August 1995

  • 31.8.1995

    Zwischen dem historischen und dem prophetischen Indikativ liegt die Reflexion des Inertialsystems, die Kritik der Naturwissenschaften.
    An Gott will keiner erinnert werden, weil im Angesicht des Ewigen das Vergangene nicht nur vergangen ist.
    Der Indikativ der Lehre ist vom historischen Indikativ dadurch unterschieden, daß er ein Indikativ im Angesicht Gottes ist. Die Lehre wird nicht durch ein kirchliches Lehramt definiert, sie gewinnt allein Bestand im Angesicht Gottes.
    Der Objektivitätsanspruch der Medien schließt das Fertigmachen mit ein.
    Ist der Name der „Tochter Sion“ nachexilisch (von Ps 915 über Jes, Jer, Klag (6 Stellen), Mich, Zeph bis Sach 214 und 99)?
    Trinitätslehre: Wenn die Attribute Gottes im Imperativ und nicht im Indikativ stehen, dann beweisen Männer ihre Gottähnlichkeit schon durchs Zeugen. War das der Grund, weshalb diese Theologie, die nicht mehr unmittelbar Quellpunkt der Moral war, durch eine Sexualmoral ergänzt werden mußte?
    Ist die Übersetzung des Namens mit „Herr“ nicht die Ursache einer verhängnisvollen Zweideutigkeit? So lassen sich Herr und Herr nicht mehr unterscheiden. Vgl. Ps 1101: Es sprach der Herr zu meinem Herrn, die Buber so übersetzt: Erlauten von IHM zu meinem Herrn. Ist diese Unterscheidung nicht eine ums Ganze? Auf welchen „Herrn“ bezieht sich der Name kyrios in den Evangelien? Steckt in diesem Titel nicht die List der Vernunft Hegels (oder die der politischen Theologie, der Herrschaftstheologie)?
    Zum Problem der asymmetrischen Spiegelung: Steht nicht die gesamte christliche Theologie im Zeichen des noachidischen Bundes, des Bogens (Gen 912f)? Hat dieser Bogen etwas mit dem „Gewölbe“ (der Feste) des zweiten Schöpfungstages zu tun?
    Ist nicht auch das ein Stück asymmetrischer Spiegelung, wenn der Faschismus sich genau dadurch reproduziert, daß er die Vergangenheit eingebunkert, sie durch seine Finsternis verdunkelt hat? Aber ist die Zerstörung der Erinnerungsfähigkeit nicht auch ein objektiver Sachverhalt (der durch den bloßen Entschluß sich nicht ändern läßt), war der Faschismus nicht auch ein Modernisierungsschub, einer, der ihn fast unangreifbar gemacht (die bloße Verurteilung erreicht ihn nicht, dagegen ist er immun). Kritik des Faschismus heute meint den Esel und schlägt den Sack.
    Deutschunterricht: „Was will uns der Autor damit sagen?“ – Taugen am Ende nicht doch nur die Sätze was, die mehr sagen, als der Autor „sagen wollte“? Ist nicht die Germanistik (ist nicht der Deutschunterricht) darin der Theologie verwandt, daß sie anstelle des Herzens eine kontrafaktische Urteile produzierende Automatik hat?
    Das kontrafaktische Urteil ist das Kuckucksei im spekulativen Nest des Absoluten (ist das Absolute der Inhalt dieses Eis?).
    Der historische Indikativ, auf den die christliche Tradition das von ihr so genannte „Alte Testament“ festgelegt hat, ist der Quellpunkt der Idee des Absoluten.
    Wer begreift, weshalb in der Johannes-Apokalypse der Taumelkelch zum Unzuchtsbecher geworden ist, hat das Rätsel der christlichen Theologie gelöst.
    Die Sexualmoral ist das kontrafaktische Urteil der göttlichen Barmherzigkeit.
    Sind nicht moralische Urteile insgesamt kontrafaktische Urteile, und sind nicht kontrafaktische Urteile durch das Interesse an moralischen Urteilen determiniert (eine Konsequenz aus der Transformation des Gebots ins Gesetz, Folge der Verwechslung von Rind und Esel)?
    Evangelische Räte: Ist die Armut auf den Vater, das Hören (der „Gehorsam“) auf den Sohn und die Keuschheit auf den Geist bezogen?
    Wie hängen Kohelet und Jesus Sirach, Ekklesiastes und Ekklesiastikus, mit einander zusammen? Verweisen nicht beide auf den neutestamentlichen Kirchenbegriff (die ekklesia, im Unterschied zur synagoge)? Wie hängt die ekklesia mit der Versammlung im Tor (Ort der Versammlung und des Gerichts, nicht des Gebets!) zusammen?
    Sind nicht die sieben Gemeinden in Asien (in der Johannes-Apokalypse) sieben Kirchen (ekklesiai)? Und wird nicht durch diese sieben Kirchen der Name der una sancta catholica ecclesia widerlegt?
    Paßt nicht zur „Versammlerin“ die Maria Magdalena, die von den sieben unreinen Geistern befreit wurde?
    Mein ist die Rache, spricht der Herr: Liegt nicht das Problem der Beziehung des historischen zum prophetischen Indikativ darin, daß, wer in der Vergangenheit nach Schuldigen sucht, selber in den Bann der Vergangenheit gerät: durch die Exkulpationsstrategien, in denen die Logik der Schuld sich konstituiert, in eben diese Schuldlogik sich verstrickt, aus der er nicht mehr sich zu lösen vermag? Ist nicht das Historismus-Problem wie auch das Welt-Problem allein über die Rekonstruktion der Logik der Schuld zu lösen, über ihre Beziehung zum Angesicht Gottes (im Leuchten seines Angesichts löst die Logik der Schuld sich auf).
    Festzuhalten ist das gleichsam flüssige Wesen der Schuld, daß, wer sie dingfest zu machen versucht, von ihr überschwemmt wird.
    Der Segen ist der Grund der Fruchtbarkeit, das Feigenblatt der der Unfruchtbarkeit.
    Teilt nicht das Buch Kohelet das Schicksal des Hiob-Buches, aus dem in der Regel auch nur die „Freunde Hiobs“ zitiert werden? Die Freunde Hiobs repräsentieren die Schrift, während Hiob darauf besteht zu hören (und sei es das Donnern des Herrn).
    Worauf bezieht sich der Satz im Schlußteil des Kohelet: Des vielen Büchermachens ist kein Ende, und das viele Studieren ermüdet den Leib (1212)?

