßte der Folgetext nicht umgedreht werden: Welt ward geboren, Christ ging verloren? Und ist das „Freue dich“ im Kontext der auf den Kopf gestellten christlichen Erlösungslehre nicht der Hohn über die Dinge (der sie zu Dingen macht), der im Gelächter laut werdende Haß der Welt? Wer Ohren hat zu hören, müßte im Inertialsystem und im Begriff Laborbedingungen (in den Bedingungen des Experiments) das höhnische Gelächter hören, daß das Subjekt aus der Welt austreibt (in dem das Subjekt sich selbst aus der Welt austreibt, indem es zur Welt wird). Ist diese Austreibung des Subjekts (die erstmals in der philosophischen Kritik des Anthropomorphismus erscheint) die Antwort der Welt auf die jesuanische Austreibung der Dämonen?
    Ist nicht das Weihnachtsfest zum Fest der institutionellen Abtreibung der Wahrheit geworden, und die kirchliche Abtreibungskampagne eine Form der projektiven Verarbeitung dieser Abtreibung? Ist hier nicht der Greuel am heiligen Ort, der gnadenlose Kult des Selbstmitleids, in dem jede Erinnerung an Barmherzigkeit erstickt?
    Der Weihnachtsmann: eine Mischung aus einem Nikolaus, der eigentlich der böse Wolf ist, und Rotkäppchen, eine Karikatur des Bischofsamts, die dessen historische Wahrheit ausplaudert. Wie erfahren Kinder, die einmal den Nikolaus kennengelernt haben, dann den Bischof?
    Mit dem y im Seyn hat Heidegger das Possessivpronomen vergoldet.

  • 15.12.93

    Jede Personalisierung dient der Selbstentlastung (der Selbstexkulpierung, der die Logik des Weltbegriffs zugrundeliegt): darin liegt der Zweck des Rechts und der Theologie zugleich.
    Nicht die Person, sondern das Angesicht: Die Personalisierung hält Gott verantwortlich für „das, was er gemacht hat“, für die Welt, und entlastet die Menschen. In der Struktur des Personbegriffs steckt der zugleich unkenntlich gemachte Sündenbock-Mechanismus mit drin (Grund der Geschichte vom rachsüchtigen zum autistischen Gott, über den heute jeder gefahrlos daherreden kann; gehört die Lösung des Autismus-Problems zum Lösen überhaupt?). Das Angesicht Gottes ist die reine Forderung der Barmherzigkeit; das Theodizee-Problem ist eine Folge der Personalisierung.
    Zusammenhang der kirchlichen Abtreibungskampagne mit der dritten Leugnung: Ist die Diskriminierung der Abtreibung nicht ein Versuch der projektiven Verarbeitung der seit den Kirchenvätern institutionalisierten Leugnung der Nachfolge; hat nicht die Kirche aus Furcht vor den messianischen Wehen die Wahrheit abgetrieben (das Talent vergraben)? Aber Gott will nicht, daß das Wort leer zu ihm zurückkommt.
    Ist nicht das Ding die trunkenheitserzeugende Substanz? Der Name des Dings hängt sprachlich und sachlich mit dem des Things, des Gerichts, zusammen.
    Rührt nicht das Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit an den potentiellen Umkehrpunkt des Inertialsystems (und damit der naturwissenschaftlichen Erkenntnis insgesamt)?
    Zusammenhang von Walten, Verwalten, Gewalt und Bewältigung?
    Das Irrationale (z.B. der Faschismus) ist nicht nur irrational: Käme es nicht endlich darauf an, die Rationalität des Irrationalen zu bestimmen (gehört nicht die bloße Empörung zum Drachenfutter: zum Staub, den Adam produziert und den die Schlange frißt)?

