September 1994

  • 14.9.1994

    Zur Kritik des Fundamentalismus: Ziel der Gotteserkenntnis wäre es, aus dem Bann der Gottesvorstellung herauszutreten.
    Merkwürdige Stellung des Neutrum in der französischen, italienischen und spanischen Sprache:
    – Die französische und die italienische Sprache kennt beim Nomen kein Neutrum, auch kein entsprechendes Personalpronomen; wohl gibt es im Französischen die unpersönlichen Verben mit „il“ (3. Pers. m.) als grammatischem und einem Substantiv als (nachgestelltem) logischem Subjekt (und im Italienischen die unpersönlichen Ausdrücke wie basta, es genügt, u.ä.).
    – Das Spanische kennt das Neutrum beim bestimmten Artikel, auch als Personalpronomen, der sächliche Artikel wird aber nur bei substantivisch gebrauchten Adjektiven, Adverbien, Fürwörtern und Zahlwörtern verwendet.
    Alle drei Sprachen kennen keine Deklination der bestimmten Artikel.
    Gibt es einen Zusammenhang zwischen der Bildung des Neutrum und und der politischen „Reichs“-Bildung (Griechen, Römer, Deutsche), dem Carsarismus, der herrschaftsgeschichtlich von der Monarchie zu unterscheiden ist (Differenz der caesarischen zur davidischen Tradition)? Steckt im Reich, in der caesarischen Tradition, die babylonische Tradition?
    Ist das nicht auch ein Hinweis auf die Logik der Deklination, der Fallbildungen, daß in den „monarchischen“ Sprachen die bestimmten Artikel nicht der Deklination unterliegen, sondern insbesondere Genitiv und Dativ mit de und a (im Spanischen wie im Französischen), oder mit of und to (im Englischen) gebildet werden? In diesem von/zu scheint noch die Wechselseitigkeit durch, die durch die Monarchie stabilisiert und erst im Caesarismus nochmal vergegenständlicht wird. Erst die moderne Aufklärung, die den Caesarismus totalisiert (im Kapitalismus wie im Inertialsystem), hat der Monarchie den Boden entzogen.
    Verhalten sich nicht Deklination und Konjugation wie Geometrie und Algebra (wie die subjektiven Formen der Anschauung: wie Raum und Zeit)?
    Ist das Neutrum (als Ausdruck und Produkt des Caesarismus) die säkularisierte (politisch instrumentalisierte) Herrlichkeit Gottes (Produkt der Vertreibung der Schechina aus der Sprache)?
    Der Fall ist der Fall in die Finsternis: Wichtig ist vor allem, was er zum Verschwinden bringt.
    Die Beziehung von Genitiv und Dativ reflektiert das Tauschprinzip, die Beziehung von Nominativ und Akkusativ die Schuldknechtschaft (die drei romanischen Sprachen kennen keine Unterscheidung von Nominativ und Akkusativ: hier ist das Prinzip des Neutrum in die beiden personalen Geschlechter mit hereingenommen worden; entfällt damit die Notwendigkeit eines gesonderten Neutrums; oder umgekehrt: fehlt mit dem gesonderten Nominativ und mit der fehlenden Großschreibung der sprachliche Repräsentant des vergesellschafteten Caesarismus?).
    Was ist der Unterschied zwischen Konjunktiv (coniungo – verbinden) und Subjunktiv (subiungo – (unten) verbinden, anfügen, anspannen; unterwerfen)?
    Modell: Die Geschichte vom Sündenfall als Darstellung des Schuldverschubsystems, der Verschlingung von Schuldknechtschaft und Tauschprinzip; die ausgeführte Gestalt ihrer Selbstreflexion ist die Hegelsche Philosophie, die aber in ihr eigenes Prinzip sich verstrickt hat und daraus nicht mehr sich zu lösen vermochte.
    Bemerkung zur Geschichte der Grammatik: Sind nicht die Skinheads (mit ihren nackten „Häuptern“) zwangsneurotisch-paranoide Verkörperungen des Substantivs, das selber der Logik des durchdeklinierten bestimmten Artikels sich verdankt?
    Johannes Scottus Eriugenas bezieht in seine Interpretation des Gleichnisses von barmherzigen Samariter die typologische Bedeutung von Jerusalem und Jericho mit ein: das Paradies und „diese Welt“ (Über die Einteilung der Natur, S. 97). Wirft das nicht ein Licht auf den Zusammenhang der sonstigen Jericho-Geschichten (mit der Dirne Rahab, die dann in den Stammbaum Davids und Jesu hereinkommt, der Xenophobie-Geschichte und der Zerstörung Jerichos, aber auch dem Wiederaufbau Jerichos in 1 Kön 1634 in den Tagen Ahabs, der es ärger trieb als alle, die vor ihm gewesen sind, der sogar die Isebel zur Frau nahm und dem Baal diente und ihn anbetete)?
    Jedes Bekenntnis definiert sich durch ihr Feindbild; deshalb war die Hölle für die kirchliche Tradition (und der Antisemitismus für die Nazis) so wichtig. Eben deshalb aber mußten auch das Dogma und das Credo seit je großzügig über das Gebot der Feindesliebe sich hinwegsetzen. Im Dogma selbst mußte die Bekenntnislogik durch ein Denkverbot verankert werden, das den Widerspruch zum Gebot der Feindesliebe unsichtbar machte. Dieses Denkverbot war der innere Grund der homousia: Ausdruck und Deckbild der Haßliebe von Vater und Sohn, ohne die die Opfertheologie nicht zu halten war. Der Vater der Trinitätslehre rechtfertigt seitdem jede Form von Herrschaft und jede Form von Gewalt, die von oben kommt (Verschiebung der Bedeutung des theologischen Begriffs der Empörung, der seitdem anstatt auf die Gewalt oben auf jegliche Gewalt von unten sich bezieht).