  • 30.8.1995

    Die „Ohrenbeichte“ hat das Opfer, auf das die Idee der Versöhnung eigentlich sich bezieht, durch den Priester ersetzt. Nicht zufällig ist der Kern der Beichtpraxis die Sexualmoral.
    Die Notwendigkeit der Reflexion von Herrschaft gründet in dem Satz, daß nur Gott ins Herz der Menschen sieht.
    Die kantische Vernunftkritik hat der Idee eines herrschaftsfreien Diskurses schon den Boden entzogen, bevor sie erfunden wurde. Im Kontext der subjektiven Formen der Anschauung (und unter dem Bann des Indikativs) gibt es keine herrschaftsfreie Sprache. Die Reflexion von Herrschaft fällt mit der Reflexion der subjektiven Formen der Anschauung zusammen.
    Die subjektiven Formen der Anschauung sind ein Instrument der asymmetrischen Spiegelung. Und der Begriff der Erscheinung bezeichnet ihr Produkt. Die Kritik der intentio recta ist der Motor der Kritik der subjektiven Formen der Anschauung, ihr Ziel die Heiligung des Gottesnamens.
    Durch den Begriff der Zeugung, der eigentlich die Adoption (mit der der Caesar seinen Erben bestimmte) meint, ist das Prinzip der monarchischen Form der Herrschaft in den Kern der Theologie mit hereingenommen worden. Als Konstantin sich für die homousia aussprach, wußte er, was er tat (und wenn Theologen noch heute glauben, sie hätten den Caesar überlistet, sind sie immer noch das Opfer ihrer selbstverschuldeten Unmündigkeit und unfähig zu begreifen, wie sie selbst überlistet worden sind). Aus diesem Konstrukt ließe sich das Konstrukt (und die Funktion) der Sexualmoral herleiten.
    Läßt der Generationenkonflikt sich aus dem (vermutlich baaderschen) Satz herleiten, daß das Erkennen mit dem Erkanntwerden konvergiert? (Als Adam sein Weib „erkannte“, wurde er erkannt.)
    Der Satz, daß nur Gott ins Herz der Menschen sieht, macht den blasphemischen Mißbrauch der Religion unmöglich. Aber ist nicht jede Religion ein blasphemischer Mißbrauch (und verweist dieser Mißbrauch nicht auf das Zentrum der Verstrickung von Religion in die Herrschaftsgeschichte)?
    Zur Kritik der Anschauung: Bilder sind Instrumente der Vergewaltigung (ist dieses Wort nicht selber ein Produkt von Vergewaltigung: gebildet wurde es mit Hilfe zweier Präfixe und zweier Suffixe).
    Die Analyse der projektiven Züge in der Verfolgung der raf rechtfertigt nicht die Taten der raf. Gründet in der Unfähigkeit zu einer solchen Analyse nicht der Konformismus der Medien und die Verwechslung von Genitiv und Dativ?
    Heute wird die freie Phantasie durch Rechtfertigungszwänge und durch Allmachtsphantasien blockiert.
    Pranger: Ist nicht das Gejohle das immanente telos des Fernsehens (der Medien), liegt es nicht in der Fluchtlinie ihrer eigenen Logik? Symbolisch, wenn Zuschauer wie Delinquenten vorgeführt werden und sich das als Ehre anrechnen. Und ist das Zuschauen nicht eine Einübung in den Hohn?
    Greuel am heiligen Ort: Wird nicht die Religion heute zum Gottgejohle?
    Der Faschismus war eine Verkörperung der Sünde der Welt (Joh 129). So hat er an den Grund der Welt gerührt.
    Allwissenheit und Allmacht sind Attribute, die Gott apriori nicht beigelegt werden können. Wenn es heißt, daß weder die Engel noch der Sohn die Stunde kennen, sondern nur der Vater, dann kann man sich auf das begrenzte Wissen der menschlichen Natur in Jesus berufen, es sei denn, daß man in dem Wort „Jesus als Mensch“ das „als“ als den Abgrund begreift, den auch die „Allwissenheit“ Gottes nicht zu überbrücken vermag (hier „brütet“ der Geist über den Wassern). Ähnlich enthält die göttliche „Allmacht“ (wenn man sie denn dann noch so nennen will) die konstitutive Beziehung auf Freiheit; ihre Grenze ist die Unfreiheit.
    Woher kommen eigentlich die Bezeichnungen der militärischen Einheiten: Armee, Division, Regiment, Bataillon, Kompagnie, Zug? Die Legion war eine Einheit des Römischen Heeres (und ein Name der unreinen Geister). War die Legion schon von Anfang an, was sie dann in Frankreich geworden ist, eine „Fremdenlegion“, ein Söldnerheer? Was hat die Kohorte mit dem Kohortativ zu tun (cohortatio = Anfeuerung, Modus der Ermahnung, Ermutigung, des Vorschlagens)?
    „Bewahrung der Schöpfung“: Der Naturschutz überträgt das Prinzip der zoologischen und botanischen Gärten auf die Natur insgesamt, und das aus Gründen, die mit der Geschichte und dem Stand der Naturbeherrschung zusammenhängen: mit der Geschichte und dem Stand der Vergesellschaftung von Natur oder mit dem Stand der Herrschaftsgeschichte insgesamt.
    Wenn Herrschaft auf ihren eigenen Grund zurückgreift, wird sie faschistisch.
    Es gilt, der Naivetät zu entsagen, es gäbe einen herrschaftsfreien Diskurs ohne Reflexion von Herrschaft. Zur Negativen Dialektik gibt es keine Alternative.
    Der Indikativ der Lehre hätte heute eine Gestalt, die er noch nie gehabt hat: die des Lösens.
    Zu Ez 412: Leben wir nicht in einer vorverdauten Welt, sind wir nicht allesamt Wiederkäuer? (Gehörte nicht das Wiederkäuen zu den Reinheitskriterien in der Schrift, vgl. Lev 113, Dt 146?)

  • 29.8.1995

    Rührt nicht die Trennung der Zeugung von den Toledot und ihre Hereinnahme in die Trinitätslehre an den Grund der Sexualmoral und der kirchlichen Frauenverachtung zugleich? Wie hängt das „Zeugen“ in der Trinitätslehre mit deren desensibilierenden Wirkung zusammen, mit der Zerstörung der Barmherzigkeit?
    Ist Tamar, die sich von Juda den Siegel, die Schnur und den Stab geben läßt (und deren Name in einer Spiegelgeschichte bei David wiederkehrt), die Kirche? (Was bedeutet die Schnur?) Vgl. hierzu, die Vorgeschichte (Einschub in die Josephs-Geschichte: Juda zieht, nachdem seine Brüder den Joseph an die Ismaeliter verkauft haben, von seinen Brüdern weg, heiratet eine Kanaaniterin …; erst danach beginnt die Geschichte Josephs in Ägypten). Wer ist der dritte Sohn Judas (Sela)? Rahab (deren Name auch der des Meeresungeheuers ist) kommt in der nachfolgenden fünften Generation in die Geschichte herein, Ruth in der sechsten. Alle vier Frauen haben mit der Juda/David-Geschichte zu tun. – Haben Jakob/Alphäus und Judas/Thaddäus etwas mit dieser Geschichte zu tun?
    Theologie im Angesicht Gottes hat nicht mehr Gott zum Gegenstand, sondern die Welt, die sie im Lichte seines Angesichts erkennt.
    Klara Butting vergleicht den Harem des Königs, das Frauenhaus, in dem die Mädchen „eingesammelt“ werden, mit den Getreidelagern, in denen Josef das Getreide einsammeln läßt (vgl. Est 23 und Gen 4134-37, Die Buchstaben …, S. 67).
    Sexismus und Antisemitismus: Waschti weigerte sich, sich vor den Augen aller ausstellen zu lassen; Mordechai weigerte sich, vor Haman das Knie zu beugen (Est 112 und 32).
    Glaube ohne Hoffnung und Liebe: Der Vertrauens-Slogan der Deutschen Bank ist einseitig; er gilt als Aufforderung an potentielle Kunden, der Bank Vertrauen zu schenken, er gilt nicht für die Beziehung der Bank zu potentiellen Kunden (hier gibt es die Schufa). Sein Modell sind die das Vertrauen ihrer Kinder einfordernde Autorität der Eltern oder das Vertrauen des Bürgers in den Staat. Der Begriff des Vertrauens ist theologischen Ursprungs: begründet wäre er allein als Ausdruck der Beziehung des Menschen zu Gott. So liegt er dem Begriff des Glaubens zugrunde, der ihn durch Universalisierung ins Eindimensionale verfälscht und für Autoritäts- und Reklamezwecke verfügbar macht, z.B. für die Werbung der Deutschen Bank, die, wenn sie Vertrauen sagt, eigentlich Glauben meint. Es ist die gleiche Einseitigkeit, die den Monolog, die Predigt, die Vorlesung, die Medien, das Radio, das Fernsehen, das Gesetz, die Verwaltung, die Wissenschaft und das Gerede: die m.e.W. jegliche Form der intentio recta und mit ihr jede Objektbeziehung charakterisiert (die deshalb als Grundform der Herrschaftsbeziehung sich erweist). Diese Einseitigkeit trennt den Objektivierungsprozeß (und das Reich der Erscheinungen, das er begründet und in dem er sich bewegt) von der Wahrheit. Sie selber gründet in den subjektiven Formen der Anschauung (auf die das biblische Kelchsymbol sich bezieht).

