August 1994

  • 31.8.1994

    Die Logik der Schrift trennt nicht nur Welt und Natur, sondern auch Öffentlichkeit und Privatsphäre (sie konstituiert den Weltbegriff und die Öffentlichkeit, und macht damit überhaupt erst die Natur zur Natur und die unmittelbare Existenz zur Privatexistenz).
    Das Objekt ist ein Produkt der Schrift.
    Ist nicht die Logik der Schrift das Buch mit sieben Siegeln, deren Lösung die Sprache (das Wort) aus den Verstrickungen der Logik der Schrift befreit?
    War nicht die paulinische Gesetzeskritik eigentlich eine Kritik der Logik der Schrift, und war nicht das Wort vom Ende des Gesetzes die voreilige Ankündigung des Endes der Logik der Schrift, das (außer in der Erinnerung des Kreuzestodes) noch nicht eingetreten war? Aber der Kirche ist es dann „gelungen“, den Kreuzestod durch seine opfertheologische Neutralisierung zu neutralisieren und zu domestizieren.
    Gründen nicht die Probleme der paulinischen Theologie darin, daß er keine andere Wahl hatte: die Mittel der Kritik der Logik der Schrift (des Gesetzes) waren die Mittel der Logik der Schrift.
    Unterscheidet sich das Himmelreich vom Gottesreich wie die Erfüllung der Schrift (der Kreuzestod) von der Erfüllung des Wortes (der Erneuerung des Antlitzes der Erde)?
    Zur Thora: Ist die Lehre nicht in dem Augenblick, als „die Schrift sich erfüllte“, zum Gesetz geworden?
    Mit dem homousia ist die Logik der Schrift endgültig im Dogma verankert und Jesus nochmals gekreuzigt worden.
    Erfüllung der Schrift:
    – auf dem Wege nach Emmaus hat Jesus den Jüngern (deren Augen „gehalten wurden“ und die ihn dann erst am Brotbrechen erkannten) anhand der Schriften (Moses und der Propheten) nachgewiesen, daß Christus „dies alles leiden“ mußte, bevor er in seine Herrlichkeit eingehen konnte (Lk 2425ff); und zu Maria Magdalena sagte er: „Rühre mich nicht an, denn ich bin noch nicht zum Vater aufgefahren“ (Joh 2017);
    – die Reden in der Apostelgeschichte (die des Petrus am Pfingsttag, die des Stephanus vor seiner Steinigung, aber auch das Gespräch des Philippus mit dem Aethiopier) beziehen sich, wie es scheint, ausschließlich auf das, was man die Erfüllung der Schrift nennen könnte, nicht aber auf die Erfüllung des Worts, die noch aussteht.
    Ist nicht das Feuer ein Symbol der Gottesfurcht, und sind Fegfeuer und Hölle nicht projektive Verkörperungen der verdrängten Gottesfurcht?
    Ist nicht am neuen Welt-Katechismus im Detail abzulesen, in welche Engführungen und in welche Verstrickungen (oder: in welche Versuchungen) die Logik der Schrift heute hineinführt?
    Wie verhält sich das: Im Schöpfungsbericht, der sich begreifen läßt als eine Geschichte von Katastrophe und Rettung, ist die Schöpfung das Werk Elohims; der Geschichte vom Sündenfall zufolge ist das katastrophische Element in der Schöpfung bedingt, verursacht durch die Sünde Adams (nach Joh 129 die „Sünde der Welt“).
    Über die neutralisierende Gewalt der Orthogonalität (die Neutralisierung der Differenz zwischen Unmittelbarkeit und Reflexion).
    Et ne nos inducas in tentationem: Diese Versuchungen, sind das nicht (wie die Versuchungen Jesu nach seinem Aufenthalt in der Wüste) die Versuchungen der Logik der Schrift?
    Ist nicht die scientia, der Ursprung der Wissenschaft im Kern der christlichen Theologie, die Rache der Gnosis an der Theologie?
    Die drei Leugnungen beziehen sich auf das Verhältnis des Wortes (des Logos) zur Logik der Schrift (deren Vollstreckerin die Kirche seit ihrem Ursprung gewesen ist).

  • 30.8.1994

    Kann Kohl sich noch darauf herausreden, daß auch er nicht weiß, was er tut? Wüßte er es wirklich nicht, weshalb begleitet er dann jede Gemeinheit der Tat mit einem Dementi des Worts? Er weiß, daß die Rede von Ossis und Wessis diskriminierend ist, zum politischen Sprengstoff zu werden droht; aber er redet so wie nur ein Wessi redet. Die Reflexion bleibt abstrakt, sie erreicht nicht mehr das praktische Gewissen (der Grund hierfür wurde gelegt, als der Logos zum Logos wurde). Liegt hier nicht der Grund der allgemeinen Überzeugung, daß Reden nichts hilft? Grund ist die Unfähigkeit zur Reflexion der Urteilsform (des Weltbegriffs).
    Rom hat den Logos gekreuzigt.
    Die Geschichte der drei Leugnungen ist die Geschichte der Selbstzerstörung der Sprache.
    Ist nicht Luthers sola scriptura eine Konsequenz aus dem augustinischen ad litteram, wird es nicht durch dieses Schriftverständnis verhext?
    Kranken nicht unsere Diskurs- und Kommunikationstheorien an der Unfähigkeit, die Urteilsform, die Urteilslogik, zu reflektieren? Sie haben den erkenntniskritischen Teil der kantischen Philosophie ad acta gelegt, verdrängt, damit aber die gesellschaftskritischen Konsequenzen aus der kantischen Erkenntniskritik entschärft. Liefert nicht der Jakobus-Brief den entscheidenden Hinweis auf den Schuldzusammenhang von Sprache und Welt, auf den gleichen Schuldzusammenhang, den die Philosophie und ihrer Folge die Wissenschaft seit je zu neutralisieren versucht, um sich zugleich umso tiefer in den Schuldzusammenhang zu verstricken? Adorno hat recht, wenn er darauf hinweist, daß es keine Position außerhalb der Welt gibt: die Vergegenständlichung der Welt steht selber unter dem Gesetz der Logik der Welt.
    Nur wer die Last (die Sünde der Welt) auf sich nimmt, anstatt sie durch Vergegenständlichung zu verdrängen, befreit sich von ihr.
    Wissenschaft heute: das in Angst vor der Schlange erstarrte Kaninchen.
    Hat das Christentum mit dem Begriff des Zeugens nicht die aufgedeckte Blöße ins Zentrum ihrer Theologie: in die Trinitätslehre mit hereingenommen? Die Barmherzigkeit des Vaters kommt im Dogma nicht vor. Ist das nicht ebenso eine Konsequenz der Bekenntnislogik wie die Opfertheologie?
    Liefert Heinsohns Geldtheorie nicht auch einen Beitrag zum Verständnis des Ursprungs des Bußsakraments (und des katholischen Mythos insgesamt)?
    Stimmt es daß das mit „klug“ übersetzte hebräische Wort in Gen 31 auch mit „nackt“ übersetzt werden kann, daß die Schlange nicht nur „klüger“, sondern auch „nackter“ war als die Tiere des Feldes? Aber stimmt dann der Komparativ? Ist diese Klugheit die Klugheit der Schamlosigkeit?
    Steckt nicht die Geschichte der Zeit in der Geschichte von der Sonnenuhr zur Quarzuhr? Und haben nicht Einstein und Planck den Schlüssel des Abgrunds verfügbar gemacht? Was hat der Schlüssel des Abgrunds mit der Pforte der Hölle zu tun?
    Die subjektiven Formen der Anschauung als Produkt der Abstraktion vom Gesehenwerden (von der Scham) sind das Instrument des Aufdeckens der Blöße und der Abstraktion vom Angesicht Gottes. Entspringt die Nacktheit erst mit der Logik der Schrift?
    Die Logik der Schrift ist der Quellpunkt der Wolfswelt, der Gemeinheit, die sich selbst nicht begreift.
    Die indogermanische Sprache als Produkt der Identifikation mit dem Aggressor.
    Sind die Winde nicht ein gemildertes Feuer, das dann in Gewittern als Blitz hervorbricht? Haben die vier apokalyptischen Reiter etwas mit den vier am Euphrat gebundenen Winden zu tun?

