Mai 1994

  • 18.5.1994

    Zu Jeremias: Die Herrschaft Babylons, die Eroberung Jerusalems durch Nebukadnezar und der – hiernach endgültige – Verlust der politischen Autonomie Judas, war nicht nur „Anlaß“ (in einer sonst unveränderten Welt) für die Prophetie des Jeremias, sie hat vielmehr die Welt selbst verändert, und nur die prophetische Reaktion darauf hat dann die Prophetie, ihren Inhalt, verändert. Das Urteil der Geschichte, das Kohl ständig im Munde führt, ist ein Abkömmling der Hitlerschen Vorsehung. Im Paradies, im Garten der Tiere, war die Weltgrenze noch eine Grenze zwischen Tier und Pflanze; erst mit dem Sündenfall, nach der Vertreibung aus dem Paradies, ist sie zu einer Grenze zwischen den Gattungen geworden. Liegen darin nicht die Ursprungsbedingungen der Astrologie? Und ist das kreisende Flammenschwert des Cherubs nicht das Symbol dieser Weltgrenze? Gehört nicht zur Geschichte mit dem roten und weißen Nilpferd (Ebach, Leviathan und Behemoth, S. 24) die Josefs-Geschichte: Josef, der ein Sohn Jakobs ist, aber nicht zu den zwölf Stämmen Israels gehört, ist der Erbauer des Sklavenhauses Ägypten (als Vollstrecker der „ursprünglichen Akkumulation“ des ägyptischen Staatskapitalismus), das allerdings als Sklavenhaus sich etabliert, nachdem Josef vergessen wurde. Diese Geschichte ist vorgezeichnet in der vom Mundschenk und vom Bäcker: Der Mundschenk (der den Wein ausschenkt, das Symbol des Gerichts) kehrt in Amt und Würde zurück, während der Bäcker (der das Brot, Symbol der Gnade, bereitet) hingerichtet wird (gibt es eine Beziehung diesr Geschichte zu der der beiden Schächer am Kreuz?). Ist nicht, was für Ägypten eine Chaosmacht ist, für Israel der Grund seiner Existenz? Das Tier aus dem Meer: Die Geschichte der Philosophie beginnt mit dem Satz: Alles ist Wasser; sie endet mit dem Satz: Die Welt ist alles, was der Fall ist. Enthält das nicht einen Hinweis auf das „Zeichen des Jona“ (auf die Geschichte mit dem „Walfisch“)? Ein ungeheuerlicher Hinweis: Die Deutschen haben den Namen der Heiden zu ihrem eigenen gemacht. Der Vorteil des Weltbegriffs ist die entlastende Distanz zur Welt: die eingebaute Exkulpationsautomatik. Der Weltbegriff schließt den der Gottesfurcht, den er durch die säkularisierte Herrenfurcht (durchs autoritäre Syndrom) ersetzt, aus.