  • 28.8.1995

    Die Herrschaftsgeschichte löst die Menschen nicht nur aus der Dumpfheit, den Ängsten und der Not der Natur, sie verstrickt sie auch wieder in Natur, als deren Kern Herrschaft sich erweist. Als zweite Natur ist Herrschaft eine neue Quelle der Dumpfheit, der Ängste und der Not.
    Himmel und Sprache: In diesen Kontext gehören Wasser und Feuer, die Feste des Himmels und die Trennung der oberen von den unteren Wassern, der Bogen in den Wolken, der Menschensohn auf den Wolken des Himmels, das sich aufrollende Buch, die Heiligung des Gottesnamens. Ist der Indikativ (seine Beziehung zur Logik der Schrift und zum Wort, zu den beiden Bedeutungen des Perfekts) die Feste des Himmels (ist der Perfekt, die Beziehung von Vergangenheit und Utopie, die Feste des Himmels)? Wie verhält sich die Scham zum Himmel? Ist der Himmel die Schamgrenze, die die beiden Indikative von einander trennt (und verweist das Wort vom „aufgespannten Himmel“ auf die Spannung, die die Beziehung der Logik der Schrift zum Wort – die Beziehung dieser zur zukünftigen Welt – kennzeichnet: auf den prophetischen Erkenntnisbegriff und den Begriff der Lehre)?
    Scham ist die Fähigkeit, sich in den Augen der Andern zu sehen. Nur im Kontext der Scham gibt es die Nackheit (die zum Begriff der Tatsachen gehört). Nur im Kontext der Scham gibt es das Aufdecken der Blöße, das die Aufklärung seit ihrem Ursprung mit der Erkenntnis verwechselt. Der Radikalisierung dieses Erkenntnisbegriffs durch die Medien verdankt sich die endgültige Trennung von Realität und Sprache im Begriff der Information, der Nachricht, der Kommunikation, des Diskurses, und in diesem Kontext die Verschiebung von Genitiv und Dativ.
    Zur politischen Ökonomie der Medien (und der Banken?): Wenn Informationen zur Ware werden, werden sie zu einer paradoxen Ware, deren Produktion ihre Reproduktion, ihre Verwandlung in Masse, voraussetzt, einer ab ovo flüssigen Ware, deren Tauschwert, deren Masse, im Massenkonsum (wie der Kredit in der Kreditschöpfung) erst sich bildet. Wenn sie nach der Logik von Tausch- und Gebrauchswert sich konstruieren lassen, verhält sich diese Logik zu der der materiellen Produktion nicht ähnlich wie das Glaubens- zum Schuldbekenntnis: stehen beide nicht in der gleichen Beziehung der asymmetrischen Spiegelung? Die Extreme der Medien, die Propaganda und die Reklame, sind ein Teil ihrer Definition. Anders als in der materiellen Technologie setzt hier die Anwendung der Gesetze ihre Erkenntnis nicht voraus, sondern ihre Gesetze entspringen erst in ihrer Anwendung. So wie sie die Bedürfnisse, die sie zu befriedigen vorgeben, erst schaffen (aus einem Nichts, das zu bestimmen wäre), rechtfertigen sie sich durch einen „Erfolg“, den sie nicht mehr wahrnehmen dürfen (weil er sich selbst denunziert). Medien gehorchen einer Logik, die ausschließt, daß sie wissen, was sie tun. Die Subsumtion der Information unters Tauschprinzip (durch die sie zur Information überhaupt erst wird) ist kein leichtzunehmender Sachverhalt. Jede Propaganda ist eine propaganda fidei (einer „Philosophie“), und auch die Reklame ist Propaganda. Und jede „seriöse Presse“ ist eine, die weiß, daß sie propaganda fidei ist, die dem Gesetz einer eigenen Orthodoxie gehorcht.
    Stehen nicht die Medien und die Banken (ähnlich wie Glaubens- und Schuldbekenntnis) in einem Spiegelungsverhältnis, das sein asymmetrisches Pendant in der technischen und ökonomischen Naturbeherrschung hat?
    Ist die Sexualmoral der apokalyptische Unzuchtsbecher (Inbegriff der der Bekenntnislogik zugrunde liegenden Formen der Anschauung)? Welchen Stellenwert haben in diesem Zusammenhang der der Sexualmoral zugeordnete Begriff der Unschuld (die Beziehung confessio/virginitas), die kirchengeschichtlichen Phasen der Pornokratie und der Pornographie, die Institution des Zölibats (im Kontext von Ohrenbeichte, Fegfeuer und Ablaßhandel)?
    Dann aber gehört Adornos erstes Gebot der Sexualethik zur Kritik der Naturwissenschaften: Die Sexualmoral war seit je der Schatten der Geschichte der Naturbeherrschung.
    Gründet die Taufe in der Trennung der oberen von den unteren Wassern, und ist die Taufe das Symbol der Aufhebung dieser Trennung? Der Fehler des Christentums war es, daß es anstatt mit den oberen mit den unteren Wassern getauft hat: es hat immer nur bekehrt, nie die Umkehr vollzogen, es hat die Umkehr durch die Bekehrungswut ersetzt.
    Hegels Kritik des Sollens hat ihr fundamentum in re darin, daß das Gebot sich nicht ins Universale transformieren läßt. Hegel aber konnte vom Begriff des Universalen sich nicht befreien; so ist ihm die Menschheit zur massa damnata geworden, zum Kelch, aus dem „ihm seine Unendlichkeit“ schäumt.
    Ist nicht jeder Stern, unter dem einer steht, ein Jüngstes Gericht? Und gehört nicht zum Stern von Bethlehem der bethlehemitische Kindermord? Es käme darauf an, in dieser Geschichte nicht das Glück, entronnen zu sein, zu erkennen, sondern das Entsetzliche dieses Schuldzusammenhangs, in den das Kind von Bethlehem seit seiner Geburt verstrickt ist. Hat dieser Kindermord den Entronnenen nicht auch am Kreuz noch eingeholt?
    Ist nicht das Matthäus-Evangelium eine Rekapitulation oder eine Relektüre der Schrift insgesamt (oder nur eines Teils der Schrift, und wenn, dann welchen Teils)?
    Toledot: Die Trennung des Zeugens vom Schaffen und seine Hereinnahme in die Trinitätslehre („gezeugt, nicht geschaffen“) haben die Theologie insgesamt verhext.
    Zu Gen 24: Handelt es sich bei den „Zeugungen des Himmels und der Erde“ um einen genitivus subjectivus oder objectivus, sind Himmel und Erde die Erzeugenden oder die Erzeugten? In welcher Beziehung stehen die Toledot, die Zeugungen Adams und der ihm Folgenden, zum Erschaffen? Sind sie gleichbedeutend, gehen sie ihm (wie in der christlichen Theologie, in der Trinitätslehre: als ewige Zeugung des Sohnes) voraus oder folgen sie ihm (als zeitliches, selber geschaffenes Bild und Echo des Erschaffens) nach?
    Zu Mt 11ff und Lk 323ff: Zeugungen sind keine Stammbäume (Stammbäume sind umgekehrte Zeugungen).
    Der Objektivationsprozeß als Vergangenheitsproduktion. Wie verhalten sich das Objektivieren und die Objektivität, die Verweltlichung und die Welt?
    Politische Ökonomie der Naturwissenschaften: Verhalten sich die Banken zu Produktion und Zirkulation wie das Inertialsystem zu Physik und Astronomie?