  • 14.12.93

    Die „Europäische Bankengeschichte“ beginnt mit der Neuentwicklung im Mittelalter; sie beschreibt den Ursprung und die Geschichte des Bankenwesens auf dem Boden der Moderne: Im Gegensatz zur Ursprungsgeschichte der Banken und des Geldwesens in der Antike ist hier alles merkwürdig vertraut. Liegt das daran, daß diese Moderne auf dem Boden und im Kontext eines Christentums erwachsen ist, das als Legitimation und Begründung der Rationalität der zugrundeliegenden Lebensverhältnisse heute noch wirksam ist (die Logik dieses Christentums wurde verinnerlicht und beherrscht unser Realitätsverständnis immer noch, auch wenn die religiösen Vorstellungen längst verblaßt sind)?
    Um es staatsanwaltschaftlich auszudrücken: Ich habe den begründeten Verdacht – und d.h. einen Verdacht, der die Eröffnung eines Ermittlungsverfahrens rechtfertigt -, daß die deutsche Sprache den sprachgeschichtlichen Endpunkt der Geschichte des Sündenfalls markiert.
    Wie tief der Staat – oder die Gewalt des Neutrums – in die deutsche Sprache eingedrungen ist, wäre an Heidegger zu demonstrieren. Verantwortung ist in Deutschland etwas, zu der man gezogen oder die einem übertragen wird, aber niemals eine Verantwortung, die man auch unabhängig vom Eigeninteresse oder von der Wahrnehmung eines Amtes hat. Und Begriffe wie Berechtigung, deren Ursprung und Konstruktion hinter den Prä- und Suffixen (Be-, -ig-, -ung) fast nicht mehr erkennbar ist, sind nur verständlich aus einer Ontologisierung, die das sprachliche, benennende Moment unter sich begräbt: Das tätige Moment wird in ein reines Geschehen: in bloße Passivität übersetzt („Vorlaufen in den Tod“).
    Was ist ein „herrenloses Gut“? Ist nicht die Welt insgesamt ein herrenloses Gut: ein für deutsche Ohren unerträglicher Zustand, den die deutsche Politik seit dem 19. Jahrhundert beenden möchte.
    Zu Velikovsky und Heinsohn: Haben nicht auch die Propheten schon sich auf die „Venus-Katastrophe“ bezogen, wenn sie von Unzucht und Hurerei sprachen: auf die gesellschaftliche Naturkatastrophe des Götzendienstes und der Idolatrie, den Ursprung des Staates und die Vorgeschichte des Weltbegriffs?