  • 17.5.1994

    Die Logik der Scham, das Anderssein, der Weltbegriff und die Ausbildung und Entfaltung der Raumvorstellung (das Aufdecken der Blöße oder das Sklavenhaus Ägypten):
    – Sie waren nackt, aber sie schämten sich nicht; da gingen ihnen die Augen auf, und sie erkannten, daß sie nackt waren.
    – (Sintflut, Arche) Noah, der Weinbau, die Trunkenheit und die aufgedeckte Blöße, Ham und die Knechtschaft (gehört die Ham/Kanaan-Geschichte zur Vorgeschichte der Kafkaschen Erzählung „Das Urteil“?).
    – Erkenntnis der Nacktheit und Ursprung des Weltbegriffs: Scham als verinnerlichter Blick des Andern; in diesem Blick und als Inbegriff der Logik seiner Objektivation konstituiert sich der Weltbegriff.
    – Der Raum als die zwangshafte Rekonstruktion des verinnerlichten Blicks des Andern; die kopernikanische Wende, die Vernichtung des Angesichts Gottes durch den „unendlichen Raum“ (Abwehr, Verdrängung des Angeblicktwerdens), Grund der kantischen Erkenntniskritik.
    – „Kollektivscham“ als kollektive Isolationshaft, die Unfähigkeit zu trauern und die zweite Schuld; Kollektivscham und Xenophobie, Ausländerfeindschaft und neue Rechte. Der Begriff der Kollektivscham hat die Erinnerung mit der Welt versöhnt und somit zur Folgenlosigkeit verdammt (und dieses Land zum „Land der unbegrenzten Zumutbarkeiten“ gemacht).
    – Das Fernsehen (die institutionelle Aufspaltung des Sehens durch Trennung des Sehens und Gesehenwerdens) oder die Blinden und die Lahmen (2 Sam 56ff, Mt 115).
    – Die Logik der Scham und die Ausbildung und Entfaltung der Logik des Raumes.
    – Ist die am zweiten Tag geschaffene Feste, die die oberen von den unteren Wassern (die Prophetie von der Philosophie) trennt, das kosmische Realsymbol der Scham?
    – Scham und Verdinglichung, Ursprung der Exkulpationsmechanismen, Scham und Gewalt: Ist die Scham die Materie des Absoluten?
    – Die Philosophie ist mit der Verinnerlichung des Schicksals entstanden (Ursprung des Begriffs), die mathematische Naturwissenschaft mit der der Scham (Ursprung der subjektiven Formen der Anschauung, der Raumvorstellung).
    – Scham und Schuldverschubsystem (Exkulpation durch Projektion: Prinzip der Anklage, Grund des Objektivationsprozesses), Ursprung des katholischen Mythos (der traditionellen Höllenlehre: stammt der Satz, daß zum Glück der Seligen im Himmel die Anschauung des Leidens der Verdammten dazugehört, den Nietzsche auf Thomas von Aquin zurückführt, nicht schon von Augustinus? Vgl. das Nietzsche-Zitat bei Jürgen Ebach: Apokalypse, in: Einwürfe 2, S. 45).
    – Die Scham als gemeinsamer Grund des Mythos und der Kunst (der Ästhetik). Konstruktion der Farben (die Sintflut und der Bogen am Himmel).
    – Sind die sekundären Sinnesqualitäten nicht stellvertretende Opfer für das eigentliche Opfer: die benennende Kraft der Sprache (der Logos), und liegt dem nicht die Ersetzung des Hörens durch den Gehorsam (die säkularisierte Gestalt des Islam, mit der augustinischen „Wörtlichkeit“ als Vorstufe des Koran) zugrunde? – Wäre das Gehorsamsgebot nicht endlich beim richtigen Namen zu nennen: als Heiligung des Gottesnamens? Das Credo hat das Niederfahren Gottes beim Turmbau zu Babel zu einem Akt der Kirche gemacht: sie zieht ihn in ihre Verstrickungen (in die Verstrickungen der Bekenntnislogik, der Logik des Absoluten) mit herein. Ist nicht die Kirchengeschichte die endlose Ausdehnung der descensio ad inferos?
    – Scham, Sexualität und Urteil (Begriff der Erbsünde). Als Urteilslogik ist die transzendentale Logik eine Logik der Scham (und bedarf zu ihrer Begründung der transzendentalen Ästhetik: der Logik der Abstraktion vom Gesehenwerden).
    – Die Scham und die Zerstörung der benennenden Kraft der Sprache (oder die Heiligung des Gottesnamens).
    – Scham hat einen Adressaten, Scham ist Scham vor einem anderen: Mit dem Weltbegriff ist dieser Andere verinnerlicht worden. Gibt es Stufen der Scham (Entschlüsselung der sieben unreinen Geister)? Die Geschichte der drei Leugnungen ist in die Geschichte der Scham verstrickt.
    – Die Kollektivscham und die Pforten der Hölle (oder Kollektivscham und Naturbegriff).
    – Die Grenze zwischen Natur- und Weltbegriff ist eine Schamgrenze, starr und gleichsam orthogonal verbunden mit dem Ursprung und der Geschichte der Sexualmoral.
    – Der Weltbegriff unterläuft die Herrschaftskritik und begründet die Sexualmoral durch Herstellung von Komplizenschaft (er unterwirft die Herrschaftskritik dem Schuldverschubsystem; die Theologie hat dieses Schuldverschubsystem im Dogma kanonisiert: mit der Opfertheologie und dem Konstrukt der „Entsühnung der Welt“, begründet in der falschen Übersetzung von Joh 129).
    – Durch die Einbeziehung der Übernahme der Sünde der Welt ins Nachfolgegebot wird das „wörtliche“ Verständnis ins prophetische Verständnis transformiert (Wahrheit der Lehre von der Transsubstantiation), gewinnt die Sprache ihre benennende Kraft zurück (apokalyptische Enthüllung).
    – Scham und Sprache: Sollte mit der Heiligung des Gottesnamens die Anonymität des Angeblicktwerdens aufgehoben (der Mensch in den Anblick Gottes gerückt) werden? Die Anonymität gründet in der Abstraktion der Form des Raumes (Zusammenhang mit der Geschichte der drei Leugnungen).
    – Steckt im kantischen Begriff des Erhabenen die Erinnerung an den leeren Weltenraum, und gründet darin die Assoziation des „moralischen Gesetzes in mir“ mit dem „gestirnten Himmel über mir“?
    – Die Scham, das Feigenblatt und der Rock aus Fellen.
    – Wie hängt die Logik der Scham mit der des Feuers zusammen (auch die Scham brennt wie Feuer)? Gründet das Feuer im Namen des Himmels (und im brennenden Dornbusch: in der brennenden Innenerfahrung der Profangeschichte) in dem, was die Scham objektiv bezeichnet?
    – Der brennende Dornbusch als brennende Innenerfahrung der Profangeschichte setzt die Gotteserkenntnis (die Selbstoffenbarung Gottes) in Beziehung zur Bewegung der Profangeschichte (vgl. Walter Benjamin, Theologisch-politisches Fragement: „Das Profane ist zwar keine Kategorie des Reiches, aber eine Kategorie, und zwar der zutreffendsten eine, seines leisesten Nahens“). Der brennende Dornbusch ist
    – „Absolutum est prius relativo secundum esse, et est posterius secundum dici“ (Thomas von Aquin, S.Th. I 2, q. 16.4 ad 2). Der newtonsche „absolute Raum“ hat seine Wurzeln in der Scholastik; er findet seine Vollendung in der Hegelschen Idee des Absoluten.
    – Die Verstrickung der Theologie in die Dialektik der Aufklärung ist symbolisiert in der Geschichte von den drei Leugnungen. Leugnet nicht die aus der Philosophie rezipierte Idee der Anschauung Gottes das Angesicht Gottes?
    – Die subjektiven Formen der Anschauung entspringen in der (praktischen) Abstraktion vom Gesehenwerden, sie sind ein Produkt der Schamverarbeitung. Mit dem Ursprung der Naturwissenschaften wurde der Blick des andern tabuisiert, verdrängt, gelöscht; als Produkt projektiver Schuldverschiebung erscheint er dann wieder in dem bösen Blick, der den Hexen nachgesagt wurde: So gehört die Geschichte der Hexenverfolgung zur Geschichte des Ursprungs der Naturwissenschaften. Der wirkliche böse Blick aber ist der, den die Naturwissenschaften auf die Dinge werfen; dieser Blick hat eine eingebaute Exkulpationsautomatik: es ist der Blick des Herrn (des Absoluten).
    – Das „naturwissenschaftliche Weltbild“, die kopernikanische Wende als Katalysator des gesellschaftlichen Fortschritts, hat die (intellektuellen und moralischen) Hemmnisse beseitigt, die der „freien Entfaltung“ des Kapitalismus im Wege standen.
    – Der Herrenblick oder das verinnerlichte Babylon und die projektive Verschiebung des „Grauens um und um“ (Jeremias). Gehört heute nicht die descensio ad inferos zu den Prämissen theologischer Erkenntnis?
    – Ergänzung zum Stern der Erlösung: Die Philosophie verschweigt nicht nur den Tod, sondern seit ihrem Bündnis mit der Theologie hat sie ihn instrumentalisiert: War das nicht der Kelch (der Kelch der Opfertheologie), von dem Jesus wünschte, er möge an ihm vorübergehen? Mit der Instrumentalisierung des Kreuzestodes wurde die Strafe der Steinigung (zur subjektiven Form der äußeren Anschauung und zum Prinzip der Verdinglichung) vergeistigt (und der Feuertod zur Strafe für Juden, Ketzer und Hexen).
    – Es genügt nicht, daß die Christen sich irgendwo im Stern der Erlösung wiederfinden, es käme darauf an, den Stern der Erlösung ins Christliche zu übersetzen (nach Walter Benjamin: die Tradition auf dem eigenen Rücken weiter zu befördern, nur daß Christen sie überhaupt erst auf die eigenen Schultern heben müssen).
    – Merkwürdig, daß aus einem Buch, das die Lösung der sieben Siegel zum Gegenstand hat, ein „Buch mit sieben Siegeln“ geworden ist.
    – Der Name Gottes bildet sich in der Lösung der sieben Siegel, in der Lösung des Banns, den der Raum auf Mensch und Welt legt.
    – Der Prototyp der neuen Gestalt der Religionskriege war der Weltanschauungskrieg der Nazis gegen Rußland, und der war schon ein Vernichtungskrieg („Warum ist überhaupt etwas und nicht vielmehr nichts?“).
    – Leben wir nicht heute nach dem Motto: Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß? Aber diese Kälte ist die des steinernen Herzens. Dagegen wäre der Satz zu setzen: „Ich bin gekommen, Feuer auf die Erde zu bringen, und ich wollte, es brennte schon“ (Lk 1249).
    – Zum letzten Satz des Buches Jona: Wer rechts und links nicht mehr unterscheiden kann, unterscheidet sich nicht mehr vom Vieh (sh. Behemoth), das deshalb in die Buße Ninives ebenso wie in die Barmherzigkeit Gottes mit hereinzunehmen ist.
    – Daß niemand das Licht unter den Scheffel stellt, stimmt nicht: Die moderne Aufklärung hat es getan, weil sie das Licht mit dem Scheffel verwechselte. So ist sie zum Scheffel über dem Licht geworden.
    – Das Lachen instrumentalisiert die Scham, macht sie zur Waffe.
    – Die Waffen der Schlange: ihr Blick und das Gift (gleicht sich die Sprache der Politiker nicht immer mehr dem Blick der Schlange an?).
    – Zu Jes 271: Ist der Leviatan, „die flüchtige Schlange, … die gewundene Schlange“, Produkt der Mimesis an den Grund der Raumvorstellung (die erste Gestalt des „Korpuskel-Welle-Dualismus“, Reflex dessen, daß jede Gerade im Raum sowohl Trägheitsbahn als auch Rotationsachse ist – daß beide Bewegungen die Zukunft mit der Vergangenheit kurzschließen, indem sie die Gegenwart ausschließen: „Das Tier, das du gesehen hast, war und ist nicht und wird (wieder) heraufkommen aus der Unterwelt und geht hin ins Verderben“, Off 178)?
    – Gibt es eine Beziehung der astrologischen Planetentheorie und der kirchlichen Sakramentenlehre zur Logik der Scham (Venus und Eucharistie)?
    – Schicksal und Scham: Die Verinnerlichung des Schicksals (und der Ursprung des Begriffs) mußte abgesichert und stabilisert werden durch den projektiven Namen der Barbaren; die Absicherung der Verinnerlichung der Scham (und des Ursprungs der Naturwissenschaften) erfolgte über den projektiven Namen der Wilden (war die kopernikanische Wende der Anfang eines kosmologischen Kolonialismus und die kantische Philosophie der Beginn des kritischen Selbstbewußtseins davon?).
    – Hat die Scham mit der Eitelkeit zu tun, mit dem Nichtigen?
    – Die gleiche Logik der Scham, die die Raumvorstellung konstituiert, liegt auch der Bekenntnislogik zugrunde (über die Logik der Scham hängt der Greuel der Verwüstung mit der Sünde Adams zusammen: der Greuel der Verwüstung ist aus der Sünde der Welt ableitbar).
    Woher kommt konkret der Name Palästina, welchen historischen Weg hat er genommen? Wie lange hat es die Philister gegeben, wer waren ihre Nachfahren, und haben nicht die Römer dann das Land Israel Palästina genannt?
    Wie wäre es mit dem schönen Titel: Ein Vorschlag zur Güte?