  • 13.9.1994

    Luise Schottroff weist nach, daß das „lineare Zeitdenken … blind (macht) für die Leiden der Gegenwart“ (Lydias ungeduldige Schwestern, S. 254). Deutlicher läßt sich die Beziehung der Philosophie (und in ihrer Folge der Wissenschaften) zur Prophetie nicht bestimmen. Das „lineare Zeitdenken“ verdankt sich der Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit; nur im Geltungsbereich dieser Subsumtion, die den prophetischen Kern der Erkenntnis sprengt, lassen die Dinge (als Erscheinungen im Sinne Kants) sich erkennen. Wahrheit gibt es nur im Kontext der „Leiden der Gegenwart“.
    Das lineare Zeitdenken macht nicht nur blind; es lähmt: Es ist der Grund des Trägheitsgesetzes nicht nur in der Natur. Das unter die Vergangenheit Subsumierte ist tot. Die „tote Natur“ ist es nicht „von Natur aus“, sondern als Reflex des Gesetzes, dem sie unterworfen ist: Produkt des Inertialsystems.
    Auch die Natur steht unter einem Wiederholungszwang, der zu sprengen ist, wenn der Bann unter dem die Natur steht, endlich gelöst werden soll. (Schreibt Paulus nicht immer dann, wenn er auf die Natur sich beruft, dummes Zeug? Dieser Naturbegriff ist determiniert durch den Stand der Herrschaftsgeschichte, der auch seine Beziehung zum Martyrium des Stephanus und seinen Namenswechsel zu berühren scheint.)
    Liegt nicht in dem Satz des Jeremias im Anblick der babylonischen Herrschaft (die als Ursprung und als Modell der römischen Herrschaft sich begreifen läßt): Betet für das Wohl der Stadt, die Wurzel der Beziehung des Christentums zu den Völkern (auch der paulinischen „Heidenmission“)? (Prophetisches Zwischenglied Sacharja 823?) Wird nicht dieser Paradigmenwechsel in seiner Kontraktion im Weltbegriff und in seiner Bedeutung für den Ursprung des Christentums analysierbar und bestimmbar? Weist nicht das erste Auftauchen eines Weltbegriffs (der den der Natur noch ungeschieden in sich mit begreift) bei Jeremias schon auf diesen Sachverhalt?
    Auch Schelling steht noch unter dem Bann des gleichen Naturbegriffs, den er zu durchdringen und zu begreifen sucht, wenn er im Anfang der „Weltalter“ schreibt, daß die Zukunft „geahndet“ wird (meinte er „geahnt“, oder hat er wirklich die Zukunft als Schuld verstanden?): Im Kontext der Kritik des Naturbegriffs müßte es heißen „erinnert“: Durch den Weltbegriff ist die Zukunft zu einem Gegenstand der Erinnerung geworden.
    Der Begriff der Zurechnungsfähigkeit gehört zur Definition der Person. Zurechnungsfähig ist, wer für seine Handlungen rechtlich zur Verantwortung gezogen werden kann. Läßt die Tatsache, daß die Richter des Dritten Reiches niemals zur Verantwortung gezogen werden konnten, Rückschlüsse auf die Zurechnungsfähigkeit von Richtern zu?
    Wie hängt der Ursprung und die Geschichte des bestimmten Artikels (articulus: Gelenk, Knöchel, Knoten bei Gliedmaßen und Pflanzen) mit dem Ursprung und der Geschichte der Urteilsform (des „Seins“) und des Neutrums (oder auch der Orthogonalität) zusammen?
    Zu den Tätigkeiten der Sklavin Photis (bei Apulejus, Metamorphosen) gehört, daß sie neben den übrigen Diensten auch mit dem Gast schläft (Schottroff, S. 300). Liegt hierin der Hinweis auf den Zusammenhang von Herrschaft und Sexualität, gehört zum Herrenrecht auch das Recht auf die Sexualität des Beherrschten? Nur so läßt sich das kirchliche Votum zum Abtreibungsrecht erklären: Hier geht es um die letzte Stütze des Patriarchats.
    Hat das Martyrium des Stephanus (und die Rolle, die Saulus/Paulus hierbei spielt) etwas mit dem „Amt“ des Diakons: mit der Bedeutung des diakonein für das Selbstverständnis der frühen Kirche (mit der Rolle der „Hellenen“ und der Frauen in der frühen Kirche), zu tun? Waren nicht auch die Hörer der Pfingstpredigt des Petrus „Hellenen“?
    Gründet die Theologisierung des Vaternamens in der Zeitstruktur der Genealogie: Ist der Name des Vaters der Name der vergangenen Zukunft (Begründung des vierten Gebots, wobei das Gebot, die Eltern zu ehren, aus seinem patriarchalischen Bann zu lösen ist; nur so erweist es sich als ein Teil der Befreiung der Zukunft aus der Vergangenheit, die sie in Banden gefesselt hält)?
    An Hegels Diskussion des hic et nunc (des aristotelischen Quellpunkts der Philosophie) ist direkt nachzuvollziehen, daß und in welcher Form die Philosophie und der Begriff des Wissens dem linearen Zeitdenken und der Verdrängung des prophetischen Kerns der Erkenntnis sich verdanken (Ursprung des Inertialsystems). Im Inertialsystem gibt es das hic et nunc nur als mathematischen Punkt, als Korrelat des Relativitätsprinzips (als Stellvertreter des realen Objekts und als Produkt seiner Abstraktion vom Objekt).
    Wenn Luise Schottroff den Namen des Menschensohns durch den des „Menschlichen“ ersetzt, entschärft und entradikalisiert sie damit nicht diesen messianischen Titel? Der Name des Menschensohns ist kein Ehrentitel, keine Rangbezeichnung, er hat keine diskriminierende Wirkung nach außen, sondern er ist im wörtlichen Sinne ein Arbeitstitel: Erst der Menschensohn befreit das Patriarchat von seinem totemistischen Ursprung: Der Urvater des Patriarchats ist kein Mensch, sondern ein Tier; das Patriarchat steht im Symbol der Schlange, die den Staub frißt, aus dem Adam ward, und zu dem er wieder wird. Der Menschensohn wäre der erste Mann, der dem Patriarchat entronnen ist. Die Befreiung gründet im „Auf-sich-Nehmen“ der Last, die in Joh 129 bezeichnet ist, wie umgekehrt die patriarchalische Tradition des Christentums in dem opfertheologischen Konstrukt einer „Entsühnung der Welt“, das aller Erfahrung widerspricht: der Umkehrung von Joh 129, begründet ist.
    Hier ist an Adornos Kritik des „Ersten“ zu erinnern: Das Ursprüngliche, das Erste ist nicht das Vornehmere, das Ranghöhere; die Ideologie vom „Ersten“, mit der jede hierarchische Gesellschaftsstruktur sich zu legitimieren versucht, ist Teil der patriarchalischen Selbstverblendung. Der Menschensohn, das ist ein Name, der jede Rechtfertigung irgend einer Vergangenheit ausschließt, es ist der Name für die Befreiung der vergangenen Hoffnung aus der katastrophischen Geschichte, in der sie begraben ist.
    Zu Benjamins Bild vom Engel der Geschichte gibt es ein Gegenbild, das Adorno gelegentlich zitierte: das vom Mistkäfer, der den wachsenden Dreck der Vergangenheit vor sich herschiebt. Dieser Mistkäfer ist das Patriarchat, der Engel der Geschichte (den Jürgen Ebach in Lots Weib wiedererkannt hat) die Verpuppungsgestalt des Menschensohns? Erinnert diese Konstellation nicht an die Geschichte vom Sündenfall: an den Fluch über Adam (der den Dreck produzierende Mistkäfer), Eva (der Engel der Geschichte) und die Schlange (der von Adams Staub sich nährende und in der Geschichte wachsende Katastrophenberg)? Ist nicht die „Feindschaft zwischen der Schlange und dem Weibe“ die einzige, die nicht unters Gebot der Feindesliebe fällt?
    Tritt nicht die Philosophiekritik an die Stelle, die in der Geschichte der jüdischen Mystik einmal die Gematria innehatte?
    Die wachsende Unfähigkeit zur Schuldreflexion, die fortschreitende Verweltlichung der Welt, die zur Selbsterhaltung und zum Konkurrenzprinzip keine Alternative mehr kennt, macht den Exkulpationstrieb, den Rechtfertigungszwang, unwiderstehlich; das Recht wird zur Opfertheologie des vergesellschafteten Rachetriebs; zur Bekenntnislogik, zum Weltanschauungsunwesen, das ohne Vernichtungskriege nicht sich erhalten läßt, gibt es keine Alternative mehr.
