Prigogine: die Postmoderne in den Naturwissenschaften.
Zum Weltanschauungstrieb der Naturwissenschaften: Kein Zufall, daß Prigogine sowohl den Snow (Die zwei Kulturen) als auch den Forman (Weimarer Kultur, …) zitiert.
Wenn Prigogine den Namen Boltzmann nennt, kann man davon ausgehen, daß er in erster Linie die Weltanschauung, und nur am Rande den physikalischen Sachverhalt meint.
Unberührt bleibt der in der Tat ungeheuerliche Gedanke, das Plancksche Wirkungsquantum zur Entropie in Beziehung zu setzen; nur daß dieser Gedanke verpufft, weil er das Konstitutionsproblem, das auf die spezielle Relativitätstheorie zurückweist, verdrängt. Der wichtigste Hinweis liegt darin, daß die gesamte Mikrophysik sich „jenseits“ der Lichtgeschwindigkeit konstitutiert, das Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit zur Voraussetzung hat. Dieses „Jenseits“ hat die Atomistik zu einem Pseudo-Diesseits gemacht.
Die Beziehung des Gravitationsgesetzes zum Gesamtbereich der Erscheinungen, auf den die Lichtgeschwindigkeit sich bezieht, der mit dem Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit sich konstituiert, ist eine inverse, keine additive Beziehung. Der logische und historische Ursprung dieser Inversion liegt in der Geschichte der Theologie, in der Bekenntnislogik.
Die Physik als ein System allgemeingültiger Sätze, die zu den Erscheinungen im Verhältnis der Subsumtionslogik stehen, verwirrt den Erkenntnisbegriff.
Interessant an allen zeitgenössischen kosmologischen Theorien ist eigentlich nur noch das, was sie verdrängen.
Ist nicht diese ideologische Physik durchsetzt mit Wunschdenken, was kein Einwand wäre, wenn es nicht mit der Prätention aufträte, kein Wunschdenken zu sein, wenn es nicht mit der Unfähigkeit, sich selbst zu reflektieren, verbunden wäre? Diese Form des Wunschdenkens ist der im Hoffnungslosen verrottete Rest der Hoffnung.
Bemerkenswert an allen Versuchen, nichteuklidische Geometrien zu entwickeln, daß sie die „euklidische Geometrie“ logisch voraussetzten: Läßt eine „Krümmung“ anders als am euklidischen Referenzmodell sich bestimmen? Widerlegt werden sollte ohnehin nicht Euklid, sondern das kantische Konzept der subjektiven Form der äußeren Anschauung. Deren (ebenso mathematischer wie logischer) Kern aber war nicht das Parallelenaxiom, sondern die Orthogonalität: der innerräumliche Reflex seiner Beziehung zur Form der inneren Anschauung, zur Zeit. Aber waren das nicht schon Paradigmen der gleichen Konstellation, die seitdem rapide sich durchgesetzt hat: daß alle Angriffe schon im Ansatz als Niederlagen sich erwiesen, alle gleichsam die Züge des Harakiri trugen. Jeder Angriff steht unter der Zwangslogik des Begriffs, der sein Objekt verloren oder auch abgetrieben hat (steht unter der Zwangslogik der Paranoia und des Herrendenkens).
Wenn unsere Politiker gegen den Rechtsextremismus auf den Blick und das Urteil des Auslands verweisen, machen sie den Rechtsextremismus zu einem Selbstläufer, zu einem Perpetuum mobile, das an seinen entropischen Folgen scheitert.
Der Zusammenbruch des real existierenden Sozialismus wird erst dann verstanden sein, wenn er als das Ende der Bekenntnislogik begriffen wird. Die Bekenntnislogik bleibt auf den Staat fixiert, gewinnt in dieser Fixierung ihre „Identität“. Wenn die raf-interne Diskussion immer mehr auf das Verhältnis „des Staates“ zu den Gefangenen sich zuspitzt, auf die Erhaltung der „Identität“, dann hat der Staat genau in dieser Zuspitzung der raf-Position auf das Recht, ein Bekenntnis zu haben (das ohne Feindbild nicht auskommt: und sei es das Feindbild „Staat“), bereits gesiegt. Er kann diese Gefangenen freilassen, weil sie jetzt auch draußen ungefährlich (nämlich berechenbar und kontrollierbar) geworden sind. Der Staat vermag seine Gegner auch an der langen Leine der Feindschaft noch in der Hand zu halten. Haben die Gefangenen nicht mit der Feindschaft gegen den Staat (mit der Paranoia) ihre Isolationshaft verinnerlicht (und ist die „Identität“, die sie sich nicht rauben lassen wollen, nicht der Schlüssel dazu)? Zur Frage, ob man den Staat hassen kann, wäre an die Antwort Gustav Heinemanns auf die Frage, ob er den Staat liebe, zu erinnern: er liebe seine Frau. Im Kontext des Bekenntnisses instrumentalisieren sich alle Objektbeziehungen, geht es nur noch darum, wofür oder wogegen einer ist; im Kontext des Bekenntnisses stirbt die Welt den Kältetod, als dessen Hypostase der Staat sich etabliert.
Hat nicht die raf (unterm Bann der Bekenntnislogik) seit je die Logik des Systems personalisiert?
Magischer Ursprung des Naturbegriffs: Wenn ein Kind sich an einer Tischkante stößt, ist der Tisch schuld.
Ist nicht alle Philosophie deshalb Bewußtseinsphilosophie, weil das Bewußtsein erst mit dem „Wissen“ entspringt, seine Organisation der Organisation und Logik des Wissens verdankt?
Alle Unschuld ist Schein.
Verweist der Satz, daß, was ihr auf Erden lösen werdet, auch im Himmel gelöst sein wird, nicht darauf, daß es ein Ungelöstes (noch Gebundenes) auch im Himmel noch gibt; und ist die Bindung dieses Ungelösten nicht das Werk der Kirche (was ihr auf Erden binden werdet, wird auch im Himmel gebunden sein)? Hängt nicht das Binden und Lösen auf ganz andere Weise mit dem Bußsakrament zusammen: Hat dieses Sakrament das Lösen zu einem Teil des Bindens gemacht?
Dezember 1994
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19.12.1994
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18.12.1994
Ersetzt nicht die Schwerkraft für die Erdatmosphäre die Decke (die obere Wand) eines abgeschlossenen Raums? (Hat das etwas mit dem Himmelsblau zu tun?)
