Schaffen nicht die Law- and Order-Leute die Voraussetzungen dafür, daß alle Widerstände gegen den Ausbruch jugoslawischer Verhältnisse abgebaut werden?
Welche logischen Widerstände mußten abgebaut werden, um das heliozentrische System zu installieren?
Das Christentum ist bis heute eine Bekehrungsreligion (die Voraussetzungen dafür hat Paulus geschaffen), aber keine Religion der Umkehr.
Die Mathematik (und der Begriff des Wissens), Bekenntnislogik (und Naturbegriff), der Staat (und Weltbegriff): In welcher Beziehung stehen diese drei Dinge zu einander? Ist nicht die Gewaltenteilung (Legislative, Exekutive und Judikative) ein Bild der Form des Raumes, seiner Dreidimensionalität, Grund der Unterscheidung von Gesetz, Begriff und Erscheinung in den mathematischen Naturwissenschaften?
Der Staat hat den Nominalismus begründet, indem er die Stummheit des Helden (Prototyp des platonischen und gnostischen Demiurgen) in die Objektivität hineingetrieben hat.
Der theologische Ursprung des Rassismus liegt in der Vater-Sohn-Beziehung und in dem „gezeugt, nicht geschaffen“.
Modell des Relativitätsprinzips war die Äquivalenz und Reversibilität von Geldbewegung und Warenbewegung, begründet im Kreislauf des Geldes nach Subsumtion der Arbeit unters Tauschprinzip (zusammen mit der Eröffnung des unendlichen Raumes und der Konstituierung der Gravitationszentren im Banken- und Kreditwesen). Erst mit der Möglichkeit der wechselseitigen Substitution (der wechselseitigen Vertretung) und der Reversibilität beider konstituiert sich das Tauschprinzip und das Trägheitsgesetz zugleich.
Ist nicht die Abtreibungsdebatte ein nachgerade apokalyptisches Beispiel des Schuldverschubsystems?
Bekenntnislogik: An ihren Feinden kannst du sie erkennen (jedes Bekenntnis hat eine Leiche im Keller).
Exkulpationslogik: Sich über jemanden empören, mit dem man um keinen Preis identifiziert werden möchte (weil man in ihm nicht erkannt werden möchte).
Apologetik, sakramentale Gnadenverwaltung und Konfessionalismus: die Erbsünden der Theologie. Gegen die Apologetik steht das verteidigende Denken, gegen die sakramentale Gnadenverwaltung das Wort: „Barmherzigkeit, nicht Opfer“, und gegen den Konfessionalismus die Kritik der Bekenntnislogik und das Bekenntnis des Namens.
Die verhängnisvolle Rolle insbesondere der schelerschen Wertphilosophie lag darin, daß sie die Selbstreflexion der Objektivität abgeschnitten und durch die Mechanismen der Empörung ersetzt hat. Die Empörung liefert der Unmoral den Komfort des moralischen Bewußtseins, auf den keiner mehr verzichten möchte. Hier liegt die Wurzel eines jeden Fundamentalismus.
Wodurch unterscheidet sich die Entomologie Ernst Jüngers von den Insektenforschungen Reinhold Schneiders (Winter in Wien)?
Zwei Hinweise auf den Zusammenhang von Sprache und Theologie:
– Ist nicht die Schlange in der Geschichte vom Sündenfall ein Symbol für die sprachlogische und sprachhistorische Funktion des Neutrum (im Ursprung der indoeuropäischen Sprachen); und
– hat nicht der Satz Wittgensteins: „Die Welt ist alles, was der Fall ist“ etwas mit dem Sündenfall zu tun?
Heute fühlen sich alle ungeliebt, weil keiner zu lieben mehr fähig ist: Dieser Satz trifft die Rechtfertigungszwänge, denen alle nach Auschwitz unterliegen, im Kern.
März 1995
-
31.3.1995
-
30.3.1995
Gibt es im hebräischen schon Hilfsverben (z.B. sein, haben)? Im Lateinischen: esse, habere; im Griechischen: einai, -?-.
Haben und Sein: Das Haben bezeichnet die Herrschaft über Vergangenes, das Sein die Herrschaft der Vergangenheit über ein Objekt. Und gegen Erich Fromm gilt auch der Satz: Haste was, dann biste was. Haben kann man nur das, was ist: Das Sein konstituiert sich im Horizont des Habens, es legt sich dem Haben zugrunde, es ist das Gehabt-werden-Können. Verhalten sich nicht Haben und Sein wie Tauschwert und Gebrauchswert?
Wird nicht in der Johannes-Offenbarung zwischen gotteslästerlichen Namen und gotteslästerlichen Reden unterschieden?
Ist nicht die Emanationslehre, zu deren letzten Ausläufern die kirchliche Gnadenlehre, wie sie seit dem späten Mittelalter bis in den Barock hinein ausgebildet worden ist, gehört, durch die Versorgungsleitungen wie Wasserleitung, Strom-, Telefonanschluß, Rundfunk und Fernsehen sowie durch die Informationstechniken insgesamt neutralisiert und widerlegt worden (und sind nicht die Medien, vor allem das Fernsehen, Säkularisationsformen der Eucharistie)?
Hängt nicht Botschaft (Evangelium) mit Gebot zusammen? Auch das NT steht demnach im Imperativ, nicht im Indikativ, ist also auf keinen Fall nur eine „gute Nachricht“ . -
29.3.1995
Die Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit begründet den Weltbegriff und installiert im Subjekt den Mord-, Rache- und Rechtfertigungstrieb. Die Opfertheologie hat diesen Trieb bewußtseinsfähig gemacht, ihn aber mit dem Konzept der „Entsühnung der Welt“ zugleich gerechtfertigt und stabilisiert.