  • 27.8.1995

    Kritik des Universums: Die drei Dimensionen des Raumes bezeichnen drei differierende, nicht austauschbare Abstraktionsverfahren, die im Objekt als Widerspruch stehen bleiben (und im Subjekt das Denkverbot, das Opfer der Vernunft, begründen), wenn man sie auf einen Nenner zu bringen versucht. Dieses Abstraktionsverfahren macht drei an sich asymmetrische Spiegelungen reversibel. Der „eine Nenner“ dieser Abstraktion, das Unum des Universums (und sein Vorläufer die Unitas in der Trinitätslehre), ist der der Herrschaft, konkret zu machen nur in der Institution des Staates und in der transzendentalen Logik des Nationalismus.
    In England heißen Verwaltungsangestellte immer noch clerc, „Kleriker“. Ist nicht das Modell hierarchischer Verwaltungsstrukturen die kirchliche Hierarchie (zusammen mit ihrer kosmischen Verdoppelung in den frühkirchlichen Engelhierarchien)? In welcher Beziehung stehen diese hierarchischen Strukturen zu den militärischen Herrschafts- und Befehlsstrukturen (zu den biblischen Himmelsheeren)?
    Die Trinitätslehre ist ein Teil der Staatstheologie; und wenn der Staat ein Teil der Schöpfungsordnung ist, ist dann nicht auch die Trinitätslehre ein Teil dieser Schöpfungsordnung?
    Rind und Esel: Die Bekenntnislogik ist ein Konstrukt, das – wie die Personen in der Trinität – in einer asymmetrischen Spiegelung gründet. Glaubens- und Schuldbekenntnis stehen in genau dieser Beziehung, in der das Glaubensbekenntnis überhaupt erst sich konstituiert. Wäre die Asymmetrie dieser Beziehung nicht als Herrschaftsbeziehung zu entschlüsseln?
    Joh 129, Rind und Esel, Binden und Lösen: Die Welt als Produkt der Weigerung, die Sünde der Welt auf uns zu nehmen, ist das Erbe, das wir unseren Kinder hinterlassen: die Last, die wir auf sie abwälzen. Die Erbsünde ist die Sünde des Erbens (die Naturwissenschaften sind sind als Erbe zugleich eine Hypothek).

  • 26.8.1995

    Seit wann wird Geschichte als Legitimationshilfe (und d.h. nationalistisch) verwendet, und aus welchen Gründen? Steht nicht das heutige Bibelverständnis unter dem Bann dieses Konstrukts (Bibel als „hebräische“ Nationalgeschichte, Bibel als Sammlung imperativer, vom Heiligen Geist inspirierter, exemplarischer Texte)? Ist dieses Schriftverständnis nicht die Rache des Indikativs? (Und sind die mittelalterlichen Fälschungen, die ihre Vorläufer in der Römischen Geschichtsschreibung haben, nicht im Kontext dieses Legitimationszwangs (dem noch die moralische Verwerfung gehorcht, die im Begriff der Fälschung mitklingt) zu verstehen?
    Es wirft ein bezeichnendes Licht auf die Logik der historischen Erkenntnis, wenn man begreift, daß der Ursprung der kontrafaktischen Urteile in der Theologie liegt. Gehört nicht die Theologie, in der es kontrafaktische Urteile gibt, zum Begründungszusammenhang der Geschichte (der Vorstellung einer abgeschlossenen Vergangenheit)?
    Sind nicht in der Trinitätslehre die beiden antagonistischen Elemente des Geschichtsbegriffs vereinigt: die legitimatorische Funktion der Geschichtsschreibung und die gleichzeitige Unterwerfung der Vergangenheit unter die richtende Gewalt der Gegenwart (asymmetrische Spiegelung: Vater und Sohn)?
    Begriffe sind Brechungen und Reflexionen des Lichts, in dem die erkennende Kraft der Sprache gründet: des Namens. Verweist nicht die Geschichte vom Bogen in den Wolken nach der Sintflut auf diese Brechungen und Reflexionen? Vergleiche hierzu den Text des Basilius (der den Regenbogen als Erkenntnismodell benutzt). Ist nicht die Trinitätslehre das gebrochene und reflektierte Licht des göttlichen Namens (das gebrochene und gespiegelte Leuchten seines Angesichts)? Das Medium dieser Brechungen und Spiegelungen ist aufs genaueste bezeichnet in dem Satz (der die subjektiven Formen der Anschauung, ihre logisch-ästhetische Struktur, in sich abbildet): Das Eine ist das Andere des Anderen. Dieser Satz konstituiert den Weltbegriff und rührt an das Rätsel des Indikativs und der Urteilsform. Die Begriffe Spekulation und Reflexion gründen in diesem Zusammenhang. Der Gottesname ist im System der asymmetrischen Spiegelung gefangen (und zur Idee des Absoluten verandert).
    In der transzendentalen Logik hat Kant das System von Spiegelung und Brechung (mit den Formen der Anschauung als Symmetrieebene) aufs genaueste reflektiert. Hegels Philosophie war die letzte Gestalt des „Bogens in den Wolken“ (ihr Vorläufer war die Trinitätslehre).
    Das Feuer trennt das Licht von der Sprache, durch das Feuer sind beide aufeinander bezogen. Ist das Feuer die Manifestation des redundanten, sich auf sich selbst beziehenden Systems von Spiegelungen und Brechungen? Ist die Hegelsche Logik die genaueste Selbstabbildung des Feuers?
    Die Eucharistie-Verehrung war ein Vorläufer der Exkulpationsautomatik: Die Anbetung des heiligen Dings war die Anbetung des Objekts, auf das man die eigene Schuld abladen, verschieben konnte. Durch den, den dieses Sakrament vergegenwärtigt, war die Welt entsühnt.
    Die Todesfurcht (im Stern der Erlösung) rührt an das Problem der Vergangenheit. Sie rührt damit an den Grund des Problems des Wissens. Wissen können wir nur von Vergangenem, und im Konstrukt des Wissens steckt der Todeskeim der Vergegenständlichung, der seine Wurzeln im Begriff der Vergangenheit hat. Es ist dieser Todeskeim, der in der objektivierenden Erkenntnis und im objektivierenden Handeln (in der Praxis und in den Institutionen der Herrschaft) sich entfaltet. Benjamins Engel der Geschichte ist die Verkörperung der Trauer über das Vergangene.
    Spekulation und Reflexion gehören zur Logik des Begriffs, und die ersten Begriffe waren die Namen, mit denen Adam im Garten die Tiere benannte, während der erste Name der Name war, mit dem Adam sein Weib nach dem Sündenfall benannte: Chawah, Mutter aller Lebenden, der Name einer „Gehilfin gegen ihn“.
    Wenn Adam die Tiere benannte, und in dieser Benennung der Tiere seinen ersten Weltbegriff gewonnen hat, dann ist die Hegelsche Philosophie die Reflexion dieses Namens von innen (der ihm dann nicht zufällig zum Singular zusammenschießt: eigentlich dürfte es nach der Logik des Systems nur eine Art des Tiers geben, unterschiedene Tierarten gibt es Hegel zufolge nur, weil „die Natur den Begriff nicht halten kann“).
    Die Austreibung des Mitleids aus dem Sehen ist das Gegenstück zur Austreibung des dialogischen Elements aus der Sprache (die subjektiven Formen der Anschauung sind ein Produkt der Monologisierung der Sprache, ihrer „Theoretisierung“).
    Prophetie und Geschichte: Die Bücher Josue und Richter, Samuel und Könige gehören zu den prophetischen Büchern wie die transzendentale Ästhetik zur transzendentalen Logik: Sie liefern der Prophetie ihr „apriorisches“ Objekt.
    Im Begriff (und d.h. schon im Benennen der Tiere durch Adam) verliert der Name seine Unschuld, die nur durch Reflexion der Herrschaft im Begriff (durch Reflexion des Weltbegriffs, durch „Übernahme der Sünde der Welt“) wiederzugewinnen ist. Hängt hiermit die geschlechtsspezifische Aufteilung der Heiligen in der Kirche nach der Märtyrerzeit zusammen: die Aufteilung in Confessores und Virgines?
    Wird nicht die Linguistik heute noch vom Rassismus beherrscht, wenn sie nach einer „indogermanischen Ursprache“, die von einem „indogermanischen Urvolk“ gesprochen worden sein muß, fahndet, anstatt durch Reflexion der Sprachlogik, die in der Geschichte der Grammatik, dem Reflex der Herrschaftsgeschichte in der Sprache, sich entfaltet, den historisch-gesellschaftlichen Grund der Trennung und Verwirrung der Sprachen zu bestimmen? Steht nicht diese Reflexion der Sprachlogik, die Idee einer historischen Grammatik, immer noch unter einem Tabu?
    Läßt die Vermutung sich begründen, daß die drei Totalitätsbegriffe der kantischen Philosophie, die Begriffe des Wissens, der Natur und der Welt, ebenso wie auf ein systematisches auch auf ein sprach- und geschichtsphilosophisches Problem verweisen, daß sie in die Logik der Sprachgeschichte mit hereinspielen? Kann es sein, daß das Sanskrit den Ursprung des Wissens, die griechische Grammatik den des Naturbegriffs und die lateinische die Entfaltung und Stabilisierung des Weltbegriffs in sich abbilden und repräsentieren? Und bezeichnen diese Phasen der indogermanischen Sprachlogik (die an den jeweiligen grammatischen Konstruktionen sich müßten ablesen lassen) nicht Phasen der Beherrschbarkeit, der Instrumentalisierung dieser Totalitätsbegriffe (die dadurch erst zu Totalitätsbegriffen werden)? Verweist nicht insbesondere der Weltbegriff auf ein praktisches Moment in seiner Konstituierung: Gibt es die Welt im strengen Sinne nicht erst in der Gestalt der Weltherrschaft, des Imperiums? (Im lateinischen Weltbegriff verankert das Römische Imperium sich in den Köpfen der Beherrschten selber: In diesem Weltbegriff wird die verandernde Gewalt seiner Logik universal.) Und knüpft sich hier nicht die Verbindung zum Christentum, in dessen Gründungstexten der Weltbegriff eine ebenso zentrale wie rätselhafte Rolle zu spielen scheint? Nur im Kontext der römischen Herrschaft (und der Formen seiner Verankerung in den Köpfen der Bürger dieses Reiches) war es möglich, die weltsprengende Kraft der Tradition (durchs konservierende Dogma und durch die Gewalt der Bekenntnislogik) in eine weltkonservierende Macht zu transformieren. Nur so hat diese Tradition zweitausend Jahre Christentum überleben können.