Die moderne Physik seit Einstein und Planck ist deshalb „unanschaulich“ gewordenen, weil sie nicht mehr auf die Bildebene sich projizieren, auf ihr sich abbilden läßt. Die kuriosen Konsequenzen, die die Physiker daraus ziehen, lassen daraus sich ableiten, daß sie von der Zwangsfixierung an die Bildebene sich nicht lösen können. Die Einbeziehung der „Tiefe“ hat die Physik nicht philosophischer gemacht, eher die Philosophie banaler: Mit der Säkularisierung der „Tiefe“ hat die Physik der Philosophie den Weg in den Tiefsinn verlegt.
Wenn die Entropie etwas mit dem Wertgesetz und mit der Funktion des Mehrwerts zu tun hat, und das Plancksche Wirkungsquantum in der Entropie gründet, wo liegt dann das ökonomische Äquivalent der Quantentheorie?
Verweist das Buch von Prigogine/Stenger auf einen sehr wichtigen Sachverhalt:
– Die Mechanik als der Quell der mathematisch-naturwissenschaftlichen Begriffsbildung ist an die Symmetrie des Zeitbegriffs (im Inertialsystem) gebunden; die Vorstellung, daß die Zeitumkehr auf identische Strukturen hinausläuft, ist ein Sinnesimplikat des Inertialsystems und zugleich die Voraussetzung des modernen Objektbegriffs (des Begriffs der trägen Masse).
– Im Materie- wie im Objektbegriff ist aber die Reflexion des Andersseins, ein kollektives Moment, gleichsam die Geschäftsgrundlage; beide konstituieren sich im Hinblick auf ihre Beziehungen zu anderen Materien bzw. zu anderen, dem Begriff unterworfenen Objekten. Beide sind Teile von Ensembles, ihr „Inneres“, ihr Wesen, ist ein Kollektivum. Das Gravitationsgesetz, die Wellenvorstellung, die Objektivationsformen des Lichts (einschließlich der Vorstellung seiner „Fortpflanzung“ im Raum), die Thermodynamik und schließlich der Begriff der „Masse“ gehören in diesen Kontext.
Wenn die Geschichte der Hexenverfolgung zu den historischen Ursprungsbedingungen der modernen Naturwissenschaften gehört, und die modernen Naturwissenschaften aus der Verletzung des Gebots, wonach Rind und Esel nicht gemeinsam pflügen sollen, sich herleiten, hat dann das Gebot über Rind und Esel nicht auch einen sexualgeschichtlichen Aspekt (wird es nicht auch durch die Privatisierung der Sexualmoral verletzt)?
Ist das Schwert das Realsymbol der Logik der Schrift? Und hat das zweischneidige Schwert etwas mit dem Hölderlinschen Satz, daß das Schwert, das die Wunde schlägt, sie auch wieder heilen wird zu tun?
Pluralbildungen:
– Gibt es nicht im Hebräischen Pluralbildungen, die zur Ursprungsgeschichte des Neutrum gehören?
– Welche Bedeutung hat das lateinische plurale tantum (gibt es etwas Vergleichbares im Griechischen)?
– Woher kommen die differenzierten Pluralbildungen in der Hausa-Sprache?
– Wie hängt die Pluralbildung mit dem Ursprung der Mathematik zusammen?
– Wie verhalten sich die Kollektivbezeichnungen und Abstrakta (die Begriffe) zur Pluralbildung? Vgl. die Suffixe -schaft, -heit, -keit, -tum.
– Sind nicht die Tiernamen Kollektivbildungen (hat die Benennung der Tiere durch Adam einen mathematischen Grund)?
– Welche Bedeutung hat die mittelalterliche Eucharistie-Verehrung, haben die mit der Transsubstantiation verbundenen logischen Probleme (der Leib des Herrn ganz und ungeteilt in den Hostien) für die Geschichte der Mathematik und Naturwissenschaften?
– Merkwürdige Konstruktion des bestimmten Artikels im Deutschen:
. das Femininum sing. ist zugleich der allgemeine Plural (gilt auch für das Personalpronomen der dritten Person: sie);
. und die Genitiv- und Dativbildungen verwenden im Femininum wie im Plural den männlichen Artikel des Nominativ sing. (der).
Vgl. Gen 127: Und Gott schuf den Menschen nach seinem Bilde, nach dem Bilde Gottes schuf er ihn, als Mann und Weib schuf er sie.
Ist die Ursprungsgeschichte des Plural nicht ein Teil der Ursprungsgeschichte der Ästhetik (der Geschichte des Mythos, der Mathematik und der Kunst)?
Kollektivbildungen, Abstrakta:
– Gesellschaft, Wissenschaft, Verwandschaft, Mannschaft („Frauenmannschaft“);
– Kindheit, Gesundheit;
– Grausamkeit, Herrlichkeit;
– Deutschtum, Reichtum.
Theologie heute ist erst wieder möglich, wenn es gelingt, die Gottesfurcht von der Furcht des Herrn zu trennen. Grund und Inhalt der Gottesfurcht ist das Bewußtsein, daß die Attribute Gottes nicht im Indikativ, sondern im Imperativ stehen („deus fortior me“).
Der imperative Charakter der Attribute Gottes sollte nicht mit der normativen Kraft des Faktischen verwechselt werden.
Angesicht, Name, Feuer:
– Das Angesicht oder Kritik des Wissens,
– der Name oder Kritik der Welt,
– das Feuer oder Kritik der Natur.
Gibt es eine Beziehung von Angesicht, Name und Feuer zu Epos, Drama und Lyrik (bildende Kunst, Literatur und Musik)?
Geschieht die Schöpfung im Namen, die Offenbarung im Angesicht und die Erlösung im Feuer?
Widerlegung der Widerlegung, Überwindung der Überwindung. Widerlegung, Verurteilung und Verdrängung („Überwindung“) bilden eine logische Konstellation (die kirchengeschichtlich in der Geschichte der drei Leugnungen abgearbeitet worden ist).
Der Dingbegriff ist gleichurspünglich mit der Erfindung des Werkzeugs und der Entdeckung des Feuers. -
17.12.1994
Hegels Unterscheidung zwischen dem Licht und den mit seiner Fortpflanzung im Raum zusammenhängenden Phänomenen scheint mit der Unterscheidung von Natur und Welt zusammenzuhängen, die sie gleichwohl falsch abbildet: Ist nicht die kantische Definition der Begriffe Natur und Welt (dynamische und mathematische Totalität der Erscheinungen) an den Begriff der Erscheinungen gebunden, damit aber durch die „dynamische Totalität“ der Erscheinungen vermittelt? Verwandelt der Naturbegriff nicht das Dynamische in ein Mathematisches (durch die Stillstellung der Zeit in der mathematischen Vorstellung des Zeitkontinuums, durchs Inertialsystem); ist dieses Mathematische nicht der Grund der Vegegenständlichung des Dynamischen? Die Projektion des Lichts unters Zeitkontinuum führt auf die Zusammenhänge seiner Fortpflanzung im Raum, während seine sinnliche Erscheinung dahinter verschwindet.