    Apologetik ist endgültig blasphemisch geworden: Zur Gotteserkenntnis gibt es keine Alternative mehr.

  • 11.9.1994

    „Männer beten für das Ende der Sünder; Frauen für das der Sünde – nur so geschieht die Umkehr der Sünder.“ (b Ber 10a, zit. nach L. Schottroff, S.170, Anm. 269) – Ist das Patriarchat der genaueste Ausdruck der Logik der Schrift?
    Die Schrift ist das Medium des Denkens anderer; darin aber gründet die Logik des Urteils, die mit der Schrift entspringt und im Weltbegriff sich entfaltet. Kern der Logik der Schrift ist die Urteilsform. Die Unfähigkeit zu kritischer Kommunikation gründet in der autoritären Beziehung zur Schrift, in der die Schrift (und mit ihr die Welt) anstatt zum Feld der Suche nach der Wahrheit, zum Urteil über den Lesenden/Hörenden („Gehorchenden“) wird. Die erste vergegenständlichte Gestalt der autoritären Beziehung zur Schrift (die erste Objektivierung der Urteilsform) war die Schicksalsidee, während die Prophetie die Kritik der Logik der Schrift in der Schrift gegen die Schrift entfaltet („Spruch des Herrn“). Die zweite Gestalt war der Dingbegriff: Die Objektvorstellung gründet in der Logik der Schrift.
    Kreuzweg: Grundlage der Instrumentalisierung des Kreuzestodes in der Opfertheologie war die Ausblendung des politisch-ökonomischen Hintergrunds und die Fixierung auf das physischen Ereignis.
    Die Philosophie ist die Protokollführung der Herrschaftsgeschichte.
    Wäre nicht das prophetische Votum für die Armen und die Fremden heute zu ergänzen durch das Votum für die Frauen? Nur: Während das Votum für die Armen und die Fremden gleichsam ein allgemein-menschliches Votum ist, ist das Votum für die Frauen in erster Linie die eigene Sache der Frauen. Gibt es hier einen Zusammenhang mit dem Becher der Unzucht der Hure Babylon?
    Mit dem Staub, aus dem Adam geworden ist, und zu dem er wieder werden wird, nährt sich die Schlange: Sie nährt damit ihre Klugheit (sie war das klügste aller Tiere des Feldes)?
    Ist nicht der Inhalt des Spekulativen bei Hegel das Selbst: Ist das Absolute nicht der an der Logik der Welt sich spiegelnde Narziss, der autistische Gott?
    Haben die Hegelschen Volksgeister nicht eine Affinität zu den Arten der Tiere, die nach Hegel ein Beweis dafür sind daß die Natur „den Begriff nicht halten“ kann?
    1 Kön 13: Eine hochsymbolische Geschichte (von den beiden Propheten). Beziehungen zum Buch Jonas?
    Ist die Flexion (Deklination und Konjugation) der Gegenstand der Reflexion?
    Durch das System der Deklinationen wird das Wort unter die Herrschaft des Inertialsystems gebeugt (wird die Welt zu „alle(m), was der Fall ist“).
    Zum bestimmten Artikel: Ist der bestimmte Artikel (die demonstrative Beziehung des Begriffs auf sein Objekt) nicht überhaupt der Katalysator der Deklination? Und gehört nicht zu dem et haschamajim w’et ha’arez im ersten Satz der Genesis das tohu wa bohu im zweiten Satz?
    Sprache und Schrift: Verdankt sich nicht die grammatische Durchbildung und Artikulation der Sprache der Schrift? So ist die hochdeutsche Sprache durch die Bibelübersetzung Luthers entstanden (und in unvergleichlicher Weise theologisch instrumentiert worden).
    Die res der lateinischen Sprache ist die res publica. Erst mit der lateinischen Sprache hat die griechische Naturphilosophie ihr Objekt verloren, das sie dann als Theologie wiedergefunden zu haben glaubte. Unterm Zwang der Logik des Weltbegriffs und der Bekenntnislogik ist sie zur Quelle der modernen Naturwissenschaften geworden.
    Erinnert Hegels Begriff des Prozesses nicht sowohl an das procedere, den Fortschritt, als auch an das juristische Verfahren der Urteilsfindung (mit Ankläger, Angeklagtem, Verteidiger, Zeugen und Richter)? Der juristische und der szientifische Beweis haben nicht zufällig den gleichen Namen.
    Hegels Hinweis auf die Doppelbedeutung des Wortes Geschichte begründet seine Prämisse, daß es Geschichte erst seit der Geschichtsschreibung gibt. Was als Geschichte vergegenständlicht wird, ist durch die Schrift „ursprünglich“ objektiviert worden: Die Schrift ist der erste Zeuge der historischen Taten und Ereignisse (dem später erst die anderen, dinglichen Zeugnisse der Architektur, der Kunst und der Archäologie zur Seite gestellt werden).
    Bezeichnen die Objekte der Schöpfung: die Himmel und die Erde, die großen Seetiere und am Ende die Menschen, nicht drei Stufen einer Schöpfung, die insgesamt als Abfolge von Katastrophen und Rettungen zu begreifen wäre (und nicht als souveräne Tat eines gewaltigen, allmächtigen Schöpfers)?
    Die drei Leugnungen sind Stufen der Identifikation mit dem Aggressor (die drei Katastrophen, die der Menschwerdung: der Erscheinung des Menschensohns, vorausgehen): Insofern haben sie etwas mit der Beziehung von Lachen und Weinen (er ging hinaus und weinte bitterlich) zu tun.
    Hat Behemoth etwas mit der Geschichte der Hysterie (Christina von Braun: Nicht-Ich) zu tun (das vom Pharao gejagte Chaos-Tier mit im Sklavenhaus heimatloser Barmherzigkeit)?
    Das Gebot der Barmherzigkeit reinigt die Liebe von ihrer Ohnmacht gegen die Verführung durchs Selbstmitleid (im Wunsch geliebt zu werden erstickt die Fähigkeit zu lieben).
    Greuel am heiligen Ort: Die homousia ist die Nadel, mit der der zarte Schmetterling der Gotteserkenntnis aufgespießt, hinter Glas gesetzt und (als verdinglichte Trinitätslehre) dem blinden Anschauen preisgegeben worden ist.
    Sind die subjektiven Formen der Anschauung nicht Produkte der Potenzierung der Verstockung: das eiserne anstelle des hölzernen Jochs (Jeremias und Hananja)? Vgl. das Stichwort „eisern“ in der Stuttgarter Wortkonkordanz, Bibel von A – Z.
    Das Joch symbolisiert sowohl die Last der Herrschaft als auch die des Begriffs: vgl. im NT auch das Kreuz und die Sünde der Welt (Mt 1129.30, Mt 1038 und 1624, Joh 129). Der Weltbegriff „befreit“ von der Last des Joches durchs Schuldverschubsystem (der Weltbegriff ist der Inbegriff der vergesellschafteten Welt). Dagegen richtet sich das Wort von der Sünde der Welt, das zum Nachfolgegebot gehört. Für diese Last gilt das Wort: Mein Joch ist sanft, und meine Last ist leicht. Vgl. Rosenzweig: Nur wer die Last auf sich nimmt, befreit sich von ihr.
    Herrschaftskritik eröffnet die Erinnerungsfähigkeit und sensibilisiert zugleich (erlöst die Moral vom Bann der Moral).
    Gerichtssprache und Hoffnungssprache sind ineinander verschlungen: Die Hoffnung für die einen ist das Gericht über die andern. Hierzu gehört eine Vorstellung des Jüngsten Gerichts, in der es als Gericht der Barmherzigkeit über das gnadenlose Weltgericht zu begreifen wäre. (Vgl. Schottroff, S. 230)
    Die Kopenhagener Schule ist die apokalyptische Weiterbildung der Einsteinschen Prophetie.
    Das Buch des Lebens: Heißt das nicht, daß wir am Ende in der Natur das entschlüsselte Buch der Geschichte lesen werden?
    Der Weltbegriff, Korrelat des Selbsterhaltungsprinzips und Produkt seiner Logik, rückt die Armen, die Fremden und die Frauen ins Dunkel, er ästhetisiert die Geschichte, transponiert sie in den Kontext des Inertialsystems, dem er durchs Relativitätsprinzip verbunden ist, durch das der logische Rahmen der Gegenwart zum Existenzrahmen der so ästhetisierten Geschichte (die Geschichte selbst zu einem Gegenstand der Vorstellung) wird. Der Weltbegriff immunisiert die Geschichte gegen die Erinnerung.