  • 25.8.1995

    Nach Levinas stehen die Attribute Gottes im Imperativ, nicht im Indikativ. Aber schließt das Gebot der Heiligung des Gottesnamens, das an den Grund der Sprachen rührt, nicht mit ein, daß am Ende der Imperativ wieder zum Indikativ wird: zum Indikativ der Lehre (zur Sprache der eingreifenden Erkenntnis)? Die Heiligung des Gottesnamens gründet in der Beziehung der Sprache zum Angesicht Gottes; das Leuchten Seines Angesichts ist ein sprachlicher Sachverhalt: der wieder zum Indikativ gewordene Imperativ. Sprachdenken ist das Organ theologischer Erkenntnis.
    Unterscheiden die beiden Indikative (der weltliche und der der Lehre, der Indikativ vor und der nach dem Imperativ) sich nicht wie das griechische und das hebräische Perfekt: wie die abgeschlossene Vergangenheit und die vollendete Handlung? Kommt nicht die Unterscheidung dieser Welt von der zukünftigen Welt (auf die die Sünde wider den Heiligen Geist bezieht, die „weder in dieser noch in der zukünftigen Welt“ vergeben werden kann) aus dem gleichen Sprachgrund? Und sind beide nicht durch Umkehr auf einander bezogen?
    Umkehr: Der Weltbegriff macht (durch das Instrument der subjektiven Formen der Anschauung) die (eigene) Last zum Joch (für andere); Erlösung übernimmt das Joch als Last: der einzige Weg der Befreiung vom Joch. In welcher logischen Beziehung steht das Gottesreich zur Welt?
    Gegenstand der biblischen Reflexionen Klara Buttings sind vier der „Fünf Rollen“; hat es einen erkennbaren Grund, welhalb sie die dritte der fünf Rollen: das „Buch Wehe“, die Klagelieder, ausgelassen hat?