  • 16.5.1994

    Apokalyptische Motive (gegen den Begriff „apokalyptische Stimmung“): – Sodom, Jericho und Gibea; in allen drei Fällen endet die Aggression gegen Fremde mit der Zerstörung der Städte; – die Ham/Kanaan-Geschichte; die aufgedeckte Blöße und die Knechtschaft (vgl. Sonnemanns Begriff der „Knechtsgesinnung“; „Das Land der unbegrenzten Zumutbarkeiten“ ist eher ein apokalyptisches Buch als Anders‘ „Antiquiertheit des Menschen“). Es geht nicht um eine apokalyptische Stimmung, die eher Gegenstand der apokalyptischen Erkenntnis ist, auf keinen Fall aber ihr Grund; Ziel wäre vielmehr die Aufdeckung des rationalen Elements in der Apokalypse (Beziehung zur Prophetie, zum Ursprung des Staates und des Weltbegriffs). Einwürfe 2 (Jürgen Ebach), S. 9: Die Apokalypse ist kein „mythischer Name“ des Grauens, sondern der Name des Versuchs, das Grauen rational zu durchdringen (vgl. Jeremias‘ „Grauen um und um“). Nicht „den geheimen Verlauf der Geschichte zu enthüllen“ (S. 12), sondern die Aufdeckung des durch den Geschichtsverlauf Verhüllten ist das Ziel der Apokalypse. „Das offene Heraussagen dessen, was ist“ (S. 13): Entscheidend ist der Aktualitätsbezug, der „Zeitkern der Wahrheit“. Vorstellbar wäre der Begriff einer „apokalyptischen Theologie“, die diesen Gegenwartsbezug, die endgültige Abweisung des „Überzeitlichen“, aufnimmt und realisiert. Der Weltbegriff (oder auch der Begriff) gründet in der Verräumlichung der Zeit, der Naturbegriff (oder die Objektvorstellung) in der Verzeitlichung des Raumes. Die Polis war die Gemeinschaft von Privateigentümern; das gemeinschaftsgründende Prinzip der Polis ist im Bekenntnisbegriff verinnerlicht worden. So wie es eine Polis ohne den Namen der Barbaren nicht gibt, gibt es auch den zugehörigen Begriff des Allgemeinen nicht ohne Paranoia; diese Allgemeinheit mündet direkt in der Gemeinheit. Rechtfertigungszwang, Paranoia und Projektionszwang bilden ein System. Bezieht sich die babylonische Sprachverwirrung auf die Entstehung verschiedener Sprachen oder auf die eines internen Zustands der Sprache (auf eine veränderte Sprachlogik: auf den Beginn der Selbstzerstörung der Sprache, die Neutralisierung ihrer benennenden Kraft)? Der Weltbegriff ist der Inbegriff einer Logik, die unsere Erfahrung organisiert, wobei in die Struktur dieser Logik die drei Momente: Rechtfertigungszwang, Paranoia und Projektionszwang, mit eingehen. Ist nicht der Begriffsrealismus, für den jeder Ausländer die Verkörperung des Auslands (und jeder Jude die des Judentums) ist, die sich dann auch noch zu Richtern über uns machen, ein Erbe der christlichen Theologie? Entscheidend die Erkenntnis, daß die christliche Theologie insgesamt in die Dialektik der Aufklärung verstrickt ist, und zwar durch ihren dogmatischen, durch ihren Absolutheitsanspruch. Dagegen steht ein theologischer Erkenntnisbegriff, der vom wissenschaftlichen, den er voraussetzt, – durch den Begriff der Umkehr, – durch das benennende gegen das begriffliche, subsumierende Element, – als Erkenntnis im Angesicht Gottes, gegen die objektiverende Erkenntnis (hinter dem Rücken), – durch das herrschaftskritische Element (durch die Kritik des Weltbegriffs) sich unterscheidet. Dieser Erkenntnisbegriff zielt ab auf die Einheit von Erkenntnis und Gebet.

  • 15.5.1994

    Stimmt es eigentlich, daß auch der Behemoth eine „lebenswidrige Chaosmacht“ ist? Immerhin ist das „weiße Nilpferd“ als Göttin u.a. Schutz für Schwangere und Gebärende, während nur das „rote Nilpferd“ verfolgt wird als Chaosmacht. Kann es nicht sein, daß auch das „rote Nilpferd“ für Ägypten nur deshalb eine Chaosmacht ist, weil es die Barmherzigkeit, die es im Sklavenhaus nicht geben darf, repräsentiert? Im Buch Hiob frißt der Behemoth „Gras wie das Rind“, wird er der „Erstling des göttlichen Schaffens“ genannt. Hingewiesen wird eigentlich nur darauf, daß er niemals Objekt der Herrschaft sein wird: „Wer dürfte ihm in die Augen greifen, mit Stricken ihm die Nase durchbohren?“ – In welcher Beziehung steht der Behemoth zum apokalyptischen Tier aus der Erde?
    Hat Walter Benjamin mit dem Hinweis darauf, daß die jüngst vergangene Mode jeweils das Veraltetste ist, nicht eine Spur gelegt, der nachzugehen wäre?
    Weshalb durfte der Verfasser der Johannes-Apokalypse die „Worte der sieben Donner“ (104) nicht aufschreiben?
    Ist die Salome-Johannes-Geschichte die Umkehr der Judith-Holofernes-Geschichte?
    Todesstrafen im NT: Johannes und das Schwert, Jesus und das Kreuz, Stephanus und die Steinigung.
    Zu Hegels Naturphilosophie (in der Enzyklopädie): Steckt sie nicht voller Lichtpunkte, die an die Jenenser Ursprungsphase der Hegelschen Philosophie erinnern, die aber unterm Bann des Systems gleichsam einem Sprechverbot unterworfen werden. Wenn Hegel im Hinblick auf die „empirischen Erscheinungen der Fortpflanzung des Lichts“ von zwei Sphären spricht, bricht da nicht die dialektische Logik auseinander in eine unvermittelte Unmittelbarkeit und eine Vermittlung, deren Produkt ein An-sich ist, das mit der unvermittelten Unmittelbarkeit nicht mehr identisch ist? Die zwei Sphären rütteln am Systemgrund der Hegelschen Philosophie.
    In der Idee des Absoluten benennt Hegel den Preis, der am Ende für die christliche Tradition des Begriffs der Anschauung Gottes zu zahlen ist. Wenn die Kirche mit der Opfertheologie und mit der traditionellen Interpretation von Joh 129 Jesus mit der Last allein gelassen hat, hängt das nicht auch damit zusammen, daß die Kirchen die Fluch über Adam (den Staub) generalisiert, die Frauen aber mit den Schmerzen der Geburt ebenfalls allein gelassen: aus den messianischen Wehen sich herausgestohlen haben?
    Seid klug wie die Schlangen und arglos wie die Tauben: Trinkt den Kelch, aber werdet nicht trunken, verfallt nicht der (trunken machenden) Paranoia, seid arglos: Sprengt das Universum. Ist die Wiedergewinnung der benennenden Kraft der Sprache heute an die Sprengung des Zeitkontinuums gebunden, an eine Umkehr, in der der Name Gottes sich restituiert?
    Zur Frage der Chronologie: Kann es sein, daß die Schrift in ein Nacheinander verwandelt hat, was eigentlich im Bilde einer gleichsam orthogonalen Gleichzeitigkeit zu begreifen wäre (Abraham, Moses, David)?
    Sind die Planeten (ihre Eigenschaften und Bahnen) räumliche Fixierungen von Zeitdimensionen?
    Satan, Teufel und Dämonen: Repräsentieren die Dämonen in dem vom Ankläger und Verwirrer konstituierten Kontinuum den Objektbegriff? Hat die Jesaia-Stelle über den Leviathan (271: die flüchtige Schlange, … die gewundene Schlange) etwas mit der Beziehung von Teufel und Satan (und mit der Richtungs- und Achsenfunktion der Dimensionen im Raum) zu tun? War das personalistische Teufelsverständnis des katholischen Mythos dämonisch?