  • 10.9.1994

    Jüngstes Gericht: Wenn Recht „im Namen des Volkes“ gesprochen wird: Werden wir dann nicht in Solidarhaftung genommen und zu Komplizen aller Urteile gemacht, die heute gesprochen werden? Und gehört es nicht zu den Grundüberzeugungen der chrisstlichen Lehre, daß wir dafür einmal zur Rechenschaft gezogen werden?
    „Vielmehr, wenn dein Feind hungert, so speise ihn, wenn er dürstet, so tränke ihn; denn wenn du dies tust, wirst du feurige Kohlen auf sein Haupt sammeln.“ (Röm 1220) Löst diese Logik (der Instrumentalisierung der Barmherzigkeit zur Waffe) sich nicht auf, wenn ich begreife, daß, was ich meinem Feinde tue, ich mir selber antue? So bezieht sich auch die Sündenvergebung in erster Linie auf den, der vergibt; ob dem, dem die Vergebung gilt, die Sünden wirklich vergeben sind, liegt nicht in der Macht des Vergebenden.
    Zu Duchrows „ein Zeichen geben“: Wer ist der Adressat dieses Demonstrativums? Der Grund dieser Frage liegt tiefer: Im Deutschen unterscheidet sich der bestimmte Artikel vom unbestimmten durch das demonstrive Element (ähnlich wie im Griechischen, nur daß hier der Nominativ mask. und fem. ausgenommen sind). Auch hier ist zu fragen: Wer ist der Adressat dieses Demonstrativums? Ist es nicht die Welt. Auch wenn ich ein Zeichen gebe: Gebe ich es dann nicht der Welt. Ist hier nicht der Ursprung der Bekenntnislogik (die das Bekenntnis anstatt auf Gott, auf die Welt bezieht)? Mit dem deutschen Substantiv (oder dem Objektbegriff, der ihm entspricht) dringt die Logik des Weltbegriffs in den Kern der Sprache und macht sie verstummen. Mit dem grammatischen Begriff des Substantivs (der in der deiktischen Struktur des bestimmten Artikels im Deutschen gründet) wird die Sprache ins Herz getroffen: sie hat’s nicht überlebt. Liegt nicht der Unterschied zwischen dem hebräischen ha, das in dem griechischen ho/ha (Nom. mask./fem.) nachklingt, und den deiktischen Bildungen des Neutrum und der Kasus im Griechischen, und dann den bestimmten Artikeln im Deutschen generell, genau in diesem demonstrativen (objektivierenden) Element, während die hebräische Gestalt des Artikels (die an der Deklination des Nomens nicht teilhat) die benennende und vergegenwärtigende Kraft des Namens unangetastet läßt. Das ha lebt vom Hauch der Sprache, es unterscheidet sich vom deiktisch bestimmten Artikel im Griechischen und insbesondere im Deutschen wie der reflektive Name der Hebräer vom projektiven (diskriminierenden) Begriff der Barbaren, die beide nur durch Inversion (durch Umkehr) auf einander sich beziehen.
    Läßt sich nicht am Griechischen nachweisen, daß das deiktische Element über die Kasusbildungen (über den Akkusativ) und dann übers Neutrum in den bestimmten Artikel hereingekommen ist? Erst im Deutschen (das aus dem Akkusativ sich entwickelt hat) durchdringt und überwuchert dieses deiktische Element – und mit ihm die logische Gewalt des Neutrum – die ganze Sprache (vgl. Heideggers Begriff des „Daseins“, den er als „Sein des Da“ definiert, das dann bei ihm an die leere Stelle des vergangenen philosophischen Subjekts tritt): Der Akkusativ wird zur Grundfigur des Nomens in der Sprache. Ist es in diesem grammatisch-logischen Kontext begründet, wenn im Deutschen die bestimmten Artikel des Femininum mit denen des Plural identisch sind?
    Im Griechischen und im Lateinischen gibt es nach dem sprachlichen Geschlecht getrennte Pluralformen; nur im Deutschen fällt die Deklination des bestimmten Artikels femininum singular mit dem allgemeinen Artikel des Plural zusammen.
    Zur Genesis der deiktischen Struktur des bestimmten Artikels im Neutrum. Die Sprachlogik, der der Ursprung des Neutrum sich verdankt, entfaltet sich zusammen mit der Trennung von Bewußtem und Unbewußtem. Konstitutiv für die Genesis des Unbewußten ist die Schuldgrenze, die das Unbewußte gegen das Bewußtsein abschirmt (und das Bewußtsein zu einer Funktion der Selbsterhaltung macht). Ist nicht das Demonstrativum und in seiner Folge das Neutrum das Vehikel des Schuldverschubsystems (des projektiven Erkenntnisbegriffs), in dem diese Schuldgrenze gründet? Und gründet nicht das Demonstrativum im Akkusativ?
    Ebenso wie die hebräische Sprache im Kern eine „hebräische“ (die Sprache der Fremden im Lande) ist, ist die deutsche eine deutsche, eine „völkische“ Sprache; eine Sprache, die die zivilisationsbegründende Distanz zu den Barbaren reflexiv gegen sich selber kehrt: Ausdruck und Organ des Hasses der Welt.
    Wenn der bestimmte Artikel im Lateinischen wieder verschwindet, so hängt das mit der (auf Alexander zurückweisenden) caesarischen Logik der lateinischen Sprache zusammen: Nicht mehr das Denken, der Philosoph, sondern die Gewalt, der Staat, ist zum Subjekt der Sprache geworden (die lateinische Philosophie verliert mit der Objektbezogenheit ihr Subjekt, sie wird Rhetorik). Das transzendentale Subjekt der Philosophie verlagert sich in den Herrn der Welt: in den Herrscher des Römischen Reiches. Das Demonstrativum wird dem Subjekt (und damit der Sprache) enteignet, vom Staat übernommen (es wird zur Urteilsgeste in der Arena). Erst in diesem Kontext werden die Subjekte zu Personen (zu Objekten des Rechts). Ist nicht das Lateinische die Vollendung der Sprache der Objektivität, deren realsymbolischer Kern der Staat ist. Erst die modernen Sprachen rebellieren gegen diese Objektivität, gegen die sie das Recht der Subjektivität behaupten, zu dessen Ausdruck sie geworden sind.
    Die griechische Sprache ist eine Ding-Sprache, die lateinische eine Sprache der Sache; erst im Deutschen wurden beide vereinigt durch die Trennung von Ding und Sache. Ist eine ähnliche Ableitung des Griechischen aus zwei vorausgehenden Sprachen, die als Natur- und Welt-Sprache zu bestimmen wären, möglich?
    Hat die Kirche nicht ihre ratio essendi verloren, als sie auf das Latein verzichtete?
    Die Wahrheit ist kein Gegenstand der Philosophie, sonder der Motor ihrer Kritik (und hat die Kritik der Philosophie etwas mit der Entfesselung der vier Winde vom Euphrat zu tun?).
    Wenn die Schlange das Symbol des Neutrum ist, ist dann das Auf-dem-Bauche-Kriechen die Entsprechung des Demonstrativum (der intentio recta, der Fixierung aufs Objekt)? Der Objektbegriff (in der Grammatik das Substantiv) ist das sich auf sich selbst sich beziehende deiktische Element (steckt in dem dreifachen „sich“ ein Hinweis auf die Dreidimensionalität des Raumes?).
    Ist nicht das deiktische Element des bestimmten Artikels im Deutschen ein anderer Ausdruck für das „von allen Seiten hinter dem Rücken“?
    Ist der lateinische Vokativ der Nachfolger des personalen Nominativ im Griechischen, sein spätes Echo dann das expressionistische „Oh Mensch“? Gibt es eine Genealogie, die vom hebräischen ha über das griechische ha/ho zum lateinischen und dann deutschen oh führt? Kann es sein, daß diese Genealogie ein Licht auf die Urgeschichte des bestimmten Artikels wirft: Ist das hebräische ha ein Echo des Lachens, das als identitätsstiftendes Element ins Wort mit eingeht; und klingt nicht dieses Lachen im Griechischen im femininen Artikel noch nach, während es im maskulinen Artikel ins staunende ho/oh übergeht? Aristoteles hat das Staunen als Ursprungs-Affekt der Philosophie erkannt; aber dieses Staunen entringt sich mit der gleichen Kraft dem Schrecken der Erfahrung, im Namen Objekt des Lachens zu sein (und instrumentalisiert diese Erfahrung, z.B. im projektiven Namen der Barbaren), wie die Philosophie durch die Verinnerlichung der Gewalt des mythischen Schicksals (durch Instrumentalisierung dieser Gewalt zum Begriff) dem Mythos sich entringt. Erst die römische Person ist fähig, mit stoischer Apatheia (die bei den Vornehmen im magischen Schutz des Geschlechternamens sich verkörpert, im späteren Bürgertum im Familiennamen) ihren Namen zu tragen.
    Im Staunen wird der Schrecken gebannt, Objekt des Schicksals zu sein; aus dem Staunen haben die Mathematik, die Begriffe und die subjektiven Formen der Anschauung sich entwickelt, die diesen Schrecken auf die Dinge ableiten (vgl. das Lachens Abrahams und Saras und den Schrecken Isaaks).
    In Ps 3521ff, 4016, 704, Ez 253, 262, 362 wird das Lachen durch Verdoppelung des ha ausgedrückt. Hier lachen die, „die mir grundlos feind sind, …, die mich ohne Ursache hassen“ (Ps 3521), „die sich meines Unglücks freuen“ (Ps 4016 u. 704), die Ammoniter (Ez 253), Moab (262) und „der Feind“ (362).
    Im Griechischen ist es der Mann, der lacht. Objekte des Lachens sind die Frauen und die Fremden. Das jüdische Votum für die Fremden kehrt den Bann gegen das Lachen.
    Löst sich das Rätsel der Apokalypse nicht erst dann, wenn wir die apokalyptischen Symbole: den Drachen, die Hure Babylon und die Tiere, nicht mehr nach dem Modell des projektiven Erkenntnisbegriffs der Philosophie nach draußen projizieren, sondern uns selbst in ihnen wiedererkennen (war nicht Luther, als er in Rom die Hure Babylon erkannte, nahe daran)?
    Hat nicht der Begriff der Zeugung die Trinitätslehre zum Becher der Unzucht gemacht? Wie hängen erzeugen, bezeugen und überzeugen zusammen? Welche genaue Bedeutung hat das mit Zeugen übersetzte Wort in dem Psalm-Vers 27: „filius meus es tu, hodie genui te“? Ist dieses „genui te“ so geschlechtseindeutig, wie es dann in der Trinitätslehre erscheint? Wie verhält sich dieses (männliche) Zeugen zur Barmherzigkeit, die in der Gebärmutter sich verkörpert (Seid barmherzig, wie euer Vater im Himel barmherzig ist, Lk 638, aber vgl. Mt 548)?
    Gründet nicht das Präfix be- (und mit ihm das englische „to be“) im deiktischen Element der Sprache? (Deshalb fällt der bestimmte Artikel im Englischen nicht unters Gesetz der Deklination.)
    Wie unterscheidet sich die Erlösung von der Befreiung?
    Ist nicht der Raum die deiktische Totalität, und zwar als objektlos gewordene Totalität (der Raum ist an sich leer)?
    Salomo hat dem Namen Gottes ein Haus gebaut; Jesus wollte, als er zum Vater ging, uns im Himmel eine Wohnung bereiten. Ist diese Wohnung im Himmel nicht ein anderer Ausdruck für das Buch des Lebens, in dem alle unsere Taten verzeichnet sind, und das am Ende aufgeschlagen wird: Und wird nicht dieses Buch aufgeschlagen, wenn am Ende der Himmel sich aufrollt wie ein Buch (wird nicht der Baum des Lebens vom Anfang am Ende zum Buch des Lebens, das sich öffnet, wenn die Logik der Schrift gesprengt wird)?
    Das gesamte Problem der Theologie liegt in der Beziehung der Person zum Angesicht. Der paulinische Hinweis, daß wir jetzt „wie im Spiegel“ erkennen, findet seine Verkörperung in der Trinitätslehre, die nur als Konstrukt der Spekulation sich begreifen läßt. Und ist nicht das homousia der Versuch, der Spekulation den Schein der unmittelbaren Realität zu geben? An diesem Punkt ist die Idee der Umkehr (und mit ihr die Gottesfurcht) aus der Gotteserkenntnis herausgenommen worden. Und ist es nicht die homousia, die die „Zeugung“ zur Blasphemie gemacht hat (indem sie das praktische Moment, die Beziehung auf die Armen und die Fremden, aus der Gotteserkenntnis herausgenommen, die Bindung der Theologie an die Ontologie begründet, sie zu einer Sache der Kontemplation, des reinen Zuschauens gemacht hat)?
    Liegt der Gründungsakt des Fernsehens in der Trinitätslehre?
    Die Reflexion des Weltbegriffs gründet in der Fähigkeit zur Schuldreflexion; nur durch diese Fähigkeit unterscheidet sich der Mensch vom Tier (das in seine Welt gebannt bleibt). Die Verdrängung der Schuldreflexion (zu der das opfertheologische Konstrukt von der Entsühnung der Welt Geburtshilfe geleistet hat) bezeichnet den Ursprungspunkt des apokalyptischen Tieres (dessen Ursprung und Geschichte von Ursprung und Geschichte des Weltbegriffs nicht zu trennen ist). Hierauf bezieht sich die apokalyptische Ergänzung des Taumelbechers und Kelchs des göttlichen Zornes zum Becher der Unzucht.
    Läßt nicht die dreifache Gestalt des Tieres (als Drache, als Tier aus dem Meere und als Tier vom Lande) aus dieser Konstellation sich herleiten? Erst wenn man das Tier vom Lande begreift, wird man auch die Zahl des Tieres (die die Zahl des Tieres aus dem Meere ist) begreifen.
    Vom Fortschritt wird man heute nur noch reden dürfen, wenn man das Wachsen des katastrophischen Potentials mit einbezieht.

  • 9.9.1994

    Die Sündenvergebung ändert in erster Linie den, der vergibt, nicht den, dem vergeben wird. Sie ist ein anderer Ausdruck dafür, daß Joh 129 zum Nachfolgegebot gehört: sie ist ein Teil des Auf-sich-Nehmens der Sünde der Welt. Wie die Feindesliebe gehört sie zur Umkehr: Zum Verzicht auf den weltlichen Gebrauch des Schuldverschubsystems, auf den Versuch, durch Projektion auf andere sich selbst zu entlasten. Dazu gehört die Kraft der Identifikation, die nur durch die Reflexion des Urteils hindurch zu gewinnen ist: Hier gründet die erkenntniskritische Relevanz der Umkehr.
    Der Blick von unten: Der Blick von oben ist (wie die Idee der zeitlosen Wahrheit, die diesen Blick zur Grundlage hat) herrschaftsstabilisierend und fördert das Vergessen, während der Blick von unten auf den Zeitkern der Wahrheit abzielt, auf ihrem Aktualitätsbezug insistiert und von der Kraft der Erinnerung lebt.
    Der Weltbegriff bezeichnet die Totalität der Objektdefinitionen: Die Welt des Jägers ist die Welt, in der das Hervortreten und die Bedeutung der Objekte durch das Jagdinteresse sich bestimmt. Die allgemeinste Gestalt der Welt ist die durchs abstrakte Selbsterhaltungsinteresse definierte Welt (zu der die gesamte Natur gehört). Durch ihre Beziehung zur Selbsterhaltung konstituiert der Weltbegriff als seinen eigenen Subjektbegriff den des Tieres, nicht den Menschen. Der Weltbegriff definiert die Grenze zwischen Pflanze und Tier, nicht die zwischen den Tieren und den Menschen. Auf diesen Zusammenhang bezieht sich das Wort von der Sünde der Welt in Joh 129. Hierin gründet auch der apokalyptische Gebrauch des Tieres als Symbol der Weltreiche sowie der messianische Titel des Menschensohnes, der als Freiheit vom Totemismus sich begreifen läßt (wie das Gott wohlgefällige Opfer Abels als Absage an den Totemismus, an dem die Opfertheorie sich scheidet: die durch Instrumentalisierung die Versöhnung hintertreibt, auf die das Opfer seiner eigenen Intention nach abzielt).