Die Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit ist das Gegenteil der Erinnerung, der innere Kern des Verdrängungsapparats, der über den historischen Objektivationsprozeß auch die Vergangenheit noch in seinen Dienst nimmt. Die Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit treibt die Zukunft aus der Vergangenheit aus, macht sie erst wirklich zur toten Vergangenheit: Das ist die conditio sine qua non ihrer Vergegenständlichung. Das aber bedeutet, daß Erinnerungsarbeit nicht auf die Geschichte sich beschränken läßt: Sie schließt auch die Natur mit ein. (Ulrich Sonnemann: Zukunft ist von außen wiederkehrende Erinnerung; daher hat die Gedächtnislosigkeit keine.)
Enthält das Griechische in den im Lateinischen bereits verdrängten Konjugationsformen (insbesondere in Aorist und Medium) Erinnerungsspuren seines Ursprungs?
Wenn die drei Dimensionen des Raumes drei verschiedene Formen seiner Beziehung zur Zeit repräsentieren, steckt dann nicht in der Linearisierung der Zeit ein Konstruktionsfehler?
War nicht das Newtonsche Konzept des absoluten Raumes Reflex und Grundlage historischen (herrschaftsgeschichtlichen) Absolutismus, aus dessen Bann wir bis heute nicht herausgetreten sind?
Der Fundamentalismus verwechselt die zweite Natur mit der ersten.
Enthält nicht die Figur des Henoch in den pseudepigraphischen Schriften des Alten Testamentes Hinweise zur Lösung der Beziehung von Astronomie, Zeitmessung und Schrift?
Die Orthogonalität macht das Ungleichnamige gleichnamig. Ist nicht die christliche Theologie (als Theologie hinter dem Rücken Gottes) das Opfer dieses bis heute unbegriffenen Mechanismus?
Sind nicht Pflanzen und Tiere verschiedene Formen der Verkörperung der Beziehung des Lebendigen zur Zeit?
Wenn Recht im Namen des Volkes gesprochen wird, ist dann nicht das Volk das Kollektivsubjekt, das zur Entlastung der Richter in Haftung genommen und eben dadurch zur Schicksalsgemeinschaft zusammengeschweißt wird? Dieser Begriff des Volkes drückt genau das aus, was dann vergeblich versucht wurde, im Namen der Heiden vom Begriff des Volkes, aus dem er sich herleitet, zu trennen. So wurde der Name der Heiden neutralisiert und dem griechischen Namen der Barbaren angeglichen. Das Wort, das in unseren Bibeln mit Heiden übersetzt wird, heißt im Original Völker.
Wenn die Sekten die Apokalypse als Angstgenerator benutzen, beuten sie dann nicht einen Mechanismus aus, den die Kirchen zuvor installiert haben? Und dagegen hilft nicht das Tabu auf der Apokalypse, sondern dagegen hilft einzig die Selbstaufklärung der Apokalypse. Und die ist möglich.
Johann Baptist Metz auf die innere Differenzierung des Begriffs des Universalen hinweisen:
– Gericht und Barmherzigkeit, Vergangenheit und Zukunft, Ich und Du (Asymmetrie),
– Rind und Esel (Joch und Last),
– Adornos „erstes Gebot der Sexualmoral“,
– Levinas: Die Attribute Gottes stehen nicht im Indikativ, sondern im Imperativ,
– Ontologie als vergeblicher Versuch, die Ethik als prima philosophia zu leugnen.
-
28.3.1995
Die prima philosophia ist die Ethik: Die Ontologie ist die Ethik der steinernen Herzen.
Incubus und succubus, idealistisches Hexeneinmaleins: Die Hereinnahme des Objekts in den Begriff, Grund der transzendentalen Logik Kants, ist die Kehrseite der begrifflichen Durchdringung der Objektivität: der Ausblendung des Fremden.
Das Vorlaufen in den Tod (der „existentielle“ Ausdruck für die Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit) macht die Vergangenheit gegenständlich, macht die Geschichte (und zwar jede Geschichte, auch die gegenwärtige und zukünftige) zur Geschichte (und den „Führer“, in dem die Phantasmagorie der Herrschaftsgeschichte pseudomessianisch sich erfüllt, zum „Werkzeug der Vorsehung“).
Das Prinzip der Konstanz der Lichtgechwindigkeit definiert das Verhältnis des Inertialsystems zum Licht, nicht das Verhältnis des Lichts zum Inertialsystem. Das Inertialsystem ist das eiserne Joch der Schöpfung (die Leugnung des ersten Schöpfungstages). -
26.3.1995
Der Name der Erbsünde ist sehr wörtlich zu nehmen: Die Menschen verhalten sich in der Tat so, als hätten sie eine Sünde geerbt, zu der niemand sich zu bekennen wagt. Anders sind die Paranoia und der Rachetrieb, die in Institutionen wie Zucht- und Irrenhäusern (die heute zwar nicht mehr so heißen, es der Funktion nach aber immer noch sind) und Kasernen sich manifestieren, nicht zu erklären. Aber auch der Ursprung der „romantischen“ Liebe, des im Begriff des Subjekt selber verankerten Triebs geliebt zu werden (die Erwartung, durch den Andern erlöst, von der Erbsünde freigesprochen zu werden: eines der Signa der Moderne, struktureller Kern des modernen Dramas), verweist auf diesen Sachverhalt. Die unmittelbaren Repräsentanten dieser Erbsünde sind die subjektiven Formen der Anschauung, die der Barmherzigkeit den Weg zum Objekt versperren: Grund der „kommunikativen“ Selbstbeschränkung (und Selbstzerstörung) der Sprache in der folgenlosen Rede (der folgenlosen „Rede von Gott“). Die Welt ist das Medium, in dem diese Erbsünde sich fortpflanzt (der „Unzuchtsbecher“). Die „Sünde der Welt“ ist nicht „hinweggenommen“, und nur wer sie auf sich nimmt, befreit sich von dieser Last.
