Die intentio recta, das Inertialsystem und die sieben unreinen Geister. Das Inertialsystem ist die real existierende Verwischung der Differenz zwischen Rechts und Links (und der drei Dimensionen des Raumes), und die Geschichte der Mathematik ist die Geschichte des Ursprungs der Definition des Begriffs der Dimension (Entdeckung des Winkels, der Null und der negativen Zahlen). Fortbildungen der intentio recta (der Abstraktion von der Reflexion): das Schaufenster und das Fernsehen; die Abstraktion vom Gesehenwerden (von der Scham) oder die Hereinnahme der Naturgrenze ins Sehen. Im Schaufenster und im Fernsehen erfüllt sich die intentio recta: als Hilfsmittel der Reklame und der Propaganda (als „Vater der Lüge“). Zur Beziehung der mikrophysikalischen Naturkonstanten zum Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit: Wenn das Plancksche Wirkungsquantum, die elektrische Elementarladung und die übrigen Konstanten mathematisch aus dem Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit sich nicht sollten herleiten lassen (wie die Kreiszahl pi oder die Basis des natürlichen Logarithmus e), so müßte die Unmöglichkeit der Ableitung streng sich darstellen lassen. Gegenstand einer Chaostheorie im traditionellen Sinne wäre eigentlich die Physik insgesamt, deren Erkenntnisse sich der Subsumtion der Dinge unter die chaotisierende Gewalt des Vakuums verdanken. Das Chaos im Schöpfungsprozeß, das tohu wa bohu, ist kein Attribut der Schöpfung insgesamt, sondern nur der Erde (Gen 12). Wenn der Himmel Sein Thron ist, ist dann nicht das Besitzen insgesamt blasphemisch (ein Akt der Empörung)? Wie heißt der Dominus Deus Sabaoth auf hebräisch (in den Geschichtbüchern, Psalmen und Propheten)? Die (die Naturerkenntnis begründende) Frage „If the future will be like the past“ hat ihr Gegenstück in der anderen (die historische Erkenntnis begründenden) Frage „If the past has been like the present“. Gibt es nicht auch Vergangenheiten im Plural, und ist die Singularisierung der Vergangenheit (wie die des Himmels) nicht eine Vergewaltigung des Objekts? An welcher Stelle bei der Lösung der sieben Siegel erscheinen der Drachen und die Tiere? Und haben die Planeten nicht doch etwas mit den Kasus und mit der Deklination der Nomina zu tun (z.B.: Nominativ = Sonne, Akkusativ = Mond; Genitiv = Merkur; Dativ = Venus; Instrumentalis = Mars; Vokativ = Jupiter; Ablativ = Saturn)? Ist die grammatische Durchbildung der Sprache (der indogermanischen und der semitischen) astrologischen Ursprungs (chaldäischen Ursprungs: Turmbau von Babel), und hat sie etwas mit dem „kreisenden Flammenschwert“ des Cherubs am Eingang des Paradieses (das dann im „zweischneidigen Schwert“ Ps 1466, Spr 54, Hebr 412 und in der Apk 116 und 212 wiederkehrt) zu tun? Hat die Gedankenschwere etwas mit dem Inertialsystem der Grammatik (wie die Materie mit dem Erlöschen der benennenden Kraft der Sprache) zu tun? Wenn die Sonne (die den Tag erhellt) den Nominativ und der Mond (der die Nacht erleuchtet) den Akkusativ repräsentiert, dann ist es in der Tat nicht unwesentlich, welchem Geschlecht sie zugeordnet werden.
März 1994
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30.3.1994
Die Kritik des Systems ist notwendig als Kritik der Verstrickung des eigenen Denkens ins System. Insbesondere die Totalitätsbegriffe zeigen systemische Züge.
Merkwürdige Geschichte: Der Begriff des Glaubens wurzelt im Begriff der Treue. Diese Treue ist zum Glauben erst unter der Herrschaft der Bekenntnislogik geworden. Erst die Nazis haben die Treue wiederentdeckt, aber als säkularisierte und personalisierte Treue (zu der sie übrigens im Systemzusammenhang von Glauben und Bekenntnis geworden ist).
Enthält nicht der Satz aus Benjamins Passagenwerk, daß es nichts Veralteteres gibt als die jüngstvergangene Mode, einen Hinweis auf das zentrale Problem der Erinnerungsarbeit: auf den Zusammenhang des Ältesten mit der Gegenwart? Ist die Vorstellung, daß die drei räumlichen Dimensionen im Hinblick auf ihre Beziehung zur Zeit äquivalent sind, nicht bloßer Schein? Wird sie nicht insbesondere durch die Schwere widerlegt?
„Der Himmel ist sein Thron, die Erde der Schemel seiner Füße“: Was heißt das? Drücken sich darin nicht zwei verschiedene Formen des Besitzens aus (zwei Formen des Besitzens, die nur Gott zugesprochen werden dürfen)? Sind es diese Formen des Besitzens, die im Inertialsystem vergewaltigt und falsch identifiziert werden? Am Inertialsystem wäre zu demonstrieren, daß die Begriffe Wissen und Erkennen nicht deckungsgleich sind (daß es ein gegen das Erkennen sich sperrendes, widersetzendes Wissen gibt: Grund des Positivismus, das Problem der physikalischen Erkenntnis).
Joh 129, Maria Magdalena und die sieben Siegel, oder: die Kritik des Inertialsystems (Erkenntnis des Tieres: hier braucht es Weisheit und Verstand).
Ist eigentlich Joh 129 der einzige Bezugspunkt der Apokalypse im Johannes-Evangelium?
Ist die (von der in den anderen Sprachen abweichende) Geschlechtszuordnung von Sonne und Mond im Deutschen die Besiegelung der Trennung von Ding und Sache, der vollständigen Verkehrung?
Gibt es eine Geschlechtszuordnung von Städten im Deutschen (die Anwendung des bestimmten Artikels auf die Städtenamen)? Der Gattungsbegriff Stadt ist feminin, aber die einzelnen Städte wie Köln, Berlin, Frankfurt u.ä. sind (wie die erste und zweite Person) geschlechtsunabhängig. Hat die Verschiebung der Deklination in den bestimmten Artikel (in dieses deiktische und substantialisierende Sprachelement) den Namen erst wieder freigesetzt, vom Begriff getrennt? Gilt das, was hier für die Stadtnamen gilt, nicht allgemein für Namen (auch die Namen von Ländern, Firmen, Betrieben, sofern sie nicht im Namen ein institutionelles oder ein dem äquivalentes begriffliches Element enthalten, wie die Post, die Bundesbahn, die AEG: Allgemeine Elektrizitäts-Gesellschaft u.ä.). Namen von Bergen, Flüssen sind nicht geschlechtsneutral (Berge sind männlich, Flüsse: die westlichen sind maskulin, die östlichen feminin?). – Warum kann man „die Eintracht“, „die Borussia“, „der VfL“, aber nicht im gleichen Sinne (wenn man den Verein und nicht die Spieler meint) „die Bayern“ sagen (im Hinblick auf die Wortbedeutung „Eintracht“ oder „Verein“ oder auf die feminine Wortbildung „Borussia“)? Ist die Geschlechtsneutralität der Namen eine Folge dessen, daß in den indoeuropäischen Sprachen das Neutrum zu einem Geschlecht geworden ist? Zweite Neutralisierung: Parodie auf die Theologie des Namens? Umgekehrt: Ist das Neutrum ein Abkömmling des Namens (und die Materie der Schwamm, der die benennende Kraft der Sprache aufsaugt)?