  • 13.12.93

    Natur als „Inbegriff gegebener Gegenstände“. (Kritik der reinen Vernunft, S. 635) Diese Erläuterung ist der Definition, die Kant an anderer Stelle gibt, äquivalent, wo er Natur als das „dynamische Ganze der Erscheinungen“ bezeichnet. In der durch die Urteilsform verhexten Welt bezeichnet die Natur alle Gegenstände von Urteilen, die Welt alle Urteile über Gegenstände. Der Weltbegriff entzieht den Naturbegriff, und mit ihm den Gegenstandsbegriff, der kritischen Reflexion.
    Ethik als prima philosophia: Wenn Kant die Metaphysik der Natur von der Metaphysik der Sitten dadurch abgrenzt, daß er die eine als das Reich des Seins vom andern als dem Reich des Sollens trennt, dann vergißt er, daß das Sein in diesem Kontext als Nichtsein des Gesollten sich bestimmen läßt: Beide stehen nicht beziehungslos nebeneinander, beide sind (durch eine Grenze, die Rosenzweig erstmals als Grenze des Todes begriffen hat) auf einander bezogen, und die Reflexion dieser Beziehung wäre die zentrale Aufgabe der Philsophie (der „Stern der Erlösung“ ist ein philosophisches Buch). Wer das Sollen nur als Sollen bestimmt, neutralisiert und liquidiert es (wie Hegel es in der ungeheuren Konsequenz seiner Logik getan hat).
    Das Sein wird zum undurchdringlichen Sein erst durch seine Beziehung zur benennenden Kraft der Sprache: Indem es sie auf verdinglichte Objekte bezieht, neutralisiert es die Sprache zum Begriff, die dann verfügbar, instrumentalisierbar wird. Nur durch die Kritik des Begriffs, durch die Kritik des Weltbegriffs hindurch, ist es in das Licht der Erlösung zu rücken.
    Daß das Nichts etwas Reales, Bestimmtes ist, läßt sich (wie bei Rosenzweig) anhand der Todesfurcht bestimmen, aber auch
    – durch eine genauere Analyse der Vorstellung des Zeitkontinuums (seiner Bedeutung für die Konstruktion des Inertialsystems und die Begründung des naturwissenschaftliche Erkenntnisprozesses) und
    – anhand einer Untersuchung der Geschichte der Banken im Hinblick auf die Geschichte der Armut, der Ausbeutung und Unterdrückung in der Welt (Geldwäsche wäre eine Definition der Bankentätigkeit insgesamt; diese Leistungen der Banken sind vergleichbar denen der Schlachthäuser, der Kliniken, der industriellen Produktionsstätten und der Irrenanstalten: sie rücken die Grundlagen und Folgen unserer privatisierten Existenz aus dem Blickfeld).
    Pecunia non olet? Müßten Vegetarier nicht auch das Geld verweigern? Und hat der Hostienkult im Mittelalter nicht ebenso wie mit der Etablierung des Objektbegriffs etwas mit der neuen Entwicklung der Geldwirtschaft (und mit den gleichzeitigen Änderungen im Fleischverzehr, sowohl hinsichtlich der Mengen des Fleischverzehrs als auch der dazugehörigen Essenssitten: der Erfindung von Messer und Gabel) zu tun?
    Zur Rehabilitierung des Wunders: Humanität beginnt dort, wo man nicht mehr sich darauf beschränkt, nur das Mögliche zu denken, sondern den Schritt vollzieht, auch das Unmögliche zu denken.
    Die Antwort Jesu an Johannes („Die Blinden werden sehend, …“: Beschreibt sie nicht aufs genaueste den Umkreis der Erfüllung des Wortes, die Franz Rosenzweig als den Ort des Wunders bezeichnet und in den Kontext der Umkehr gerückt hat?
    Durch das Gravitationsgesetz hat Newton den Kosmos in eine imaginäre Maschine verwandelt, die nicht zufällig das Bild vom Uhrwerk nach sich gezogen hat. Gehört die Erfindung mechanischer Uhren (die dann an Kirchtürme und in die Dome verbracht wurden) zur Vorgeschichte des Inertialsystems?
    Eines der zentralen Momente der prophetischen Utopie ist das Bild vom Tierfrieden. Aber das ist nicht mehr zu verstehen ohne die Weltkritik der Apokalyptik.