  • 29.8.1994

    Die Logik der Schrift ist die Logik der verandernden Kraft des Seins; sie ist die Grundlage sowohl der drei kantischen Totalitätsbegriffe als auch der daraus entfalteten idealistischen Systeme.
    Durch die Schrift verändert sich die Beziehung der Sprache zur Zeit und zum Objekt (zu dessen Konstituentien die Vergegenständlichung der Zeit gehört) sowie der Begriff des Subjekts.
    Die Logik der Schrift neutralisiert das Geschlecht der zweiten Person: die Sprache wird zölibatär (in der hebräischen Sprache behauptet sich die Sprache gegen die Logik der Schrift, während im Griechischen die Logik der Schrift als Sprachlogik sich entfaltet: in der Grammatik).
    Das subjektive Korrelat der Logik der Schrift ist die Bekenntnislogik (zu deren Vorgeschichte der Name der Barbaren gehört).
    Mit dem „Seid klug wie die Schlangen“ rechtfertigt und relativiert Jesus den Gebrauch der griechischen Sprache.
    Aus dem Bann der Urteilslogik heraustreten, heißt, als erstes begreifen, daß die Sprache der Welt nicht äußerlich ist, daß sie zu den Konstituentien des Weltbegriffs gehört, daß sie nicht nur Schriftsprache ist.
    Die Logik der Schrift ist ein Produkt der Herrschaftsgeschichte und in sie verflochten (verstrickt).
    Es ist die Logik der Schrift – und nicht erst die Philosophie -, die den Tod verdrängt, indem sie ihn in ihre Struktur mit aufnimmt und so neutralisiert (die Schrift – und hier gründet ihre Beziehung zum Inertialsystem – ist die Todesgrenze).
    Die Logik der Schrift begründet die Idee der Wissenschaft und trennt Natur und Welt. Sie ist der Grund, aus dem das Reich der Erscheinungen hervorgeht.
    Ist nicht Matthäus der apokalyptische Evangelist, während Johannes Evangelist und Apokalyptiker in getrennten Rollen ist?
    Die Logik der Schrift rührt an den Himmel, aber nur an die Seite des Wassers; die Seite des Feuers ist nur durch die Kritik der Logik der Schrift hindurch zu erkennen. Die getrennte Konstituierung der Logik der Schrift gründet im Sündenfall. Symbol der Logik der Schrift ist die Schlange, die auf dem Bauche kriechen und Staub fressen soll (und am Ende der Drache: was bedeuten dann die sieben Köpfe und zehn Hörner?).
    Die Logik der Schrift, das Opfer und die Idee der Stellvertretung: die Begründung der Hierarchie. Verantwortung wird durch Delegation zur Unkenntlichkeit neutralisiert. Im Bereich der delegierten Verantwortungen (der Kompetenzen- und Zuständigkeitsregelungen) weiß niemand mehr, was er tut. Die Gemeinheit hat delegierte Verantwortung, das Prinzip der Stellvertretung, als Existenzgrund.
    Das Fernsehen, oder über den Zusammenhang von Erwählung und Delegation.
    Wer das Transzendentale mit der Transzendenz verwechselt, macht Gott zur Exkulpationsmaschine und zum Garanten der Verdinglichung.
    Dimitte nos debita nostra, sicut et nos dimittimus debitoribus nostris: Ist das nicht ein Erkenntnisprinzip, die Warnung vor dem projektiven Anteil in jeder urteilenden Erkenntnis?
    Im Allerheiligsten wurde die Tafel mit den Geboten Gottes aufbewahrt: War darin nicht der Gottesname verschlüsselt gegenwärtig (und war deshalb der Tempel das Haus Seines Namens)?
    War auch der zweite Tempel das Haus Seines Namens?
    Adornos Texte unterscheiden sich von anderen philosophischen Texten, daß jeder Satz die Reflexion der Logik der Schrift in sich enthält.
    Sind nicht die Confessiones, die des Augustinus wie auch die Rousseaus, Versuche, aus dem Versteck, der die Schrift auch ist, herauszutreten?
    Die Bedeutung des Prinzips der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit liegt u.a. darin, daß es im Zentrum der Physik den Punkt bezeichnet, der die Grenze der Logik der Schrift markiert.
    Längenkontraktion und Zeitdilatation gründen in den Gleichungen der Lorentz-Transformation. Aber ist in der Struktur dieser Gleichungen – ähnlich wie in der Struktur der Exponentialfunktion im Planckschen Strahlungsgesetz – nicht ein Moment enthalten, das auf die Orthogonalitätsstruktur verweist, sie in die physikalische Dynamik mit einbezieht? Oder genauer: Ist nicht die Beziehung der elektrodynamischen zu den mechanischen Prozessen (der Strahlungsprozesse zu den kinetischen Vorgängen) eine orthogonale?
    Woher kommt das Suffix -ment (Parlament, Dokument), und was bedeutet es? Sind nicht die Prä- und Suffixe und das Gesamtsystem der Flexionen die Repräsentanten des Inertialsystems in der Logik der Schrift? Die Objektivation insgesamt verdankt sich der Logik der Schrift: Diese begründet die gleiche Distanz, die als Distanz zum Objekt durch die Distanz vermittelt ist, die – nach der Dialektik der Aufklärung – der Herr durch den Beherrschten gewinnt.