Die Löschung des Namens und die Zerstörung des Angesichts gehören zusammen mit der an der Entflammung gehinderten Entzündung (Zusammenhang mit der Theorie des Feuers). Produkt der Entzündung, die nicht zum Feuer sich befreit, ist das Ich (die Identität, die Person). Ursprung dieser Entzündung ist die Urteilsform, der Schwelbrand ist der der Empörung. Ist nicht die Idee des Absoluten die Narbe an genau der Stelle, an der die benennende Kraft ausgebrannt (die Sprache gelöscht) wurde, die gleiche benennende Kraft, die im Namen Gottes gründet (und sich erfüllt). Hierauf bezieht sich das Wort vom Bekenntnis des Namens. – An dieser Stelle ist daran zu erinnern, daß der Tempel in Jerusalem nicht das Haus Gottes, sondern das seines Namens war.
Vater unser, der du bist in den Himmeln, geheiligt werde dein Name: Wurde nicht mit der Zerstörung der Himmel die Kraft des Namens, die benennende Kraft der Sprache gelöscht (und nur in dem Buch, zu dem die Himmel sich aufrollen, erinnert und aufbewahrt)? Wie ist die Heiligung des Gottesnamens noch möglich ohne die Restituierung des Anfangs der Schöpfung, ohne die Erinnerung der Himmel? – Ist der Singular Himmel nicht der Reflex und das Pendant der Idee des Absoluten in der Theologie (wurde der Plural nicht durch die Idee des Absoluten getilgt, und damit zugleich der Name gelöscht): Grund der Geschlechtsumwandlung von Sonne und Mond im Deutschen?
War nicht die newtonsche Sonne noch Ausdruck der regierenden (männlichen) Gewalt, und ist die Sonne nicht zum passiven (feminisierten) Objekt erst im Absolutismus: mit dem Übergang von Politik in Verwaltung (zusammen mit der Privatisierung und Vergesellschaftung von Herrschaft, der Verbürgerlichung des Königtums), geworden. Die Sonne wurde feminin und der Mond maskulin, als Herrschaft endgültig gegen die Religion sich verselbständigte, im Prinzip der Trennung der irdischen von der himmlischen Sphäre, im Mond, sich festmachte.
Hat nicht das Christentum den Sonntag zum Ruhetag gemacht, und d.h. nach dem griechischen Modell in der Idee des Absoluten (der noesis noeseos) die Identität von Herrschaft und Muße hergestellt, die dann in der subjektiven Form der äußeren Anschauung, im Raum (im Systemzentrum des Inertialsystems), sich vergegenständlichte. Erinnerung an China: Herrschaft durch Nichtstun. Dagegen steht die kräftige Erinnerung Hermann Cohens, daß die Attribute Gottes Attribute des Handelns und nicht des Seins sind, und Erinnerung von Immanuel Levinas daran, daß die Ethik und nicht die Ontologie die prima philosophia ist.
Der Himmel ist maskulin, und die Erde feminin. Das aber heißt, daß in der deutschen Sprache der Mond dem Himmel und die Sonne der Erde zugeordnet sind.
Hängt nicht die Geschlechtszuordnung von Sonne und Mond im Deutschen mit der Bildung und Funktion der bestimmten Artikel zusammen?
Wie verhält es sich
a. mit den Planeten: hier scheint nur die Venus feminin zu sein, und
b. mit dem Gattungsbegriff Stern, der im Deutschen maskulin ist, und wie in den anderen Sprachen, insbesondere im Griechischen (astron n.) und Lateinischen (stella f.; sidus, -eris n.)?
Wie verhält sich das Ganze zum Sündenfall, nach welchem Adam dazu verurteilt wurde, den Staub zu produzieren, den die Schlange frißt (genauester Ausdruck der neutralisierenden Gewalt des Patriarchats, die am Ende auch das Neutrum selber ergreift: im Greuel am heiligen Ort)?
Der zum Nominativ (zur Bezeichnung des Substantivs) entmächtigte Name wird über den Neutralisierungsprozeß hinaus nochmals neutralisiert, und wird so zum Absoluten, zum schwarzen Loch, in dem der Name gelöscht wird.
Ist nicht der Greuel am heiligen Ort die letzte Steigerung der Unfähigkeit, Rechts und Links zu unterscheiden, auf die am Ende des Jonasbuches hingewiesen wird. Produzenten des Greuels am heiligen Ort sind: das Inertialsystem, das Tauschprinzip (die Geldwirtschaft) und die Bekenntnislogik (Instrumentalisierung des Kreuzestodes: Inbegriff der Exkulpations- und Gemeinheitsautomatik).
Das Zeichen des Tieres an der Stirn und an der Hand: Ist das nicht der Hegelsche Begriff? In der Apokalypse nochmal genauer die Attribute des Drachen und der Tiere ansehen (Hörner, Köpfe, Kronen). -
28.3.1994
Gehört nicht der Name des Hauses zur Genealogie des Begriffs der Welt?
Im Lateinischen hat das Imperium (die Stellung des Staates) die Bildung des bestimmten Artikels verhindert. Sind nicht die suffixe insgesamt Emanationen des Staates (seiner substantivierenden Gewalt), die Präfixe hingegen Emanationen des Subjekts (Ausdruck des eingreifenden Charakters des Denkens und der Erkenntnis)?
Siegel waren einmal die Zeichen der Person, Vorläufer der späteren Unterschrift: Verträge, Erlasse wurden besiegelt. Das Buch mit sieben Siegeln: ist das die Buchrolle, zu der der Himmel sich aufrollt? Und bezeichnet die Lösung der sieben Siegel die Wiedergewinnung der benennenden Kraft der Sprache als Lösung der entfremdenden Gewalt der subjektiven Form der äußeren Anschauung, des Raumes)? Hat das Siegel etwas mit dem Schwur, der Anrufung der Götter, zu tun: Eure Rede sei ja, ja und nein, nein? Steckt nicht die Wahrheit in der benennenden Kraft der Sprache, und verweist nicht der Hegelsche Satz, wonach das Wahre der bacchantische Taumel sei, in dem kein Glied nicht trunken ist, auf die direkte Folge der Zerstörung des Namens (den Taumelkelch, den Kelch des göttlichen Zorns, den Kelch der Unzucht, den die Herrschenden und ihre Anhängerschaft trinken)? Ist nicht das Lamm Gottes (das allein würdig ist, die Siegel zu lösen) auch in dieser Hinsicht nur ein anderer Name des Logos? Das aber heißt, daß Joh 129 nicht nur unters Nachfolgegebot fällt, sondern es aufs genaueste ausdrückt.