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16.12.1994
Die Tatsache, daß der Kapitalismus nur über seine erweiterte Reproduktion sich stabilisieren läßt (Geldwertstabilität und Standort Deutschland), ist eine Folge der Entropie in der Ökonomie: der Verwertung der Armut.
Gibt es eine Untersuchung über die Entstehung der Bibelübersetzung Luthers und ihre Bedeutung für die Ursprungsgeschichte der deutschen Schriftsprache? Wenn Luther für seine Bibelübersetzung die Kanzleisprache gewählt hat, ist das nicht ein Hinweis auf die Affinität seiner Theologie zu dieser Sphäre?
Kannte Hegel schon das Substantiv, oder ist das eine spätere Erfindung? Kann es sein, daß das Substantiv (Hegels Substanz als Subjekt?) gleichsam das schwarze Loch der Hegelschen Philosophie ist, das sie ganz in sich aufgesogen, ihre Strahlungskraft zerstört hat?
War die ideologische Krise der Physik in den zwanziger Jahren nicht auch ein Indiz für das Schwinden der legitimatorischen Kraft der Naturwissenschaften?
Vergleich der invisible hand mit dem newtonschen Konzept des absoluten Raumes.
Das Inertialsystem hat die Erinnerung zu einer folgenlosen Sache gemacht (es hat sie neutralisiert und die Vergangenheit zu einem Gegenstand des Zuschauens, der Kontemplation gemacht); erst so war die historische Erforschung der Vergangenheit möglich, aber nur als Herrschaftsgeschichte.
Da gingen ihnen die Augen auf, und sie erkannten, daß sie nackt waren: War das die Geburtsstunde der Astronomie?
Wenn Kant den Raum als subjektive Form der Anschauung begreift, so bezieht sich das nicht auf „den Raum“, sondern auf sein Erzeugungsgesetz. Und die Antinomien der reinen Vernunft, die sich auf die transzendentale Ästhetik beziehen, erzwingen eigentlich die Reflexion dieses Erzeugungsgesetzes. Das Gelingen dieser Reflexion ließe sich daran ermessen, ob es gelingt, daß die Naturwissenschaften sich selbst durchsichtig werden.
Ist das Christentum nicht zugleich die Finsternis über dem Abgrund und der Geist über den Wassern (und beziehen sich darauf die Ideen der descensio ad inferos und der resurrectio mortuorum)?
Wenn Prigogine den „Zeitpfeil“ (das Moment der Irreversibilität an der Zeit) an die Entropie anschließt (und den Zerfall als eine Gestalt des Werdens ansieht), wird dann nicht wiederum (wie in der Kausalitätsdebatte nach dem Ersten Weltkrieg) die Physik als Rechtfertigungsmittel der Ökonomie mißbraucht? -
15.12.1994
Wenn die Griechen ihre Heroen unter die Sterne versetzten, war das nicht das hellenistische Gegenstück zur chaldäischen Astrologie, und drückt darin nicht sehr genau der Unterschied zwischen dem griechischen und dem babylonischen Verständnis von Staat und Politik sich aus? Löst sich in diesem Zusammenhang auch das Orion-Problem?
An der Rückseite eines Autos der Spruch: „Gott sei Dank – wem sonst?“ Hat der Besitzer dieses Autos noch nie daran gedacht, denen zu danken, denen er real sein Wohlergehen verdankt? Oder glaubt er wirklich, dieser Dank sei abgegolten mit einem Lohn, für den man selbst die Arbeit nicht tun würde?
Haben Rind und Esel, Joch und Last, etwas mit der Trennung von Natur und Welt zu tun? Werden Joch und Last nicht durchs Geld vermischt (ist das „gemeinsam pflügen“ die Geldwirtschaft)? -
14.12.1994
Beschreibt nicht H.G.Kippenberg im Abschnitt über die Gnosis, insbesondere in seinen Ausführungen zum Thema Heuchelei und Verstellung (Erlösungsreligionen, S. 417 ff), aufs präziseste die Entstehungsbedingungen des Dogmas (mit der Gnosis als Urhäresie)? Das Dogma hat die Heuchelei und Verstellung gleichsam in sein Inneres, als sein Formgesetz, mit aufgenommen. Durch dieses Formgesetz (durch die Bekenntnislogik) ist das Dogma zur Ursprungsgestalt der modernen Aufklärung geworden; es vollendet sich im Inertialsystem (in der der Reflexion entzogenen Form des Raumes) und in der Urteilsform (dem Formgesetz der transzendentalen Logik). Natur wird zur geheuchelten und verstellten Fassade der Schöpfung. Im Personbegriff (der aus dem ästhetischen der Maske sich herleitet) ist diese Heuchelei fürs Selbstverständnis der Menschen konstitutiv geworden (Zusammenhang mit dem Ursprung der Privatsphäre).
S. 424: Der ungeheuerliche Hinweis auf einen Zusammenhang zwischen Gnosis und Autismus.
In einer Welt, in der es nicht mehr auf das ankommt, was einer tut, sondern nur noch darauf, ob man sich erwischen läßt, ist die Verstellungsautomatik in die Konstruktion des Lebens mit eingebaut worden. Natur gibt es, seit es den Schein der Unschuld (die absolute Leugnung der Gerechtigkeit: jeder Schein ist Schein der Unschuld) gibt; seitdem ist der Rechtfertigungszwang (der Geburtsort der Bekenntnislogik) unaufhebbar geworden. Liegt hier nicht der Grund aller Ästhetik (wie auch der Grund der Stellung des Scheins in Hegels Logik)? Das bedeutet aber auch, daß die kantische transzendentale Ästhetik in der Tat den Grund aller Ästhetik benennt.
Eine Welt, in der die Gerechtigkeit sich verstellen muß, kann nur das Werk eines Dämons (eines Demiurgen) sein. Das war das Problem der Gnosis, ein Problem, das die Orthodoxie mit der Opfertheologie und Bekenntnislogik und mit der Verurteilung der Gnosis zu lösen versucht hat. Mit der Verurteilung der Gnosis aber hat die Kirche dieses Problem nur verdrängt. Der Preis für die dogmatische Lösung war die Verinnerlichung der Verstellung (die den Taumelbecher zum Unzuchtsbecher gemacht hat).