  • 28.8.1994

    Was bedeutet eigentlich Hegels Satz, daß „Geschichtserzählung mit eigentlich geschichtlichen Taten und Begebenheiten gleichzeitig erscheinen“, d.h. daß Geschichte erst durch die Geschichtsschreibung zur Geschichte wird (sh. Vernunft in der Geschichte, S. 164), mit dem Schluß: „.. die bei ihren vernünftigen Gesetzen und Sitten zugleich äußerliche Existenz des Staates ist eine unvollständige Gegenwart, deren Verstand zu ihrer Integrierung des Bewußtseins der Vergangenheit bedarf“? Rührt diese Konstellation nicht an den Kern des Problems der Logik der Schrift?
    Vgl. hierzu Hegel, Philosophie der Geschichte, S. 112-114, 206, 227, 243.
    Erst die Taufe der Vergangenheit, die die Dinge durch die Logik der Schrift erfahren, macht sie zu Dingen. Grammatik und Mathematik sind durch die Logik der Schrift aufeinander bezogen. Ist nicht das Prinzip der Zahlen in der gleichen Struktur vorgebildet, die auch das Neutrum begründet, nämlich in der Subsumtion der Zukunft unter die (ideelle) Vergangenheit, die der (realen) Vergangenheit, indem sie sie von der Gegenwart ausschließt, überhaupt erst ihre verdinglichende Gewalt verleiht?
    Welche Konsequenzen ergeben sich, wenn man Hegels Bemerkung über den Zusammenhang von Geschichte und Geschichtsschreibung auf den Golfkrieg oder auf den Jugoslawien-Konflikt (und auf die Rolle der Medien, der „Öffentlichkeit“, in beiden) anwendet: Gehört nicht die Vorbereitung und Begleitung dieser Konflikte in der Öffentlichkeit zu ihren Ursachen und zu den Bedingungen ihres Verlaufs: Produzieren hier nicht erstmals die Nachrichten die Ereignisse, von denen sie berichten? Beides sind in hohem Grade Medien-Ereignisse.
    Die Kritik der politischen Ökonomie ist heute zu einer verzweifelten Wissenschaft geworden, aber das ist kein Grund, sie nicht weiter zu betreiben.
    Fortschritt der Erkenntnis: Sind es nicht die Kräfte, die im Innern des historischen Prozesses walten, die der Erkenntnis ihre Objekte zuführen.
    Der Kelch, von dem Jesus wünschte, er möge an ihm vorübergehen: war das nicht die griechische Sprache, in der das Christentum auf den Weg geschickt worden ist? Und gilt nicht auch hier: Nomen est omen; ist der Name des Paulus nicht ein Hinweis darauf, daß das von ihm begründete Christentum im Namen des Saulus auf den Weg geschickt worden ist, nicht im messianischen Namen Davids (vgl. die Saulus-/David-Geschichte)?
    Steht nicht die historisch-kritische Bibelwissenschaft unter dem Gesetz der Logik der Schrift; wird nicht durch die Logik der Schrift genau das ausgeblendet, worauf es eigentlich ankäme? So, wie schon Augustinus in seinem Genesis-Kommentar durch das „ad litteram“ den prophetisch-symbolischen Teil des Textes ausgeblendet hat.
    Im Bußsakrament hat die Kirche auch noch das Lösen zu einem Teil des Bindens gemacht (es steht in der Entwicklung der Theologie an der Stelle, an der in der Geschichte der Naturwissenschaften das Trägheitsprinzip steht und in der Geschichte des Kapitalismus die Lohnarbeit). Ein spätes Echo dieses Vorgangs ist die Wiedereinbindung der durchs Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit geöffneten Naturerkenntnis in die Geschichte der gesellschaftlichen Naturbeherrschung durch die Kopenhagener Schule (Wiedereinbindung der Kritik des Inertialsystems ins Inertialsystem). Das Bußsakrament ist eine Station auf dem Wege von der Erfindung des Begriffs zum Naturverständnis der Kopenhagener Schule.
    Partizipieren die sieben Sakramente nicht an der Logik der Schrift, gehören sie nicht zur Urgeschichte des Weltbegriffs? Die sieben Siegel sind die sieben Siegel des Buches, das zu öffnen wäre: Daß der Himmel wie eine Buchrolle sich aufrollt, heißt das, daß er zur Rolle sich zusammenrollt (zum Buch wird), oder daß er sich aufrollt (das Buch sich öffnet)?
    Bei welchen der zehn Plagen Ägyptens nennt Moses Gott den Gott der Hebräer, und wann nennt er den Gottesnamen (JHWH)?