Die Hegelsche Logik ist die moderne Entsprechung des Tierkreises, seine Lehre vom Geist (seine Gesellschaftstheorie) die der astrologischen Planetentheorie.
„Und ein starker Engel hob einen Stein auf gleich einem großen Mühlstein, warf ihn ins Meer und sprach: So wird die große Stadt Babylon mit einem Schwung weggeworfen werden, und sie wird nicht mehr zu finden sein.
– Und ein Ton von Harfenspielern und Musikern und Flötenspielern und Trompetenbläsern wird nicht mehr in dir gehört werden,
– und kein Künstler in irgendeiner Kunst wird mehr in dir gefunden werden,
– und das Geräusch der Mühle wird nicht mehr in dir gehört werden,
– und das Licht der Lampe wird nicht mehr in dir scheinen,
– und die Stimme des Bräutigams und der Braut wird nicht mehr in dir vernommen werden –
deine Kaufleute waren nämlich die Großen der Erde -, weil durch deine Zauberei alle Völker verführt wurden; und in ihr wurde das Blut der Propheten und Heiligen gefunden und aller derer, die auf Erden hingeschlachtet worden sind.“ (Apk 1821ff)
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28.3.1994
„Gott, wie zuträglich muß es erst sein, wenn Nachdenkender vom Betrunkenen lernt.“ (Kafka: Erzählungen, S. 223)
„Aus der Tiefe rufe ich zu Dir, Herr.“ Ist diese Tiefe der Abgrund, der die Andern von mir trennt? Und ist die Intersubjektivtät nicht bloß der Poesche Maelstrom?
Wenn die Trunkenheit ein sprachlicher Sachverhalt ist, was ist dann der Wein (Noe, Hochzeit von Kana)? Und was ist die aufgedeckte Blöße, und hat die Decke, mit der Sem und Japhet die Blöße Noes bedecken, etwas mit dem Fell von Tieren und mit den Zelten Sems zu tun?
Die Philosophie ist die erzwungene Selbstreflexion jener Verstrickung, in die das Bewußtsein durch den Weltbegriff gerät.
DAs Absolute rührt an die Wahrheit ähnlich, wie die beiden Seites eines Blattes sich berühren.
Die Zauberei, die an den Hexen verfolgt wird, ist die Zauberei des Absolutismus, der in den Hexen die eigene Beziehung zum Totenreich wiedererkennt.
Schon beim Pharao wittert das Herrendenken im Befreiungstrieb einen konkurrierenden Machtanspruch.
Hat nicht der deutsche Michel das Quis ut Deus immer schon auf seinen Wilhelm bezogen, der am Ende Adolf hieß? Bindeglied war der säkularisierte Heroismus: der durch Verdrängung irrational gewordene Freiheits- und Revolutionstrieb.
Wie hängen die Infinitivbildungen (die Verbalsubstantive) mit dem Sein zusammen:
– paideuein/ einai
– facere/ esse.
Sind die Infinitivsuffixe aus den Infinitiven von Sein hervorgegangen? (Ist das Sein, oder das Seiende Gegenstand der griechischen Ursprünge der Philosophie von Parmenides bis Aristoteles?)
Der obszöne Kern der Naturwissenschaften: Das Inertialsystem als die Einheit von Vergewaltigung, Masturbation und Exhibitionismus. Der Weltbegriff bezeichnet die durch Trunkenheit aufgedeckte Blöße (vgl. auch das Aufdecken der Blöße bei den Propheten).
Der projektive Charakter des Vorwurfs einer metabasis eis allo genos: Die Befolgung dieser Warnung endet in der Rassentheorie und im Antisemitismus. Gehört nicht die Fähigkeit, auch in eine andere Gattung und in ein anderes Geschlecht sich hineinzuversetzen, zu den Vorzügen und zur Würde der Menschen? Darauf, auf die Aufhebung der Gattungsgrenze, die eine Todesgrenze ist, bezieht sich die Idee der Auferstehung der Toten.
Zum Pazifismus: Darf der Tierschutz auch für den Behemot und den Leviatan gelten (für den totalitären Staat oder den Kapitalismus)?
Der Begriff und die Polizei machen ihre Objekte dingfest, während die Ausbilder und Aufseher sie fertigmachen.
Zum Begriff des Bekenntnisses: Die virgo (das weibliche Pendant des confessor) verkörpert die Keuschheit, nicht die Unschuld; darin liegt (im Gegensatz zur sexualmoralischen) ihre politisch-theologische Bedeutung. Die Verknüpfung von Keuschheit und Unschuld (Grund der zentralen Funktion der Sexualmoral in der verdinglichten Theologie und Folge der Rezeption des Weltbegriffs, der Opfertheologie und der damit verknüpften Bekenntnislogik) hat eine der gefährlichsten und verhängnisvollsten Entwicklungen in der religiösen Tradition eingeleitet. Diese gegen ihre politischen Bedeutung immunisierte Keuschheit ist im Zölibat instrumentalisiert (zu einem Herrschaftsmittel gemacht) worden. Nicht die Sexualität, sondern das Herrendenken (zu dessen Implikationen der Sexismus gehört) ist das, was in der Prophetie mit Unzucht und Hurerei (wie auch mit der Trunkenheit und dem Kelch des göttlichen Zorns) gemeint war. -
27.3.1995
Fällt nicht die „Postmoderne“ selber unter den Begriff der Moderne, der nicht so leicht zu rechtfertigen ist, wie seine Apologeten heute möchten, die als modern alles verstehen, was die Theologie hinter sich gelassen hat, während ihnen selbst unter der Hand die „Moderne“ zu einem quasitheologischen Bekenntnis geworden ist. So rächt sich der Verzicht auf die kritische Reflexion der Theologie. Und war nicht die Moderne selbst schon die Postmoderne der via moderna der Theologie? Die Verführung jeder Moderne: die Vorstellung, mit ihr sei das Vergangene erledigt. Genau das macht die Postmoderne paradox und die Moderne (wie die Form des Raumes, durch die der Begriff der Moderne vermittelt ist) unwiderlegbar.