  • 23.8.1995

    Wenn der Bann (gegen Amalek oder die Kanaaniter) gegen die ökonomische Motivation, gegen das Beutemachen, sich richtet, dann schließt er auch den Erwerb von Sklaven durch Kriege aus: dann ist er gegen den Ursprung des Handels gerichtet (gegen „Kanaan“ auch in diesem Sinne). Ausgeschlossen sind somit alle Formen der Razzia (Überfälle, die zum Zweck des Beutemachens geführt werden).
    Das Barock hat das System Achaschwerosch (den demonstrativen Pomp als Quelle des Sexismus und des Antisemitismus) auf der Stufe des Feudalsystems vergesellschaft. Heute hat diese Vergesellschaftung alle erreicht: als Faschismus.
    Wann taucht der Name des Volkes (der als Plural sich konstituiert) erstmals in der Schrift auf? Und erscheint er nicht jedesmal in der Konstellation „Völker, Stämme, Nationen, Sprachen“, insbesondere bei Daniel (bzw. in der Apokalypse, zuvor aber schon vollständig in Gen 10/11, dann in Ansätzen bei Esth, Jes, Ez)?
    Ist nicht der Name des „auserwählten Volkes“ ein Name, der den nationalen (= indikativischen) Mißbrauch grundsätzlich (schon aus sprachlogischen Gründen, die mit der Beziehung des Gottesnamens zur Sprache, zu ihrer Namenskraft, zusammenhängt) ausschließen sollte? Hinweis: Das Subjekt der Psalmen ist keine Privatperson, sondern (das etwa in Davids Königtum sich verkörpernde) Israel.
    Geschichtsphilosophie des Volkes: Stämme sind Lebensgemeinschaften, Völker Schicksalsgemeinschaften, Reflex des Ursprungs und der Geschichte des Weltbegriffs. Der Name des Volks entspringt gemeinsam mit der Institution des Königtums. Der Name des Volkes gründet in herrschaftsgeschichtlichem Kontext.
    Hängen nicht Struktur und Funktion des Islam damit zusammen, daß hier der „Übergang“ in die Welt vermieden, die „Sünde der Welt“: der Prozeß der Individuation, nicht vollzogen wurde. So konnte der Bann der Stammesgesellschaft nicht gebrochen werden. Der Islam ist der (mißlungene) Versuch, in einem „vorweltlichen“ Unschuldszustand zu verharren. Deshalb ist der Übergang in den Säkularisationsprozeß so schwierig (und deshalb hat der Islam diese Anziehungskraft für Völker, die dem Eintritt in die säkularisierte Welt sich widersetzen).
    Gibt es im Islam die Institution des Königs? Und ist nicht die Prophetie – als deren Widerpart – an diese Institution gebunden? Ohne die Institution des Königs verändert sich auch die Prophetie, und zwar sowohl im Islam (mit Muhammed, der nur noch der Sekretär eines Gottes ist, der seinen Koran selber schreibt) wie auch im Christentum. Auch Jesus war ein Prophet, aber einer, der nicht mehr den König, sondern den Caesar als Objekt hat, und deshalb mit den Insignien eines zur Schande, zum Spott gewordenen Königs (Dornenkrone, „Jesus Nazarenus, Rex Judaeorum“) ans Kreuz geschlagen wurde.
    Die Reflexion der Grammatik hat die Spuren der Herrschaftsgeschichte in der Sprache zum Gegenstand.
    Kruzifix-Urteil: Als Instrument der Rechtfertigung ist das Bekenntnis zynisch: die Verharmlosung einer tödlichen Waffe (und die Verdrängung des Bewußtseins seiner Außenwirkung).
    Der „Mut zur Bürgerlichkeit“ (Odo Marquard in der FR vom 22.8.95) erinnert nicht zufällig an den „Mut zur Erziehung“; zu fordern wäre, diesen Mutbegriff endlich einmal zu reflektieren. Dieser Mut ist Ausdruck der Feigheit, die dem, was ohnehin alle denken, nicht mehr entgegen zu treten wagt. Dieser Mut erinnert an die faschistoiden Mutproben von peer-groups, an die gemeinschaftsstiftende Kraft z.B. von Grabschändungen (die auf einen ähnlichen gruppendynamischen Hintergrund zurückweisen), oder an einen soldatischen Mut, der nur zu feige ist, den mörderischen Handlungen, an denen er teilzunehmen sich gezwungen sieht, sich zu widersetzen (und sein Gewissen, den „inneren Schweinehund“, durch die Vorstellung der Ehre übertäubt). Es sollte eigentlich eine Warnung sein, daß der faschistische Mut, der aus dieser Konstellation erwachsen ist, seit je an den Schwächsten (an Juden, Frauen, Ausländern, Behinderten) sich abreagierte (und heute wieder abreagiert). Der Mut gehört zur Bekenntnislogik, diese aber ist ein Produkt des Herrendenkens, das von seinem theologischen Ursprung sich emanzipiert hat. Und der „Bürger“, auch wenn er heute kein „Untertan“ mehr ist, ist längst zur Parodie der hegelschen Dialektik von Herr und Knecht geworden: die reinste Verkörperung einer Knechtsgesinnung, die ihren eigenen Herrn noch überlebt und darin den Grund seines Herrendenkens findet.
    Läßt sich bei Jeremias (oder überhaupt bei den „großen“ Propheten) nicht die Konstellation, der der Übergang vom Namen der Hebräer zu dem Juden sich verdankt, rekonstruieren? Ich denke an die Beziehung des Satzes „Bete nicht mehr für dieses Volk“ zu dem anderen „Bete für das Wohl der Stadt“ (zusammen mit einigen anderen Motiven, die genau zur Geschichte des Ursprungs des Weltbegriffs und deren Zusammenhang mit der „babylonischen Gefangenschaft“ paßt)? – Dazu gehören das „Grauen um und um“, der Gottesknecht des Deuterojesaia, die Visionen des Ezechiel.
    Differenz im Begriff des Daseins: Bei Heidegger bezeichnet er das reine deiktische Moment des Draußen (der Geworfenheit), während er im Gottesnamen in der buber-Rosenzweigschen Bibel-Übersetzung das Bei-uns-Sein Gottes bezeichnet, Seine Barmherzigkeit. Der Name der Barmherzigkeit ist nichts, ist wesenlos und gegenstandslos ohne die Idee der Heiligung des Gottesnamens. Heiligung des Gottesnamens, das heißt: das steinerne Herz der Unendlichkeit erweichen.
    Wird nicht der Glaube im Angesicht Gottes aus seiner Beziehung zum Wissen (die ihn verhext) herausgelöst und zum Vertrauen?
    Macht die Rechtfertigungslehre seit Luther nicht einen unzulässigen Gebrauch von dem Satz „Herr, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun“ (und gilt dieser Satz nicht im Kern schon fürs Dogma, insbesondere für die Trinitätslehre)?
    Handelt es sich bei dem Himmel, der am Ende wie eine Buchrolle sich aufrollt, um das Werk des zweiten Tags: das Gewölbe, die Feste des Himmels? Und erscheint darin nicht das Jüngste Gericht (in dem jeder sich selbst wiedererkennt), das aufgedeckte Angesicht, der geheiligte Name Gottes, das Gericht der Barmherzigkeit über das gnadenlose Weltgericht?
    Zum Unterschied zwischen Himmel- und Gottesreich: Gebunden und gelöst wird (so wie zuvor auf Erden) im Himmel, nicht „in Gott“.
    Darin, daß das Licht vor den Leuchten erschaffen wurde, liegt die biblische Begründung der Kritik der Verdinglichung.