    Hängt halacha mit lechem und haggada mit gadol zusammen? Und sind sie somit nicht auch Verkörperungen der Beziehung von Gericht und Barmherzigkeit? Und ist nicht mit der Übernahme der Sünde der Welt die Gerechtigkeit in der Barmherzigkeit: das Gesetz in der Gnade aufgehoben? Weshalb Jesus zur Rechten des Vaters sitzt, von dannen er kommen wird zu richten die Lebenden und die Toten.
    Die jüdische Vergangenheit und das Gesetz ist im Christentum nicht überwunden, sondern aufgehoben, aber als Utopie aufgehoben, nicht als Realität (gegen die Kirche): Aufgehoben in der Idee des Parakleten. Johannes hat nur die Umkehr gepredigt, Jesus die Frucht der Umkehr: den Parakleten, den Geist.
    Wer Jenseits des Todes mit Nach dem Tod verwechselt, schneidet die Erlösung an der Wurzel ab, befördert die Finsternis über dem Abgrund. Das Verhältnis Jesu zum Täufer ist geweissagt in dem Satz vom Geist Gottes über den Wassern.
    Die Lösung der sieben Siegel ist die Lösung des Rätsels des Sechstage-Werks.
    Dem Menschensohn ist Herr des Sabbats: D.h. er ist der Herr des Sechstage-Werks und des Exodus.
    Wodurch unterscheidet sich das Himmelreich vom Gottesreich, und weshalb unterscheiden deutsche Übersetzungen in der Regel auch sprachlich zwischen Himmelreich und Reich Gottes (während im Griechischen beide Namen gleich, durch die reine Genitivkonstruktion, nicht durch ein zusammengesetztes Wort, gebildet werden: basileia tou ouranou und basileia tou theou). Geschichtsphilosophie der Wortbildungen:
    – im Hebräischen scheinen Wortzusammenfassungen in erster Linie Namensbedeutung zu haben (Jehoschua, haschamajim),
    – im Griechischen und Lateinischen bezeichnen sie Tätigkeiten (pantokrator, pontifex),
    – im Deutschen (ohne Parallele in anderen Sprachen?) Eigentums-und Herrschaftsbeziehungen (Hausbesitzer); entspringen diese Konstrukte nicht in Genitivbildungen, und partizipieren sie nicht an der Zweideutigkeit des Genitivs (g. subjectivus und objectivus)? – Vgl. die Bemerkung Walter Benjamins hierzu im „Ursprung des deutschen Trauerspiels“.
    Haben die Wortzusammensetzungen im Indogermanischen etwas mit der selbstreferentiellen Struktur dieser Sprachen, mit der noesis noeseos, mit ihrer Beziehung zum Herrendeknen und mit der Bildung des Neutrum (und dem Ursprung des Begriffs) zu tun? Steckt nicht in der Beziehung der indogermanischen Substantivbildung zur hebräischen Namensbildung ein Hinweis auf die geschichtsphilosophische und metaphysische Relevanz des Problems?
    Steckt in Mirjam das jam (Meer)? Und hat jam (Meer) etwas mit majim (Wasser) zu tun: Gibt es im Hebräischen Umkehrbildungen: jam und majim, bara und arab, negev und begin?
    Ist die Wüste die Umkehr der Schöpfung, und die ägyptische Magd die Umkehrung des hebräischen Sklaven?
    Sind Vor- und Zuname (auch die Bildung „Jesus Christus“) Abkömmlinge und Denkmale der Trennung von Natur und Welt, Objekt und Begriff: Produkte der Urteilsform?
    Zwischen den Feigenblättern (zu deren Bedeutung Johannes Scotus Eriugena wichtiges gesagt hat) und den Röcken aus Fell, mit denen Gott Adam und Eva bekleidete, liegen die Verfluchungen der Schlange, Evas und Adams. Aber erst nach dieser Bekleidung mit Fellen erfolgt die Vertreibung aus dem Paradies. (Gen 37.21f) Haben diese „Felle“ etwas mit dem Ursprung des Weltbegriffs zu tun (sind die Felle der Tiere nicht Verkörperungen der Scham, Ausdruck ihrer Beziehung zu ihrer Welt, der Mimesis an die „Außenwelt“: des Bannes, unter dem alle Tiere stehen)? Drückt in diesen Fellen (ebenso wie nach Johannes Eriugena in den Feigenblättern) etwas Sprachliches sich aus; bezieht sich das Fell nicht auch wie der Fluch auf die Beziehungen der Geschlechts-Differenzierung der Substantive, insbesondere auf den Ursprung und die Bedeutung des Neutrum (der Schlange)?