Und so viel Vieh (der Drache, das Tier aus dem Meer und das Tier vom Lande; Hörner, Köpfe und Kronen): Die Mechanik neutralisiert die Unterscheidung von Vorn und Hinten, die Gravitationstheorie die von Oben und Unten, und der Bereich der Naturwissenschaften, auf den das Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit sich bezieht (von der Elektrodynamik über die Mikrophysik bis hin zur Chemie), die Unterscheidung von Rechts und Links.
Der Begriff eines „innertrinitarischen Prozesses“ ist blasphemisch: Aus dem Begriff des Prozesses ist die Assoziation beherrschbarer Naturprozesse oder auch des strafrechtlichen Verfahrens, mit einem Wort: das Herrendenken, nicht herauszulösen. Er ist Teil und Produkt des historischen Objektivationsprozesses, dessen innertheologische Spiegelung. Wenn die Voraussetzung jeder Vergegenständlichung die Subsumtion unter die Vergangenheit ist, dann entzieht sich Gott jeder Vergegenständlichung (das war der Sinn des Verbots, den Gottesnamen, der unseren Theologen heute so leicht von den Lippen geht, auszusprechen). Das „Objekt“, auf das der Begriff des innertrinitarischen Prozesses sich bezieht, ist die Idee des Absoluten: der Schatten, den die Subjektivität auf Gott wirft.
Ohne den Himmel (und seine Parodie: den Staat) gibt es keine Verkörperung. Diese Verkörperung ist der Grund des Namens: den hat die kopernikanischen Wende mit dem Erinnerung an den Himmel neutralisiert.
Das Himmelreich ist das Reich der Namen, mit denen die Dinge am Ende gerufen werden, und in denen sie am Ende sich selbst erkennen.
Mit dem Urschisma hat das Christentum den Bruch mit seiner eigenen Vergangenheit vollzogen und den Grund für die moderne naturwissenschaftliche Aufklärung gelegt.
Der historische Objektiviationsprozeß hat Geschichte als Herrschaftsgeschichte freigelegt. Und war Jesus nicht, als er den Jüngern in Emmaus erklärte, daß alles so habe kommen müssen, damit die Schrift erfüllt werde, der erste Hegelianer? -
27.3.1994
Kai epestrepsa blepein tän phonän hätis elalei met‘ emou. – „Ich wandte mich um, um die Stimme zu sehen, die mit mir redete. Und als im mich umwandte, sah ich sieben goldene Leuchter und inmitten der sieben Leuchter einen, der einem Menschensohn ähnlich war, …“ (Apk 112f) Macht die Umkehr das Wort sichtbar (Beziehung des Lichts zur Sprache)?
Ist die „eine Meinung“ der zehn Könige (mian gnomän, Apk 1713.17) das Dogma, das Bekenntnis?
Hängt das Wort Stuhl mit stehlen zusammen (nach Kluge mit stehen, ähnlich die Ableitung von Thron, übers Französische vermittelt)? Ist nicht der Stuhl das Symbol des Besitzes (in der Schrift wird mit den Schuhen, durch Betreten, Besitz von etwas ergriffen)? Wie verhält sich hierzu das Wort: Der Himmel ist sein Thron, die Erde der Schemel seiner Füße (haben wir IHN nicht in beiden Teilen enteignet). Wer hat wann den Stuhl erfunden (spielt hier die herrschaftsbegründende Entwicklung der Astronomie und der Geldwirtschaft, zusammen mit der späteren Vergesellschaftung des Stuhls, mit herein)? Und hängt die Vergesellschaftung des Stuhls mit der Trennung von Ding und Sache (und diese mit der Unterscheidung von Besitz und Eigentum) zusammen? Vgl. im Lateinischen: possidere, occupare -in Besitz nehmen; facere c. gen. – zum Eigentum machen. Während das Eigentum zu den Grundlagen des Staates gehört, gehört der Besitz zu den Ursprungsbedingungen des Kapitalismus (Lohnarbeit als organisierter und legalisierter Raub: Grundlage des Inertialsystems; Zusammenhang der Verräumlichung mit der Trennung der primären und sekundären Sinnesqualitäten; das Relativitätsprinzip gründet in einer begrifflichen Eigenschaft des Geldes: Grund dafür, daß es keinen Reichtum ohne die Erzeugung von Armut gibt).
Der Stuhl, der Ursprung des Inertialsystems und die sieben unreinen Geister („Besessenheit“ als Folge der Neutralisierung des Raumes).
Wie verhalten sich:
– die ursprüngliche Akkumulation des Kapitals und die Entstehung des Proletariats in England,
– der Merkantilismus in Frankreich und
– der Absolutismus in Deutschland
zueinander? Sind sie nicht drei Seiten ein und derselben Sache? (Die Freisetzung der Bauern: die Trennung der primären von den sekundären Sinnesqualitäten?)
Ist der Thron durch den Tisch zum Stuhl geworden? Vor dem Stuhl fällt niemand mehr auf die Knie, aber dafür wird auf dem Tisch angerichtet. Erst der Tisch (als Abkömmling des Altars und der Tische der Händler und Geldwechsler, die SEIN Haus zur „Räuberhöhle“ gemacht haben) hat das Essen vom Opfer getrennt (das Opfer verinnerlicht), er hat es zum Gericht gemacht.
Mit dem Besitz hängt auch die Besessenheit, das Dämonische, zusammen: Reflex der Objektseite. Hier gründet die Geschichte von den sieben unreinen Geistern.
Thing, Gericht und Ding (das als Objekt verurteilte Ding): Die Hegelsche Logik entfaltet das Urteil, das das Ding zum Ding gemacht hat.
Unterscheiden sich Heidegger und Rosenzweig nicht dadurch, daß Heidegger aus Angst vor dem Tod (aus objektloser Angst) Selbstmord begeht, während Rosenzweig der Ausbruchsversuch ohne den Preis der Verdrängung, den die Philosophie seit ihrem Ursprung gezahlt hat (und deren gegenständliches Korrelat und Erzeugnis das Inertialsystem ist), gelingt?