Wie der Kreuzestod war auch das Martyrium das Urteil über die Täter (über das Herrendenken), aber nicht die Rechtfertigung des Opfers (die dieses Urteil wieder ins Herrendenken reintegriert). Jedes Opfer ist ein Urteil über die Täter, aber niemals eine Rechtfertigung des Opfers (Opferfalle).
Zu Joh 129: Das „Seht (das Lamm Gottes)“ ist eine Ergänzung des sch’ma Jisrael. Eine Ergänzung, die unmittelbar und direkt die welthistorische Differenz zwischen Judentum und Christentum benennt. Wenn das Judentum eine akustische Religion ist, ist das Christentum eine optische. Aber genau das ist der Bann, unter dem das Christentum bis heute steht. Hier liegt der Grund, weshalb Joh 129 nicht unverfälscht rezipiert werden konnte. Dieses „Seht“ hat genau in den Bann der Welt hineingeführt, auf den Joh 129 sich bezieht, wenn es diesen Bann als „Sünde der Welt“ bestimmt. Läßt sich nicht die Logik der Schrift aus der Subsumtion des Hörens unter das Sehen herleiten? (Bei Hegel vergeht dem Denken das Hören und Sehen.) Und ist nicht das „Seht das Lamm Gottes“ die Antwort auf das „Da gingen ihnen die Augen auf, und sie erkannten, daß sie nackt waren“?
Wäre nicht, was die Gedankenlosigkeit Monotheismus nennt, nach Hören und Sehen (nach Prophetie und Philosophie) zu unterscheiden? Die Schrift erfüllt sich im Anschauen, in der tatenlosen Kontemplation, das Wort im Hören und Tun.
Die verdinglichende Gewalt des Sehens steht unterm Bann der subjektiven Formen der Anschauung. Die Unterscheidung von Hören und Sehen konvergiert mit der von Ethik und Ontologie. Und Hegels Kritik des Sollens benennt die Ohnmacht der Ethik unterm Bann der Ontologie. Während die Philosophie das Hören dem Sehen unterwirft, machen die Prophetie und in ihrer Folge die Apokalyptik das Sehen zu einem Organ des Hörens. Der Satz „Seht das Lamm Gottes“ zitiert die Prophetie (seine Bedeutung wird im Kontext der Eucharistie-Verehrung verstellt).
Haben die Fische und die großen Seetiere etwas mit dem Wasser des Thales zu tun (und wurde am fünften Schöpfungstag der Staat erschaffen; vgl. auch die Fische in den Büchern Jonas und Tobias, sowie die Fischer-Apostel)? -
13.12.1994
Der projektive Erkenntnisbegriff gewinnt seine Überzeugungskraft vor allem daraus, daß er die die Schuld des andern zur Rechtfertigung seiner eigenen gebraucht. Dem Rechtfertigungszwang liegt die Selbstverteidigung (und das Selbstmitleid) zugrunde.
Erst wenn es gelingt, die Marxsche Kapitalismuskritik aus den Zwängen ihrer personalisierenden Anwendung zu befreien, wird sie selber zu einer befreienden Kraft.
Die Person ist eine Emanation des Staates; beide definieren sich (wie auch die Begriffe Natur und Welt, zu deren Kontext sie gehören) durch ihr Verhältnis zum Eigentumsbegriff. Ebenso gibt es den Wissensbegriff nur im Kontext des Staates: Wissen ist das in Eigentum verwandelte Erkenntnisprodukt; es hat sein fundamentum in re in der projektiven Gewalt der subjektiven Formen der Anschauung (vgl. die dem Begriff der Meinung zugrunde liegende Beziehung der Anschauung zum Eigentumsbegriff).
Taumelkelch: Was die Propheten Trunkenheit nennen, wird durch Empörung erzeugt. Die subjektiven Formen der Anschauung sind Mechanismen der automatisierten Empörung (der Urteilslogik). Die Urteilslust (die Selbstentlastung durch das Urteil über andere) ist Ausdruck dessen, was die Apokalypse Unzucht nennt (Zusammenhang mit der „Mordlust“).
Wenn Lukas im Zusammenhang mit der Kindheitsgeschichte Jesu auf Augustus und Matthäus auf Herodes sich bezieht, worauf beziehen sich Markus und Johannes? Kann es sein, daß Markus sich auf die polis bezieht, Johannes auf die Welt („Sünde der Welt“)?
Hängt die Grenze, die die Geschichte von der Gegenwart (die Zivilisation von der Vorgeschichte, das Präteritum vom Präsens) trennt, mit der Grenze des Himmels zusammen; und erscheint diese Grenze (die Grenze zum Mythos) im Symbol des Wassers (Thales), das in Wahrheit Feuer ist? War es dieses Feuer, das Jesus meinte, als er sagte, er sei gekommen Feuer vom Himmel zu bringen, und er wollte, es brennte schon?
Das Symbol des Rades ist das Äquivalent der Fläche (so wie die atomare Struktur der Materie eine Konsequenz aus dem Feldbegriff der Maxwellschen Gleichungen ist).
Ist nicht der Satz „Gott ist ewig“ (der Ausschluß der Vergangenheit von der Idee Gottes) eine notwendige Folge aus dem Cohenschen Satz, daß die Attribute Gottes Attribute des Handelns, nicht des Seins sind?
Wie hängt das Inertialsystem mit dem System der Deklinationen und der Konjugation (oder Raum und Zeit mit Objekt und Begriff) zusammen?
Bezieht sich der Satz „Mein Joch ist sanft, meine Bürde leicht“ auf das Wort vom Rind und Esel? -
12.12.1994
Gemeinheit ist kein strafrechtlicher Tatbestand: Im Recht gibt es Unrechts-Tatbestände, die mit dem Mitteln des Rechts nicht zu beheben sind, vergleichbare Probleme gibt es in der Ökonomie (im Bereich des Geldes) und in der Wissenschaft (im Bereich des Wissens).
Daß das Rechtsstaatsprinzip die Anwendung politischer Prinzipien nicht ausschließt, läßt sich an der unterschiedlichen Behandlung der Nazi-Richter gegenüber den SED-Richtern erkennen. Das, was die Nazi-Richter getan haben, war sicher im Effekt schlimmer als das, was man das Unrecht des SED-Staates nennen muß. Nur: Die Nazi-Justiz war (dank eines eingebauten Rechtfertigungssystems) schlau genug, sich an die formalen Grundsätze des Rechts zu halten, die ihre Taten rechtlich „unbeweisbar“ gemacht haben.