  • 12.12.93

    Das Inertialsystem oder die Herstellung von Laborbedingungen: Sind nicht die Straf-, Irren- und Krankenanstalten, aber auch die Schulen und die Kasernen, die Produktion (sowie der Export und der Reimport) der Armut und die Ausgrenzung aller, die dem durch Staat und Wirtschaft definierten Realitätsprinzip (sei es aufgrund körperlicher, geistiger oder rechtlicher Eigenschaften) nicht entsprechen, das genaue gesellschaftliche Korrelat der Abstraktionsleistung, in der sich das Inertialsystem herausgebildet hat? Gehört nicht in der Tat die Geschichte der Hexenverfolgung zum Anfang und Auschwitz zum Ende der Geschichte der naturwissenschaftlichen Aufklärung?
    Die Elementenlehre als philosophische Zwischenstufe zwischen Mythos und Inertialsystem (Ursprung des Naturbegriffs)?
    Das Absolute ist ein Tier: ein Organismus, in dem kein Glied nicht trunken ist. Diese Trunkenheit ist eine sprachliche Trunkenheit (seine rationalen Entsprechungen sind die Mathematik und das Herrendenken); deshalb sind Tiere stumm. Tiere sind die Schöpfer der Welten: deshalb waren die vorweltlichen (vorzivilisatorischen, kosmogenischen) Religionen Tierreligionen. Ist das Tier aus dem Wasser die (dem Mythos entsprungene) Philosophie (das griechisch-mazedonische Reich und seine Nachfolger) und das Tier vom Lande der Staat (die Organisationsform einer Gesellschaft von Privateigentümern: das römische Reich)?
    Erst das Inertialsystem hat das Privateigentum ontologisiert.