  • 14.5.1994

    Zum Begriff des Historismus: Eine der wesentlichen Funktionen der Geschichtsschreibung scheint es zu sein, die Vergangenheit den Rechtfertigungszwängen der Gegenwart zu unterwerfen, das Verstörende, Abweichende zu tabuisieren, zu verdrängen. In diesem Kontext entspringt das Bedürfnis nach kontrafaktischen Urteilen.
    Der Anwendung dieser Rechtfertigungszwänge verdanken sich auch die alten Kosmologien und der Ursprung des Naturbegriffs (Kausalitätsprinzip und Inertialsystem).
    Ableitung der Dreidimensionalität des Raumes aus dem Objektbegriff: Nur im dreidimensionalen Raum führt die Drehung um jede Raumachse in die Ursprungsorientierung zurück, allerdings um den Preis der Mathematisierung des Objekts, seiner Trennung von der Sprache. Das Objekt ist
    . Gegenstand des intentionalen Aktes (der den Raum im Rücken hat: Gegenstand der Anklage) und
    . Produkt einer Konstruktion, die die Form des Raumes (die Beziehung auf die drei Dimensionen des Raumes, die seine Identität begründen: durch Subsumtion unter die Vergangenheit, aber seine Beziehung zur Sprache verwirren) zur Grundlage hat.
    Es ist die Grundlage der Dingvorstellung, durch die alle seine Bestimmungen zu „Eigenschaften“: in eine Possessivbeziehung zum Objekt gerückt werden; sie werden instrumentalisierbar, veränderbar und austauschbar. Über den Objektbegriff werden die Dinge zu Dingen und beherrschbar. Der Objektbegriff ist der Statthalter des Herrendenkens in den Dingen: So ist er zum Systemgrund der idealistischen Philosophien geworden. Stecken nicht die Namen des Bösen, des Anklägers und des Verwirrers, in den Fundamenten des Objektbegriffs?
    In welcher Beziehung stehen die drei Dimensionen des Raumes zum gesellschaftlichen Herrschafts-, Schuld- und Verblendungszusammenhang?
    Repräsentieren nicht Jupiter und Mars die Innen- und Außenseite des Staates, Venus und Merkur die der Privatexistenz?
    Astronomische Züge des Erkenntnisprozesses: Lichtpunkte, durch weite Dunkelzonen getrennt.
    Enthält Rosenzweigs Unterscheidung der chinesischen und indischen Welt Hinweise auf die Logik der Schrift?
    Hündische Philosophie: Jedes absolute Urteil tilgt die Spuren eines vorhergehenden absoluten Urteils (Hegels Logik: die Geschichte dieses Spurentilgens). Ist nicht der Hund die Inkarnation der Exkulpationslogik?
    Im Begriff der Materie, des Objekts, auch der Natur, werden die Zukunft und die Vergangenheit in der Sache zusammengeschlossen. Die Wahrheit hat einen Zeitkern, das heißt nichts anderes, als daß es einen Aktualitätskern des Gottesnamens und des göttlichen Angesichts gibt.
    Erst mit Kopernikus, mit dem heliozentrischen System, konstituierte sich der Raum als subjektive Form der Anschauung, wurde der Fähigkeit, zwischen Rechts und Links zu unterscheiden, der Boden entzogen.
    Zieht nicht der Gebrauch des Tetragrammaton in der Bibelwissenschaft die Konsequenz aus der Geschichte der Theologie hinter dem Rücken Gottes: Ist es nicht der autistische, seiner Sprache beraubte Gott, dem man am Ende auch das Ich aus dem Munde nehmen kann?
    Der Satan und der Teufel sind durch Personalisierung neutralisiert, und damit zugleich zu Quellen des katholischen Mythos geworden. Hat die Kirche in diesem Mythos nicht ihren eigenen babylonischen Turm gebaut, indem sie den Stein, der der Eckstein hätte sein sollen, verworfen hat. Ist nicht die jahwistische Urgeschichte das Modell, das prophetische Bild der Kirchengeschichte:
    – das Bild der Rezeption der Philosophie und des Weltbegriffs: die Sintflut,
    – das Bild des Dogmas, der Orthodoxie: der Turm von Babel;
    – wer aber waren die Gottessöhne, die die Schönheit der Menschentöchter erkannten, und wer war Nimrod (der Erbauer der großen Stadt und der gewaltige Jäger vor dem Herrn)?
    Wird das Verständnis der Apokalypse durch Ängste blockiert, die reflektiert werden müßten, um an den Sinn der apokalyptischen Motive heranzukommen? Es sind die gleichen Ängste, die durch den Weltbegriff ontologisiert worden sind.
    Trägt die Fundamentalontologie nicht suizidale Züge (die u.a. in dem Bild des Vorlaufens in den Tod anklingen und mit dem heroischen Gestus, dem europäischen Pendant des Harikiri, zusammenhängen), und ist insbesondere das In-der-Welt-Sein nicht die Schlinge, in die das von objektloser Angst bestimmte Dasein seinen Kopf steckt? Auf diese Schlinge bezieht sich das Wort vom Binden und Lösen.
    Warten auf Godot: In der Ankunft des Seins hat Heidegger die Erlösung von der Last der Verantwortung und vom Subjektsein und die Verwandlung (die Regression) in das schuldlose Dasein der Existenz und der „Eigentlichkeit“ erwartet.
    Standes- und Liegenschaftsamt: Gibt es einen Zusammenhang zwischen dem Ursprung des Patriarchats und des Eigentums an Grund und Boden? Formalisierte Formen der Eheschließung (mit Eintragung in Registern) scheint es nur dort zu geben, wo es auch formalisierte Besitzrechte an Grund und Boden gibt (ebenfalls mit Eigentumsregistern).