Schuld durch Nichthandeln (die Schuld von Auschwitz) ist strafrechtlich nicht faßbar, weil sie die Grundlage der Geldwirtschaft, des Kapitalismus ist (Handeln aus Mitleid ist existenzgefährdend). Hier liegt der systemlogische Grund, weshalb Gemeinheit kein strafrechtlicher Tatbestand sein darf. -
26.3.1994
Im Angesicht und Von Angesicht zu Angesicht sind zu unterscheiden: Im Angesicht meint das Unter, eine Beziehung zum Oben, von Angesicht zu Angesicht meint das Vorn. Ist das Vorn nicht die Vollendung des Unter? Die Subsumtion unter die Vergangenheit bezeichnet das telos des Falls und den terminus a quo der Umkehr: – Hinter dem Rücken ist das Produkt der Subsumtion des Angesichts unter die Vergangenheit (Vorn – Hinten, Osten – Westen), – das strenge Gericht ist das Produkt der Subsumtion der Barmherzigkeit unter die Vergangenheit (Rechts – Links, Süden – Norden), – Herrschaft ist das Produkt der Subsumtion der Versöhnung unter die Vergangenheit (Oben – Unten). Die Naturgrenze ist die Todesgrenze: die Grenze zur Vergangenheit. Ist die Geschichte der drei Leugnungen die Voraussetzung für die Wiederkunft? Gehört nicht die Geschichte mit den Jüngern in Emmaus (und das „Mußte das nicht alles so geschehen“) ebenso zur Geschichte der Auferstehung wie die Geschichte der Maria Magdalena und das Apostolat? Die Jünger erkannten ihn dann am Brotbrechen. Ist die Zahl des Tieres (Apk 1318) – die Zahl des ersten Tieres (des Tieres aus dem Meer, „das zehn Hörner und sieben Köpfe hatte und auf seinen Hörnern zehn Kronen und auf seinen Köpfen gotteslästerliche Namen“) oder – die Zahl des zweiten Tieres, des Tieres aus der Erde („es hatte zwei Hörner wie ein Lamm und redete wie ein Drachen“)? Die beiden Tiere treten auf, nachdem „der große Drache, die alte Schlange, genannt der Teufel und der Satan, der den ganzen Erdkreis verführt, … auf die Erde (geworfen wurde)“ (129). In der Zusammenstellung: Stämme, Völker, Sprachen und Nationen scheinen die Sprachen die Grundlage zu sein, während die Stämme, Völker und Nationen Verkörperungen der Sprachen (die sich vielleicht sogar systematisch deduzieren lassen) sind: – die Stämme durch Genealogie, – die Völker durch die Stadt und das Königtum und – die Nationen durch den Staat, die Schrift, die Literatur? Auf den Sprachgrund des Ganzen verweist die Geschichte vom Turmbau zu Babel im Kontext der Beziehungen der Söhne des Noach (Sem, Japhet und Ham). (Leiten die Stämme und Völker mit indogermanischen Sprachen im Umkreis Israels, insbesondere die Hethiter und die Perser, sich wie die Griechen von Japhet, dessen Nachkommen „in den Zelten Sems“ wohnen, her? Hat der Name Sems etwas mit dem hebräischen Wort für den Namen, schem, zu tun, und was bedeuten dann die Namen Japhet und Ham?) Die Geschichte der drei Leugnungen endet mit dem Satz „und er ging hinaus und weinte bitterlich“. Ist die vorausgegangene Abfolge der Leugnungen ein Folge der Steigerung des Lachens? Und wenn bei Nietzsche der Tod Gottes in der „Fröhlichen Wissenschaft“ erstmals vorkommt, und Rosenzweigs Nietzsches Atheismus eine „Leugnung ins Angesicht Gottes“ nennt, gehört das nicht genau in diesen Zusammenhang? – Sind wir nicht nur ein Gelächter? Das Lachen ist der das Objekt konstituierende Begriff; erst die Reflexion, die Trauerarbeit und das Weinen, löst den Bann. Verhalten sich nicht Licht und Gravitation wie Innen und Außen? Und sind nicht die physikalischen Erhaltungssätze allesamt Systemfunktionen oder Existenzbedingungen des Inertialsystems, dem gesellschaftlich das Recht korrespondiert (Hinweis zum Begriff des Gesetzes)? Der Materie entspricht das Eigentum und die Person. Gemeinheit ist kein strafrechtlicher Tatbestand, weil sie ein Sinnesimplikat der die Rechtslogik begründenden Allgemeinheit ist. Das Recht – gilt gegen alle, – es muß auf alle gleich angewandt werden (es ist den Reichen und den Armen gleichermaßen untersagt, unter den Seinebrücken zu nächtigen) und – es ist präjudizierend (jedes Urteil hat Auswirkungen auf alle nachfolgenden Urteile). So ließe sich das das Rechtssystem begründende Relativitätsprinzip formulieren (seine Homogenität und seine Geltung für alle Objekte, an allen Orten und zu jeder Zeit). Aber was entspricht dann dem Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit und der Identität von schwerer und träger Masse? Zur typologischen Qualität der modernen Naturwissenschaften: Gehören nicht – das Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit und der Urknall und – der schwarze Körper und das schwarze Loch zusammen, und gehört nicht das eine zum Problem der Konstituierung des Raumes und das andere zum Problem des Begriffs der Materie? Wie wäre der erste Satz des Tractatus logico-philosophicus ins Griechische, Lateinische, Englische oder Französische zu übersetzen; klingen auch hier die Beziehungen zur Deklination, zur Gravitation wie auch zum Sündenfall mit an? Vgl. im Lateinischen: lapsus, casus, im Englischen: fall, case, matter. Rührt die Einsteinsche Erkenntnis der Identät von schwerer und träger Masse nicht an einen theologischen Sachverhalt? Die Form des Raumes als Form der Gleichzeitigkeit repräsentiert zugleich die dreifache Abbildung der Zeit auf die Dinge.
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25.3.1994
Die Vorstellung einer homogenen Zeit gründet in der Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit (deren erste Gestalt war die Schicksalsidee: das Formgesetz des Mythos und der Grund, aus dem der Begriff, das Medium der Philosophie, hervorgegangen ist); sie ist vermittelt durch die Form des Raumes (Ableitung der Tatsache, daß der Raum drei Dimensionen hat). Durch die Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit (und d.h. durchs Inertialsystem) ändert sich auch die wirkliche Vergangenheit, wird sie überhaupt erst vergangen, unwiederholbar, entzieht sie sich dem ändernden Eingriff (Ursprung des Naturbegriffs). Der Raum begründet die Notwendigkeit der Erinnerungsarbeit und verhindert sie zugleich; er verhindert die der Prophetie zugrunde liegende Einsicht, daß nichts Vergangenes nur vergangen ist.
Die Pforten der Hölle: das sind die Pforten der Unterwelt, des Totenreiches, der Vergangenheit, der Natur. Aber stark wie der Tod ist die Liebe.
Aus dem Konstrukt der Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit müßte sich eigentlich die Beziehung des Ursprungs des Weltbegriffs (der Philosophie und des Staats) zur Astronomie ableiten lassen. Zugleich müßte durchsichtig werden, was es mit den sieben Siegeln (und ihrer Beziehung zur Form des Raumes) auf sich hat, die allein das Lamm zu lösen vermag; ebenso das rationale Element in der Astrologie (Beziehung des Sternkreises zum Planetensystem) sowie die Bedeutung der biblischen Stellen über den Orion und die Plejaden, das Siebengestirn (das nach anderer Tradition auch auf die Planeten bezogen ist). Waren nicht die Plejaden die Tauben?