  • 11.12.93

    Apokalyptik, S. 406: Repräsentiert nicht, was Vielhauer die „nationale Eschatologie“ (nämlich der Juden) nennt, den Innenraum der Prophetie, während die vier Metalle, die vier Tiere, der kosmisch-universale Rahmen der Apokalypse den katastrophischen Aspekt der Totalität (der Welt) bezeichnen? Die Apokalypse reflektiert den Ursprung des Weltbegriffs als die gleiche Katastrophe, die der Naturbegriff verdrängt und neutralisiert.
    War die Benennung der Tiere durch Adam der Grund der Erkenntnis der Sterne und der Metalle?
    Die Apokalyptik verhält sich zur Prophetie wie die Naturwissenschaft zur Philosophie.
    Mit dem Ursprung des Weltbegriffs (der Trennung von Natur und Welt) wird die Prophetie zur Apokalypse, und hierbei erweist sich die Apokalypse als das prophetische Äquivalent des Naturbegriffs. Das Buch Jona ist postapokalyptisch.
    In einer Welt, in der gesellschaftliche Naturkatastrophen erfahrbar geworden sind, müßte es nahe liegen, die kosmischen Katastrophen der Apokalypse auch als gesellschaftliche Katastrophen zu dechiffrieren und zu begreifen. Ist nicht die Geschichte des Christentums insgesamt eine Geschichte gesellschaftlicher Naturkatastrophen?
    S. 425: Gehören 2 Thess 26f u. parr. (die Bindung des Satans) zur Stelle vom Binden und Lösen (Mt 16)?
    Ist die Sünde wider den heiligen Geist (der sich vollendende Staat) der Greuel am heiligen Ort?
    Hier wird deutsch gesprochen: Hängt die Zitierung des männlichen Artikels im Genitiv und Dativ fem. sing. und allgemein im Genitiv und Dativ des Plural damit zusammen, daß in der deutschen Sprache der Infinitiv Sein gleichlautend (und nicht nur gleichlautend: sondern auch logisch verknüpft) ist mit dem Possessivpronomen der dritten Person masculinum? Und hängt hiermit die tiefe Zweideutigkeit einer jeden Ontologie zusammen: die Frage nach dem Sinn von Sein sowohl als phänomenologische Bedeutungsanalyse wie auch als weltanschaulich unendlich belastete „Sinnfrage“ (ein Femininum: aber die Goetheschen Mütter waren immer schon die Mütter des Mannes) zu verstehen?
    Ist die CDU faschistisch? Die Frage ist so nicht ganz richtig gestellt: Der wirtschaftspolitische Liberalismus von CDU und FDP verfolgt eine Politik, die den Modernisierungsschub der Nazis, der zu Ende geführt hat, was im ersten Weltkrieg begonnen worden ist, nochmal weiterführt. Er verwaltet eine Welt, zu deren Grundlagen der nicht vergangene Faschismus gehört, und die jederzeit neu als faschistisch sich enthüllen kann.
    Wenn (nach dem Weltkatechismus) Himmel und Erde nur ein mythischer Ausdruck für alles, was ist, ist, wie ist dann der Satz zu verstehen: Was du auf Erden binden (oder lösen) wirst, wird auch im Himmel gebunden (oder gelöst) sein?
    Als Adorno einmal beklagte, daß die Studenten aus seinen Sätzen nur noch heraushörten, wofür oder wogegen er sei, hat er da nicht den Baum der Erkenntnis zitiert?
    Der Satz: Jenseits des Todes ist nicht nach dem Tode, hat etwas mit der Unterscheidung von Hinter dem Rücken und Im Angesicht zu tun. Dazu gehören außerdem:
    – die Rosenzweigsche Todesangst,
    – Getsemane,
    – Erich Fromms Analyse der Destruktivität,
    – die Stelle in den Minima Moralia.
    Gehören nicht die Hure Babylon (Verkörperung der „Unzucht“, die als Gegenstand der Sexualmoral seit dem Ursprung des Weltbegriffs nur noch projektiv diskriminiert worden ist), der Taumelbecher und der Götzendienst zur Prophetie und zur Apokalyptik zugleich?
    Zusammenhang der Begriffe Natur und Materie mit dem Ursprung der Sexualmoral (theoretischer und moralischer Gebrauch des Urteils).
    Ist nicht die Kampagne gegen die Abtreibung ein Produkt der projektiven Verarbeitung der eigenen Unfähigkeit, die messianischen Wehen auf sich zu nehmen, und zugleich die letzte Konsequenz aus der projektiven Verarbeitung des Unzucht-Symbols in der Sexualmoral (die kirchliche Version des „perfekten Verbrechens“: der vollendeten Unbarmherzigkeit und Gnadenlosigkeit)?