Ist das Wissen der Taumelbecher, die Natur der Kelch des göttlichen Zorns und die Welt der Unzuchtsbecher (und alle drei zusammengehalten durch die „subjektiven Formen der Anschauung“, den Kelch)?
Hat sich die Frage Rosenzweigs, ob Künstler selig werden können, angesichts einer völlig durchästhetisierten Welt nicht schlicht auf alle ausgedehnt? Aber hat Rosenzweig mit seiner Kritik des All nicht bereits den Grund der Lösung dieser Problems bezeichnet?
Waldspaziergang (Kritik der deutschen Ideologie): Wenn einer „vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr sieht“, wäre zu fragen, ob es nicht in der Tat wichtiger ist, die Bäume anstatt den Wald zu sehen.
Gott ist auf keine Weise gegenständlich zu machen. Das drückt sich aus in der Idee des Ewigen, die den Grund der Gegenständlichkeit, die Vergangenheit, von sich ausschließt. Die Objektivation Gottes gehört zu den Ursachen des Kreuzestodes, sie macht die Objektivierenden nachträglich noch zu Tätern. (Der Preis für die Göttlichkeit Jesu war die Vorstellung vom Gottesmord, der dann projektiv auf die Juden verschoben wurde.)
Wenn die Idee des Absoluten der Schatten ist, den das Subjekt auf Gott wirft, dann hat die Theologie seit den Kirchenvätern in diesem Schatten gestanden. Dieser Schatten wird in den Fundamentalismen heute handgreiflich.
Verhält sich nicht der Name der Hebräer zu der Logik, zu der der Name der Barbaren gehört, wie das verteidigende zum apologetischen Denken?
Auch für die Opfertheologie gilt: Barmherzigkeit, nicht Opfer, oder auch: verteidigendes, nicht apologetisches Denken. Die Resultate des apologetisches Denkens gelten ein für allemal (sie gehören zur Logik der Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit), die des verteidigenden Denkens sind immer neu (sie eröffnen die Zukunft, die jeden Tag neu beginnt).
Das katastrophische Moment in der Apokalypse ist als Realsymbol der Kritik des Scheins selber Schein, es ist ein Produkt der Logik der Schrift, die in ihm zugleich sich auflöst (nachzuweisen an der Funktion des Traums und des Engels in der Apokalypse).
Warum kommt am Ende des Ezechiel nur der Osten und der Norden vor (und zwar beide als Orte des Erscheinens der göttlichen Herrlichkeit)? Und worauf beziehen sich hier der Thron und der Schemel (verbinden sie den Osten mit dem Himmel und den Norden mit der Erde)?
Die „Buße“ Ninives beginnt beim Volk, geht von da zum König, der dann das Vieh mit einbezieht. Aber im Buch Tobias (das die katholische Kirche in den Kanon mit aufgenommen hat) wird Ninive am Ende doch zerstört. – Ist es nicht der gleiche Fisch, der den Jonas verschlingt und wieder ausspeit, der dann im Buch Tobias gefangen und geschlachtet wird, und aus dem die Mittel gewonnen werden, mit denen Sara vom Dämon Asmodei befreit und Tobias von seiner Blindheit geheilt wird? Zugleich wird das Symbolum eingelöst, und zwar durch den Engel Raphael (nicht Gabriel, der nach islamischer Tradition – und nach der Verkündigungsgeschichte – den Heiligen Geist repräsentiert). War das Vermögen des Tobias nicht in Susa deponiert, dem Ort der Esther-Geschichte? – Kann es sein, daß der apokryphe Teil des Buches Daniel (mit der Susanna-Geschichte) dem gleichen symbollogischen Zusammenhang angehört?
Haben Sara und Asmodei etwas mit der Maria Magdalena und ihrer Befreiung von den sieben unreinen Geistern zu tun?
Welche Anspielungen und Bezüge stecken in den Namen der Apostel? Gibt es ebenso wie den hellenistischen (Andreas und Philippus) auch einen makkabäischen Bezug (Simon, Judas)? Worauf verweisen Jakobus und Johannes? Welche Väter werden genannt (Simon Barjona, Bartholomäus, Jakobus und Levi, Söhne des Alphäus), welche Mütter (die Mutter der Zebedäussöhne) und welche Schwiegermütter (die des Simon Petrus)?
War Johannes Scottus Eriugena ein Laie (trägt seine Theologie nicht die Züge einer Laientheologie)?
Die Theologie hinter dem Rücken Gottes ist durch die Apokalypse auf die Theologie im Angesicht Gottes bezogen.
„Als Mann und Weib schuf er sie“: Ist das nicht die Besiegelung des vorhergehenden „Gott schuf den Menschen nach seinem Bilde, nach dem Bilde Gottes schuf er ihn“? Hat die Geschlechtertrennung etwas mit der Beziehung des Nomen zum Personalpronomen zu tun?
„Im Schweiße deines Angesichts“: Bezieht sich das auf Gethsemane? Und haben die Dornen und Disteln etwas mit dem brennenden Dornbusch zu tun?
Unterm Bann der indoeuropäischen Sprachlogik, die das Inertialsystem antizipiert, ist das Symbolum zum Bekenntnis geworden, hat die Bekenntnislogik sich gebildet.
In welcher Beziehung stehen die Sünde Adams, die Sünde der Welt und die Sünde wider den Heiligen Geist?