  • 13.5.1994

    Hängt die Beziehung der Schrift zum Problem der Eigentumsübertragung, zum Ursprung des Tauschprinzip, zusammen mit der Beziehung beider zum Namen (der Name und die Logik der Schrift)? Ist die Schrift ihrer eigenen genetischen Logik zufolge eine enteignete Sprache (und liegt darin der Grund für den Namen der „hebräischen“ Schrift wie auch für die logisch-grammatische Durchorganisation der Sprache im Kontext des Ursprungs und der Entfaltung der Schrift)?
    Zu den sieben Siegeln der Apokalypse: Gehört neben der Maske und als Teil ihrer Vorgeschichte nicht auch das Siegel zur Geschichte des Ursprungs des Personbegriffs?
    Gehören nicht die Sakramente ebenso wie vorher die Astrologie zur monarchischen Organisation des Staates (und der zugehörigen Welt), und ist der traditionelle Katholizismus nicht durch sein eigenes Strukturprinzip auf die monarchische Tradition verwiesen? Liegt hier nicht der Grund dafür, daß heute eine katholische Theologie fast nicht mehr rekonstruierbar ist?
    Ist uns unser physisches Inneres (Herz, Lunge, Leber usw.) nicht genau so fremd wie Sonne, Mond und Sterne?
    Definition des Naturbegriffs: Objekte der
    – Herrschaft durch Demut,
    – Verschuldung durch Entsühnung,
    – Verblendung durch Erkenntnis.
    Drachenfutter: das Fernsehen, der politisch-ökonomische Inzest (die neoliberale Wirtschaftspolitik) und die Kapitulation der Kirchen. Aber gehört nicht der Verzehr des Leviathan zum messianischen Hochzeitsmahl?
    Randbedingungen des Rassismus und der Fremdenfeindschaft: die Verdrängung des kannibalistischen Aspekts der Eucharistie, die Rechtfertigungslehre und die projektive Sexualmoral.

  • 12.5.1994

    Kehrt nicht in den modernen Universitäten die Logik der Schrift zwangshaft in ihre Ursprünge zurück: in Technologie und Ökonomie? Und ist nicht die Kopenhagener Physik-Mythologie der letzte Ausläufer der Astrologie?
    Das Problem der Eigentumsübertragung verweist das Tauschprinzip auf seinen Ursprung in der Geschichte des Tempels. Steckt nicht in jedem Tausch etwas von der Geschichte des Mords am vorherigen Eigentümer? So hängt das Geld mit der Geschichte des Opfers zusammen.
    Die Ursprungsgeschichte des Tauschprinzips fällt in die Geschichte der alten Welt, die des Trägheitsprinzips in die der neuen. Und was der Tempel in der alten Welt war, das ist das Bekenntnis (die Bekenntnislogik) in der neuen (und werden nicht alle religionsgeschichtlichen Untersuchungen verhext durch das Apriori der Bekenntnislogik).
    Wird nicht auch die Astrologie in ein ganz neues Licht gerückt, wenn man sie als ein Konstrukt in der Urgeschichte des Eigentumsbegriffs (des Staats, des Weltbegriffs) begreift? Erst die Griechen haben das Eigentum ontologisiert; in diesem Kontext ist die Idee des Absoluten (als Erbe der Götter, als Produkt der Verinnerlichung des Stoffes, aus dem die Götter einmal gebildet worden sind) entsprungen. Gehört nicht das Opfer, und zwar das Tieropfer als Ablösung des Menschenopfers, in die Urgeschichte des Eigentums? Und sind die nicht die Sakramente die Erben der Astrologie (mit der Eucharistie als Nachbild der Sonne): die Beziehung beider ist vermittelt durch den Prozeß der Verinnerlichung des Opfers, in dem der Gesamtbegriff der Objektivität sich verändert hat. Diese Veränderung wurde besiegelt durch die Sakramente, in ihrem Zentrum das Brotbrechen und der Kelch. Die Sakramente verhalten sich zur Astrologie wie der Weltbegriff zu den mythischen Kosomologien.
    Hängt nicht das Problem des Ursprungs der Schrift mit dem Problem der Eigentumsübertragung zusammen? Konstituiert sich mit der Schrift nicht erst das Allgemeine, auf dessen Basis (wie auf der des Geldes) eine Eigentumsübertragung überhaupt erst möglich ist. Zur Tauschbarkeit gehören: der Tempel, die Opfer und der Götzendienst.
    Zum Eigentum: Das Ding hat Eigenschaften, oder: die Füchse haben Gruben und die Vögel des Himmels haben Nester, aber der Menschensohn hat nicht, wo er sein Haupt hinlegen kann. (Mt 820)
    Die Geschichte der drei Leugnungen ist gleichsam die Innenseite der Geschichte der Rezeption des Weltbegriffs.
    Ließe sich nicht unter dem Aspekt von Joh 129 so etwas wie eine johanneische Botschaft herauspräparieren, auf die sich insbesondere die Geschichten von dem Jünger, „den der Herr lieb hatte“, beziehen würden und das Wort: „Wenn ich will, daß er bleibt, bis ich komme, was geht es dich an. Folge du mir nach!“ (Joh 2122)
    Die genealogische Logik ist in der Schrift nicht streng durchgehalten: Abraham war ein Hebräer, aber auch ein „umherirrender Aramäer“; die Bewohner Jerusalems waren Jebusiter, aber ihr Vater mar ein Amoriter, ihre Mutter eine Hethiterin.
    Die Schrift (die Bibel) aus der babylonischen Gefangenschaft des Historismus befreien. Das Binden und Lösen bezieht sich auf die Orthodoxie, und über die Orthodoxie auf das Problem der Orthogonalität: der Form des Raumes. Diese ist der Knoten, den Alexander nur durchschlagen, nicht gelöst hat.
    Kehrt um, denn das Gottesreich ist nahe: Werden im historischen Prozeß nicht auch Kräfte freigesetzt, die, indem sie die Welt weitertreiben, auch das Vergangene bewegen, so daß Korrespondenzen sich herstellen, durch die das Gottesreich näher gebracht wird? Vielleicht darf man es sich so vorstellen: Je mehr die Zukunft unter die Herrschaft der Vergangenheit gebracht, umso näher rückt uns die vergangene Zukunft, die Erfüllung der vergangenen Hoffnungen.
    Der Drache und das Tier: Sind das Leviathan und Behemoth? Der eine hat die Diademe auf den sieben Köpfen, der andere auf den zehn Hörnern.
    War nicht der Absolutismus insofern eine Vorstufe des Kapitalismus, als er Menschen zu Privateigentum, und damit tendentiell zu Handelsware gemacht hat? Und der barocke Pomp war ein Maß für den Druck des Exkulpationstriebs.
    Sind Sprachreflexionen zur Genesis des Neutrum nicht etwas ähnliches wie das Wechseln der Windeln in Kafkas Allegorie vom Schauspieldirektor?
    Raum und Umkehr: Die drei Freiheitsgrade des Raumes, als Freiheitsgrade der Richtungen im Raum, sind zugleich Freiheitsgrade der Umkehr: Jede Richtung des Raumes ist auch eine Drehachse. Nur durch alle drei Drehungen hindurch läßt sich die ursprüngliche Orientierung des Raumes wiederherstellen.