  • 10.12.93

    Astronomie und Medizin entspringen gleichzeitig und zusammen mit der sich etablierenden Geldwirtschaft (mit der Überschwemmung der Dinge durch Eigentum und Begriff), mit dem Staat und dem (die Erkenntnis dieser Zusammenhänge ausblendenden) Weltbegriff: Die Objektivation des Planetensystems hängt außer mit der durch Gewalt, Hierarchie und Herrschaft bestimmten Organisation der Gesellschaft auch mit der Objektivation der unabhängig von bewußter Steuerung und Kontrolle ablaufenden organischen Prozesse zusammen: sie hat das Objekt der Medizin beim Tier und bei den Menschen überhaupt erst produziert und organisiert. (Zusammenhang von Fleisch und Blut mit den paulinischen Elementarmächten)?
    Wurden die Tieropfer durch das „Kreuzesopfer“, das keins mehr war: die „Übernahme der Sünde der Welt“, abgelöst?

  • 09.12.93

    Buße (Umkehr), Gebet und Fasten gehören zu den Grundlagen der Weltkritik: zur Kritik
    – des Inertialsystems (Buße, Umkehr, „Gehorsam“),
    – der Geldwirtschaft (Fasten, „Armut“) und
    – der Bekenntnisreligion (Gebet, „Keuschheit“).
    Das Inertialsystem und seine Entsprechungen (Geldwirtschaft und Bekenntnisreligion) sind Verkörperungen des Anklägers (des „Widersachers“): des anklagenden Prinzips, in Deutschland durch den Titel des Staatsanwalts (durch die darin sich manifestierende Staatsmetaphysik) mit der Institution des Staates und dem Gewaltmonopol des Staates verschmolzen. (Hängt Habermas‘ Einwand gegen die Frankfurter, seine Wendung gegen jeden Gedanken an eine Naturutopie, mit seinem „Verfassungspatriotismus“ zusammen?)
    Daß im Namen des Menschensohns der Bann der Welt gebrochen ist, manifestiert sich in dem Wort, daß er auf den Wolken des Himmels kommen wird. Im Apokalyptik-Band, S. 301, findet sich der entscheidende Hinweis auf den Gegensatz (und die Beziehung) des messianischen Titels Menschensohn zu den Tiersymbolen und auf den apokalyptischen Grund des Namens.
    Wie lautet der aramäische Name des Menschensohns: barnascha, baränasch oder baränascha?
    Als Sohn Adams ist der Menschensohn der Sohn dessen, der die Tiere benannt hat (so hat er teil an der „Schöpfung“ der Welt).
    Schließt die historisch-zeitgeschichtliche Interpretation der Apokalypse (z.B. die Beziehung der Johannes-Apokalypse zu Nero und Domitian) die Möglichkeit eigentlich aus, die anhand der Vergangenheit gewonnenen Symbole im gegenwärtigen zeitgeschichtlichen Kontext wiederzuerkennen (als Erfüllung des Worts)? Ist das Zeitgeschichtliche der Apokalypse nicht eine Variation und Steigerung des Aktualitätsbezugs der Prophetie? Wird nicht dieser Aktualitätsbezug im philosophischen tode ti, und in jeder Gestalt der „Naturerkenntnis“ seitdem verdrängt, und so die Apokalypse neutralisiert: Ist der Naturbegriff zu diesem Zweck ersonnen worden (und die Philosophie demnach insgesamt ein Mittel zur Verdrängung der Apokalypse, und ihr theologischer Gebrauch seit den Kirchenvätern nicht nur ein Produkt der enttäuschten Parusieerwartung)?
    Die Beziehung der Apokalypse zum Traum wird deutlicher, wenn man daran erinnert, daß Nebukadnezar den Daniel auffordert, ihm den Traum selber, und nicht nur seine Deutung, zu liefern (vgl. dagegen die Träume beim Joseph: die eigenen, die des Mundschenk und des Bäckers, und dann die des Pharao: der Pharao kennt seinen Traum, Nebukadnezar nicht). In der Apokalypse bezeichnet der Traum (wie heute, im Kontext der Kritik der Naturwissenschaften, der Begriff der Verdrängung) etwas Objektives, nicht etwas nur Subjektives, Psychologisches. Bezeichnet nicht der Weltbegriff (und der Ursprung des Staats) die Grenzscheide zwischen Prophetie und Apokalypse (mit fließenden Übergängen in der Prophetie und der Benennung der Grenze im Christentum)? Sind die mathematischen Naturwissenschaften nicht auch ein böser Traum von einer Welt, die „an sich“ ganz anders ist, aber einer cum fundamento in re?
    Die kopernikanische Theorie und die Geschichte der Naturwissenschaften seitdem war ein Instrument der Vergesellschaftung und Verinnerlichung von Herrschaft. Sie hat den Himmel dadurch aus dem Gesichtskreis der Menschen entfernt, daß sie ihn in den Innenraum ihrer (mathematischen Zwangs-) Vorstellung transportiert hat.
    Intersubjektivität ist die Gemeinschaft fensterloser Monaden: am Ende die gemeinsame Isolationshaft aller: ein böser Traum.
    Richten, Strafe, Buße, Sühne (oder über die reinigende Wirkung des Mords): In einer Gesellschaft, in der es nur noch Richter, aber keine Verteidiger, keine Gnade, keine Barmherzigkeit mehr gibt, gibt es keine Sühne mehr, die die Ehre des Täters restituiert (nur noch den faschistischen Mord: das perfekte Verbrechen verträgt keine Zeugen). Das Schlimmste ist, wenn einer (wie von Weizsäcker) sich entschuldigt. Die Deutschen sind es leid, „ewig im Büßerhemd herumzulaufen“. Die anderen waren „auch nicht besser“: Dafür müssen heute die Ausländer, die Linken, die Behinderten „büßen“ (aber diese Buße ist ebenso grundlos wie irrational: Sie hat ihren Grund nicht in Handlungen derer, denen die Buße auferlegt wird, sie ist stellvertretende Sühne, die die Untat ungeschehen machen soll, die die Richtenden an ihnen verüben, indem sie prophylaktisch die Erscheinung des Schuldvorwurfs – das Opfer als den zukünftige Zeugen der an ihm begangenen Tat – beseitigt: deshalb haben die Nazis als erstes die Bettler und die Kommunisten ins KZ gebracht). Das perfekte Verbrechen als Vollendung des Rechtsstaats: Letzte Konsequenz aus dem Satz, daß Gemeinheit kein strafrechtlicher Tatbestand ist? Die Gnadenlosigkeit bedarf der Strafe nur noch als Verdrängungshilfe; der Schritt zum faschistischen Mord ist dann nur ein kleiner Schritt.
    Die Todesstrafe wurde abgeschafft, als der Staat sie zur eigenen Begründung nicht mehr brauchte: nach endgültiger Durchsetzung des Gewaltmonopols. Aber hat sich damit nicht auch die Gemeinheit (nach Franz von Baader die „Niedertracht“) endgültig durchgesetzt? Ist die Menschheit nicht zum erstenmal wehrlos gegen das perfekte Verbrechen, dessen Alibi die Abschaffung der Todesstrafe ist?
    Die Taube ist das einzige nicht gehörnte Opfertier der Juden: Sie ist das Opfer der Armen, der Machtlosen, die Aufhebung des in ihnen erscheinenden Schuldvorwurfs an die Reichen und Herrschenden: so ist sie das Symbol des Parakleten, des Heiligen Geistes.
    Hat die physikalische Statistik (zusammen mit der „Gegenständlichkeit“ der Materie, der unlöschbaren Spur des Objektivationsprozesses) ihren Grund im Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit: in der Selbstreferenz, die seit der Hereinnahme eines empirischen Moments ins Inertialsystem aus der mathematischen Naturerkenntnis nicht mehr sich herausbringen läßt. Erst hierdurch entsteht jene quasiorthogonale Beziehung zur Materie, die der Grund der Atomistik und der Quantenstrukturen (des Planckschen Wirkungsquantums) ist. Im Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit enthüllt sich das projektive Moment in der naturwissenschaftlichen Erkenntnis, das den Begriffen der Natur und der Materie zugrundeliegt.
    Das „sub specie aeternitati“ meint nicht die Abstraktion von der Zeit, das Überzeitliche, sondern sprengt das Zeitkontinuum: Wiederherstellung der realen Gegenwart: Im Angesicht Gottes.