  • 8.9.1994

    Ist der demagogische Trick Kohls nicht vorgebildet in der Geschichte der Physik: Die Kopenhagener Schule, die selber nach Einstein die Physik wieder ins Paradigma der Naturbeherrschung zurückgebogen hat, hat sich zugleich in der Öffentlichkeit immer als „Überwindung“ der klassischen Physik, zu der sie dann insbesondere Einstein hinzugerechnet hat, präsentiert, und den Preis der Rückkoppelung (die Unbestimmtheitsrelation und den Korpuskel-Welle-Dualismus als Komplementaritätsprinzip) als besonderen Gewinn sich selbst und den anderen eingeredet. Das wirklich Neue bei Einstein wurde damit der Reflexion entzogen. War nicht die Kopenhagener Schule, insbesondere ihr deutscher Teil, auf eine subtilere Weise antisemitisch als die ominöse „Deutsche Physik“?
    Gibt es eine (nationale oder weltanschauliche) Identität ohne Bekenntnislogik, und d.h. ohne eingebautes Feindbild? Ist nicht die politische Theologie Carl Schmitts (mit der Grundlage des Freund-Feind-Denkens) die genaueste Entfaltung der Bekenntnislogik? Und sind nicht Skinheads und Hooligans die letzten Confessoren?
    Hat Jesus nicht tatsächlich den Teufel mit Beelzebub ausgetrieben, und zwar genau mit der gleichen Logik, mit deren Hilfe er den Vorwurf zu widerlegen versucht (ein Reich, das in sich uneins ist, …)?
    Die Bekenntnislogik ist der Kelch von Getsemane.
    Der Begriff der „zeitlosen Wahrheit“, Grundlage der Trennung von Natur und Welt, setzt voraus, daß es zur Vergangenheit des Vergangenen keine Alternative gibt.
    Zu Weigels Satz (in einem Brief an den WDR zur Lotto-Satire), daß er zwar Humor verstehe, aber …, fehlt die Ergängzung, die man wird hinzudenken müssen: Das Verständnis endet, wenn er selbst zum Objekt des „Humors“ wird. Dann ist er nur noch beleidigt. Hat nicht der Humor überhaupt eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Duftmarken-Setzen der Hunde. Mit Humor werden Herrschaftsbezirke abgesteckt. Opfer des Humors sind in der Regel die, die aus der Gemeinschaft der Lachenden ausgeschlossen (oder zur Identifikation mit dem Aggressor gezwungen) werden sollen (Frauen, Juden, Ausländer). Der Humor hat die gleiche logische Struktur wie das Vorurteil und die Bekenntnislogik, wie er auch die gleiche Funktion hat: Gemeinschaftsstiftung durch gemeinsames Lachen: durch Identifikation des gemeinsamen Objekts. Auch der Antisemitismus ist eine Variante des Humors. Deshalb ist Humor nur erträglich, wenn er die Reflexion auf diese Struktur in sich mit hereinnimmt: als schwarzer Humor.
    Kein Bekenntnis ohne eingebautes Feindbild, wobei die logische Leistung des Lachens in seiner identitätsstiftenden Kraft liegt: Die Identität des Feindes wird durchs Lachen konstituiert. Repräsentant dieses Lachens im Subjekt ist die, die Objektvorstellung begründende, subjektive Form der äußeren Anschauung: der Raum.
    Hängt es nicht mit der inneren Logik des Gebots der Feindesliebe zusammen, wenn Jesus nicht gelacht hat?
    Weshalb wird das Lächeln der Babys als süß empfunden? Ist es nicht eigentlich etwas Schreckliches: Das Lächeln ist nicht freundlich. Beim Lächeln (auch dem archaischen Lächeln frühgriechischer Statuen, dem Seligkeits-Lächeln mittelalterlicher Skulpturen, dem Lächeln der Mona Lisa) ist der Schrecken nicht zu übersehen, der im instrumentalisierten keep smiling, im Lächeln der Verkäuferin, im cheese-Grinsen, als Raubtier-Lächeln erkennbar wird. Ist nicht das Lächeln der Babys das erste Zeichen der Selbstinstrumentalisierung, Folge der Erfahrung, daß diese Geste von den „Bezugspersonen“ honoriert wird? Wieviel objektive Ohnmachts- und Gewalterfahrung steckt schon in diesem Lächeln? Und ist das Süße an diesem Lächeln nicht die Süße der eigenen Macht- und Gewalterfahrung, die durchs Kind so bestätigt wird (Zusammenhang mit der Logik der Scham)?
    Kann es sein, daß der Adressat des archaischen Lächelns das sich zur objektiven Gewalt kontrahierende Schicksal des mythischen Zeitalters, der Adressat des mittelalterlichen Lächelns der Seligen die Gottes- und Subjektvorstellung war, die der Verinnerlichung der Scham sich verdankt. Ist das Lächeln nicht der früheste Ausdruck der paranoischen Ansteckung, die zu den Grundlagen der zivilisierten Welt gehört? Aufgetragen ist dieses Lächeln auf die Folie des verzweifelten Weinens.
    Haben die Wolken des Himmels, auf denen der Menschensohn erscheinen wird, etwas mit den Wolken, die die ausziehenden Israeliten durch Wüste geführt haben, mit den Wolken am Berge Sinai, dann mit den Wolken der Herrlichkeit Gottes über der Lade im Allerheiligsten des Tempels, zu tun: mit der Schechina?
    Gegenstand der modernen Entzauberung der Welt war der katholische Mythos, der selber schon ein Produkt des gleichen Inertialsystems war, dem er dann zum Opfer gefallen ist.
    Jesu Wort an den Schächer am Kreuz: Heute noch wirst du mit mir im Paradiese sein, ist noch unerfüllt. Dieses Heute ist noch nicht eingetreten.
    Der Sprach- und Symbolgrund der Barmherzigkeit ist die Gebärmutter. Aus welchem Sprachgrund stammt die Gerechtigkeit?
    Hat nicht die Anthropomorphismus-Kritik das weibliche Element (die Barmherzigkeit) aus Gott ausgetrieben?
    Die Philosophie hat die Sinnlichkeit aus dem Himmel (aus Wasser und Feuer) ausgetrieben, die Naturwissenschaften haben sie aus der Erde ausgetrieben. Das erste war die Folge der Verinnerlichung der Schicksalsidee, das zweite die der Verinnerlichung der Scham.
    Wenn die Grenze zwischen Innen und Außen eine transzendentallogische Grenze ist, die begründet ist in der Grenze zur Vergangenheit, ist es dann nicht notwendig, das Schicksal der Geschichte des Klassenkampfes, die nicht nur in der Außenwelt sich abspielt, im Innern der Menschen zu untersuchen, die Fortsetzung dieser Geschichte in der Geschichte seiner Verinnerlichung weiter zu verfolgen? Vermittelndes Glied ist der Mechanismus der Identifikation mit dem Aggressor; zur Geschichte der Verinnerlichung des Klassenkampfes gehört die Geschichte seiner Verdrängung. Diesem Aspekt kommt ein anderer entgegen: die Einsicht, daß der Begriff der Verdrängung nicht mehr auf die Psychologie sich einschränken läßt, daß er durch einen objektiven, historisch-gesellschaftlichen Begriff der Verdrängung, zu dem die Geschichte des Mythos und der Aufklärung gehört, zu ergänzen ist.
    Werbung und Propaganda, als Formen der technischen Anwendung der Psychoanalyse, haben diesen objektiven Begriff der Verdrängung (den sie ausbeuten und verstärken) zur Grundlage (Zusammenhang mit der Bekenntnislogik).
    Dignum et justum est: Hat das dignum, das dann mit würdig übersetzt wurde, etwas mit der Barmherzigkeit zu tun? Und wie verhält sich das dignum et justum (würdig und gerecht) zum juristischen billig und recht (wie verhalten sich dignum, würdig und billig zueinander)?

  • 7.9.1994

    „Du hast doch ein Ohr, du hast doch eine Leber, du hast doch einen linken Zeigefinger und außerdem noch Lunge und Brust: Worauf wartest du noch, mach doch daraus schon mal einen kleinen Menschen.“
    Der Kapitalismus ist das Reich der Privatwirtschaft: Er hat die gesamte Ökonomie der Privatsphäre (dem Reich der idiotes) zugeschlagen.
    Hinweis auf den Zusammenhang von Ökonomie, Politik und Privatexistenz: Das Telefon ist für den Geschäftsverkehr, für die politische Intrige und für den privaten Tratsch unentbehrlich. Das Fernsehen ist durch das optische Medium das Institut der vollständigen Durchdringung von Politik und Privatem im neuen Begriff der Öffentlichkeit; beide ziehen sich wechselseitig auf ihr unterstes Niveau herunter (Ableitung aus der Logik der Schrift). Hier wird die Intrige vergesellschaftet und der Tratsch zur Basis der Politik.
    Die Bekenntnislogik ist die Opferfalle, in der das Christentum seine Gläubigen gefangenhält.
    Sind nicht die drei Gestalten des Bösen, Satan, Teufel und Dämon, Konstruktionsmomente der Ökonomie, von Goethe zusammengefaßt in der Gestalt des Mephisto? Der Kapitalismus ist ein Teufelspakt, aber das ist kein Anlaß zur Dämonisierung, sondern ein Hinweis zur Erkenntnis des Kapitalismus (der Name des Kapitals entstammt dem Kreditwesen: „capitalis pars debiti ist der Hauptteil der Schuld, der von einer Nebenschuld, nämlich dem Zins, begleitet wird“, Binswanger, Geld und Magie, S. 48).
    Heute käme es darauf an, die Aufklärung aus den Verstrickungen ihres theologischen Ursprungs zu lösen (aus dem dogmen- und bekenntnislogisch begründeten Gesetz der Verdinglichung).
    Hängt nicht die aristotelische Kritik der Geldvermehrungswirtschaft (vgl. Duchrow) mit seiner Kritik der schlechten Unendlichkeit zusammen, wurde ihr nicht durch die kopernikanische Wende der Boden entzogen?
    Auch die Armut ist eine Ware; sie gehört zu den schamvoll versteckten Produkten der kapitalistischen Produktion; sie wird exportiert und wieder reimportiert. Die Armut der andern ist der Schatten der Erfüllung des Gewinnstrebens der Reichen.
    Die Banken und die verwalteten Schulden (das Kreditsystem) sind der Realgrund und die ideelle Widerspiegelung zugleich der Armut in der Gesellschaft.
    Hält die sogenannte „sumerische“ Sprache (als agglutinierende Sprache) nicht die Erinnerung an den Ursprung der durch die Logik der Schrift verursachten Änderungen der Sprache fest (Turmbau zu Babel)? Ist sie nicht gleichsam der embryonale Zustand der flektierenden Sprache?
    Bezeichnet der Staub in der Sündenfallgeschichte (wie die Schlange, die ihn frißt) auch einen sprachlichen Sachverhalt, das Produkt der Vermahlung der phonetischen zur Schriftsprache: die Buchstabenschrift?