  • 11.05.94

    Im Buch Hiob werden mit dem Namen der Kanaanäer die Händler bezeichnet, unter die der Leviathan sich nicht aufteilen läßt (4025). Ist Behemoth, der Gras frißt wie ein Rind (4010), Babylon und Leviathan, der sich nicht zum Handelsgut machen läßt, Ägypten (Mizraim)? – Nach Dan 422 war es Nebukadnezar, der sich „von Gras nähren“ sollte, „wie das Vieh“ (wie Behemoth). Ist nicht der unreflektierte Gebrauch des unaussprechbaren Gottesnamens (des Tetragrammaton) Produkt der dem Weltbegriff einbeschriebenen Exkulpationsautomatik, ein Produkt historisierender Vergegenständlichung, die ihr Objekt in den Irrealis setzt, jene Schuldbeziehung, die den Namen (mit dem Gott nur sich selbst benennt) ebenso unaussprechbar macht wie das Ich eines anderen, durch Vergegenständlichung neutralisiert. Der Gebrauch des Namens JHWH steht in der Tradition des deutschen Idealismus: der Hypostasierung des Ich (oder der Verdrängung der Todesangst, deren Name „Ich“ ist). Vgl. hierzu Kafka: Ewige Jugend ist unmöglich; selbst wenn kein anderes Hindernis wäre, die Selbstbeobachtung machte sie unmöglich. (10.4.22, Tagebücher, S. 579) Gehören die Datenbanken zur Geschichte der Banken?

  • 10.5.1994

    J. Goody, Die Logik der Schrift, S. 283: „… findet sich während der gesamten Menschheitsgeschichte ein Zusammenhang zwischen Geldverleih, Bankwesen und Literalität.“ Die Kanonisierung heiliger Schriften ist Ausdruck einer präzise zu bestimmende Phase in der Geschichte der Beziehung der Schrift zur Ursprungsgeschichte des Staates. Das Schreiben sowohl Homers als auch der Autoren der Bibel war kein bloß technischer Vorgang (die Vorstellung, daß nur niedergeschrieben wurde, was zuvor in mündlicher Tradition hervorgebracht worden ist und herangereift war, ist naiv). Das Schreiben selbst war Quelle und Organisationsprinzip einer neuen Sprache und eines neuen Inhalts. So ist der Staat ein Produkt der Schrift und selber wiederum ein Agent ihrer Weiterbildung und Entfaltung (war nicht Cicero ein Augur?). Das Wort vom Binden und Lösen: „Was du auf Erden binden wirst, wird auch im Himmel gebunden sein, und was du auf Erden lösen wirst, wird auch im Himmel gelöst sein“, hat auch kosmologische Bedeutung. Die Wendung, die die christliche Tradition dem Motiv der Sündenvergebung gegeben hat, ist heute in die Automatik des Weltbegriffs mit eingegangen: So wurde das Christentum überflüssig, aber die Welt zugleich zu einem Feld der Barbarei (zum Greuel der Verwüstung).

  • 9.5.1994

    Es ist das Anschauen, das das Angesicht verdrängt und es durch Vorstellungen ersetzt. Das Anschauen als die reine Abstraktion vom Blick des andern, vom Gesehenwerden (der Ursache der Scham), ist zugleich die vollständige Identifikation mit dem Blick der anderen; darin gründen die Formen der Anschauung, die das Anschauen endgültig taktlos und voyeuristisch machen: zum Anblick der Blöße, die die Selbstverdammung zur Knechtschaft nach sich zieht. Die Idee einer „Anschauung Gottes“ ist die Kurzform der Theologie hinter dem Rücken Gottes, Grund der Idee des Absoluten, der Logik des autistischen Gottes. Die Neutralisierung und Verdrängung der Asymmetrie zwischen mir und den andern (die Subsumtion des Ich unter das Alle) geht nur über die Identifikation mit dem Anderssein (den Ursprung des Weltbegriffs) und die Leugnung des Selbst. Die Selbstverleugnung ist keine theologische Kategorie. Die Funktion und Bedeutung des Begriffs des Falls („die Welt ist alles, was der Fall ist“) läßt sich an dem ärztlichen „Wir“, das dem Patienten die Ehre des Subjektseins verweigert, das Ich des Patienten auslöscht („wie geht es uns denn heute“), ablesen. Emanationen der subjektiven Formen der Anschauung sind das Geld und die Bekenntnislogik. Die Bekenntnislogik (die Logik der „Weltanschauungen“) ist gleichsam die Innenseite der transzendentalen Logik: der entfaltete logische Sinn der Formen der Anschauung (die Logik des Herrschafts-, Schuld- und Verblendungszusammenhangs, als welche die Form des Raumes wie auch die Zeit am Ende sich enthüllt). Ist das Verhältnis des Geldes zu den Waren das Modell der Beziehung des Dings zu seinen Eigenschaften: das Geld das wahre hypokeimenon, oder auch die Wasser, die den Meeresboden bedecken? Die Idee der Seligkeit wird durch die Unsterblichkeitslehre nur abgelenkt und verwirrt, nicht erfüllt. Ist der grasfressende Behemoth (der Erstling der göttlichen Schöpfung) ein Monster (Hiob nachlesen)? Haben nicht die Kirchen den Teufel mit dem Satan ausgetrieben (war das die Verführung, der sie erlegen sind)? Und haben die Kirchen etwas mit dem Widersacher im Buch Hiob zu tun? Haben die sieben Köpfe des Drachen und des Tieres in der Apokalypse etwas mit den Planeten (mit der Astrologie) zu tun? Aber was bedeuten dann die zehn Hörner (und die sieben/ zehn Diademe des Drachen/ des Tieres)? Ist das archaische Lächeln (und das Lächeln der Seligen in Bamberg) ein Lächeln im Angesicht der Katastrophe; hat es nicht etwas mit dem Lächeln der Auguren zu tun? Und ist die Isaak-Geschichte die Ursprungsgeschichte dieses Lächelns? Die meisten Faschismus-Theorien tragen die Züge der Abwehr; deshalb erreichen sie ihren Gegenstand nicht. Gibt es überhaupt eine Chance, die Erfahrung, aus der der Faschismus erstanden ist, an sich herankommen zu lassen? Aber gründet darin nicht die Gefahr einer Transformation des Faschismus, der mit Sicherheit nicht in der gleichen Gestalt wiederkommen wird, in der er einmal da gewesen ist. Kontrafaktische Urteile haben eine Ähnlichkeit mit der Frage, ob es Leben auf anderen Planeten gibt. Sie lenken ab von den realen Problemen dieser Geschichte (dieses Planeten). Sie sind ein Element ideologischer Geschichtsschreibung; eine ihrer Brutstätten war der Marxismus, eine andere die nationalistische Geschichtsschreibung. Liegen nicht Auschwitz, aber auch die „Auschwitzlüge“ und die Friedhofschändungen von heute in der Konsequenz kontrafaktischer Urteile, sind sie nicht zu verstehen als der Versuch, die Geschichte zu korrigieren, ein einmal Versäumtes nachträglich doch noch in die Tat umzusetzen? Gehört nicht zum Schuldverschubsystem (dem Relativitätsprinzip wissenschaftlicher Erkenntnis) die Exkulpations- und Verteufelungslogik? Theologie im Angesicht Gottes ist der Versuch, in die Theologie die Idee der Auferstehung und das Bewußtsein des Jüngsten Gerichts mit hereinzunehmen. Die, die da sagen, daß die Deutschen nicht ewig im Büßerhemd herumlaufen können, wissen nicht, wovon sie reden: Was sie das Büßerhemd nennen, ist das weiße Kleid der Umkehr. Was sind das eigentlich für Christen, die das Wort Buße nur noch mit einem pejorativen Klang hören und aussprechen können (wie bei der „Büßerin“ Maria Magdalena, von der man sich nur noch hat vorstellen können, sie müsse es aber schlimm getrieben haben)? Ist der Menschensohn (der bar enasch) der Sohn des Enosch, in dessen Lebenszeit man anfing, den Namen des Herrn anzurufen? Mit der Sprengung des All hat Rosenzweig die Form des Raumes gesprengt, die drei „Freiheitsgrade“ des Raumes aus ihrer orthogonalen Verklammerung (aus ihrer Beziehung zum All, zum totalisierenden Weltbegriff) gelöst und als Freiheitsgrade in einen neuen Zusammenhang gerückt, in dem sie als Umkehr, als Name und am Ende als Angesicht sich enthüllen? Problem des Schreibens: Das Ganze ist durchsichtig und klar, aber immer, wenn ich es niederschreiben will, wird es chaotisch und undurchsichtig. Kann es sein, daß das Schreiben die Sache der gleichen Logik unterwirft, deren Destruktion die Voraussetzung dafür ist, daß sie klar und durchsichtig wird? Dann wäre der Knoten gelöst, wenn es gelänge, die Logik des Schreibens mit in die Reflexion und Kritik einzubeziehen (dem Bücherschreiben ein Ende zu machen)? Wie hängt die Logik der Schrift mit der Logik der Welt zusammen? Ist die Logik der Schrift die Logik der Veranderung (das Äquivalent des Inertialsystems in der Sprache): der Objektbindung? Ist die Schrift die das finstere Geheimnis abschirmende Außenseite des Dings? (Liegt hier der Grund der Pseudepigraphie im apokalyptischen Schrifttum, in der mittelalterlichen Philosophie und Mystik und der geschichtswirksamen Fälschungen im Mittelalter, sowie nicht zuletzt die Lösung der Rätsel der Chronologie – der „Sumerer“ und Karls des Großen, aber auch der chronologischen Beziehungen zwischen der Abraham-, Moses-/Exodus-/Landnahme- und der Königsgeschichte Israels, der Zuordnung zu der Geschichte Chaldäas, Kanaans, Ägyptens, der Philister, Assurs und Babylons?)