Die Figur des Kleinbürgers, in der nach Walter Benjamin Teufel und arme Seele konvergieren, ist nicht vergangen, sondern mit dem Faschismus universal geworden. Das war der Modernisierungsschub, der ökonomisch abzuleiten wäre. Wäre nicht aus der Logik des Kapitals, aus der gegenwärtigen Entwicklung ihrer Strukturen, sowohl die gegenwärtige Renaissance der Bekenntniskriege (der Weltanschauungs- und Vernichtungskriege) wie auch die eklatante Unfähigkeit der politischen Institutionen, das was hier vor sich geht, zu begreifen und konstruktiv zu bearbeiten, abzuleiten? Hinweis: Ist nicht alle Ökonomie (aufgrund der Währungshoheit der Staaten) Nationalökonomie, die im Außernationalen ihre „Natur“ vor sich hat, die Hegel zufolge den Begriff nicht halten kann, d.h. der staatlichen Herrschaftslogik sich entzieht? Dringen über die Internationalisierung des Marktes Naturverhältnisse in die Ökonomie ein, die zur Machtanarchie keine Alternative mehr zuläßt? (Paradigma: Hat sich nicht das Militär im Golfkrieg und jetzt in der Jugoslawienkrise als ohnmächtig und hilflos erwiesen, und zwar aus strukturellen, mit institutionellen Mitteln nicht zu behebenden Ursachen?)
In einer Welt, die ohne Rest von den Marktmechanismen, vom Wertgesetz, so durchdrungen wird, daß sie auch die Politik (und ihre Grundlage: eine funktionierende Öffentlichkeit), wie das schwarze Loch jegliche Strahlung, in sich aufsaugen, wird auch die Sprache in den Strudel mit hereingerissen, die allein fähig wäre, das, was hier sich zuträgt, zu begreifen.
Privatfernsehen: Wenn Information zur Unterhaltung wird, übernimmt Unterhaltung die Rolle der Information (Politiker wissen das; die Konsequenz, die sie daraus ziehen, heißt Imagepflege).
Kritik der Wissenschaft ist Kritik der Verwaltungswissenschaft, der Versuch, Erkenntnis hinter dem Rücken in eine im Angesicht zu transformieren.
Unsterblichkeitslehre: Das Präsens ist die Gegenwart unterm Primat der Selbsterhaltung.
Gerechter Preis/gerechter Lohn: Woher kommt es, daß Europäer die festgelegten Preise in Schaufenstern, Warenlisten, auf Werbeprospekten nicht nur als vorgegeben und feststehend, sondern auch als „gerecht“ anzusehen geneigt sind, während sie in „orientalischen“ Bazaren, in den gehandelt und gefeilscht wird, das Gefühl nicht loswerden, belogen und betrogen zu werden? Liegt nicht in der kapitalistischen Preisgestaltung (entgegen der Theorie, die außer denen, die sie anwenden, niemand ernst zu nehmen scheint, und deren katastrophische Folgen, nämlich im Falle des Konkurses, genau die trifft, denen man sie permanent ausredet: daß der Preis auf dem Markt, durch Angebot und Nachfrage, sich bestimmt) die Suggestion, die Preise seien kalkulatorisch begründbar: Ausdruck der Erstellungskosten? Darin steckt das Bewußtsein, daß erst mit der Subsumtion der Arbeit unters Tauschprinzip (der differentia specifica des Kapitalismus) für den Preis ein Maß gefunden worden ist, das einer objektiven Überprüfung offensteht. Der Preis entspricht dem „Wert“, und der ist gleiche Weise „objektiv“ wie das Gewicht eines materiellen Dings (dessen Logik in ihm sich reproduziert: Liegt hier, in der Beziehung des Wertgesetzes zur Gravitation, der Grund der logischen Affinität des Staates zur Astronomie?). -
25.3.1995
Kann es sein, daß alle Häresien als gescheiterte Versuche einer Laientheologie sich begreifen lassen, und die Orthodoxie seit ihrem Ursprung als kirchliche Verwaltungslehre? Das hätte zur Folge, daß Theokratie, die unmittelbare Herrschaft Gottes, zwar nicht als politisches, wohl aber als religiöses Konzept sich begreifen läßt, und zwar als das genaue Gegenteil eines fundamentalistischen Konzepts (vgl. Jer 3134 und das Problem der Bekenntnislogik und des Lehramtes)?
Der Weltbegriff transformiert alle Dinge aus dem Bereich des Angesichts (und der Sprache) in den hinter dem Rücken (den Bereich der subjektiven Formen der Anschauung, in dem man so über die Dinge redet, als wären sie nicht anwesend). Diese Beziehung läßt sich ebenso am Beispiel des Kindes in der Familie wie auch am Verhältnis des Lichts zum System der Erscheinungen, die mit seiner Fortpflanzung im Raum verbunden sind (und auf die das Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit sich bezieht), demonstrieren. – Deshalb ist die Welt alles, was der Fall ist.
Der Weltbegriff bezeichnet (zusammen mit dem der Natur und des Wissens) das Unkraut, das vor der Ernte nicht ausgerissen werden darf, wenn man den Weizen nicht mit vernichten will.
Welt und Tod: Zur Todesfurcht am Anfang des Sterns der Erlösung (und zu seiner Erkenntnisfunktion) wäre zu bemerken, daß diese Todesfurcht an der Erfahrung des Tods der Andern sich entzündet; am Sterben der Andern erfahren wir, daß wir sterblich sind. Diese Konstellation fließt mit ein in den Ursprung der Philosophie, die das auf den Tod der Andern bezogene Moment im Begriff des Todes verdrängt, wenn sie es im Urteil zur (sic, B.H.) die Sterblichkeit aller objektiviert (erst Heidegger hat das Geheimnis ausgeplaudert: in dem Wort vom „Vorlaufen in den je eigenen Tod“, das das Konstrukt der „Eigentlichkeit“ – das „heroische“ Moment in ihm – begründet). Hier wird die Barmherzigkeit aus der Philosophie hinauskomplimentiert und die Philosophie zur Selbstbegründung des Herrendenkens. -
24.3.1995
Wer an dem Satz „Mein ist die Rache, spricht der Herr“ sich ärgert, muß selber den Zorn in sich verdrängt haben, der einen ergreift im Anblick der Geschichte (das Produkt dieser Verdrängung ist die Herrschaftsgeschichte, der Historismus). Wer diesen Zorn verdrängt, erfährt die göttliche Rache als Konkurrenz zum eigenen Herrschafts- und Rachetrieb, an den er gebunden ist und von dem er nicht lassen kann. Der komplementäre Aspekt dazu ist die Habermassche Resignation angesichts der Natur.