  • 6.9.1994

    Gründe zur Skepsis bei Duchrow:
    – In den Bemerkungen über Luther bemerkt er nicht, daß ein Unterschied besteht zwischen der Kritik des (in die Fundamente der Gesellschaft mit eingebauten) „Wuchers“ und der (bloß moralischen) Verurteilung des „Wucherers“: zwischen dem Problem und seiner Personalisierung; vgl. hierzu das Verhältnis Jesu zur „Steuerfrage“ und seine Beziehung zu den „Zöllnern“.
    – Schließt nicht die Personalisierung gesellschaftlicher Probleme immer ein projektives Element mit ein; ist sie nicht nur verständlich im Kontext von Exkulpationsstrategien?
    – Ist nicht die Personalisierung ein Teil der Verdinglichung, und ist diese nicht ein christliches Erbe (das Ferment der Selbstzerstörung des Christentums)?
    – Gibt es Wirtschaftsstrukturen, die zum Leben, und Wirtschaftsstrukturen, die zum Tode führen, läßt sich das so „klar“ trennen?
    – Was versteht er unter der „Gottesfrage“ und unter einem „funktionierenden Gott“?
    – Bezeichnet nicht die „Nische im Perserreich“ genau die Falle, in die Duchrow hineinrennt? Es unterstellt ein Stück Absicht und Planung (und hängt so mit der projektiven und zugleich paranoiden Logik der Personalisierung zusammen), während es die Irrationalität der Realität bestätigt.
    – Erst die Logik der Verdinglichung macht eine spontane Aktion zum Gegenstand einer Organisation (Verwaltungsdenken). Wiederholen sich darin nicht zwangshaft die Strukturen der Entstehung der Kirchen, des Dogmas und der Bekenntnislogik (Zusammenhang mit der Vergegenständlichung als und durch Geschichte)?
    – Verweist nicht der häufige Gebrauch des Begriffs „Zeichen“ auf den Zusammenhang des symbolischen Politikverständnisses mit der Bekenntnislogik (auf die Konstruktion des Schuldverschubsystems)? Das „Zeichen setzen“ drückt das Einverständnis mit dem Wertgesetz aus. „Zeichen“ sind die Buschtrommeln im Dschungel der entfremdeten Welt; sie sprengen nicht das Gesetz der entfremdeten Welt. Dagegen hilft nur eine rückhaltlose, von allen apologetischen Zwängen freie Erkenntnis. Jonas ist nicht nach Ninive gegangen, um alternative Gemeinschaften zu begründen, er hat nicht einmal zur Umkehr aufgefordert, sondern nur verkündet: In vierzig Tagen wird Ninive zerstört.
    Zusammenhang von Projektion und Paranoia.
    Die Trennung von Realität und Sprache, Produkt der Urteilsform, gründet in den subjektiven Formen der Anschauung. Beide gründen im Gewaltmonopol des Staates, zu dessen Ursprungsgeschichte sie gehören. Die Befreiung von den sieben unreinen Geistern und die Lösung der sieben Siegel ist die konkrete Kritik des Gewaltmonopols des Staates und der Trennung von Sprache und Realität (die Bedingung der Erfüllung des Worts).
    Die „invisible hand“ ist der Inbegriff der Gewalt, die hinter unserm Rücken sich aufrichtet (des Weltbegriffs, der „Sünde der Welt“). Deren Reflexion ist die einzige Möglichkeit, nicht zum Opfer ihrer Verstrickungen zu werden.
    Ist die „invisible händ“ nicht die Hand, die das „mene, tekel u pharsin“ an die Wand schreibt?
    Bleibt die Kritik der „Geldvermehrungswirtschaft“ nicht abstrakt, wenn man zugleich die Umsatzsteigerungen als Rechtfertigung alternativer Wirtschaftsformen benützt? Wer die Alternativen so am Realitätsprinzip mißt, ist schon in dem System gefangen, das er zu kritisieren meint.
    Die Freude, die Duchrow den „Gemeinschaften“ zuschreibt, hängt mit dem Zeichensetzen logisch zusammen: sie gleicht der Euphorie, die zur Verdrängung der Agonie gehört (Ende der Bekenntnislogik).
    Ist der Blutacker (hakeldama) das Symbol der Subsumtion des Ackers unters Tauschprinzip? Adam: mit dem Acker wird auch der Mensch unters Tauschprinzip subsumiert (gemeinsamer Ursprung der „Befreiung“ des Ackers aus seiner theologischen Bindung, der Schuldknechtschaft und Sklaverei, und der Lohnarbeit). Hängt nicht das faschistische „Blut und Boden“ mit dem hakeldama zusammen, und was drückt es eigentlich genau aus? Ist dieses Blut nicht das Blut der „Helden“, die den eigenen Boden verteidigt und fremdes Land erobert haben: Grund der staatlichen Eigentumsnahme? Und was hat das mit Judas Iskarioth, dem Verrat Jesu und mit den Hohepriestern zu tun? War nicht die erste Leugnung Petri die Leugnung vor der Magd des Hohepriesters?
    Skinheads: die Engel des Hegelschen Weltgerichts. Deshalb gehören Friedhof- und Gräberschändungen zur Einübung rechtsextremer Gewalt.

  • 5.9.1994

    Es ist ein Unterschied ums Ganze, ob Religion sich an der Rechtfertigung, der Idee Sündenvergebung, oder an der Verwirklichung der Gerechtigkeit, der Beseitigung der Not, orientiert.
    Gewaltverhältnisse sind von einzelnen Akten der Gewalt, die grundsätzlich darauf abzielen, Gewaltverhältnisse zu schaffen, zu unterscheiden. Gewaltverhältnisse sind die Innenseite des Begriffs, mit der Erinnerung ihres eigenen Ursprungs enthalten sie ins sich die verdrängten Erinnerungen an den Ursprung des Begriffs.
    Die Logik der Schrift (als Logik der Sprache des Staates) ist die Voraussetzung und die Verhinderung der Utopie zugleich. Die Logik der Schrift terminiert im Kreuzestod, und dessen Instrumentalisierung (in der Opfertheologie) geht einher mit der Instrumentalisierung der Schrift, deren Erbe und Opfer zugleich der Fundamentalismus ist.
    Sind nicht die Deklinationen, die das Substantiv konstituieren, Deklinationen des Begriffs: Ausdruck der Herrschafts- und Gewaltbeziehungen? In welcher Beziehung stehen die Deklinationen zu den Konjugationen? Ist nicht die Satzkonstruktion, die Regelung der Stellung der Satzelemente (Subjekt, Verb, Objekt, Nebensätze) im Satz, auch Ausdruck der Sprachlogik? Und weist nicht die deutsche Gewohnheit, zusammengesetzte Verben auseinander zu reißen, und den präfigierten Teil ans Ende des Satzes zu setzen, auf die besondere Affinität der deutschen Sprache zur Herrschaftslogik hin („Und weist nicht … hin?“ anstatt „Und hinweist nicht …?“)? Hier wird das Verb zum Käfig, zur Isolationszelle, in die der Satz – wie ein Tier im Zoo oder ein Terrorist im Hochsicherheitstrakt – eingesperrt wird. Genau das aber ist insbesondere der Grund, aus dem die grammatisch-logische Konstruktion des „Substantivs“ sich herleitet. Ist das deutsche Lehrer-Ideal (das Deutschlehrer-Ideal) des „vollständigen Satzes“ nicht ein Herrschaftsmittel; es wird von den gleichen Leuten gefordert, die selber nicht in der Lage sind, einen Sachverhalt korrekt ausdrücken, die ihren Schülern das Lesen verleiden, die sich aber für befähigt halten, Aufsätze zu zensieren. Ist nicht die Aversion gegen Literatur, die Unfähigkeit zur Sprachreflexion, diese besondere Art des Analphabetismus, ein Produkt des Deutschunterrichts in den Schulen?
    Kritische Kommunikationsfähigkeit lebt von der Fähigkeit zu Sprachreflexion, der Grund die Fähigkeit zur Schuldreflexion ist. Ist sie nicht im Katholizismus durch die Eucharistie (durch die Verdinglichung des Worts in der Sakramentenlehre insgesamt) ausgetrieben worden? – Auch eine Konsequenz aus der falschen Übersetzung von Joh 129.
    Die Tatsache, daß unsere Verwaltungen nicht mehr in der Lage sind, präzise und zugleich verständliche Texte herauszugeben, steht in einer logischen Korrespondenz zur Unfähigkeit von Informatikern („Software“-Herstellern), zu den Produkten, die sie herstellen, verständliche Produkt-Informationen (Handbücher, Gebrauchsanleitungen) zu liefern.
    Ein Staat, der sich nicht mehr verständlich machen kann, der nur noch funktioniert, kann nur als Gewaltstaat funktionieren.
    Zur Jotam-Fabel: Was haben Bäume und Könige – außer daß beide Kronen tragen – gemeinsam? Sind nicht die Kronen die Luftwurzeln der Bäume, und ist vielleicht der Baum der Erkenntnis der auf den Kopf getellte Baum des Lebens (und sind beide durch Umkehr aufeinander bezogen)?
    Steckt nicht in der Geschichte von den Feigenblättern und dem Tierfell schon die Geschichte der Opfer von Abel und Kain, gehört die eine nicht als Vorgeschichte zur anderen? Und ist nicht das Feigenblatt ein Symbol der Logik der Schrift (vgl. hierzu auch Johannes Scotus Eriugena)? Die Logik der Schrift ist die Logik der Trennung von Sprache und Realität. Kehrt nicht generell in den Brüderpaaren (Ismael und Isaak, Esau und Jakob, Moses und Aaron, aber auch Petrus und Andreas, Jakobus und Johannes, Jesus und Jakobus) das Brüderpaar Kain und Abel wieder?
    Das kopernikanische System und seine dynamische Begründung durch Newton sind grandiose Konstrukte zur Begründung und Stabilisierung des Inertialsystems.