Zum Begriff des Tieres: Sein logischer Kern ist das Prinzip der Selbsterhaltung (dem das „Leben“ aller gesellschaftlichen Institutionen, auch der kirchlichen, sich verdankt); das gegenständliche Korrelat der Selbsterhaltung bezeichnet der Natur- und der Weltbegriff (Tiere haben eine Welt).
Beitrag zur Grammatik: Der Tod Jesu war kein Mord, und das Todesurteil gegen ihn war nicht das Produkt einer Rechtsbeugung. Dafür hat der Tod Jesu Politik und Recht, und mit ihnen den Staat insgesamt, in den Akkusativ versetzt. Und das (mitsamt seinen durchsichtigen weltgeschichtlichen Folgen) war der Kelch, von dem Jesus wünschte, er möge an ihm vorübergehen. Hier liegt die Wurzel der Selbstbegründung der subjektiven Formen der Anschauung (des Inertialsystems).
Dieser Akkusativ ist hat den Kreuzestod Tod Jesu selbst verhext: Mit der Vergegenständlichung des Staates (die ein sprach- und vernunftgeschichtlicher Vorgang war) ist der Grund für die Objektivation des Kreuzestodes gelegt worden (für die Opfertheologie, die Vergöttlichung Jesu und die Trinitätslehre, für das Dogma und die Bekenntnislogik, letztendlich für die Konstruktion der Kirche). Hat dieser Akkusativ etwas mit dem Namen des Petrus zu tun, mit dem Felsen, auf den ER seine Kirche bauen wollte?
Das Dogma, die hierarchische Struktur der Kirche und die Konstruktion der sakramentalen „Heils“-Vermittlung waren Instrumente zur Rettung des Grundes und der grammatischen Konstruktion der flektierenden Sprache (zwangshafte Spiegelung und Wiederholung des Turmbaus zu Babel).
Ist die Person nicht wirklich Eigentum des Staates und der Personbegriff in sich selber politisch (herrschaftsgeschichtlich) vermittelt? Der Instinkt der Rechten heute steht unter dem Gesetz dieser Zwangslogik: Ausländer sind Unpersonen, haben kein Existenzrecht.
Ist nicht jede Berufung auf die „Tatsachen“ hoffnungslos (und ist das nicht ein gelegentlich erwünschter Effekt: den andern die Hoffnungen auszutreiben)? Genauer: sie ist kleingäubig, hoffnungslos und unbarmherzig.
Der Satz über Rind und Esel bei Jesaias ist ein Hinweis auf den Mechanismus, dem es sich verdankt, daß der Komfort-Zug, in dem wir sitzen, den Abgrund, auf den er zurast, selbst erzeugt.
Der Marxsche Satz, es käme darauf an, die Hegelssche Philosophie vom Kopf auf die Füße zu stellen, hat etwas mit dem Begriff der Umkehr zu tun.
Unvorstellbar, heute noch Mitglied einer politischen Partei zu werden. Wenn überhaupt, dürfte es in keinem Falle um die „Identifikation“ mit einer Partei (mit ihren Zielen) gehen, sondern um die Frage, ob die Mitgliedschaft die Möglichkeit eines ändernden Eingriffs bietet. Diese Möglichkeit wäre in einer rechten Partei grundsätzlich ausgeschlossen, in der SPD (aber auch in einer anderen „linken“ Partei) aufgrund ihrer Organisationsstruktur und ihres Selbstverständnisses fast unmöglich, in der FDP durch ihren – wie es scheint – irreversiblen Trend zum Neoliberalismus real unmöglich. Die Grünen sind durch ihren ökologischen Konkretismus zu harmlos, im Kern unpolitisch. Bleibt etwa nur die irrsinnige Möglichkeit in einer CDU, die durch ihre eigene Umkehr zum Ferment einer Änderung der Gesellschaft werden könnte? Ist es nicht vielleicht die logische Konsequenz aus der vertrackten Situation, in der die SPD von innen, die CDU hingegen von außen nicht mehr zu erreichen ist?
Lassen sich beiden theologischen Konstrukte, daß
– Gott die Welt erschaffen und
– Jesus durch sein Leiden und seinen Tod die Welt entsühnt hat,
noch durch eine andere Logik als als die der Selbstbegründung und Selbstrechtfertigung der Bekenntnislogik (als Stützen eines Verdrängungssystems) zusammendenken? Die theologische Rezeption des Weltbegriffs hat außer dem des Opfers der Vernunft und der Selbstverfluchung keinen Ausweg mehr gelassen. -
11.12.1994
Die Stabilitätszustände der Atome sind Reflexe der Stabilität des Inertialsystems.
Der Mehrwert ist das gesellschaftliche Äquivalent der Entropie. Er verbindet die Idee des Fortschritts mit der der Katastrophe. (Wie hängt die Entropie mit dem Gravitationsgesetz zusammen?)
Rind und Esel (Joch und Last): Hat das etwas mit Ökonomie und Physik zu tun?
Sind es nicht letztendlich sprachlich-grammatische Gründe, Gründe die aus der Struktur der indoeuropäischen Sprachen sich müssen ablesen lassen, die die Plausibilität, die Selbstreferenz und Selbstlegitimation des Inertialsystems begründen? Haben die indoeuropäischen Sprachen sich schon in ihrem Ursprung, gleichsam in vorauseilendem Gehorsam, dem Inertialsystem angepaßt, liegt hier das Formgesetz ihrer Entstehungsgeschichte?
Zum Turmbau zu Babel: Sem, Ham und Japhet waren vor dem Turmbau von Babel; kann es sein, daß die Verwirrung der Sprache sich einzig auf den Ursprung der indoeuropäischen Sprachen (der Sprache der Verwirrung) bezieht?
Wie es scheint, ist die Trinitätslehre (als Gestalt der dritten Leugnung) zur letzten (nach außen nicht mehr vermittelbaren) Gestalt der Selbstlegitimation der kirchlichen Hierarchie geworden, und zwar in allen christlichen Konfessionen.