Der Mond, der die irdische von der himmlischen Welt trennt, ist die Hölle vor dem Angesicht (heulen deshalb Hunde den Mond an?).
Hat die Geschichte von dem einen unreinen Geist, der in die Wüste geht und mit sieben weiteren unreinen Geistern zurückkehrt, etwas mit Orion und den Plejaden zu tun?
Auschwitz und die Astronomie (ist meine Lähmung nicht eine Lähmung durch Auschwitz, die ich an den Naturwissenschaften abarbeiten mußte?).
Es gibt die Vögel des Himmels, das Königreich der Himmel und die Wolken des Himmels, auf denen der Menschensohn wiederkommen wird.
Hat Jesus nicht die Taubenhändler und die Geldwechsler aus dem Tempel vertrieben? Wenn die Geldwechsler die Banken sind, wer sind dann die Taubenhändler? (Die Naturwissenschaften?)
„Was du auf Erden lösen/binden wirst, …“: Auf Erden, dafür steht im Griechischen epi täs gäs (epi mit Gen.), „wird auch in den Himmeln gebunden/gelöst sein.“ Ist der Himmel im Singular ein Reflex der Idee des Absoluten, und käme es nicht darauf an, endlich den Plural wiederzuentdecken (im Kontext der Kritik des Begriffs einer absoluten Wahrheit, der Kritik des Dogmas und der Bekenntnislogik)?
Sind die deutschen Präfixe Abkömmlinge der Präpositionen, und sind diese wiederum Erweiterungen und Abkömmlinge der Deklination; ist weiterhin diese Genealogie der Präfixe nicht in der Struktur des Neutrums vorgebildet (vgl. die Schlange, die den Staub frißt, den Adam produziert)? Und hängt das am Ende mit der Geschichte der drei Leugnungen zusammen?
Wie steht das Haus zum Ding (der Raum zur Materie, die Ontologie zur Existenz)? Ist die Beziehung beider vorgebildet in der Beziehung von Ägypten und Babylon (Pharao und das Sklavenhaus Ägypten, der Turmbau von Babel und die Verwirrung der Sprachen)?
Bedeutung des Namens „Haus“: Ägypten (Pharao und das Sklavenhaus; die Häuser der Juden in Ägypten, deren Pfosten vorm Exodus mit dem Blut der Pessachopfer bestrichen wurden, um den Racheengel abzuhalten, auch die Erstgeborenen der Juden zu töten; vgl. hierzu die Bindung Isaaks und die Opfer der Erstgeborenen für den Moloch), die mit Aussatz befallenen Häuser in der Thora, Häuser in der Astrologie, genealogischer Begriff „Haus“ (Haus Israel, Haus David), oikos (der Hausvater und der Verwalter).
Die Orthodoxie ist das Bindeglied zwischen Mathematik und Sprache.
Der Raum als die Form der Gleichzeitigkeit ist ein Reflex der inneren Struktur der Zeit.
Die Vergangenheit ist endgültig nur dann vergangen, wenn die Zeit unendlich ist (wenn es eine ursprüngliche Vergangenheit, eine Vergangenheit vor jeder Gegenwart, gibt und kein Ende der Zeit).
Auch das Lachen und Weinen ist in der Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit begründet (während das Lachen die Subsumtion bestätigt, ist Erinnerungsarbeit Trauerarbeit: „Und er ging hinaus und weinte bitterlich“).
Wer überleben will, muß an der Macht der Vergangenheit über die Zukunft partizipieren, er sollte aber dabei die drei evangelischen Räte nicht vergessen. -
24.3.1994
Drücken die heutigen Kommunikations- und Diskurstheorien, die nicht einmal mit den Informationstheorien auf einen gmeinsamen Nenner sich bringen lassen, nicht doch nur noch einen Mangel aus: daß es im Kontext von Kommunikation, Diskurs und Information den Zusammenhang von Sprache und Erkenntnis nicht mehr gibt. Grund ist die Unfähigkeit zur Reflexion, das starre Festhalten am Objektbezug der Sprache, die in diesem Bezug sich aufgelöst hat. Habermas‘ eigene Abgrenzung von Horkheimer, Adorno und Benjamin, sein Verzicht auf den Wunsch, auch die Natur an der Idee einer richtigen Gesellschaft teilhaben zu lassen, drückt das aufs genaueste aus.
Der Weltbegriff entfaltet heute eine nach innen, gegen die Sprache und gegen jeden nicht positivistisch eingeschränkten Erkenntnisbegriff gerichtete Sprengkraft (ähnlich wie in der Gesellschaft gegen die Armen und die Fremden).
Selbstreferenz des Weltbegriffs: Er ist zum Inbegriff des Gerichts über die Richtenden geworden. Das ist die Wahrheit der noesis noeseos, der Idee des Absoluten.
Newtons Begriff des absoluten Raumes (Grund der Selbstreferenz des Weltbegriffs), der die Idee des Absoluten an die Vorstellung des Raumes als subjektive Form der äußeren Anschauung bindet, ist bis heute unaufgelöst.
Die Orthodoxie ist das Kreuz, das die Kirche auf sich genommen hat; die Unfähigkeit, das durch Reflexion ins eigene Selbstverständnis mit aufzunehmen, ist der Kelch, den sie getrunken hat: Grund der Verstockung im Herrendenken, der Versteinerung des Herzens, die heute erstmals auf die Gläubigen übergreift.
Wenn bei Hegel die Idee die Natur frei aus sich entläßt, so ist das ein Akt des Exhibitionismus, der zwangshaft sich entladenden Urteilslust. Grund ist die Weigerung oder das Unvermögen, die Sünde der Welt auf sich zu nehmen. .