  • 27.8.1994

    Steckt in dem Wort „Erfüllung“ (des Wortes, der Schrift) das Kelch-Symbol?
    Die Lösung des Problems der Ästhetik, und zwar der transzendentalen Ästhetik Kants wie auch der Kunstphilosophie, liegt in der Idee der Auferstehung.
    Ist das indische Om ein Hinweis auf den Quellpunkt der indogermanischen Sprachlogik/Grammatik? Hier liegt der Grund für die faschistische Grundstruktur der Fundamentalontologie.
    Ist die indische Schrift eine Buchstabenschrift (eine phonetische Schrift), und wie hängt sie mit der phönizischen und griechischen Schrift zusammen?
    Das Sein ist das schwarze Loch, zu dem die Idee des Absoluten wird, wenn man sie gegen die Reflexion abzuschirmen versucht.
    Die erkennende Kraft der Sprache ist heute nicht nur noch durch die Reflexion der Logik der Schrift hindurch zurückzugewinnen.
    Im NT kommen beide Versionen vor: sowohl daß die Schrift (oder gar das Gesetz) sich erfüllt, wie auch, daß das Wort sich erfüllt. Sind diese drei Textarten nicht auseinander zu halten?
    Ist nicht der gesamte Wissenschaftsbetrieb auf die Logik der Schrift und ihr gegenständliches Korrelat, die lineare Zeit, bezogen?
    Daß die Wahrheit einen Zeitkern hat, und daß es zur Nachfolge dazugehört, die Zeichen der Zeit zu erkennen, verweist auf die Notwendigkeit der Reflexion der Logik der Schrift.
    Ist nicht das Thalessche „Alles ist Wasser“ eine bleibende, apriorische Grunderfahrung der Philosophie, eine Erfahrung, in der sich die Philosophie immer wieder erneuert: Indem sie vergangenes Denken vergegenständlicht, reflektiert, verflüssigt sie es: erfährt sie es als „flüssig“. Das „Alles ist Wasser“ ist die Urform der Reflexion (die Wiederkehr des Mythos im Denken).
    Ist die Philosophie nicht im Römischen Reich zur Rhetorik geworden, und waren es nicht Rhetoriker, die die lateinische Theologie begründeten (von Tertullian bis Augustinus)?
    Mit dem Licht hat sich Gottes Wort in der Welt seinen Grund geschaffen.
    Im NT träumt Joseph (im Traum erscheint ihm ein Engel), und Petrus träumt (er „sieht“ ein Bild), während Paulus in den dritten Himmel entrückt war und Stephanus den Himmel offen sah. Prophetie heute muß den Traum, den Nebukadnezar vergessen hatte, der heute zum Inbegriff aller nicht geträumten Träume geworden ist, erst erfinden, um ihn deuten zu können.
    Engel im NT: real bei der Geburt des Johannes, in der Verkündigungsgeschichte (beidemale Gabriel), bei der Geburt Jesu, später dann in der Apostelgeschichte, z.B. bei der Befreiung des Petrus aus dem Gefängnis; sonst nur in den Träumen des Joseph? Wie war es bei der Geburt des Johannes (beim Zacharias)? Sonst heißt es nur noch von den Kindern, daß ihre Engel Gottes Angesicht schauen (gilt dieses Wort auch für die Kinder in Auschwitz, und wenn ja: was heißt das?).
    Zur Theorie des Traumes vgl. Hegels Erörterungen über Indien in seiner Geschichtsphilosophie (enthalten nicht die Teile, die von den „vorgeschichtlichen“ Völkern, von Afrika, China und Indien handeln, den von Hegel verdrängten prophetischen Impuls?). Gehört nicht das Problem des Traums zu dem der Ästhetik?