Nur Gott sieht ins Herz der Menschen: Demnach ist das Herz der Ort einer Theologie im Angesicht Gottes.
Die Apokalypse ist ein Teil des neutstamentlichen Kanons. Aber die Apokalyptiker waren auch seit je Häretiker. Das Rätsel ist nur zu lösen über eine Revision des Verfahrens gegen die Häresie: im Kontext der Kritik des Dogmas und der Bekenntnislogik.
Die Kollektivscham hat endgültig das Weltgericht an die Stelle des göttlichen Gerichts gerückt. Das Weltgericht ist unfähig, den Menschen ins Herz zu sehen. So wird das Herz rechtlich irrelevant, mit der wahrhaft dämonischen Folge: Die Gesinnung (und damit auch die Gemeinheit) ist kein Gegenstand des Strafrechts; und Barmherzigkeit ist kein Milderungsgrund , wohl aber die Trunkenheit. Im politischen Strafrecht ist Barmherzigkeit, wenn sie zum Grund des Handelns wird, eher Grund einer Strafverschärfung. Mit der geltenden Trunkenheits-Regelung wird Herrschaft apriori exkulpiert, während Barmherzigkeit Herrschaft grundsätzlich in Frage stellt. Dieser Zustand bezeichnet genau das gegenständliche Korrelat des Kelchs, der in Gethsemane die Todesangst Jesu evozierte, in der Nacht, als die Jünger schliefen.
Flucht und Aggression sind die Signa einer Theorie des Tieres (mit der Zuspitzung im Hund: als Verkörperung eines Triebs, der Flucht in Aggression transformiert; nur dem Lamm sind beide Wege versperrt: es wird stumm zur Schlachtbank geführt). Welches sind die sprachlichen Äquivalente von Flucht und Aggression?
Ableitung der Orthogonalität: Die mathematische Form des Raumes (Produkt der Verknüpfung der Reversibilität aller Richtungen im Raum mit der Orthogonalität als Norm) ist das Realsymbol der verdrängten Umkehr.
Kritik der Transzendentalphilosophie und der Fichteschen Wissenschaftslehre: Der Andere (das Nicht-Ich als Gegenstand und Norm) ist das Alibi des Herrendenkens, nur als Fremder ist der Andere das objektive Korrelat des Gewissens. -
23.3.1995
Prima philosophia: Auch die Ontologie gründet in der Ethik, nur ist diese eine Ethik der in der Ohnmacht gründenden Passivität, eine Ethik der Nicht-Handelnden, der Herren und der Zuschauer.
Auf das homologein, das die Theologie mit Bekennen übersetzt, bezieht sich das Gleichnis von den Talenten: Das kirchliche Glaubensbekenntnis ist das vergrabene Talent. Dieses Vergraben ist ein anderer Ausdruck für eine Theologie hinter dem Rücken Gottes.
Mizrajim ist ein Bruder Kanaans, beide sind Söhne des Ham.
Die Distanz zum Objekt ist vermittelt durch die Distanz, die der Herr durch den Beherrschten gewinnt: Ein Beispiel hierfür ist der Film, die logische Konstellation Regisseur, Schauspieler, Zuschauer, die auf seinen genetischen Zusammenhang mit der Logik der Schrift zurückweist. Gehört nicht zum „Star“ die diesen Zusammenhang konstituierende kopernikanische Konstellation? Der Film gehört in jene „Sphäre“, die Hegel von der des Lichts noch unterscheidet: die seiner „Fortpflanzung im Raum“, die durch die kopernikanische Wende begründet wird.
„Es gibt einen Stamm, dessen Angehörige sich für unsichtbar halten: Die Ethnographischen Filmer: Wenn sie, mit Maschinen beladen, Kabel hinter sich herschleifend, einen Raum betreten, in dem ein Fest gefeiert wird, in dem Kranke geheilt oder Tote betrauert werden, dann bilden sie sich ein, sie würden nicht bemerkt …“ (Eliot Weinberger: Die Kamera-Menschen, Lettre Heft 28, I. Vj, 95, S. 62): Gehört nicht die ganze zivilisierte Welt zu diesem Stamm; sind nicht Film und Fernsehen ihre Initiationsrituale? Was hier offenkundig wird, die endgültige Trennung der optischen von der sprachlichen Kommunikation, hat mit der kopernikanischen Wende, dem astronomischen Ursprung des Inertialsystems, begonnen. Die Monologisierung der Kommunikation, die mit der Schrift begonnen hat, wird im Fernsehen vollendet. Die Entwicklung vom Leser, der den Dialog mit dem Autor verinnerlichte, zum Zuschauer, der dieses Dialogs nicht mehr mächtig, dem Bild ohnmächtig und hilflos preisgegeben ist, ist ein Beleg für das Hegelsche Theorem vom Umschlag von Quantität in Qualität. Fernsehen ist atheistisch; das „Wort zum Sonntag“ liefert den allwöchentlichen Beweis.
Das Fernsehen ist ein Instrument der Vergesellschaftung jener Situation, die Edgar Morin einmal so beschrieben (und dann u.a. im Bilde des entwaffneten SS-Manns erläutert) hat: „Die Passivität des Zuschauers, seine Ohnmacht, versetzen ihn in eine verhältnismäßig regressive Situation: …, wir alle werden sentimental, empfindsam, wehleidig, wenn wir unserer Aktionsmöglichkeiten beraubt werden.“ (Der Mensch und das Kino, Stuttgart 1958, S. 109). Zum Film als gesellschaftliches Reflexionsmedium vgl. auch Eliot Weinberger: „Die Kamera-Menschen“ (Lettre Nr. 28) und Christina von Braun „Nicht-Ich“.