Ulrich Sonnemanns Satz, die Zukunft sei von außen wiederkehrende Erinnerung wird wahr, wenn er um ein Geringes berichtigt wird: Wenn Erinnerungsarbeit nur tief genug in die Vergangenheit eindringt, trifft sie zwar nicht auf die Zukunft, wohl aber auf ihr genauestes Spiegelbild (den Gegenstand der Prophetie). Dieser Satz findet seine Begründung in Joh 129. Die Sünde der Welt ist die Decke, die über der Zukunft liegt; und nur wer sie auf sich nimmt, vermag den Schleier zu lüften (darin gründet der Begriff der prophetischen Erkenntnis), während das Theologumenon von der „Entsühnung der Welt“ (die Opfertheoplogie und die Vorstellung vom Opfertod Jesu) mit der abgeschlossenen Vergangenheit (in die keine menschliche Macht zurückreicht, die wie die Natur nicht sich ändern läßt) auch die Zukunft verschließt. So hängen Erinnerung, Sündenvergebung und die Idee der Auferstehung der Toten zusammen. Und hierauf bezieht sich der Satz, daß die Pforten der Hölle sie (die Kirche) nicht überwältigen werden. -
23.03.94
Der Weltbegriff ist der Inbegriff der Katastrophe, aber bei gleichzeitiger Abstraktion von der Katastrophe. Prophetie ist keine umgekehrte Geschichtsschreibung, sie ist vielmehr der Einspruch gegen die Vorstellung, nach der die Zukunft wie die Vergangenheit sein wird. Deshalb gehört zur Rekonstruktion des prophetischen Denkens die Kritik sowohl der Natur- wie der Geschichtswissenschaft, die beide davon ausgehen, daß die Zukunft wie die Vergangenheit sein wird. Jeglicher Fundamentalismus – und auch der Stalinismus war ein (marxistischer) Fundamentalismus – steht unter dem Bann des eigenen Feindbildes. Ist die „Schwerkraft“ die Besiegelung der Leugnung des Angesichts? Hat nicht das newtonsche Gravitationsgesetz die Form des Lichts ursurpiert: die Reflexionsbeziehung der „Anziehungskräfte“ spiegelt die zugleich verdrängte innere Form des Lichts, die Einheit des Sehens und Gesehenwerdens, wider. Merkwürdige Wahrnehmung: die Masse wird immer gesichtslos genannt; aber beim Vorbeimarsch der Massen beim Führer hat jeder sich als vom Führer „persönlich angeblickt“ gefühlt. War das ein Schameffekt (und ist nicht auch die Gravitation ein Schameffekt, Produkt der Universalisierung der Scham)? Wer die Astrologie als die Wissenschaft der Chaldäer (der Sumerer?) begreift, begreift den Turmbau zu Babel. Bilden nicht die Schöpfungsgeschichte, die Geschichte vom Sündenfall und die jahwistische Urgeschichte eine Konstellation, in der die Teile nur begriffen werden können, wenn das Ganze begriffen wird (in gewisser Hinsicht vergleichbar dem Zusammenhang von Logik, Naturphilosophie und Philosophie des Geistes im Hegelschen System)? Sie werden völlig verkannt, wenn sie historisiert und nur als vergangen angesehen werden, wenn das prophetische Moment darin, das, was die Aktualität, die Gegenwart, berührt, verdrängt wird. Wenn man einen Handschuh umstülpt, wird aus dem rechten ein linker. Ist das ein Bild der Beziehung von Barmherzigkeit und Gericht? In den alten Sprachen waren die Suffixe in erster Linie Determinanten, dann Grund und Mittel der Flexion, in den neuen Sprachen sind sie Mittel der Substantivierung (die die flektierende Sprache voraussetzt, aus ihr zusammen mit dem Inertialsystem hervorgeht). Welches ist die Bedeutung der Präfixe; wie ist ihre Beziehung zu den Präpositionen? Daß Joh 129 unters Nachfolgegebot fällt, ergibt sich aus dem Satz vom Binden und Lösen. Ist nicht die Mathematik, die alles erstarren macht (und damit alles verfügbar macht, instrumentalisiert), das steinerne Herz (Grund der Objektivierung, Verhältnis des Dogmas zur Mathematik)? Es gibt keine absolute Wahrheit, was jedoch nicht heißt, daß es keine Wahrheit gibt. Hat Hegel beim Übergang vom Sein zum Werden nicht das Haben vergessen? Und beschreibt der Satz „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ nicht einen sprachlogischen Sachverhalt: Die Würde hängt in der Tat zusammen mit dem konjunktivischen Hilfsverb „würde“ und drückt das Nichtverdinglichte, und deshalb nicht Antastbare, aus. Damit hängt u.a. auch die heute so beliebte Sprachwendung „ich würde sagen“ zusammen. Was ich nur sagen würde (ich habe es ja nicht gesagt), entzieht sich der Anklage, der Kritik; die Wendung erfüllt eine exkulpatorische Funktion. Wie hängen die die Fremdbestimmung reflektierenden Hilfsverben des Handelns „müssen“, „sollen“, „dürfen“ zusammen? Die Gottesfurcht ist der Grund der Weisheit, weil sie der Grund der Fähigkeit zur Sprachreflexion ist. Am Begriff des Glücks läßt sich das alles durchkonjugieren: Glück haben ist etwas anderes als glücklich sein, und das wiederum ist zu unterscheiden vom würdig sein, glücklich zu werden (ist nicht dieses „würdig“ das Verbindungsglied zwischen der Würde und dem Hilfsverb „würde“?). Das Wort von der rechten und linken Wange in der Bergpredigt ruft nur deshalb einen solchen Widerstand (schon gegen das Verständnis des Wortes) hervor, weil heute fast alle ihr Ich an die Fähigkeit, sich rächen zu können, knüpfen. Wer auf Rache Verzicht leistet, entsagt dem Recht, Person zu sein. Hier liegt der wichtigste Grund des Rechtsstaats, der auch dort, wo ich selbst mich nicht rächen kann, für mich einsteht, die Rache stellvertretend für mich leistet. Deshalb brauchen wir Gefängnisse (und totalitäre Staaten Konzentrationslager). Wenn das Stichwort „Terrorismus“ fällt, setzt heute im öffentlichen Gebrauch der Verstand aus. Das beginnt in den Medien mit der geheuchelten Anteilnahme („die Kurden erweisen sich selber einen schlechten Dienst“) und endet mit der öffentlichen Präsentation der Mordlust („alle ins Flugzeug, und dann überm Meer: Klappe auf“). Und der deutsche Innenminister sagt’s dann auch nicht viel anders und hat offensichtlich große Mühe, die Wut, die seine Gesichtszüge und seine Sprache entgleisen läßt, noch zu beherrschen.
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22.03.94
Person und Charakter sind Produkte der Verinnerlichung der Scham (gleichsam der Welt- und Naturaspekt der verinnerlichten Scham): Der Ursprung des Personbegriffs in der Maske des Schauspielers hängt damit zusammen (es ist die gleiche Schamgrenze, die den dramatischen Inneraum der Arena, des Theaters, der Bühne, gegen die prosaische „Außenwelt“, die – als Keimzelle des späteren Inertialsystems – ebenfalls hier erst entsteht, konstituiert).
Person und Charakter verhalten sich wie Ding und Eigenschaften: Jede Person hat ihren Charakter. (Ist auch die Beziehung der Welt zur Natur eine des Habens, und wird deshalb das Hilfsverb Haben bei der Konstruktion des Perfekts verwendet?)
Der Objektbegriff verdankt sich der Abstraktion von der Herrschaft, welche Abstraktion in den Begriff des Objekts mit eingeht (um dann als Reflex dieser logischen Struktur – und als Subjektstütze – im Begriff des Absoluten wiederzukehren). Ist diese Abstraktion das Nichts, aus dem Gott (d.h. das Absolute) die Welt erschaffen hat? Oder anders (und genauer): Ist dieses Nichts der Grund, aus dem das Absolute hervorgeht, das dann als Schöpfer der Welt sich bestimmt? Das Absolute ist nicht physei sondern thesei.