  • 26.8.1994

    Der christliche Liebesbegriff hängt mit dem Selbstmitleid, dem Exkulpationstrieb, zusammen: Geliebt werden möchte, wer sich schuldig fühlt.
    Liberum arbitrium und Inertialsystem: Mit dem liberum arbitrium wurde die Idee der Freiheit der Kinder Gottes durch den Begriff der Wahlfreiheit ersetzt, der Name durch den Begriff. (Wahlfreiheit ist Freiheit im Schuldzusammenhang, nicht die Lösung aus seinen Verstrickungen oder gar dessen Auflösung).
    Es ist ein Unterschied ums Ganze, ob Gesellschaftskritik als Instrument der Exkulpationsstrategien genutzt wird oder als Mittel der Selbst-, der Schuldreflexion . Wie hängt das Selbst mit der Erbschuld zusammen (ist nicht das Subjekt das der Schuld)? Auch hier gilt: Nur wer die Last auf sich nimmt, befreit sich von ihr.
    Verweist die Beziehung des Drachen in der Apokalypse zu den beiden Tieren (aus dem Meere und vom Lande) auf die Trinitätslehre (auf das, was aus der Trinitätslehre im Kontext des verdinglichten Bewußtseins geworden ist)? Ist nicht das Tier aus dem Meere „gleichen Wesens“ wie der Drache (es hat zehn Hörner und sieben Köpfe; nur daß das Tier Kronen auf seinen Hörnern, und auf seinen Köpfen, auf denen der Drache Kronen hat, gotteslästerliche Namen hat); das Tier vom Lande hingegen spricht „wie ein Drache“?
    War nicht der Faschismus der Modernisierungsschub, der die Moderne in die Postmoderne befördert hat? Kann man die Todesstrafe abschaffen, wenn sie in den Metastasen von Auschwitz ungeregelt und wildwachsend, fast schon nicht mehr kontrollierbar, fortlebt? Man hat die Todesstrafe abgeschafft, begeht aber zugleich aus Angst vor dem Tode Selbstmord (ähnlich wie heute aus Angst vor dem Fundamentalismus die religiöse Tradition verdrängt wird).
    Hat die Geschichte von dem einen und den sieben unreinen Geistern etwas mit dem Zeitbegriff zu tun, dessen Einheit heute zu Protest geht? Kann es sein, daß Erinnerungsarbeit statt auf die eine auf sieben Vergangenheiten sich bezieht (Prinzip der Hegel-Kritik)?
    In der Geschichte von dem einen und den sieben unreinen Geistern steckt auch die Geschichte der Beziehung von Bekehrung und Umkehr (vgl. das Verhältnis von Petrus und Maria Magdalena).
    Das Inertialsystem (und sein sprachliches Korrelat: die indogermanische Sprachlogik/Grammatik) steht unter dem Diktat des linearen Zeitverständnisses (der homogenen Zeitvorstellung), sie ist das Produkt der Selbstentfaltung der Logik der Schrift (was für mich vergangen ist, ist an sich vergangen). Ist nicht das Dogma und die Bekenntnislogik auch ein Teil des Inertialsystems?
    Die Beziehung der Geschichte der „Verweltlichung der Welt“ zur Theologie drückt sich nicht in dem „Ja und Amen“, sondern in dem „Seid klug wie die Schlangen“ aus, allerdings mit der Ergänzung: „und arglos wie die Tauben“. Es genügt nicht, daß heute – nach einer Bemerkung Adornos – jeder Katholik schon so schlau ist wie früher bloß ein Kardinal; es käme darauf an, daß die Kirche sich selbst von der Paranoia, der sie zu verfallen droht, befreit.
    Haben die Deutschen den Völkern den Namen geraubt, indem sie sie zu Heiden machten, um dahinter ihr eigenes Heidnisches: ihr Völkisches, ihr Deutsches, verstecken zu können.
    Die Rache der Virgo am Confessor: Spielt das nicht auch in die Beziehung von Luise Rinser zu Karl Rahner mit herein? Stammt nicht der Stoff zu „Mirjam“ aus dieser Beziehung? Erinnert das Ansinnen Luise Rinsers an Karl Rahner, sie gegen Kritik zu verteidigen, nicht auch an die ungeheure Last, die den Frauen mit dem Symbol der Virgo aufgebürdet worden ist? Die Männer, die Confessores, hatten auch als Heilige noch das Recht, schuldig werden zu dürfen; die Frauen waren dazu verurteilt, unschuldig bleiben zu müssen. Und wenn Frauen – anders als die einzige Maria nach dem Dogma – als Mütter keine Virgines bleiben konnten, so sollten doch wenigstens stellvertretend ihre zölibatären Söhne, die Priester, es sein. Wurde nicht in der Dreiecks-Geschichte zwischen Luise Rinser, Karl Rahner und dem Benediktiner-Abt unbewußt und hilflos ein symbolisches Drama aus dem Fundus der katholischen Sexual-Theologie ausagiert?
    Sexualmoral und Heuchelei: In einer Konstellation, in der der Grundsatz gilt, daß man alles darf, sich nur nicht erwischen lassen – und das ist die Konstellation, in der die Bekenntnislogik gründet -, sind die Männer „fein heraus“: Sie können „es“ tun, weil sie keine Gefahr laufen, erwischt zu werden, während die Frauen gleichsam von Natur dazu verurteilt sind, daß die Folgen ihres Tuns öffentlich werden. Hat die Verschiebung des Naturbegriffs von der physis zur natura, von der Zeugung zur Geburt (von der Philosophie zum Recht), etwas mit dieser Konstellation zu tun?
    Haben die Christen nicht seit je den Kreuzestod mit dem hakeldama verwechselt? (Die schrecklichen Folgen des Worts „Sein Blut komme über uns und unsere Kinder“, das infam und zur Mordparole geworden ist, als Christen wider die Logik der Moral davon glaubten Gebrauch machen zu dürfen.)
    Die Schicksalsidee ist das Echo des Himmels auf das Blut, das vom Acker nach Rache schreit. Die der Schicksalsidee zugrunde liegende Rachelogik ist durch den Weltbegriff neutralisiert und universalisiert worden (vgl. die griechische Deklinations-Logik). Die logischen Zwischenglieder sind an der Urgeschichte der Philosophie abzulesen (insbesondere an den Begriffen Natur, Ursache, Materie). Diese Logik war mit dem Weltbegriff mitgesetzt; es war das Verhängnis der christlichen Theologie, daß sie unfähig war, diese Logik zu begreifen, zu durchschauen, als sie mit der Rezeption des Weltbegriffs ihr Opfer geworden ist. In diesem Kontext ist die Opfertheologie zum projektiven Kern der dogmatischen Theologie geworden.
    Lassen sich nicht die drei Phasen der Geschichte der Theologie, die den drei Leugnungen entsprechen, als Rechtfertigungsphasen begreifen, die nacheinander am Staat (Vätertheologie), an der Welt (Scholastik, die die Kirche als Weltkirche begründet hat) und am Subjekt (in der Trennung der Religion von der Aufklärung und der Konfessionalisierung der Religion) sich abarbeiteten? Die letzte Phase ist die der Selbstverfluchung der Kirche.
    Zu den Voraussetzungen der Bekenntnislogik gehört der Rechtfertigungszwang (der geschichtlich sich vom Staat auf den Weltbegriff und schließlich aufs Subjekt verlagert).
    Die Theologie der Kirchenväter ist politische Theologie auch dort, wie sie kein Bewußtsein darüber hat.