  • 08.12.93

    Mt 820 („die Füchse haben Gruben und die Vögel des Himmels Nester; der Sohn des Menschen dagegen hat nicht, wo er sein Haupt hinlegen kann“) und der Hinweis Hermann Gunkels dazu („Aus Wellhausens neuesten apokalyptischen Forschungen“, in Apokalyptik, S. 73): Der messianische Titel „Menschensohn“ (huios tou anthropou – ben adam / barnascha), den Mt in Gegensatz zu den Tieren rückt, könnte darin seinen Grund haben, daß erst im Menschensohn (als Gegentypos zum Tier: auch zum apokalyptischen Tier!) der Bann der Welt gebrochen ist.
    Mit dem „In-der-Welt-Sein“ des Daseins revoziert Heidegger die Humanität.
    Zur Bedeutung der sieben unreinen Geister: Durch den Bann der Welt (den Grund seiner Sprachlosigkeit), nicht durch den des Triebs, der Sexualität, unterscheidet sich das Tier vom Menschen, oder: Nicht die Ontologie, sondern die Ethik ist die prima philosophia, und durchs Denken („das alle seine Vorstellungen muß begleiten können“) ist der Mensch dem Bann unterworfen.
    Der Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen ist der Baum der urteilenden Erkenntnis: Die Erkenntnis des Guten und Bösen und die urteilende Erkenntnis (die Urteilsform: die Trennung von Begriff und Objekt) entspringen gemeinsam; sie sind der Kristallisationskern des Weltbegriffs („sie erkannten, daß sie nackt waren“: sie lernten mit dem Sündenfall sich in den Augen der anderen, als Objekte für andere, zu erkennen). Die Welt ist die verdinglichte Welt (die Welt in den Augen der anderen), und der Konkretismus (das Produkt der Hypostasierung und Personalisierung) ist die Sünde der Welt (Repräsentant des blinden Flecks, der das Subjekt in den Bann der Welt hereinzieht). Vgl. den Rosenzweigschen Hinweis auf die „verandernde“ Kraft der Kopula, des Wörtchens „ist“ („Das neue Denken“).
    Konstruktion der prophetischen Erkenntnis:
    – Aktualitätsbezogenheit (zeitgeschichtlicher Grund),
    – Kritik der Gewalt der Vergangenheit (die Tradition auf dem eigenen Rücken befördern),
    – Kritik des Weltbegriffs (des Säkularisationsprozesses, der Geschichte der Verdinglichung).

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