Der Raum exiliert die Dinge aus der Gegenwart, er ist der Feuerofen, in dem das sinnlich Gegenwärtige zur Asche verbrennt.
Das Freund-Feind-Denken schafft klare Fronten, aber es verwirrt die Urteilskraft. Wer kann noch sicher sein, daß die Freunde wirklich Freunde sind? Das Freund-Feind-Denken ist der Infektionsherd der Paranoia.
War nicht der Streit um die homousia ein Streit um die Möglichkeit des Selbstbewußtseins in einer imperialen Gesellschaft? Die symbiotische Teilhabe am Caesarismus war der Ursprungspunkt der Geschichte der Vergesellschaftung von Herrschaft. In diesem Kontext ist die Theologie zu einer Phase in der Geschichte der Aufklärung geworden.
Nicht Gott ist empfindlich, sondern die Gläubigen sind es. Der zweckrationale Kern des Glaubens ist die Idee des Absoluten, das Medium der Hybris in der Theologie.
Die Kritik der Religion und ihrer Grundlagen ist so weit in die Religion hineinzutreiben, bis sie sich in einer vom Angesicht Gottes erleuchteten Welt wiederfindet. Das wäre zugleich die Lösung des Rätsels der Apokalypse.
Findet der Blochsche Satz über die Guten und die Bösen am Ende des Geistes der Utopie nicht seine Auflösung in dem Satz vom Binden und Lösen?
Wenn das Subjekt der Welt das Tier ist, was hat es dann zu bedeuten, wenn die Schlange das klügste aller Tiere ist?
Die Welt brennt: Sie hat sich an den steinernen Herzen entzündet.
Memoria passionis: Das heißt unfähig werden, das wahrgenommene Leiden anderer zu verdrängen. Das aber ist der Ursprungspunkt der Sensibilität, nicht der Empfindlichkeit.
Das Prinzip des Wissens gründet in der Konvertibilität des vergangenen Sehens mit dem Sehen der Anderen. Bezieht sich hierauf nicht der Satz: „Da gingen ihnen die Augen auf, und sie erkannten, daß sie nackt waren“?
Durch welche logische Konstruktion wurde das hebräische Perfekt in das griechische Perfekt umgeformt?
„Denn während Juden Zeichen fordern und Griechen nach Weisheit fragen, predigen wir Christus den Gekreuzigten, für Juden ein Ärgernis, für Heiden aber eine Torheit, für die Berufenen selbst aber, sowohl Juden als Griechen, Christus als Gottes Kraft und Gottes Weisheit.“ (1 Kor 122ff) Hat dieses „Ärgernis“ etwas mit den Ärgernissen in Mt 187 u. Lk 171f zu tun? Stehen die Sätze nicht in einer inversen Beziehung zueinander: gilt das Wehe in den Evangelien-Texten dem Wir im Paulusbrief?
Wodurch unterscheiden sich die Präfixe von den Suffixen? Kann es sein, daß, während die Präfixe auf räumliche Beziehungen sich erstrecken (und mit der Entfaltung der Raumvorstellung sich differenzieren), im Ursprung und in der Funktion der Suffixe die fortschreitende Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit sich ausdrückt? So werden die indogermanischen Formen der Flexion durch Suffixe ausgedrückt (die in den modernen Sprachen dann weithin durch Hilfsverben ersetzt werden), während die semitischen Flexionsformen in der Vokalisierung sich manifestieren.
Sein und Haben beziehen sich auf Perfektbildungen (auf die Vollendung der Vergangenheitsform), und zwar das Sein auf die reflexive, das Haben auf die objektbezogene Pefektbildung: Ich bin geworden, und Ich bin gewesen, aber Ich habe getan (und Ich habe gehört und Ich habe gesehen). Vgl. die Sequenz: Ich habe getan, ich bin schuldig geworden und ich schäme mich.
Die Scham führt in die Isolationshaft des Gesehenwerdens: man erfährt sich als Objekt des Wissens anderer; der Schutz der Privatsphäre ist der Schutz vor diesem Zum-Objekt-des-Wissens-anderer-Werden. Die Materie ist die aufgedeckte Scham der Dinge (sie gehört zu den nackten Tatsachen).
Ohne Ansehen der Person: Schließt das nicht die Kritik der Person als des Repräsentanten der Welt im Subjekt (dem Äquivalent des Dingbegriffs) mit ein, eine Kritik, die den Vorrang des Angesichts wiederherzustellen sucht.
Die Entsühnung der Welt, das Hinwegnehmen der Sünden der Welt, steht in der Tradition des Alexander, der den Knoten nur durchschlagen, nicht gelöst hat.
Die Beziehung der Sprache zum Objekt ist nicht nur eine äußerliche; diese Äußerlichkeit ist vielmehr in sich selber sprachlich vermittelt. Während es in der Philosophie die subjektiven Formen der Anschauung sind, ist es in der Theologie die Bekenntnislogik (und in ihr insbesondere deren opfertheologischer Grund), denen die Trennung beider sich verdankt. (Legitimation des Bestehenden, Theologie hinter dem Rücken Gottes, Konstitution des Weltbegriffs durchs Konzept der „Entsühnung der Welt“, Vorrang der Anschauung, Name und Begriff) -
22.3.1995
Die Opfertheologie ist herrschaftsstabilisierend, weil die ihr zugrunde liegende Gottesvorstellung auf die blinde Hypostasierung der Macht sich gründet.