  • 25.8.1994

    Hat die Sintflut etwas mit dem Ursprung und der Ausbreitung des Selbstmitleids, das, wenn es einen überfällt, auch die ganze Objektwelt überschwemmt, zu tun?
    Feminismus: Die Rache der Virgo am Confessor.
    Muß man eigentlich wirklich den Gedanken abwehren, daß Maria Magdalena die „große Sünderin“ war?
    Es gibt zwei Gestalten des Bekenntnisses: das Bekenntnis des Namens und das projektive Bekenntnis, das „Glaubensbekenntnis“. Zum projektiven Bekenntnis gehört insbesondere das Feindbild.
    Die Bekenntnislogik (die Logik des projektiven Bekenntnisses) hängt zusammen mit der Logik der Philosophie, des projektiven Erkenntnisbegriffes, der mit der Philosophie entsprungen ist und in den Naturwissenschaften sich vollendet. Nicht zufällig ist der Konfessionalismus in der gleichen Phase entstanden, in der auch die modernen Naturwissenschaften entstanden sind.
    Verweist nicht der Name Joseph (des Vaters Jesu) eher auf ephraimitische Herkunft als auf davidische? Und haben die Träume des Joseph (bei der Schwangerschaft Mariens, vor der Flucht nach Ägypten) nicht auch einen systemischen Hintergrund? Erscheint nicht Joseph, ohne mit Namen genannt zu werden, letztmals bei der Wallfahrt nach Jerusalem, und verweist hier nicht Jesus erstmals auf seinen „Vater im Himmel“ (vgl. auch den Namenswechsel Saulus/Paulus nach dem Besuch bei dem Römer Paulus in Zypern), während die Distanzierung von der Mutter und den Geschwistern später erfolgt? Heißt es nicht auch hier: Und Maria bewahrte alles in ihrem Herzen?
    Hat Jesus mit der Bar Mizwa den realen durch den himmlischen Vater ersetzt?
    Ist nicht der Satz, daß die Deutschen heute vom Christentum Abschied nehmen, ohne Trauerarbeit zu leisten, konkreter zu fassen: Die Kirche nimmt Abschied von ihrer Tradition, ohne Trauerarbeit zu leisten? Daher die Polarisierung in Fundamentalisten und Liberale. Aufgrund der nicht geleisteten Trauerarbeit ist die Liturgische Bewegung zu einem Bastelkurs verkommen (nach dem Prinzip „Do it yourself“). Die Denaturierung der Tradition zu beliebig verfügbarem und verwertbarem Material bleibt unreflektiert.
    Staats- und Herrschaftskritik ist heute ohne die Kritik der Naturwissenschaften, insbesondere ohne eine Kritik ihrer Ursprungsgestalt: der Astronomie, nicht mehr möglich.
    In welcher Beziehung stehen das Tier aus dem Meer und das Tier vom Lande zum Drachen?
    – Das Tier vom Meere hat wie der Drache zehn Hörner und sieben Köpfe, aber die Kronen sind beim Drachen auf den Köpfen, beim Tier vom Meere auf den Hörnern.
    – Das Tier vom Lande hingegen redet wie ein Drache.
    Das Tier vom Lande ist der falsche Prophet, das Tier vom Meere eine Verkörperung der Herrschaft (eine Folge von Königen).
    Haben das Tier aus dem Meer und das Tier vom Land auch etwas mit der Symbolik von Brot und Wein zu tun (mit dem strengen Gericht und der Barmherzigkeit: mit ihrer Trennung)?
    Ist es nicht ein Unterschied, ob die Schrift sich erfüllt, oder ob das Wort sich erfüllt? Im Christentum hat sich die Schrift erfüllt, nicht das Wort. Das Zeichen der Trennung von Schrift und Wort steckt in Joh 129. Zur Geschichte der Erfüllung der Schrift gehört der Kreuzestod und das Kelchsymbol, zur Erfüllung des Worts Joh 129 und die Auferstehung. Im Hinblick auf die Auferstehung trifft die Übersetzung mit „hinweggenommen“ zu, aber wurde diese Last nicht damit zur Rechten des Vaters deponiert?
    Jede Gestalt der Verdinglichung, der Konkretismus und die Personalisierung sowie das Schuldverschubsystem insgesamt, steht unterm Symbol des Kelches.
    Ist der Heilige Geist nicht nur im Rahmen der Logik des Adornoschen Satzes, wonach nur der Liebende sich geliebt weiß, zu verstehen: Nur der Tröstende wird getröstet, nur der Verteidigende wird verteidigt.
    Es gibt ein deutsches Sprichwort, das in der Selbstanwendung zutrifft, während es in der Anwendung auf andere infam ist: Wer sich selbst verteidigt, klagt sich an. (Wie hängt dieser Satz mit dem andern zusammen: Nur wer die Last auf sich nimmt, befreit sich von ihr?)
    Man kann Kant nur noch durch Hegel hindurch verstehen, wobei nur der wissenschaftskritische Teil der kantischen Philosophie (genauer der naturwissenchaftskritische Teil) durch Hegel nicht erledigt war und über Hegel hinausweist. Als Joachim Ritter vor etwa 40 Jahren in Münster glaubte, seinen neuen Kollegen Alfred Petzelt, der ein Schüler Hönigwalds war, gegen den „Vorwurf“, er sei Neukantianer, verteidigen zu müssen, ist mir zum erstenmal aufgegangen, daß in diesem Vorwurf eine möglicherweise antisemitische Tradition nachklang. Ich habe das damals schon mit der Wirkung und dem Einfluß Heideggers zusammengebracht.

  • 24.8.1994

    Das Objekt ist der Tod der Sache, die erst als vergangene zum Gegenstand des Wissens wird; die Begriffe sind der Deckel auf dem Sarg, in dem die gestorbene Sache begraben wird. Wird, wenn ein Objekt zum Objekt gemacht, und d.h. als vergangen gesetzt wird, die in ihm erinnerte Zukunft nicht abgeschnitten und verdrängt? Und sind die Begriffe nicht Denkmäler dieser abgeschnittenen und verdrängten Zukunft?
    Zu Hegel, Vernunft in der Geschichte, S. 164: Die geschichtlichen Daten und Begebenheiten werden erst durch den geschichtlichen Bericht, die Erzählung, zu geschichtlichen Daten und Begebenheiten. Wie drückt sich das in der grammatischen Durchbildung der Sprache aus, und wie hängt beides mit der Logik der Schrift und dem Ursprung des Neutrum zusammen? Unterscheiden sich nicht die semitischen und die indogermanischen Sprachen durch ihre Beziehung zur Vergangenheit?
    Ist nicht die Buchstabenschrift, in der die direkte Beziehung des geschriebenen Worts zum Objekt (das Bildhafte des geschriebenen Worts) getilgt ist, das Modell der Beziehung von Objekt und Begriff?
    Wie hängt der lateinische Name des Akkusativ mit dem griechischen zusammen (casus accusativus/ptosis aitiatikä: die Anklage betreffender Fall/ Kasus des Bewirkten)? Handelt es sich wirklich um eine „Fehlübersetzung“ (Bußmann, Lexikon der Sprachwissenschaft, S. 57), oder drückt sich darin die Differenz zwischend der lateinischen und der griechischen Sprachlogik aus? Und hängt diese Differenz nicht mit dem von physis und natura zusammen? Gehört hierher nicht auch die „irrtümliche Übersetzung“ des Namens des Genitiv (casus genitivus/ptosis genikä: die Herkunft/ die Gattung bezeichnender Fall)? Ist die Differenz zwischen lateinischem und griechischem Akkusativ und Genitiv (zwischen physis und natura, dann aber auch zwischen der griechischen und der lateinischen Theologie) in der Sprachlogik des römischen Rechts begründet? Die griechische Sprache ist eine Subjektsprache, die lateinische eine Sprache des Staats.
    Der griechische Akkusativ reflektiert im Begriff der physis, den er begründet, noch den Schuldzusammenhang des Schicksals (er begründet die exkulpierende Kraft des Naturbegriffs durch die Neutralisierung der Schuld als Ursache: aitia), während der lateinische Schuldbegriff der juristische ist: deshalb casus accusativus.
    Unterscheidet sich nicht die lateinische von der griechischen Sprachlogik wie der Raub vom Diebstahl: durch die Neutralisierung (und Exkulpierung) der Gewalt.
    Augustus ist der erste Caesar, der begreift, daß er besser ist als die Auguren.
    Liegt nicht zwischen dem Griechischen und dem Deutschen (den beiden Sprachen der Philosophie) sowohl das Lateinische als auch der Ursprung des Dingbegriffs, die Trennung von Ding und Sache?
    Die Welt (in dem Sinne, in dem das NT, insbesondere das Johannes-Evangelium, diesen Begriff gebraucht) ist der Erbe derer, die die Israeliten Hebräer nannten.
    Gibt es einen sprachlichen Zusammenhang zwischen der Person- und der Dingbezeichnung „Tor“ (der Tor, das Tor)?
    Die projektiven Urteilsmechanismen sind Mechanismen der Selbstverstrickung in den Schuld- und Verblendungszusammenhang, aus denen es kein Entrinnen mehr gibt.