Die Schrift der Israeliten war „hebräisch“, die der Hellenen „griechisch“, die der Römer „lateinisch“, während die der Deutschen deutsch ist, die der Italiener italienisch, die der Engländer englisch, die der Russen russisch. Erst in den modernen Sprachen hat die Logik der Schrift bis in die Namen der Völker hinein sich durchgesetzt. Sind die modernen Sprachen in einer Verfassung, die von der, die ihr durch die Logik der Schrift vogegeben ist, nicht mehr sich unterscheiden läßt, die nur noch der Reflexion dieser ihrer Beziehung zur Logik der Schrift bedarf, um ihre Beziehung zur Wahrheit (zur Erfüllung des Worts) freizugeben? -
10.12.1994
Wenn die Philosophie das Produkt der Verinnerlichung des Schicksals ist, dann ist das Christentum das Produkt seine Personalisierung. Die Opfertheologie war die gleichsam natürliche Folge dieses Konstrukts; sie reflektiert die dämonischen Züge dieser Gottesidee: Die Versöhnung durch Unterwerfung (die „Islamisierung“ des Christentums) hebt die Idee der Versöhnung auf.
Heldenfriedhof: Die Märtyrer-Verehrung (mit dem zugehörigen Reliqienkult) war das früheste Symptom der Remythisiserung des Christentums. Sie setzt das Verständnis des Leidens Jesu als Sühneleiden (an dem das Leiden der Märtyrer, deren ermordete Körper unter den Altären lagen, Anteil haben sollte) voraus. Eines der frühesten Zeugnisse des Reliqienkults war das durch Helena, die Mutter Konstantins wiedergefundene Kreuz Jesu. Durch den Begriff des Märtyrers wurde das Leiden zu einem „Zeugnis der Wahrheit“, zu einem Teil der Beweislogik, die den christlichen Glauben zu begründen fähig sein sollte. Die Logik dieses Konstrukts ist die der Opfertheologie, deren politischer Mißbrauch seitdem ebenso so entsetzliche wie unermessliche Folgen hatte. Wenn der Tod Jesu etwas „beweist“, dann die Tatsache, daß ungerechtes Leiden sich in dieser Welt nicht ausschließen läßt, daß vom Leiden eines Opfers nicht auf die Schuld des Leidenden zurückgeschlossen werden darf. Er beweist auf keinen Fall die Gerechtigkeit der Sache, für die er einstand. Das Heldentod-Syndrom, das aus der Logik der Opfertheologie sich herleitet, spekuliert eigentlich nur auf die angebliche „Unerträglichkeit“ des Gedankens, daß der Tod der Opfer der Kriege nicht mehr durch den Hinweis auf eine „gute Sache“ sich begründen und rechtfertigen läßt; es spekuliert auf das Fortleben der Logik der Blutrache. Mit der „Kriegsgräberfürsorge“ (die in dem Augenblick begann, als sie eigentlich nicht mehr zu begründen war: nach dem Ende des Ersten Weltkriegs) wird eigentlich nur der Nationalismus gepflegt, der durch die gleichen Kriege widerlegt worden ist, deren Opfer dann für die irrsinnige Rechtfertigung des Nationalismus herhalten müssen. Die Folgen werden uns mit den Bürgerkriegen, über die die Medien aus Gründen, die nichts mehr mit der Sache, aber sehr viel mit politischen Interessen und politischer Opportunität zu tun haben, täglich berichten, in diesen Berichten immer wieder vor Augen geführt. Die Opfer im Sudan interessieren (wie die Opfer der Fremdenfeindschaft in diesem Lande) niemanden, die des Bürgerkrieges im ehemaligen Jugoslawien hingegen sollen offensichtlich wieder die „Wahrheit“ des gleichen Irrsinns beweisen, dessen Opfer sie in Wirklichkeit sind.
War nicht das Märtyrer-Konstrukt die historische und sachliche Voraussetzung der geschlechtsspezifischen Aufteilung der Heiligen in Bekenner und Jungfrauen?
Der Historismus ein Produkt der Opfertheologie: Er hat die Instrumentalisierung des Todes universal gemacht, er erzeugt und reprodziert die organisierte Erinnerungslosigkeit (führt der Vergleich der jüdischen mit der griechischen Geschichtsschreibung nicht auf die gleiche Differenz, die die Prophetie von der Philosophie unterscheidet?). -
9.12.1994
Gehört das Neutrum in die Vorgeschichte des Geldes oder das Geld in die Vorgeschichte des Neutrums? Das Neutrum ist der sprachliche Ausdruck der Vergesellschaftung, deren Ursprung in die Geschichte des Ursprungs der Schrift und des Geldes fällt. Die hebräische Schrift heißt die hebräische, weil sie der Logik der Schrift (die die Sprachen der Völker beherrscht, die ohne Idolatrie nicht zu halten sind) die Gottesfurcht entgegensetzt. Zentrale Symbole der Bibel, wie
– die Schlange (das Neutrum: die Beziehung des Weltbegriffs zum Staat),
– der Kelch (die subjektiven Formen der Anschauung: die Zerstörung der benennenden Kraft der Sprache durch die Urteilsform, durch Objektivation und Instrumentalisierung), und
– die Dornen und Disteln (die mit dem Neutrum logisch verknüpften Formen der Konjugation und Deklination: das Gesetz der Profangeschichte, der durch Gewalt und durch Herrschaft von Menschen über Menschen definierten Geschichte – vgl. hierzu das Gleichnis Jesu von dem Weizen, der unter die Dornen fiel),
sind sprach- und herrschaftskritische Symbole zugleich.
Die Begriffe Wissen, Natur und Welt (die drei kantischen Totalitätsbegriffe) sind die Schlüssel zu der Isolationszelle, in der die transzendentale Logik das Subjekt gefangen hält (gegen die Erkenntnis der Dinge, wie sie an sich sind [nicht der „Dinge an sich“, die es nicht gibt], abschirmt oder absperrt). -
7.12.1994
Das Geld (der Marktautomatismus) läßt die Armen schuldig werden (die Begründung findet sich dann schon). Das war der Grund, weshalb seit den Kirchenvätern die concuspicentia als Träger der Erbschuld begriffen wurde: Opfertheologie und Vergöttlichung Jesu, Folgen der Instrumentalisierung des Kreuzestodes, gehorchten gleichsam in vorauseilendem Gehorsam immer schon der Logik des Kapitals; so haben sie ihr vorgearbeitet. Eine wichtige Rolle in diesem Prozeß spielte die neudefinierte Funktion der Sexualmoral, der die Kirche verfallen ist, weil sie den Mechanismus nicht durchschauen konnte. (Vgl. hierzu Hinkelammert, Kritik, S. 269ff, insbesondere auch die Anm. S. 271, sowie den transzendentallogischen Zusammenhang des Marktautomatismus mit dem Inertialsystem.)
Der „persönliche Gott“ ist der magische Helfer der Einsamen, der Gott der Sexualmoral.
Läßt sich die Beziehung von Barbaren und Hebräern aus der unterschiedlichen Stellung zur Schuldknechtschaft, und d.h. zur Logik des Kapitals, herleiten?