Es gibt keine absolute Wahrheit, wohl aber eine göttliche Wahrheit, und die ist sehr genau von der ersten zu unterscheiden.
Schuld ist die Ehre des großen Charakters: Darin reflektiert sich
– die Genesis des Charakters im Kontext des Ursprungs des Personbegriffs,
– der mit beiden verknüpfte Ursprung des Absoluten: die Person ist eine Bestimmung, der Charakter eine Emanation des Absoluten,
– der Schuldzusammenhang dieser gesamten Konstellation.
Der Satz drückt genau die Grenze der Hegelschen Philosophie aus: die Grenze zur Gottesfurcht. Das genaue Gegenstück zu dem Hegelschen Satz ist Joh 129.
Die absolute Idee, wenn sie zum Bewußtsein ihrer selbst kommt und den Charakter des Absoluten (das versteinerte Herz) von sich abwirft, findet sich wieder in der Gestalt des Gottesknechts, des Gotteslamms.
Wie hat sich der Typos der vier apokalyptischen Reiter entfaltet, (von den vier Himmelswinden – Dan 114 und Sach 26 -, die nach Joel 24 „wie Rösser“ sind, über die vier Pferde bei Sacharja – 62f – zu den ersten vier Siegeln der Johannes-Apokalypse – 62ff)? Sind nicht schon die vier Himmelswinde (Geister der Himmelsrichtungen) Vorläufer der sieben unreinen Geister?
Ist Maria Magdalena die einzige, die der Aufforderung des Täufers „Kehret um, das Gottesreich ist nahe“ gefolgt ist?
Unterscheidet sich nicht das hebräische Perfekt vom griechischen dadurch, daß es vor der Konstituierung des Neutrums halt macht, und liegt darin der Schlüssel zum Verständnis von Joh 129 (das Hinwegnehmen sieht das Opfer als eine abgeschlossene Handlung, als ein frei verfügbares Werk, an, das Aufsichnehmen als eine noch offene, nicht zu Ende gebrachte Handlung?
Die Instrumentalisierung des Opfers (in der christlichen Opfertheologie) und seine Verinnerlichung sind zwei Seiten ein und derselben Sache.
Zur Philippus-Geschichte: Wie hängen die Taufe des äthiopischen Kämmerers und der Hinweis auf die vier prophetischen Töchter des Ph. zusammen (und war es nicht Philippus, der bei Johannes den Nathanael auf Jesus hinweist)?
Wenn die Bibel das Wort Gottes ist, dann ist sie ein durch und durch prophetisches Buch, während der Fundamentalismus auch die Prophetie noch als ein in die Zukunft gerichtetes historisches Buch (als eine Form umgekehrter Geschichtsschreibung) ansieht und so die Prophetie leugnet.
Zum Feigenbaum (und seinen Blättern und Früchten): Ist dieser Topos nicht mit hereinzunehmen in die Interpretation des paradiesischen und des noachidischen Nahrungsgebots (im Paradies sind die Früchte den Menschen vorbehalten)? -
21.03.94
Doppelter Aspekt der Neutralisierung: Abstraktion von den Herrschaftsstrukturen und Verwischung der benennenden Kraft der Sprache (Ursprung des Begriffs). In welcher Beziehung steht das Neutrum zu den Konjugationen (zur Zeit) und welche Rückwirkungen hat es auf Maskulinum und Femininum und auf das System der Deklinationen (auf die Raumvorstellung) insgesamt? Oder in welcher Beziehung steht die Differenz des Männlichen und Weiblichen zur Form des Raumes?
Die Verinnerlichung der Scham oder der Ursprung des Schönen.
Ist das Licht eine lineare und die Finsternis eine Flächen-Qualität, die Farbe hingegen eine Verbindung beider?
Maskulin/feminin/neutrum:
– Der Rhein und der Main, aber die Weser, die Elbe, die Oder, die Donau;
– der Berg, der Strom, der Fluß, der Bach, der Wald, die Ebene, die Wiese, das Tal, das Feld;
– der Staat (die Republik), die Stadt, das Reich;
– Präfixe: das Ge-e
(im übrigen sind die Präfixe geschlechtsneutral: das Suffix bestimmt das Genus),
– Suffixe:
. die -heit, die -keit, die -ung, die -nis, die -schaft, die -(er)ei,
. der -er/ler, der -ling,
. das -tum, das -ige, das -zeug, und das -liche
(substantivierte Adjektive);
– der Tag, die Nacht (das Tageslicht, die Sonne, nimmt dem Himmel die Unendlichkeit, macht ihn im azurnen Himmel endlich; die Vorstellung des unendlichen Raumes ist hingegen eine Projektion, die die Finsternis zur Grundlage hat: eine Chimäre, ein Schrecken der Nacht, ein Alptraum; hier werden die Menschen als Schrecken der Tiere selber zum Tier);
– das Ding, die Sache (spiegelt die Trennung von Ding und Sache nicht die Wirkung des Initiationsritus wider: das Kind ist sachlich, der Mann, der Erwachsene verdinglicht; hängt die Einfügung der Latenzperiode und der Ursprung der Pubertät mit der Trennung von Ding und Sache zusammen? – „Wenn ihr nicht werdet wie die Kinder“).
Ist das Neutrum aus dem Adjektiv entstanden, aus den Eigenschaften, die als Hypostase (wie in der Antike die Natur die Welt) dann das Ding nach sich gezogen haben? Wodurch unterscheiden sich -ig und -lich?
Ist die Welt der Inbegriff des Zeugs, und wie hängt das Zeug mit dem Zeugen (dem Be- und/oder dem Erzeugen) zusammen?
Gehören nicht die beiden Klavierstunden-Geschichten von anmutig und geil („heute sagen wir nicht mehr anmutig, sondern geil“ – die Verrohung der Sprache als Ausdruck der Erfahrungen, die Kinder heute machen) und von den Noten, die man wie im Schlaf können muß, zusammen (die Leistungen, die man wie im Schlaf können muß, werden heute von Computern erbracht).
Gegenstand des Bilderverbots ist das Ding, das entstanden ist aus der Substituierung seiner selbst durch sein eigenes Bild (im Rahmen und auf der Grundlage der transzendentalen Ästhetik oder durch die Form der äußeren Anschauung und die Vorstellung). Ist das Lösen der sieben Siegel die letzte Konsequenz aus dem Bilderverbot, das in dem Satz vom Binden und Lösen Gemeinte: die Auflösung der transzendentalen Ästhetik?
Ästhetik und Mythos gründen im sich auf sich selbst beziehenden Selbst, das dann in allem sich wiederfindet.
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