  • 23.8.1994

    Ist die Logik der Schrift idealistisch und männlich: die Sünde der Welt?
    Die Existenz der Kirche ist der Beweis dafür, daß die Sünde wider den Heiligen Geist in dieser Welt nicht vergeben wird.
    Die Vorstellung einer homogenen Zeit ist ein Produkt des Seitenblicks; zu ihrer Ursprungsgeschichte gehört die Geschichte der Verinnerlichung des Schicksals und der Scham. Hiermit hängt es zusammen, wenn in der Johannes-Apokalypse die prophetische Verknüpfung des Taumelbechers mit dem Kelch des göttlichen Zorns ergänzt wird durch den Unzuchtbecher. Dokumentiert wird diese Geschichte in der Geschichte des Ursprungs der Raumvorstellung, in dem Prozeß, in dem der Raum zur subjektiven Form der äußeren Anschauung geworden ist (von der griechischen Winkelgeometrie, der Entdeckung der Orthogonalität, zum modernen Inertialsystem). Es sind die subjektiven Formen der Anschauung, die zur Bindung der Erkenntnis an die Urteilsform keine Alternative mehr zulassen, und die dann das Sprachverständnis bis in den Kern verhext haben (Trennung der Welt da draußen von der Sprache in meinem Kopf, die doch diese Welt da draußen zugleich fürs Bewußtsein organisiert: das Kelch-Symbol und sein Sprachgrund).
    Liegt nicht das Problem der Blutsymbolik im Problem des Kelchs. Wenn das Blut in den Taumelkelch, in den Kelch des göttlichen Zorns mit hereingenommen wird (wenn es zu den subjektiven Formen der Anschauung und zum Reich der Erscheinungen keine Alternative mehr gibt), wird dieser Kelch zum Becher der Unzucht. Darauf bezieht sich das Paulus-Wort, daß, wer diesen Kelch unwürdig trinkt, sich das Gericht trinkt: Die Opfertheologie hat den Kelch des göttlichen Zorns zu einem Becher der Unzucht gemacht. Die Sünde der Welt reicht bis in den Kern der christlichen theologischen Tradition herein.
    Daß der Menschensohn zur Rechten des Vaters sitzt, heißt das nicht, daß die Erfüllung des Wortes und die Befreiung der göttlichen Barmherzigkeit zusammenfallen?
    Die Reflexion der Sexualmoral, die mit Adornos erstem Gebot der Sexualmoral: der Ankläger hat immer unrecht, beginnt, führt unmittelbar in die Herrschaftskritik: in die Heiligung des Gottesnamens.
    Beim gegenwärtigen Stand der Aufklärung gibt es zu Jer 3134 keine Alternative mehr. Zielt nicht Reinhold Schneiders „Allein den Betern kann es noch gelingen“ auf dieses Ziel, auf die Erfüllung des Wortes; und enthält es nicht die einzig noch zulässige Version des Gebets?
    Was die drei jüdischen Heroen der Wissenschaftskritik, Marx, Freud und Einstein, verbindet (und das „Scheitern“ in ihren Konstrukten vorprogrammiert), ist ein positivistisches Moment:
    – bei Marx der Rekurs aufs Tauschprinzip, ohne das die Kapitalismuskritik nicht möglich gewesen wäre,
    – bei Einstein der Rekurs aufs Relativitätsprinzip, ohne den das Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit nicht formulierbar gewesen wäre, und
    – bei Freud die Verwerfung des Gedankens an die Realität der Erinnerung von Frauen und Kindern an sexuellen Mißbrauch; nur so war es möglich, das Hysterie- und damit das Neurose-Konzept der Psychoanalyse auf eine „solide“ begriffliche Grundlage zu stellen.
    Bezeichnet nicht der Naturbegriff die sieben Plagen und der Weltbegriff die sieben Donner (die Johannes nicht aufschreiben durfte)?
    Hätte Hegel den Übergang vom Sein zum Nichts anstatt als Werden als Vergehen begriffen, so wäre die Hegelsche Logik schon an ihrem Ende gewesen. Aber war das nicht die Situation, in der Heidegger sich vorfand, der versucht hat, diesem Vergehen dadurch zu entkommen, daß er es zur Zeit neutralisierte? Und ist nicht Heidegger, im Gegensatz zu Hegel, der ein sehr protestantischer Philosoph war, ein sehr katholischer Philosoph? Hegel war der Philosoph des Taumelbechers und des Bechers des göttlichen Zorns, Heidegger der des des Bechers der Unzucht.
    Verhalten sich nicht Eigentlichkeit und Uneigentlichkeit bei Heidegger wie das Vorhandene und das Zuhandene oder wie Unmittelbarkeit und Reflexion? Die Eigentlichkeit ist die starr festgehaltene Unmittelbarkeit, die Uneigentlichkeit die gleiche Eigentlichkeit als Gegenstand der Reflexion, und das Ganze nur ein taktisches Verfahren, das Objekt der Ontologie dadurch emphatisch aufzuheizen, daß es der Reflexion entzogen wird, und so die Ontologie gleichsam unangreifbar zu machen (Konstruktion des automatisierten Denkverbots).
    Die christliche Idee der Liebe ist zu einem Attribut des Herrschafts- und Besitztrieb geworden, wie auch die Bekenntnislogik Gott selbst zum Gegenstand dieses Herrschafts- und Besitztriebs gemacht hat (Domestikation Gottes durchs Opfer: Religion als Religion für andere).
    Wenn im neuen Weltkatechismus von der „Natur des Menschen“ gesprochen wird – und es wird sehr oft davon gesprochen -, dann folgt mit Sicherheit eine Gemeinheit, deren einziger Zweck darin besteht, das Vormundschaftsrecht der Kirche abzusichern.
    Hegel hat den Bann des Weltbegriffs reflektiert, er hat ihn nicht gelöst.
    Sind nicht die sogenannten Anziehungskräfte Produkte der Zeitdilatation, der Relativierung der Gleichzeitigkeit.
    Reversibel sind die Richtungen des Raumes nur für die Reflexion, nicht real.
    Die Finsternis über dem Abgrund ist der Gegenstand der Trauerarbeit (und die Trauerarbeit die Tätigkeit des über den Wassern brütenden Geistes).
    In ihrer gegenwärtigen Phase produziert die Aufklärung das Chaos, aus dem die zuküntige Welt zu erschaffen wäre. Oder anders: Heute produziert die Lokomotive den Abgrund, auf den sie mit wachsender Geschwindigkeit zurast. Gilt hierfür das Wort, daß die Pforten der Hölle sie nicht überwältigen werden?