  • 8.5.1994

    Die theologische Tradition hat Joh 129 durch die Pluralisierung der Sünde der Welt neutralisiert; durch das Verb „Hinwegnehmen“ hat sie das Wort des Täufers zu einem Instrument der Projektion und des Schuldverschubsystems gemacht; so ist es zum Prinzip der Selbstzerstörung und zur Quelle der Greuel der Verwüstung geworden.
    Berufung im Mutterschoß (bei Jesaias und Jeremias, auch in der Jesus-Geschichte): Ist das die Berufung aus der Gebärmutter, aus der Barmherzigkeit. Macht der Barmherzige sich zum Mutterschoß Gottes, und hängt das zusammen mit dem „in Schmerzen wirst du gebären“ und dem Begriff der messianischen Wehen? „Abgewichen sind die Gottlosen vom Mutterschoße an, es irren vom Mutterleibe an die Lügenredner.“ (Ps 584)
    Ist die „Rechte Gottes“ seine Gebärmutter (der Ort der Barmherzigkeit)? Beziehen sich hierauf (auf den zur Rechten sitzenden Sohn) die messianischen Wehen?
    Es ist die Barmherzigkeit, die die Prophetie auf die Aktualität verweist, und unbarmherzig geworden ist die Philosophie durch den Begriff, durch dessen Beziehung zur Zeit, die in der Löschung der Aktualität durch die Beziehung zum tode ti gründet.
    Karl Thieme, der darauf hingewiesen hat, daß Hitler nicht der Antichrist gewesen sei, wohl aber die Generalprobe, war der einzige, der in den 50er Jahren eine Umfrage einer katholischen Monatszeitschrift (Wort und Wahrheit) zum Thema „Heiligung der Welt“ mit dem Hinweis auf die Gegenstandslosigkeit dieses Worts beantwortet hat: Es gibt nur die Heiligung des Gottesnamens, aber keine „Heiligung der Welt“. In der jüdischen Tradition war das Motiv der Heiligung des Gottesnamens mit der Idee des Martyriums, der Zeugenschaft, verbunden: der Zeugenschaft eher für die göttliche Barmherzigkeit als für das Gericht, und wenn für das göttliche Gericht, dann für ein Gericht der Barmherzigkeit über das gnadenlose Weltgericht und seine in der Regel christlichen Repräsentanten.
    Ist dieses Zeugnis nicht das Zeugnis, mit dem der Vater und der Sohn sich wechselseitig bezeugen?
    Kritik der Metzgertheologie: Die Erlösungsbedeutung des Bluts, die Reinigung der Seele im Blut des Erlösers, darf nicht biologistisch verstanden werden, sie gründet vielmehr im Kontext der Nachfolge, im Kontext der Idee der Blutzeugenschaft, des Martyriums (in unserm Anteil an den messianischen Wehen). Dagegen gründet die Metzgertheologie in dem Theologumenon, daß Jesus die Welt entsühnt habe (mit dem zugehörigen Erfüllungskonstrukt: daß in ihm die Prophetie sich erfüllt), in dem gleichen Zeitverständnis, das auch dem Inertialsystem zugrunde liegt und durch den Begriff einer absoluten Vergangenheit die Exkulpation an die Welt delegiert: den Weltbegriff als Grund des Begriffs und des gesamten Objektivationsprozesses konstituiert. Die Opfertheologie wird in der gleichen Bewegung magisiert, in der die Prophetie (oder die Idee einer Theologie im Angesicht Gottes) durch Historisierung neutralisiert wird.
    Nur wenn ich den Weltbegriff zur Grundlage mache, kann ich die Vergangenheit zum Steinbruch für meine Phantasiekonstruktionen machen, kann ich mir eine religiöse Kuschelecke in einer Welt, die ich doch nicht ändern kann, einrichten.
    Der Name des Menschensohns enthält auf einen doppelten Hinweis:
    – Er bezeichnet den Sohn Adams, den, der die Sünde Adams als sein Erbteil auf sich nimmt; und
    – er ist antitotemistisch: am Anfang der Ahnenreihe steht kein Tier, kein Behemoth und kein Leviathan, sondern der Mensch.