In Antje Vollmers Begriff der „Bleilast der Moral“ drückt die politische Erfahrung einer christlichen Theologin sich aus, die Moral (auch politische Moral) nur als private Moral, als ein Problem der Gesinnung, kennt. Aber muß man erst PolitikerIn werden, um den Bruch, der Öffentlichkeit und Privatexistenz trennt und die christliche Theologie heute mehr denn je verhext, zu begreifen? Und was ist von einer Theologie zu halten, die Politik nur aus der Sicht der Privatexistenz glaubt begreifen zu können?
Die Täter der Logik der Schrift: Ist der Begriff des Volkes nicht ein Produkt der Logik der Schrift, und ist es nicht dieser Begriff (und die ihm zugrunde liegende Idee der Schicksalsgemeinschaft), den der deutsche Name der Heiden projektiv verfremdet hat, nachdem der ursprüngliche Name des Volkes in dem der „Deutschen“ zum Eigennamen dieses Volkes geworden ist? -
21.3.1995
Wenn die Philosophie der Schlaf des prophetischen Bewußtseins ist, dann ist die kirchliche Theologie der Traum, der heute dem Vergessen Nebukadnezars zu verfallen scheint. Ist Daniel der Hahn?
Das erbauliche Schriftverständnis ist durch die kirchliche Selbstverblendung determiniert, die in der Verdrängung der symbolischen Beziehungen des Neuen zum Alten Testament gründet. Logischer Grund dieser Verdrängung ist die opfertheologische Objektivation und Instrumentalisierung des Kreuzestodes (Produkt der Redundanz der Logik der Schrift).
Immanenz und Transzendenz unterscheiden sich nicht wie Zeitliches und Überzeitliches, sondern wie Vergangenes und Zukünftiges. Während die Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit (die in den Totalitätsbegriffen Wissen, Natur und Welt sich ausdrückt) jeden Gedanken an eine Zukunft, die anders wäre, und damit die Erinnerung ihres vergangenen Erscheinens, ausschließt, sprengt die Erinnerung und Reflexion dieser Zukunft auch die Vergangenheit des Vergangenen. Theologie hinter dem Rücken Gottes steht unter dem Gesetz der Vergangenheit, Theologie im Angesicht Gottes gründet in der Erinnerung der vergangenen Zukunft.
Die Distanz zum Objekt gründet in der Distanz, die der Herr durch den Beherrschten gewinnt: In diesem Kontext wird die Eingangskontrolle im Hogefeld-Prozeß verständlich. Das Beweisverfahren verläuft mangels objektiver Tatsachen nach den Kriterien der selffulfilling prophecy.
Sind die paulinischen „Archonten“, und ist in ihrer Folge die mittelalterliche Engellehre nicht Teil einer Theologie der Herrschaftssicherung? In diesen Zusammenhang gehört die Differenz zwischen einem Stephanus, der den Himmel offen sah, und einem Paulus, der in den dritten Himmel enmtrückt wurde.
Die Kritik des deutschen Idealismus müßte mit Fichtes Nicht-Ich beginnen: mit der „Entfremdung“ des Fremden zum Andern, dem logischen Kern der Welt-Philosophie. (Die kopernikanische Wende war die paradigmatische Anwendung dieses Verfahrens auf den Kosmos.) -
20.3.1995
„Zukunft ist von außen wiederkehrende Erinnerung; daher hat die Gedächtnislosigkeit keine“ (Ulrich Sonnemann): Definition des Himmels, der am Ende „wie eine Buchrolle sich aufrollt“.
Hat Amalek etwas mit dem Lösen zu tun; ist Amalek der Knoten, der zu lösen wäre?
Zum Begriff des Scheins: Ist nicht der Objektbegriff der Repräsentant des Scheins? Sind nicht die Verdinglichung, der Konkretismus, die Personalisierung Folgen der Logik des Scheins?
Kritik der Naturwissenschaften: Dem Namen Gottes ein Haus bauen.
Die Funktion und Bedeutung des Traums in der Apokalypse konvergiert mit der Funktion und Bedeutung der Tiere.
Die Kultur der Empfindlichkeit steht unter dem Vorzeichen der „sensorischen Deprivation“, der „Isolationshaft“ im Bannkreis des steinernen Herzens.
Die Bekenntnislogik verstößt gegen
– das Votum für die Fremden,
– das Votum für die Armen und
– die Barmherzigkeitsforderung,
und d.h.:
– Sie ist tendentiell antisemitisch und leugnet den Vater,
– sie ist tendentiell paranoid und leugnet den Sohn, und
– sie ist frauenfeindlich und leugnet den Heiligen Geist.
Die Bekenntnislogik wird gesprengt durch die Fähigkeit zur Schuldreflexion (Joh 129).
Die Materie ist das Deckbild des zersprungenen und verborgenen Gottesnamens. -
19.3.1995
Der Turm von Babel wurde gebaut, um „sich einen Namen zu machen“, der Tempel in Jerusalem hingegen, um dem Namen Gottes ein Haus zu bauen. Ist es nicht der Begriff, mit dem die Menschen „sich einen Namen machen“?
Welche Abstraktionsschritte sind nötig zur Bildung des Zahlbegriffs?
Erbaulichkeit und Trost: Der Trost, den das Erbauliche spendet, ist ein exkulpierender Trost. Er bedient sich des Schuldverschubsystems, um von „Schuldgefühlen“ zu befreien. Damit hängt es zusammen, wenn die erbauliche Schriftinterpretation ohne Antisemitismus nicht zu haben ist.