  • 4.9.1994

    Das Haus des Seins, oder der pharaonische Aspekt der Ontologie.
    Hat das Tier aus dem Meer etwas mit der Entnationalisierung der Ökonomie (insbesondere auch des Banken- und Finanzwesens) zu tun?
    Hinweis hierzu: Wenn das Eigentum zu den Organisationsgrundlagen des Staates gehört, d.h. wenn es nur national sich definieren läßt (deshalb sind die Fragen der Staatsbürgerschaft und der Währungshoheit so wichtig), und wenn außer- und zwischenstaatliche Verhältnisse nach Hegel Naturverhältnisse sind, was bedeutet das dann für die Logik der Entnationalisierung der Ökonomie: für die „vagabundierenden“ Verschuldungs- und Verarmungsprozesse, die den Realitätskern des „vagabundierenden Geldes“ ausmachen? Steckt hier nicht ein Hinweis auf den Ursprung der Nomaden (auf den Zusammenhang ihrer Entstehung mit gesellschaftlichen Naturkatastrophen)? Und liegt hier nicht der eigentliche Grund für die Notwendigkeit der Reflexion des Weltbegriffs (mit dem der Staat, der heute chaotisiert wird, immer schon mit gedacht wird)?
    Ist nicht die Beziehung von Handel und Kredit in ihrem Ursprung durch den Fernhandel vermittelt (in dem Finanzierungssystem des antiken Seehandels), und liegt hier nicht der Ursprung des apokalyptischen Symbols vom Tier aus dem Meer (vgl. die Könige, die Kaufleute und die Schiffsführer in der Johannes-Apokalypse)?
    Ding und Sache: Hat die begriffliche Trennung ihre Vorgeschichte in einer nationalen: in der sprachlogischen Differenz zwischen dem griechischen chräma (Ding, Geld) und der römischen res (Sache)?
    Heute gewinnt Hegels Satz, daß die bürgerliche Gesellschaft bei all ihrem Reichtum nicht reich genug ist, um der Armut und der Erzeugung des Pöbels zu steuern, erstmals globale Bedeutung.
    Ist nicht die in der Jona-Geschichte angedeutete innere Differenzierung der „Buße“ (der Umkehr), die in der Logik ihrer Durchführung sich anzeigt, wichtig: Sie beginnt mit der Buße des Volkes, von dem sie ausgeht; die Kunde davon dringt bis vor den König von Ninive, der sie dann zu seiner Sache macht, indem er selber Buße tut und zugleich das Volk und das Vieh zur Buße aufruft.
    Hängt es nicht mit ihrem Ursprung in Rechtfertigungszwängen und in der Logik des Schuldverschubsystems zusammen, wenn Weltanschauungskriege seit dem „Krieg gegen den Bolschewismus“ Vernichtugnskriege sind?
    Was hat es eigentlich mit dem Pharao, der nichts von Joseph wußte (in der Vorgeschichte der Versklavung der Hebräer), auf sich? Die Josephs-Geschichte läßt als Geschichte der ursprünglichen Akkumulation unter den Bedingungen des pharaonischen Staatskapitalismus, aus dem dann das Sklavenhaus Ägypten geworden ist, begreifen. Die hebräischen Sklaven aber wurden eingesetzt beim Bau der Vorratsstädte Pithom und Ramses.
    Wurde nicht auch im stalinistischen Rußland der Archipel Gulag eingeläutet durch die Enteignung der Kulaken?
    Daß Geschichte jeweils aus dem Gesichtswinkel des Siegers geschrieben wird, ist ebenso wie die Rechtsblindheit des Rechts keine Frage der Gesinnung, sondern eine der Logik. Aus beiden Verstrickungen und Zwängen kann man nur durch (Schuld-)Reflexion sich befreien, zu deren vorrangigen Objekten die Geschichte und das Recht gehören.
    In den Fundamenten des Staats steckt der Mord, so wie in den Fundamenten des Christentums das Kreuzesopfer. Während der Staat die Erinnerung an den Mord unmittelbar verdrängt, verdrängt die Kirche die Erinnerung an den Kreuzestod durch seine instrumentalisierende Vergegenständlichung: durch Ritualisierung (so wappnet sie sich zugleich gegen den Vorwurf der Verdrängung). Die Verdrängungskräfte, die der Staat benötigt (so daß der Pharao an Joseph nicht mehr sich erinnert), liefert das Christentum mit der Opfertheologie (und deren theologischer Absicherung durchs Gesamtsystem des Dogmas).
    Es war, wenn nicht der Trick, so doch der logische Effekt der Rezeption des Weltbegriffs, daß mit ihr die Herrschaftskritik aus der theologischen Reflexion ausgeblendet wurde. Mit dem Weltbegriff wurde die Herrschaftslogik rezipiert. Hierdurch ist der Herrschaftskelch (der Taumelbecher und der Kelch des göttlichen Zorns) zum Becher der Unzucht geworden.
    Die Ablösung des Geldgeschäfts von seinem investiven Realgrund, seine Rückkoppelung an die abstrakten Formen der Geldvermehrung (vom Börsengeschäft bis zur Devisenspekulation), ist eine logische Folge der Transnationalisierung des Geldgeschäfts, der Überschreitung der nationalen Eigentumsgrenzen. Hat die Logik dieser Rückkoppelung etwas mit der Logik der Selbsterzeugung der subjektiven Form der äußeren Anschauung (der Form des Raumes, die so als grenzenlos sich entfaltet und allem, was in den Raum fällt, die Logik der Instrumentalisierung, die Herrschaftslogik einprägt) zu tun? Wird hier nicht dem Taumelbecher, dem Kelch des göttlichen Zorns, die Unzucht als zusätzlicher Inhalt hinzugefügt?
    Nebukadnezar vergißt den Traum, der Pharao vergißt den Traumdeuter. Die anderen Könige haben Eigennamen, sie heißen Abimelech oder Nebukadnezar; nur der König Ägyptens hat einen zweiten Titel, Pharao, aber in der Regel keinen Eigennamen (z.B. in der Abraham-Geschichte und in der Vorgeschichte des Exodus; welche Ausnahmen gibt es, und bei welcher Gelegenheit werden sie genannt?). Kann dieser zweite Titel nicht bedeuten, daß des Pharaos nicht mehr gedacht werden soll?
    Die Israeliten haben den Namen Pharaos verdrängt, die Christen den Namen Ägyptens (Mizrajim) und den Gottesnamen. Wird nicht in Apokalypse der Name Ägyptens mit Sodom und Gomorrha und mit dem Ort, an dem der Herr gekreuzigt wurde, zusammengebracht?
    Im Christentum hat nicht Gott, sondern nur Jesus einen Namen.
    Erinnert nicht der Gebrauch des hebräischen Gottesnamens in der Bibelwissenschaft an die Friedhof- und Gräberschändungen der Nazis? Soll nicht in beiden Fällen – nach dem Modell der in peer-groups üblichen Logik von „Mutproben“ – der Nachweis geführt werden, daß nichts passiert?
    Ich kann mir Bücher nicht vom Leibe halten, ich wühle mich durch sie hindurch in der Hoffnung, mich irgendwann in ihnen wiederzufinden.
    Einstein war der erste Physiker, der ein mimetisches Erkenntnismodell in die Physik hereingebracht hatte, das dann insbesondere durch die Kopenhagener Schule mit einem Tabu belegt worden ist (die metaphysischen Qualität, die der „Unbestimmtheitsrelation“ oder oder dem Komplementaritäts-Prinzip beigelegt wurden, gründet in diesem gleichsam exorzistischen Tabu. Das Paradigma „moderne“ gegen „klassische“ Physik, das auch gegen Einstein gerichtet war, ist nicht zufällig zum Modell modischer Religionskonzepte (und zu einer theologischen Traditions-Vernichtungs-Maschine) geworden.
    Hat nicht die F.D.P. durch ihren neoliberalen Ideologiebegriff – ähnlich wie der Geldmarkt im gleichen Kontext den Produktivitätsbezug – die Bodenhaftung verloren?
    Wie bezieht sich der Geldvermehrungs-Mechanismus, der die wirtschaftliche Rationalität (im Sinne Max Webers) begründet, auf die Logik der Selbsterzeugung des Raumes (Begründung des kopernikanischen Systems)?