  • 7.5.1994

    Grundlage des Weltbegriffs ist das Schuldverschubsystem, dessen Logik diesen Begriff durchdringt und beherrscht. Damit hat der Weltbegriff eine gleichsam eingebaute Entsühnungsautomatik. Diese Automatik ist einmal durchs Christentum installiert und eingeübt worden, sie beginnt heute das Christentum überflüssig zu machen. Die Frage ist nicht, ob die Erbsündenlehre sich noch halten läßt, die unschuldigen Kinder den Makel der Schuld angeheftet hat, sondern ob die augustinische Interpretation (die selber aus der Problemlage am Ende des vierten Jahrhunderts abzuleiten wäre) mit der Unfähigkeit zur Reflexion des Weltbegriffs selber ans Schuldverschubsystem gebunden bleibt und deshalb der Erbsündenlehre (die im Kontext von Joh 129, im Lichte des Begriffs der „Sünde der Welt“ eine ganz andere Bedeutung gewinnt) diese terroristische Wendung gibt. Die Erbsünde ist die Sünde der Welt. Ein anderes Produkt dieses Schuldverschubsystems, das deshalb dann so wichtig geworden ist, weil es seine Instrumentalisierung ermöglichte, war die Sexualmoral. Sie war das Bindeglied, das die Erbsündenlehre mit der Sexuallust (anstatt mit der Urteilslust) verbunden, ihr damit die so verhängnisvolle und folgenreiche Wendung ins Biologistische und Rassistische gegeben hat. Frauenfeindschaft und Antisemitismus haben dann geholfen, diese Verbindung abzusichern. Damit wurde die Erbsündenlehre zu einem Konstrukt, das sich selber im blinden Fleck stand: sie ist selbst in den Bann der Erbsünde hineingerückt. Mit der dritten Leugnung wendet sich der zerstörerische Objektivationsprozeß nach innen und wird zum Prozeß der Selbstzerstörung. Da gingen ihnen die Augen auf, und sie erkannten, daß sie nackt waren: Sie lernten, sich und die Dinge im Blick der anderen wahrzunehmen. Die gesamte Geschichte der Aufklärung steht unter diesem Gesetz. Der Erkenntnisbegriff der Aufklärung enthält im Kern diesen Blick der anderen, den er zu seinem eigenen zu machen versucht. Der Weltbegriff konstituiert sich in diesem Blick. Zugleich entspringen der Name der Barbaren wie auch die Begriffe Natur und Materie, deren Logik seitdem den Erkenntnisbegriff an den der Welt bindet. Die Hereinnahme des Blicks der anderen in den Erkenntnisbegriff ist der Grund der Urteilsform; erst in diesem Blick trennen sich Objekt und Begriff, Leib und Seele. Die Logik dieses Blicks bestimmt seitdem die Struktur (und die Geschichte) der Sprachen, ihre Grammatik. Mit dem Neutrum entspringt und mit dem Ding vollendet sich die Identifikation mit dem Blick des andern. Das Zentrum dieses Blicks ist das Inertialsystem, sind die subjektiven Formen der Anschauung und die ihnen korrespondierenden Erscheinungen. Das kopernikanische System hat diesen Blick totalisiert (sein frühestes Symbol ist das kreisende Flammenschwert des Cherubs vorm Eingang des Paradieses), wie überhaupt die Astronomie in der Geschichte des Ursprungs des Weltbegriffs eine zentrale Bedeutung gewinnt. Sind nicht die Namen der Planeten Erinnerungsmale der Differenzierung der Verinnerlichung des Blicks der andern auf die Welt und auf die Dinge (Merkur und Venus, Jupiter und Mars, aber auch Sonne und Mond: diese als Hälften des Angesichts – das getrennte Sehen und Gesehenwerden -, sie alle sind Verkörperungen des Blicks der anderen, während der Saturn den nach innen gekehrten Blick der Melancholie repräsentiert). Der Merkur ist der Götterbote. Hat der Engel Elohims, der Abraham aufforderte, Isaak, seinen Sohn, zu opfern, das kanaanäische Kinderopfer an seinem Sohn zu vollstrecken, etwas mit diesem Merkur zu tun? Die Identifikation mit dem Blick des andern bedarf zu ihrer Absicherung (zur Überbrückung der Kluft der Asymmetrie) der Idee des Absoluten. Das Absolute ist der Schatten, den das Ich auf Gott wirft, die Wand, hinter der es sich dem Anblick Gottes zu entziehen versucht (die Bäume im Garten Eden); aber der Schatten des Absoluten ist der Antisemitismus (und niemand kann über seinen eigenen Schatten springen). Der Mechanismus der Identifikation mit dem Blick der anderen hat die Naturwissenschaft zur Grundwissenschaft macht. Das Hinter dem Rücken ist in den subjektiven Formen der Anschauung und im Inertialsystem institutionalisiert worden. Das Krähen des Hahns verkündet am Ende der Nacht den kommenden Morgen, den neuen Tag. Das Geld ist die Materie des Rechts (Begründung durch die Beziehung beider zum Eigentum); deshalb wäre eine Theorie der Banken ein Schlüssel zur Auflösung des Rätsels der Astronomie. Ist nicht alles, was von außen wie Bosheit aussieht, von innen Dummheit? Heute stehen sich alle selbst im blinden Fleck ihrer Dummheit, deren praktische Seite Gemeinheit heißt, die bekanntlich kein strafrechtlicher Tatbestand ist. Problem der Übersetzung des Gottesnamens: Die traditionelle Übersetzung mit „Herr“ knüpfte an an den dem unaussprechlichen Gottesnamen unterlegten Namen Adonai. Jüdische Versuche sind die Übersetzung mit „der Ewige“ (Moses Mendelssohn, vgl. Rosenzweigs Aufsatz hierzu); Buber hat den Namen mit dem Personalpronomen „Er“ zu übersetzen versucht. Die schlechteste Übersetzung ist die Nichtübersetzung, die direkte Wiedergabe des Tetragrammaton. Der Gebrauch dieses Namens unterstellt, daß es das Ich, mit dem Gott nur sich selbst nennen kann, nicht gibt. Er ist ein sich als Atheismus bekennender Atheismus in der Theologie, der, indem er den Namen ausspricht, sagt, daß es dieses Ich nicht gibt. Darin drückt sich eine Beziehung zum Text aus, die ihn endgültig in die Vergangenheit setzt, der ich als Historiker glaube, entronnen zu sein. Er ist das verstockte Bekennntnis des Endes der Gottesfurcht. Dagegen läuft das Bubersche Er in die gleiche Patriarchatsfalle, in der das christliche Herr sich verfangen hat: Zum Er gehört das Sie und Es; es unterwirft Gott dem Geschlecht, das von der dritten Person nicht abzulösen ist, und dem in der christlichen Theologie das Attribut des Zeugens (und das Männliche in der gesamten Trinitätslehre) sich verdankt. Der theologische Gebrauch des Gottesnamens steht in der Tradition der Eucharistie-Verehrung; er unterliegt der gleichen entfremdenden und verdinglichenden Gewalt. Sind nicht die Namen der Schriftgelehrten, der Pharisäer und der Sadduzäer nur noch typologisch-prophetisch, und nicht mehr historisch-projektiv zu verstehen und verwendbar? Ist nicht das augustinische ad litteram, diese ans Vergangene fixierte „Wörtlichkeit“, endlich kritisch aufzulösen? In dieser Wörtlichkeit steckt das exkulpatorische Moment, das seitdem die Theologie verhext, und durch das der Freiraum geschaffen worden ist, in dem dann die christlichen Schriftgelehrten, Pharisäer und Sadduzäer sich geschützt fühlen durften (der gleiche Mechanismus verstellt heute auf entsetzliche Weise das Verständnis der Schrift insgesamt, insbesondere auch das der Propheten). Durch die Historisierung der Schriftgelehrten, Pharisäer und Sadduzäer ist die Projektionsfolie geschaffen worden, durch die der Objektivierungsprozeß, die Heuchelei und die Instrumentalisierung der Religion (die Theologie hinter dem Rücken Gottes) der Kritik entzogen worden sind. Zusammenhang mit Joh 129, dem Wort von der Sünde der Welt! Die Heuchelei ist die Außenseite der Exkulpationsautomatik. Wir sind die getünchten Gräber, die Heuchler und die Schlangenbrut (und liegt nicht die Logik des „korban“ auch der Kirchensteuer zugrunde?).

Adorno Aktueller Bezug Antijudaismus Antisemitismus Astrologie Auschwitz Banken Bekenntnislogik Benjamin Blut Buber Christentum Drewermann Einstein Empörung Faschismus Feindbildlogik Fernsehen Freud Geld Gemeinheit Gesellschaft Habermas Hegel Heidegger Heinsohn Hitler Hogefeld Horkheimer Inquisition Islam Justiz Kabbala Kant Kapitalismus Kohl Kopernikus Lachen Levinas Marx Mathematik Naturwissenschaft Newton Paranoia Patriarchat Philosophie Planck Rassismus Rosenzweig Selbstmitleid Sexismus Sexualmoral Sprache Theologie Tiere Verwaltung Wasser Wittgenstein Ästhetik Ökonomie