  • 22.8.1995

    Die Bemerkung Wilhelm Salbergs, „das Judentum kenne keine Erbsünde, mithin auch keine individuelle Erlösung (wohl aber eine kosmische)“ („Auschwitz als Herausforderung, Heidelberg 1980, S. 525), verweist auf den gemeinsamen Ursprung des Begriffs der Erbsünde und des Weltbegriffs. Gehört das nicht mit zur Esther-Geschichte, in der der Weltbegriff zusammen mit dem Sexismus und dem ersten manifesten Antisemitismus erscheint. Frauenfeindschaft und Antisemitismus sind Konstituentien des Weltbegriffs, sie gehören mit zu seiner Ursprungsgeschichte, die der Sache nach mit Babylon beginnt. Die babylonische Gefangenschaft und das Exil der Schechina gehören seitdem zu der Vergangenheit, die nicht vergeht.
    Wie verhält sich das Buch Esther zu dem Ereignis, das Heinsohn u.a. die „Venuskatastrophe“ nennen: Ist nicht die astrologische Komponente (Esther = Ischtar, Mardochai = Marduk) ein Hinweis, daß in dieser Konstellation die dann an den Himmel projizierte gesellschaftliche Naturkatastrophe (Ursprung des Staates und des Vorurteils: des Sexismus und des Antisemitismus) zu suchen ist? Gehört das Buch Esther nicht in den Zusammenhang, der Astronomie und Staat an einander bindet? (Haben die drei Weisen aus dem Morgenland, die „seinen Stern gesehen“ haben, etwas mit dieser Geschichte zu tun?)
    Die Lösung des Problems der Apokalypse ist ohne den Hintergrund einer negativen Kosmologie nicht zu gewinnen. (Die Lösung auch der Frage, weshalb diese Texte den Eindruck von Artefakten und Kollagen machen.)
    Messianische Wehen: Liegt nicht das Problem der Apokalypsen darin, daß sie unter dem Bann des gleichen Weltbegriffs stehen, dessen Kritik in ihnen enthalten ist (und heranreift). Steht nicht die Apokalypse (wie auch ihr Säkularisat, die Hysterie, zu der sie in einer durchaus logisch-systematischen Beziehung steht) in der Nachfolge des Mutterschoßes, aus dem Gott zuvor seine Propheten berufen hat (das kostbare Gefäß Seiner Barmherzigkeit)?
    Welche Rolle spielt der Name Israel nach der babylonischen Gefangenschaft? (Die Namen Israel und JHWH kommen in Esther, Kohelet und im Hohenlied nicht vor, im Buch Daniel nur in 13 <Israel> und Kap 9 <Israel und JHWH>. Wird nach der babylonischen Gefangenschaft der Name der Hebräer durch den der Juden ersetzt, und liegt die Differenz im Vorurteil, in der „Judenfeindschaft“?)
    Alle Frauen im Stammbaum Jesu im Matthäus-Evangelium gehören zur Ursprungsgeschichte der „Juden“ (Thamar, Rahab, Ruth und „die Frau des Urias“). Und alle Frauen sind Fremde (Thamar offensichtlich eine Kanaaniterin, Rahab aus Jericho, Ruth eine Moabiterin und Batseba, „die Frau des Urias“, die Frau eines Hethiters).
    Das Problem des Bibel-Verständnisses ist auch auch ein sprachgeschichtliches Problem. Es löst sich auf, wenn es gelingt, den Bann des Indikativ, der auf der Sprache lastet, zu sprengen (Indikativ: „die Form der neutralen, sachlichen Aussage“, vgl. Lexikon der Sprachwissenschaft, S. 330). Vgl. den Begriff der „Wirklichkeit“ und Hegels Entfaltung dieses Begriffs in der Logik. Wirklichkeit ist ein herrschaftsgeschichtlich vermittelter Begriff.
    Das Referenzsystem der Wirklichkeit (der „Realität“) ist das Inertialsystem (Äquivalent des Selbsterhaltungsprinzips), das über die Vorstellung des Zeitkontinuums auch die Geschichte (und zwar von ihrem Ursprung her als Nationalgeschichte) konstituiert.
    Die Beziehung des zweiten zum ersten Teil des Sterns entfaltet die Differenz zwischen dem Begriff des Überzeitlichen und der Idee des Ewigen.
    Wer die Erlösung an die Trinitätslehre bindet, macht sie zu einem Bewußtseinsakt. Er stellt das Licht unter den Scheffel, und er löscht den Funken.
    Der Name, das Angesicht und das Feuer bilden eine Konstellation. Beziehung zur Trinitätslehre: Ist nicht der Sohn die „Erscheinung“, der Heilige Geist das Leuchten Seines Angesichtes (in dem übrigens allein die „Erscheinung“ sichtbar wird)? Zwischen dem Erscheinen und dem Leuchten liegt die Heiligung des Namens (das die Sprache reinigende Feuer). Sind nicht alle Stellen in der Schrift, in denen vom „Bekenntnis des Namens“ die Rede ist, zu übersetzen mit „Heiligung des Namens“?
    Der Begriff des Blutes erinnert nur noch ans Schlachten, ans Töten. Das hat die Opfertheologie in den blasphemischen Zusammenhang gerückt, dem auch die Trinitätslehre angehört. Sie steht in der Tradition des Blutes Abels, das zum Himmel schreit. Die andere, mit dem Tötungsverbot verknüpfte Tradition ist die, die das Blut auf die Seele bezieht (eine Tradition, die eher das Schächten zu begründen vermag als das „humane“ Schlachten im Schlachthaus). Zwischen beiden Traditionen steht die kopernikanische Wende (gleichzeitig mit dem heliozentrischen System wurden der Blutkreislauf entdeckt, durch die Einführung der Lohnarbeit die Zirkulation – und damit die Selbstkonstituierung – des Geldes begründet sowie die Erlösung als Rechtfertigung an das Bekenntnis der Trinitätslehre gebunden). Erst mit der Öffnung des („unendlichen“) Raumes haben die Dinge sich verschlossen, sind sie zu Dingen geworden. Aber diese Öffnung des Raumes steht unter dem Wort: Da gingen ihnen die Augen auf, und sie erkannten, daß sie nackt waren.
    Die Lastschrift, das Verwaltungshandeln und das Schuldverschubsystem (stand nicht am Ursprung der Schrift die Lastschrift?).
    Gog und Magog (Ez 38/39, Off 208): Hat das Ma- in Magog etwas mit dem Ma- in Majim zu tun (Gog/Agag = tectum, Magog = de tecto)? Der Judenfeind Haman, ein Agagiter, im Buch Esther: ein Amalekiter (Amalek = populus lambens)?
    Die Dialektik ist die Verletzung des Verbots, mit Rind und Esel gemeinsam zu pflügen, durch seine Instrumentalisierung: Sie subsumiert den Esel unter die Gattung der Rinder. Ist die Trinitätslehre das Exil der Schechina?

  • 21.8.1995

    Kontrafaktische Urteile sind der Schatten des Indikativs. Der Indikativ ist der Widerstand, an dem die Geschichte des Weltbegriffs sich abarbeitet, und zugleich das Formprinzip des Weltbegriffs. Er ist die Quelle der Finsternis, an der sich das „Licht der Welt“, der Auftrag der Kirche, messen läßt.
    Ist die Frage „Welcher Vater gibt seinem Kind anstelle des Brots einen Stein und anstelle eines Fisches eine Natter“ nicht eine an die Kirche gerichtete rhetorische Frage?
    Wenn der Materialismus eine Verkörperung des projektiven Denkens ist, dann ist die bürgerliche Kritik des Materialismus selber eine materialistische Verarbeitung dieser Kritik.
    Die Logik der asymmetrischen Spiegelung, die mit der Trinitätslehre sich entfaltet, ist eine Weiterbildung der projektiven Logik der griechischen Philosophie.
    Das Christentum hätte eigentlich durch die Dämonen in den Evangelien schon gewarnt sein müssen: Ist es nicht durch den projektiven, den konkretistischen, personalisierenden Gebrauch dieser Vorstellung selber dämonisch geworden?
    Hat die Stelle im Buch Ruth „… sie, die mehr wert ist für dich als sieben Söhne“ (415) etwas mit den sieben Schöpfungstagen und mit Maria Magdalena zu tun?
    Die Gemeinsamkeiten zwischen dem Buch Esther und der Josefs-Geschichte werden erst durchsichtig, wenn man die Differenzen hinzunimmt: Ägypten/Persien, Pharao/Achaschwerosch, Hebräer/Juden, Hungersnot/Judenfeindschaft, Ökonomie und Sklaverei/Bekenntnislogik und Herrendenken. Zwischen den beiden Büchern liegt die Wasserscheide des Weltbegriffs. Erscheinen nicht der Name der „Hebräer“ zuletzt bei Saul, vor der Begründung des Hauses Juda durch David?
    Welche Bedeutung haben die Benjaminiten-Geschichten und deren Beziehung zu Bethlehem (mit der Zuspitzung in Gibea, dem Geburtsort Sauls)?
    Hat das Zerbrechen des Stabs des Brotes in Jerusalem etwas mit Bethlehem zu tun?
    Welche Rolle spielt das Buch Judith (die „Jüdin“, die bei Holofernes zur Hebräerin wird), außerdem Jona 19 („ich bin ein H. und verehre JHWH …“), Sir 122 („hebräische Sprache“) sowie 2 Makk?