Der Erkenntnisbegriff reicht weiter als der des Wissens. Es war der Grundfehler des deutschen Idealismus, daß er beide in eins gesetzt hat. (Hängt nicht auch das mit dem Wort vom Rind und Esel zusammen: das Rind ist ein Opfertier, während die Erstgeburt des Esels durch ein Lamm ausgelöst wird?)
Die prophetische, die messianische und die parakletische Erkenntnis sind drei Stufen der Erkenntnis, die auf die Trinitätslehre zurückweisen (auf die Gründe des Antijudaismus, der Ketzerverfolgung und der Frauenfeindschaft). Hat die dritte Leugnung etwas mit der Sünde wider den Heiligen Geist zu tun, die Selbstverfluchung Petri mit der Leugnung der parakletischen Form der Erkenntnis?
Das Urteil ist das Instrument der Veranderung oder der Verweltlichung des Denkens.
Joch und Last: Wird mit dem Jesaia-Wort nicht die Sünde der Opfertheologie bezeichnet, die das Auf-sich-Nehmen der Last, der Sünde der Welt, zum Joch (zur Last für andere) gemacht, es zur Rechtfertigung der Unterdrückung benutzt hat? Die Last nehme ich auf mich, das Joch lege ich anderen auf. Und das ist die Verführung des Inertialsystems wie auch des Tauschprinzips (insgesamt des Schuldverschubsystems), daß sie Last und Joch identifiziert. Adornos Kritik des Identitätsprinzips zielt genau auf diesen Sachverhalt. Der Satz über Rind und Esel enthält die Kritik des Weltbegriffs, der die Identifizierung von Joch und Last zur Grundlage hat. Vgl. hierzu Rosenzweigs Satz: Nur wer die Last auf sich nimmt, befreit sich von ihr, oder auch das Jesus-Wort: Mein Joch ist sanft und meine Bürde leicht (Mt 1130).
Die Philosophie, und nach ihrer Hellenisierung auch die Theologie, hat seit je das Herrendenken frei- und seine Opfer schuldiggesprochen.
Erwarten sich die Menschen heute nicht von der Religion und von der sie beherrschenden Gottesvorstellung einen Schutz gegen Gott? Die Idee des Absoluten ist nicht nur ein grandioses philosophisches Konstrukt, sondern das Produkt der Instrumentalisierung Gottes, das die Religion heute beherrscht. Mit der Instrumentalisierung Gottes wird das Aggressionspotential, das in uns steckt: die unaufgearbeitete Schuld, auf die Außenwelt abgeleitet; vergessen wird, daß die Sündenvergebung ans Sündenvergeben gebunden ist.
Drückt sich beim Hinkelammert (in den Partien, in denen er über Popper nur schimpft) nicht noch ein Stück Hilflosigkeit aus?
Dieser ungeheuerliche Mechanismus: Wir haben die Armut in die Dritte exportiert, und nutzen sie nun als Hebel, um sie über den Lohndruck, den sie heute erzeugt, wieder zu reimportieren.
Massen sind nur durch ihr „Gewicht“ in einem Gravitationsfeld (auf einer Waage) meßbar. Ist diese Logik auf den Ursprung des Gravitationsfeldes (beim fallenden Apfel auf die Erde, beim Planetensystem auf die Sonne) überhaupt anwendbar, übertragbar? Können die Sonne, die Erde, der Mond oder die Planeten gewogen werden?
Merkwürdige Vermischung von Empirie und Logik: „Den entscheidenden Erkenntnisfortschritt über den Anfang unseres Universums hat 1929 der amerikanische Astronom Edwin Powell Hubble bewirkt. Er stellte bei seinen Beobachtungen im Weltall fest, daß je weiter die Galaxien von uns entfernt sind, sie umso schneller von uns wegfliegen.“ (Amand Fäßler, Direktor des Instituts für theoretische Physik und Dekan der Fakultät für Physik der Universität Tübingen, in Publik Forum vom 02.12.94, S. 50). Hubble hat die Rotverschiebung der Spektrallinien der Sterne in Abhängigkeit von ihrer Entfernung entdeckt. Die Vorstellung der Expansion des Weltalls beruht auf einer Interpration dieses Sachverhalts auf der Basis des Doppler-Effekts. (Auf S. 52 fordert Fäßler: „Wir müssen gegenüber allen Ideologie sehr skeptisch sein …“)
Was das kopernikanische System so nützlich gemacht hat, war, daß man sich dieses Planetensystem so schön vorstellen konnte, daß man es auf eine Bildebene projizieren (es der Logik der Schrift unterwerfen) konnte. Die Vermittlung dieses Bildes durch die Logik der Schrift blieb unreflektiert. So wurde die Unterscheidung zwischen dem Im Angesicht und dem Hinter dem Rücken gegenstandslos: Es gab nur noch ein Hinter dem Rücken. Dieser Schritt hat die „Wirklichkeit“ zur Erscheinung gemacht. Nicht zufällig hat Kant sein Konstrukt der transzendentalen Ästhetik, der subjektiven Formen der Anschauung, aus denen die transzendentale Logik abgeleitet ist, als eine Konsequenz aus der „kopernikanischen Wende“ verstanden.
War nicht die machsche Kritik der Atomistik ein Versuch der Rekonstruktion des Objekts aus Empfindung und Logik, der sehr kantisch ist, zugleich ein Reflex der Probleme der damaligen Äthertheorien? Die Auflösung dieses Problems (u.a. durch die spezielle Relativitätstheorie Einsteins, durchs Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit) war einer der Gründe des Ursrpungs des Neopositivismus, des logischen Empirismus, für den die Rekonstruktion des Objekts aus dem Chaos der Empfindungen nicht gelöst, nur obsolet geworden ist. Die veränderte Logik der neuen Naturwissenschaften (die mit der veränderten Logik der Ökonomie aufs merkwürdigste konvergierte) drückte dann in veränderten Positionen sich aus (Problem der Kausalität, der Anschauung, des „Beobachters“). Das ist das Problem der Beziehung der Naturwissenschaften zum „kulturellen Milieu“. Aus dem Konstitutionsproblem wurde ein innerlogisches Problem, dessen Gegenstandsbedeutung ungeklärt geblieben ist (vgl. Poppers „Falsifikations“-Theorem).
Wer an der Atomvorstellung festhält und weiterhin nach den letzten Bestandteilen der Materie sucht, wird sich damit abfinden müssen, daß er auf immer neue Zwiebelschalen stößt.