War nicht die Fixierung des „Kenntnisstandes“ des Gerichts am Anfang des Hogefeld-Prozesses die Selbstlegitimation einer massiven Vorverurteilung, eine Verurteilung ohne die Notwendigkeit, das Urteil durch sorgfältige Beweisführung begründen und absichern zu müssen. Hier wurden die synthetischen Urteile apriori festgezurrt, unter die die Angeklagte vor jeder Beweisführung, nur aufgrund der transzendentalen Logik des gerichtlichen Vorurteils, zu subsumieren war. Das Ansinnen, sich mit der Sache selbst noch einmal auseinanderzusetzen, war damit vom Tisch gewischt; jedes Argument der Verteidigung, das in diese Richtung ging, galt danach als Versuch einer Prozeßverzögerung. Dazu paßt der Eindruck, den das Verfahren selber im Beobachter hervorruft: Durch Mimik, Gestus und Ton geben Gericht und Staatsanwalt zu erkennen, wie lästig ihnen die Verteidigung ist, so als beruhe deren Anwesenheit (wie auch die der Prozeßbesucher, die man dann auch durch entwürdigende Eingangskontrollen abzuschrecken versucht) auf eigentlich nicht mehr recht einsichtigen formalen Verfahrensvorschriften, an die man sich leider halten muß.
Haben früher einmal die Taten der raf dazu beigetragen, ihre eigenen Ziele und Motive, und damit auch deren öffentliche Diskussion, zu diskriminieren, so scheint sich heute das Blatt zu wenden: Das rigide Vorgehen gegen Mitglieder der raf in Verfahren, mit denen man nur noch zu testen scheint, was der Öffentlichkeit heute alles zugemutet werden kann, erzwingt geradezu die Reflexion auf die so massiv verdrängten Intentionen der raf, indem sie beginnt, die Weigerung, diesen Diskurs aufzunehmen, unter einen moralischen Rechtfertigungsdruck zu setzen.
Was Auschwitz und den Nationalsozialismus von allem Vergleichbaren bis in die Gegenwart hinein unterscheidet, scheint darin zu liegen, daß hier erstmals die nationale Paranoia die Mordlust zur vorgeschriebenen Staatsgesinnung gemacht hat. Was bei anderen totalitären Systemen (im Stalinismus wie in den Militärdiktaturen) als ein nicht intendierter Nebeneffekt erscheint, ist im Nationalsozialismus (und in den nachfolgenden rechtsradikalen Gruppierungen) zum Kern der Sache geworden: Ausdruck dessen sind der Antisemitismus und allgemein die Xenophobie (die eigentlich Manifestationen einer Gewissensphobie sind: Vorstufe dieser Gewissensphobie ist die merkwürdige Beziehung der Deutschen zum „Ausland“, das heute im seelischen Haushalt der Deutschen die Stelle einzunehmen scheint, an der in Zeiten, in denen das Moralische das Sich-von-selbst-Verstehende war, das Gewissen seinen Platz hatte).
Beitrag zur Logik der Schrift: Ist nicht das Verfahren der Pseudepigraphie eines der Delegation: Man möchte für das, was man schreibt, nicht selbst die Verantwortung übernehmen? Und waren nicht die Fälschungen im Mittelalter schon ein Werk der List der Vernunft, Reflex des gleichen Problems, das am Ende im Problem des kontrafaktischen Urteils sich manifestiert?
Kosmologie, Erkenntnis- und Gesellschaftskritik: Die Verinnerlichung des Schicksals (Ursprung des Begriffs) und die Verinnerlichung der Scham (Ursprung des Inertialsystems) waren ebensosehr objektive wie subjektive Prozesse. Bezeichnen nicht Sem, Japhet und Ham auch welthistorische Knotenpunkte? Und sind nicht die apokalyptischen Tiere Gestalten des Weltgeistes (und der Weltgeist selber die Schlange, die „das klügste aller Tiere“ war)?
Apokalypse: die Ermittlung und Deutung der Träume der Herrschenden (Nebukadnezars). Nebukadnezar hatte einen Traum, den er aber vergessen hatte, und den Daniel, um ihn deuten zu können, erst finden muß: Die Hegelsche Logik ist dieser Traum; sie ist die Wahrheit, die Hegel verborgen geblieben ist, als Traum. Wäre nicht das Freudsche Verfahren der Traumdeutung dahin zu korrigieren, daß nicht Träume ihre eigene Logik haben, sondern daß die Logik das Material bildet, aus dem die Träume sind? Ohne Logik gäbe es keine Träume: Die Logik ist der Schlaf der Sprache und insofern der Ursprungsort der Träume. Und war nicht die mathematische Logik das Vergessen dieses Traums (Modell des traumlos gewordenen Schlafs)? Verweisen nicht gerade die Elemente der Logik, von denen die mathematische Logik abstrahiert, auf ihre Beziehung zum Traum: das Subjekt und der Grund?
Die Orthodoxie ist das Mahnmal der heute in sich selber zur Unkenntlichkeit entstellten Erinnerung an das, was die Mathematik, als sie die Orthogonalität entdeckte, verdrängen mußte.
Wie hängen die sieben Sakramente, die sieben Planeten, die sieben Schöpfungstage und die sieben Siegel miteinander zusammen? Verweist nicht das Siegel auf den Namen: Es war einmal Unterschrift und Signum der Person zugleich. So war mit dem Siebentage-Werk die Welt auf den Namen Gottes versiegelt. Im Namen Beerscheba ist beides enthalten: die Sieben und der Schwur (vgl. hierzu die Siebener-Gruppen in der Johannes-Offenbarung).
Adorno Aktueller Bezug Antijudaismus Antisemitismus Astrologie Auschwitz Banken Bekenntnislogik Benjamin Blut Buber Christentum Drewermann Einstein Empörung Faschismus Feindbildlogik Fernsehen Freud Geld Gemeinheit Gesellschaft Habermas Hegel Heidegger Heinsohn Hitler Hogefeld Horkheimer Inquisition Islam Justiz Kabbala Kant Kapitalismus Kohl Kopernikus Lachen Levinas Marx Mathematik Naturwissenschaft Newton Paranoia Patriarchat Philosophie Planck Rassismus Rosenzweig Selbstmitleid Sexismus Sexualmoral Sprache Theologie Tiere Verwaltung Wasser Wittgenstein Ästhetik Ökonomie