  • 3.9.1994

    Vergangene Arbeit und die Arbeit anderer sind austauschbar: Ausbeutung ist das Sparen aus den Taschen anderer.
    Physis und natura: Bei den Griechen waren die Bürger die Erzeuger, bei den Römern die Erzeugten des Staates (und die Konsumenten seiner Leistungen).
    Die Exkulpationsautomatik verdrängt nur die Schuld, löst sie nicht auf; deshalb erzeugt und verstärkt sie den Rachetrieb (Ursprung des Feindbildes und der Bekenntnislogik).
    Zur Säkularisation aller theologischen Gehalte:
    – Das KZ war eine Säkularisation der Hölle, und die Knäste und die psychiatrischen Anstalten sind es immer noch;
    – die rechtsextremistische Gestalt der Gewalt ist ein Produkt der Säkularisation der Bekenntnislogik, der Antisemitismus eine Gestalt der Säkularisation der Opfertheologie.
    Heideggers „Haus des Seins“ steht in der Tradition der Pyramiden, es ist ein Haus des Todes, zu dem das „Vorlaufen in den Tod“ logisch dazugehört. So ist es das genaue Gegenstück, und zugleich eine entsetzliche Parodie des Hauses, das Salomo dem Namen Gottes errichtet hatte. Der Satz „Laßt die Toten ihre Toten begraben“ gilt auch für die Fundamentalontologie. Ähnlich, aber in einem sehr viel differenzierteren Sinne, gilt das auch für die Philosophie Hegels: Hegels Logik ist das Mausoleum des Namens. Die Vorarbeit dazu hat die Bekenntnislogik geleistet (die aus dem Bekenntnis des Namens das Glaubensbekenntnis gemacht hat).
    Das Haus des Seins ist die zusammengeschrumpfte, ontologisierte und instrumentalisierte Gestalt der transzendentalen Logik.
    Wie wir’s machen, machen wir’s falsch: Die Aufarbeitung, die nach dem Ende des Faschismus notwendig gewesen wäre (und versäumt wurde), versuchen wir heute an der DDR-Vergangenheit nachzuholen. Aber sind die Verhältnisse vergleichbar? Wäre hier nicht etwas anderes vorrangig gewesen, nämlich praktische Hilfe, praktische Solidarität? Und wird das jetzt Versäumte nicht wieder ideologisiert? Man hat ja den Sündenbock: die marode Wirtschaft des SED-Staates, der man auch die Folgen der eigenen Veräumnisse jetzt anlasten kann. Die ökonomische Katastrophe, in die die fünf neuen Länder und die Menschen in diesen Ländern jetzt geraten, ist deshalb nicht so schlimm, weil sie gleichzeitig als ideologische Waffe (als Waffe gegen den Sozialismus) nutzbar ist. Zusätzlich werden die alten Vorurteile mobilisiert, um ganz sicher zu gehen, daß ja niemand auf die falschen (d.h. die richtigen) Gedanken kommt.
    Christliche Ursprünge der Hegelschen Philosophie: Gründet nicht die Hegelsche Staatsmetaphysik in der Instrumentalisierung des Satzes „Herr, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun“?
    Mit den subjektiven Formen der Anschauung, insbesondere mit der Raumvorstellung, verankert sich die Urteilsform in der Objektivität. Erst als die Vorstellung des unendlichen Alls sich durchgesetzt hat, wurde die Welt draußen von der Sprache in unserem Kopf endgültig geschieden (wurde der Weg frei gemacht für den Kapitalismus).
    Gehört nicht das Privateigentum an Grund und Boden, deren Subsumtion unters Tauschprinzip, zu den Grundvoraussetzungen einer staatlich organisierten Gesellschaft? Und war das nicht die Grundlage des Kolonialismus: Eigentum an Grund und Boden gibt es nur in staatlich organisierten Gesellschaften; jedes andere Land ist herrenloses Gut, das mit der Aneignung durch einen Staat von jedem Bürger dieses Staates privat angeeignet werden kann. (Bedeutung dieses Zusammenhangs für eine Theorie des Krieges, Anwendung auf die Vorgänge in den Folgestaaten Jugoslawiens.)
    Hängt die Nichtannahme des Opfers Kains vielleicht mit dem vegetarischen Charakter dieses Opfers zusammen? Vegetabilien (die Früchte des Feldes) sind Symbole einer herrschaftsfreien Gesellschaft; deren Opfer aber wäre dann das Symbol der Leugnung der Idee einer herrschaftsfreien Gesellschaft. Ist es nicht diese Leugnung, die den Weg frei macht zum ersten Mord?
    Das Tieropfer Abels hingegen gehört in die Geschichte der Rücknahme der Sünde Adams, der Sünde der Welt. Korrelat des Weltbegriffs ist wie der Staat (der Schöpfer und Erhalter der Welt), so insbesondere das Tier.

  • 2.9.1994

    Die Geschichte, der Raum und das Vergessen. Der Raum neutralisiert die Zeit, macht die Geschichte zum Steinbruch, in dem man sich beliebig bedienen kann. Geschichtliche Taten und Ereignisse werden einander äußerlich und austauschbar, vergleichbar den gegen Raum und Zeit neutralisierten „Erfahrungen“ in den Laboratorien der Naturwissenschaften.
    Die Bekenntnislogik schließt eine eingebaute Exkulpationsautomatik mit ein; deren Kern ist das Schuldverschubsystem, durch das die Bekenntnislogik mit dem Schuldbekenntnis verbunden ist. Ist die Exkulpationsautomatik die transzendentale Ästhetik zur Bekenntnislogik?
    Kein Bekenntnis ohne Feindbild: Das Gebot der Feindesliebe ist ein durchschlagender Einwand gegen Dogma und Bekenntnislogik.
    Die moderne Praxis kirchlicher Architektur, Innenwände wie die Außenwand zu gestalten, drückt aufs genaueste die Beziehungen der Gläubigen zu ihrer Kirche aus: Sie sind zugleich drinnen und draußen, die Innenwelt hat der Außenwelt, und die Außenwelt der Innenwelt sich angeglichen. Die Differenz ist getilgt, beide sind ununterscheidbar geworden, damit aber ist die Außenwelt zur Norm der Innenwelt und die Innenwelt vollends barbarisch geworden. Ist das nicht die logische Folge und die fatale Erfüllung der inneren Säkularisationsgeschichte: der Geschichte der Verweltlichung, Produkt der verandernden Kraft, die als das bewegende Zentrum der Säkularisationsgeschichte sich erweist.
    Mit dieser Beziehung von Innen und Außen hängt es zusammen, daß, was Karl Rahner einmal die absolute Zukunft genannt hat, nicht mehr in der Zukunft, sondern in der Vergangenheit liegt. Quellpunkt der verandernden Kraft ist die Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit, die sie nur noch in den vergangenen Hoffnungen erfahrbar macht. Die Wiedererweckung der vergangenen Hoffnung ist der Beginn der Auferstehung.
    Eine logische Studie: Hängt der demagogische Trick Kohls, die Gemeinheiten, die er von sich gibt, zugleich zu dementieren und seinem politischen Gegner anzuhängen, nicht mit der Logik seines Geschichtsbegriffs (und dieser mit Hitlers Begriff der Vorsehung) zusammen? Die gleiche Logik macht ihn unfähig, die Untaten von Rostock, Mölln, Solingen anders als durch den Blick des „Auslands“, und d.h. als „Schande“ wahrzunehmen. Es ist dieser Blick, der insgeheim die Zustimmung zu den Dingen, von denen er sich verbal distanziert, signalisiert.
    Der Slogan „Bewahrung der Schöpfung“ bleibt falsch, solange er nur auf die äußere Natur sich bezieht (ist nicht die Ökologie-Diskussion u.a. auch ein Produkt des Schuldverschubsystems, dient sie nicht auch der Ablenkung von den heranreifenden gesellschaftlichen Naturkatastrophen, gehört sie nicht in den Bereich der Exkulpationsstrategien?).
    Erinnert nicht das Wort „Gottesfrage“ (Duchrow/Veerkamp) fatalerweise an die Seins- oder die Judenfrage (generell an Heideggers Begriff der Frage)?
    Joh 129 stellt den Aktualitätsbezug des Wortes (des Logos), seine Beziehung zur Prophetie, her: durch die Hereinnahme der Schuld-Reflexion.
    Zu Jürgen Ebachs Hinweis auf das „es rächt sich“ ist an den Gebrauch dieser Wendung in der Nachkriegszeit, nach Bekanntwerden der organisierten Judenvernichtung durch die Nazis, zu erinnern: Fromme Katholiken waren überzeugt: „Das wird sich einmal rächen“. Aber das wurde schnell vergessen; statt dessen sollen die sogenannten „Rachepsalmen“ aus dem kirchlichen Brevier herausgenommen worden sein. War die Erinnerung an die Schuld so nahe gerückt, daß sie unerträglich wurde (wird man nicht daran zweifeln dürfen, ob der Abschaffung der Todesstrafe wirklich nur „humane“ Motive zugrundelagen)?
    Über den nationalen Ursprung der Transzendentalphilosophie: Die Begriffe historisch und empirisch waren einmal gleichbedeutend; das Historische war das Empirische und umgekehrt. Dagegen enthält der deutsche Begriff der Geschichte eine Verschiebung, der mit der Wortbedeutung, die ans neutrale, subjektlose Geschehen (das ontologische Sein) erinnert, zusammenhängt. Die Geschichtsphilosophie ist eine Es-Philosophie; und Hegels Bemerkung, daß das Wort Geschichte sowohl die historischen Taten und Ereignisse als auch die Geschichtsschreibung (die sie zu historischen Taten und Ereignissen erst macht) bezeichnet, weist auf das Zentrum des Neutralisierungsprozesses (und auf die in ihm wirkenden Kräfte, auf seine sehr spezifisch deutsche Logik) hin.
    In Spinozas Deus sive Natura steht dieser Deus fürs Absolute, für den Gott der Philosophen: für den Schatten, den das Subjekt auf Gott wirft.
    Das reale Objekt der Sexualmoral wäre (wenn man sie auf ihre herrschaftskritischen Ursprünge zurückführt) die Mordlust, nicht die Sexuallust. Hier gründet das Wahrheitsmoment der Lustfeindschaft.

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