  • 22.8.1994

    In Jesus hat die Schrift, nicht das Wort sich erfüllt. Die Erfüllung des Wortes wäre seine Wiederkunft. Zur Erfüllung der Schrift gehört das Kelch-Symbol (und der Weltbegriff), zur Erfüllung des Worts die Auferstehung.
    Wie hängt der logos mit dem Bekenntnis des Namens zusammen?
    Läßt das Buch Hiob sich nicht auch als eine Kritik der Logik der Schrift lesen, als eine Kritik, die sowohl in der Gestalt des Anklägers, des Widersachers, als auch in dem Gewitter am Ende sich verkörpert? Ist nicht der Ankläger ein Teil des göttlichen Hofstaats, der „Himmelsheere“?
    Hegels „von Gott verdammt ein Philosoph zu sein“: Die Verkörperung dieser Verdammung ist das Weltgericht. Ist nicht Hegels Philosophie die grandiose Selbstbestätigung jener Vorstellung aus der christlichen Tradition, daß der Anblick der Qualen der Verdammten in der Hölle zur Freude der Seligen im Himmel gehört: Ist nicht der Leichenberg der Geschichte die Versammlung dieser Verdammten?
    Zur Definition des Wahren (der bacchantische Taumel, an dem kein Glied nicht trunken ist, Ph.d.G., stw, S. 46) gehört das Ende der Phänomenologie des Geistes: Aus dem Kelche dieser Geisterreiches schäumt ihm seine Unendlichkeit. (S. 591)
    Haben die Weissager beim Joseph und beim Daniel und die falschen Propheten etwas mit der Bildung des Futur II zu tun?
    Die Bedeutung von Joh 129 ist nur noch durch die Kritik der Naturwissenschaften hindurch zu fassen.
    Ist der Cherub mit dem kreisenden Flammenschwert vorm Eingang des Paradieses das Gegenbild zu Benjamins Engel der Geschichte?

  • 21.8.1994

    Liegt nicht zwischen physis und natura, zwischen Zeugung und Geburt (in der man „das Licht der Welt erblickt“), die Gebärmutter: die Barmherzigkeit, die Hysterie?
    Im Endeffekt hat das Christentum die Unsterblichkeit von der Auferstehung: das Wort von seiner Erfüllung getrennt.
    Ist es nicht das Selbst, das in der Hegelschen Philosophie überall seine Duftmarken setzt (und darin nicht die Sache, sondern – wie das Geld in den Waren – nur sich selbst wiedererkennt)?
    „Es (das Allgemeine in seiner Besonderung, in dem Urteile und der Realität) erhebt auf jeder Stufe weiterer Bestimmung die ganze Masse seines vorhergehenden Inhalts und verliert durch sein dialektisches Vorgehen nicht nur nichts, noch läßt es etwas dahinten, sondern trägt alles Erworbene mit sich und bereichert und verdichtet sich in sich.“ (Logik II, S. 502, Hervorhebungen H.H.) Wird hier nicht der Erkenntnisprozeß als einer der Ausbeutung beschrieben, und erinnert die Beschreibung nicht zugleich an die „Arbeit“ des Geldes und der Banken?
    Ist nicht der euklidische Beweis das Modell und das Paradigma jeglichen Beweises, und worauf gründet er: Entspricht die Orthogonalität im geometrischen Beweis den Zeugen im Gerichtsbeweis, repräsentiert sie die Andern, die Gesellschaft, die Welt im Subjekt (und was haben die Märtyrer, die Blutzeugen, mit der Orthodoxie zu tun)?
    Unmittelbarkeit und Reflexion (oder Vergegenständlichung und Instrumentalisierung) sind durch die Orthogonalität (durch die Hereinnahme des Blicks des andern) auf einander bezogen.
    Wodurch unterscheidet sich die demonstratio von der monstratio? Was hat die Demonstration (und insbesondere sein historischer Ursprung: der Sieges-/Triumphzug und die Fronleichnams-Prozession) mit dem Beweis zu tun?

  • 20.8.1994

    Gnadenlose Theologie: Nachdem die Welt durch den Kreuzestod entsühnt wurde, ist auch die Anwendung der der weltlichen Logik auf die Gegenstände der Theologie ohne Schuldbewußtsein möglich geworden.
    Hegels Logik enthüllt sich unter dem Titel „Leben“ als Bild des apokalyptischen Tieres. Der „Kern des logischen Lebens“ (Logik II, S. 415) ist die Schicksalsidee oder, nach dessen Benjaminschen Definition, der Schuldzusammenhang des Lebendigen.
    Gehört nicht zur Genesis des Gefühls (für das es in der antiken Welt kein Äquivalent gibt) das Selbstmitleid, ein Produkt der gleichen historisch-gesellschaftlichen Konstellation, der auch die Philosophie sich verdankt? Das Gefühl ist im strengen Sinne pathologisch.
    Das Kelch-Symbol bezieht sich auf den Ursprung und die Geschichte der Raumvorstellung, es gehört zum Kontext der Herrschaftsgeschichte.
    Die Logik der Schrift ist die Logik des Denkens der anderen. Es gehört zum fundamentalistischen Schriftverständnis, daß der Inbegriff der Anderen (der Weltbegriff) mit Gott verwechselt wird; deshalb darf die Schrift nicht problematisiert werden; deshalb ist jeder Fundamentalismus konfliktunfähig (und gewaltbereit); und deshalb gibt es keine Freiheit in der Gesellschaft, wenn nicht die Kritik der Logik der Schrift (der freie Umgang mit Geschriebenem) in den Grundbestand der Bildung mit aufgenommen wird.
    Der Repräsentant des Denkens der Anderen (der Logik der Schrift) im Subjekt sind die subjektiven Formen der Anschauung.

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