Wer die Postmoderne für ein weltanschauliches Problem, gleichsam für ein Bekenntnisproblem, hält, verharmlost das Problem; die Postmoderne spiegelt in Wahrheit die innerlogischen Probleme des derzeitigen Standes der Aufklärung wider.
Sind die flektierenden Sprachen nicht Fortbildungen der agglutinierenden Sprachen, die Affixbildungen Weiterbildungen der Determinanten, die selber schon als erste Spuren der Logik der Schrift in der Sprache zu begreifen sind? Spiegelt die Trennung der Sprachen nicht verschiedene Phasen der Verschriftlichung der Sprache wider, und war vielleicht das Bilderverbot gegen den „Fortschritt“ der indogermanischen Sprachlogik gerichtet?
Kann es sein, daß das Tier aus dem Meer und das Tier vom Lande sich auf die Geschichte der christlichen-jüdischen Beziehung seit dem Urschisma bezieht?
Der Begriff des „vollkommenen Wissens“ wäre anwendbar nur auf eine tote Welt, auf eine endgültig abgeschlossene Vergangenheit. Die Allwissenheit als Attribut Gottes unterscheidet sich von der Erkenntnis, die Gott allein zugesprochen werden kann, durch eine qualitative Differenz: durch die Abwesenheit der Barmherzigkeit. Wissen ist gnadenlos, ihrem eigenen Objekt, auf das es sich von nur außen bezieht, fremd; die göttliche Erkenntnis wäre das Gegenteil davon: das Angesicht Gottes als eine Erkenntnis, in der seine Objekte sich selbst ohne Angst wiedererkennen.
Das Wissen ist (wie die Begriffe Natur und Welt) ein Produkt der Logik der Schrift; auf ein „All“, das vorauszusetzen wäre, wenn es so etwas wie ein vollkommenes Wissen geben sollte, läßt es ohne Selbstwiderspruch nicht sich beziehen (die Entfaltung dieses Selbstwiderspruchs ist die Hegelsche Logik, in der die Stelle des „vollkomenen Wissens“ von der Idee des Absoluten, der Spiegelung des Subjekts im Unendlichen, besetzt wird).
Die Geschichte ist ebensowendig das Weltgericht, wie Gott der Herr der Geschichte ist. Nach Hegel bezeichnet der Begriff der Geschichte sowohl die vergangenen Begebenheiten als auch ihre Darstellung, die erinnernde Vergegenwärtigung des Vergangenen; verweist das nicht auf einen logischen und sachlichen Zusammenhang beider? Wird nicht das Vergangene erst durch seine Erinnerung zum Vergangenen? Vollzieht die historische Erinnerung und Vergegenwärtigung des Vergangenen (seine Vergegenständlichung im Kontext der Fundierung der Institution des Privateigentums und der Begründung des Begriffs) erst die Taufe der Vergangenheit am Vergangenen? In welcher Beziehung steht dieser Begriff der Geschichte zum Weltbegriff (zum Wertgesetz und zum Inertialsystem)? Gibt es einen Weltbegriff ohne die Abtrennung (und Vergegenständlichung) der Vergangenheit als Geschichte? Gehört diese Abtrennung nicht als ein konstitutives Moment zum Begriff der Geschichte und zur Konstituierung ihres Objekts, der Gegenwart, die nur so zu einem Teil der Geschichte wird (zur Konstituierung sowohl der Geschichte als auch der Welt, die erst durch ihre Beziehung zur eigenen Geschichte als Welt sich konstituiert)? Aber bedeutet das nicht auch, daß sowohl der Bann der Natur als auch der der Geschichte beide in einen Schuldzusammenhang rückt, der ihre Beziehung zur Wahrheit verhext? (Epos, Gegenständlichkeit, Logik der Schrift: nicht nur die Naturwissenschaft, auch die Geschichte ist ein Verdrängungsinstrument; vgl. die Funktion kontrafaktischer Urteile in der Geschichte; Prophetie und Apokalyptik; Fälschungen in der Geschichte).
Durch ihre historische Vergegenständlichung ist die Geschichte zu einer Kolonie der Gegenwart geworden. Die Gegenständlichkeit der Geschichte ist eine ästhetische, keine reale: Grund des Objektbegriffs und des Begriffs des Wissens, der ohne das Moment des Scheins nicht zu begründen ist.
Ohne den Weltbegriff kein „persönlicher Gott“; beide stützen sich gegenseitig. Atheistisch ist erst die zur kritischen Masse zusammenschießende verweltliche Welt (der Faschismus, der zum Staatskapitalismus gewordene „real existierende Sozialismus“).
Ist das Präsens Produkt der erinnernden Vergegenwärtigung des Vergangenen, die versperrte Gegenwart (durch die zeitlichen Formen des Konjugationssystems – durch Präteritum, Plusquamperfekt, Futur II – vermittelt wie der Nominativ durch die Kasus, durch Akkusativ, Genitiv und Dativ)?
Zur Ableitung und Kritik des Gehorsams: Die Attribute Gottes stehen im Imperativ. Ihre Erkenntnis ist prophetische Erkenntnis, die nicht den Gehorsam begründet, sondern das autonome Tun als Erfüllung des Worts. Der Gehorsam verwandelt den Imperativ in einen Indikativ, das Gebot ins Gesetz: er steht unter dem Bann der Logik der Schrift (Folge der Objektivierung des Attribute Gottes).Adorno, Antijudaismus, Ästhetik, Einstein, Faschismus, Fäßler, Geld, Hegel, Hinkelammert, Hubble, Inquisition, Kant, Kapitalismus, Kausalität, kontrafaktische Urteile, Kopernikus, Mach, Naturwissenschaft, Ökonomie, Philosophie, Popper, Postmoderne, Rosenzweig, Sexismus, Sexualmoral, Sprache, Theologie
Adorno Aktueller Bezug Antijudaismus Antisemitismus Astrologie Auschwitz Banken Bekenntnislogik Benjamin Blut Buber Christentum Drewermann Einstein Empörung Faschismus Feindbildlogik Fernsehen Freud Geld Gemeinheit Gesellschaft Habermas Hegel Heidegger Heinsohn Hitler Hogefeld Horkheimer Inquisition Islam Justiz Kabbala Kant Kapitalismus Kohl Kopernikus Lachen Levinas Marx Mathematik Naturwissenschaft Newton Paranoia Patriarchat Philosophie Planck Rassismus Rosenzweig Selbstmitleid Sexismus Sexualmoral Sprache Theologie Tiere Verwaltung Wasser Wittgenstein Ästhetik Ökonomie