  • 20.8.1995

    Babylon will einen Turm bauen, dessen Spitze „bis an den Himmel reicht“ (Gen 114), Jakob träumt von einer Leiter, dessen Spitze „bis an den Himmel reicht“ (Gen 2812). Zum Himmel schreit das Blut Abels (Gen 410), an den Himmel reicht die Wut des Königs von Israel (2 Chr 289), die Schuld des Volkes (Esr 96), das Gericht über Babel (Jer 519), der Wipfel des Baums im Traum des Nebukadnezar (Dan 48), die Größe des Königs (ebd. 419).
    Die Sprache unterscheidet sich von der Sache durch das eingeschobene -pr-. Stecken in dieser Einschiebung die Barbaren, die Hebräer, die Hapiru?
    Das Neutrum läßt sich aus dem Maskulinum herleiten, wenn man den Akkusativ als Nominativ nimmt (z.B. bei Kollektivbegriffen wie Gehölz, Gebirge: durch innere Pluralisierung des Individuellen). Das Neutrum gründet in der logischen Nichtunterscheidbarkeit des Einzelnen und Allgemeinen: Deshalb bezeichnen die Begriffe Objekt und Person Hypostasen oder Verkörperungen des Schuldverschubsystems (Konkretismus und Personalisierung). Erst die moderne Aufklärung hat – im Kontext der Entfaltung des Inertialsystems und mit der Ablösung der Sklaverei und der Leibeigenschaft durch das Institut der Lohnarbeit (im Kontext von Naturwissenschaft und Kapitalismus) – das Objekt zum Subjekt synthetischer Urteile apriori gemacht.
    Kritik des Gattungsbegriffs: Der Begriff der Gattung ist der Ursprungsbegriff der Philosophie: Er ist das Realsymbol der Leugnung der Asymmetrie, der Verletzung des Verbots, mit Rind und Esel gemeinsam zu pflügen. Im Begriff der Gattung (und in seiner Folge in jeglichem Universalismus) werden Zeugung und Tod (Last und Joch) zusammengedacht: Christologie, Opfertheologie und Trinitätslehre, und mit ihnen das Dogma insgesamt, konstituieren und legitimieren den Begriff der Gattung wie sie zugleich im Kontext ihrer Reflexion als Schlüssel sich erweisen, der diesen Begriff und seine geschichtliche Funktion (seine Beziehung zum apokalyptischen Realsymbol des Tieres, das war, nicht ist und wieder sein wird) aufzuschlüsseln vermag. Man könnte sagen: Gegenstand der apokalyptischen Lösung der sieben Siegel ist der Gattungsbegriff. Hiermit hängt es zusammen, wenn der Bekenntnisbegriff (wie er im männlichen Heiligentypos des Confessor sich spiegelt) seit je ein männlicher Begriff gewesen ist: In ihm, in seiner Beziehung zum Gattungsbegriff, spiegelt sich die konstitutive Beziehung des Gattungsbegriffs (und seiner Momente Zeugung und Tod) zum Naturbegriff (und zwar sowohl zur griechischen physis wie zur lateinischen natura, die aus der unterschiedlichen Akzentuierung der Beziehung von Zeugung und Tod im Gattungsbegriff sich herleiten) wie auch zum Begriff und zur Logik des Bekenntnisses. Rosenzweigs Reflexion der Todesangst bezieht sich ebensowenig wie das Kelch-Symbol in der Getsemane-Geschichte in den Evangelien auf die private Todesangst; beide gründen vielmehr in dieser Konstellation; daraus gewinnt der Stern die argumentative Kraft, die mit dem Begriff der Gattung (der dann im zweiten Buch des ersten Teils des Stern, in der „Metalogik“, seinen „logischen Ort“ findet) den Begriff des Alls und mit ihm den Universalismus der Philosophie sprengt: die Verletzung des Verbots, mit Rind und Esel gemeinsam zu pflügen, aufhebt. Darin gründet das „Neue Denken“, die Reflexion der verandernden Kraft des Indikativs, die Wiedergewinnung einer Theologie, in der Gebet und Erkenntnis eins werden, die Begründung einer Theologie im Angesicht Gottes, in der die Mystik rational wird.

  • 19.8.1995

    Zur Unterscheidung der Idee des Ewigen vom Begriff des Überzeitlichen: Es ist der gleiche Unterschied, der die Prophetie (die Schrift) von der Philosophie, die Lehre vom Dogma trennt. Die Idee des Ewigen schließt die Vergangenheit von sich aus; das Ewige läßt sich nicht als vergangen denken. Sie gründet darin, daß eine ursprüngliche Vergangenheit sich nicht denken läßt: Jede Vergangenheit ist die Vergangenheit von etwas, das einmal war. So muß jedes Vergangene einen Anfang haben, dessen Vergangenheit es ist, einen Ursprung. Ohne diese Beziehung des Vergangenen zu seinem Ursprung in einer vergangenen Gegenwart gäbe es keine Erinnerung. Das Gegenbild der Idee des Ewigen ist eine Vorstellung der Zeit, in der jede Zukunft einmal vergangen sein wird: Produkt der Subsumtion der Zeit insgesamt, die Zukunft eingeschlossen, unter die Vergangenheit. Während die Idee des Ewigen durch die Erinnerung der vergangenen Zukunft sich bestimmen läßt, steht der Begriff des Überzeitlichen unter dem Gesetz der Vergangenheit, ihrer Gewalt über alles Zeitliche, auch über die Zukunft. In dieser Konstellation gründet der Begriff des Wissens (und des Sehens), der der Philosophie (und dem historischen Objektivationsprozeß) zugrunde liegt, während die Idee des Ewigen die der Offenbarung (und des Hörens) begründet. Die Trinitätslehre ist das Produkt der Übersetzung der Theologie in eine Logik, die an den Begriff des Überzeitlichen sich anschließt: in die Sprache des Indikativs, die unter der Herrschaft der Vergangenheit steht. Die Trinitätslehre steht am Beginn der Geschichte einer Logik, an deren Ende das Inertialsystem steht (nur deshalb ist es möglich, gleichsam trinitarische Strukturen in der Mikrophysik zu entdecken). Der traditionelle theologische Topos der Unterscheidung des Ewigen vom Überzeitlichen ist die Unterscheidung von Barmherzigkeit und strengem Gericht. Bezieht sich hierauf nicht 1 Kor 1522-28?
    Der Name des Logos ist ambivalent: Nur im Kontext der Vorstellung des Überzeitlichen wird er zum Begriff, im Kontext der Idee des Ewigen erweist er sich als Name (als erkennende Namenskraft der Sprache). Als Begriff führt er über die Trinitätslehre in den Säkularisationsprozeß. Wiederzugewinnen wäre die im Kontext dieser Logik verdrängte und verloren gegangene (zum Bekenntnis neutralisierte) Idee des Namens.
    In der Kabbala gibt es das Motiv, daß die sechs Richtungen des Raumes auf den göttlichen Namen versiegelt sind. Hat nicht die Trinitätslehre eine ähnliche Bedeutung? Und wäre hieraus nicht die Bedeutung des Gebots der Heiligung des Gottesnamens und dessen Beziehung zur Sprache insgesamt zu abzuleiten?

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