Die Sklaverei ist eine Vorstufe des Handels und der Geldwirtschaft. Die ersten Waren waren die bei Eroberungen erbeuteten Gefangenen. Zur Schöpfung gehört die Folge von Katastrophe und Rettung, erst das Christentum war die Rettung als Katastrophe. Zur Kritik des Tauschprinzips: Der Faschismus verweist auf ein ungelöstes Problem in der Marxschen Kapitalismuskritik. Die Identität des Objekts gründet in der Identität des Vergangenen: Das Wasser unter dem Himmel sammle sich an einem Ort, daß das Trockene sichtbar werde (Gen 19). – Aber verweist nicht die Einsteinsche Zeitdilatation, die auf die Richtungen im Raum getrennt sich bezieht, darauf, daß es diese Identität des Vergangenen nicht gibt? Die Zeitdilatation bezieht sich auf die Grenze zu einer Vergangenheit, die insgesamt nicht ist: auf das Moment des Nichtseins an der Vergangenheit. Zum Begriff des Gesetzes (des Inertialsystems): Verweist nicht die Gesetzesbindung der Verwaltung darauf, daß auch die Verwaltung eine Art Gericht ist: ein Standgericht, das seine Urteile unmittelbar vollstreckt? Die hoheitliche Tätigkeit des Beamten, deren Modell die Tätigkeit der Polizei ist, bezeichnet den Anteil der Verwaltung an einer richtenden Tätigkeit, zu der es in der Regel keine Verteidigungsmöglichkeit mehr gibt. Verwaltungsgerichte sind Revisionsgerichte. Für die einen ist das Recht ein Mittel der Selbsterhaltung, ein Instrument der Berechenbarkeit und Beherrschung gesellschaftlicher Prozesse, für die anderen ist es bloß Schicksal. Durch die Naturschutzmaßnahmen im Mönchbruch werden auch Handlungen als Vergehen definiert, die nicht die Natur, sondern nur die Allmachtsphantasien und das Gesetzesverständnis der Verwaltung berühren. Haben die Israeliten in den Geschichten der Eroberung Kanaans vielleicht erlittene Erfahrungen als eigene Handlungen beschrieben, um so diese Erfahrungen bearbeiten zu können? Ist nicht die ganze Schrift Erinnerungsarbeit (und kein normativer Text)? Sind die „drei Abmessungen“ des Raumes (wie Kant sie nannte) auf die Trinitätslehre versiegelt? Der Staat nimmt die Sünde der Welt hinweg: er erlaubt es seinen Bürgern, ihren Rachetrieb in der Justiz und in den Knästen auszuleben und nimmt die Schuld daran auf sich. So entsühnt er die Welt. Ding und deutsch: Wie hängt die Verdinglichung mit dem Nationalismus (in der Religion: mit dem Fundamentalismus) zusammen? Der Nationalismus ist (wie der Fundamentalismus) ein Schutz vor der Wahrnehmung der logischen Konsequenzen der Verdinglichung: ein Instrument der Verblendung. Ich bin gekommen, Feuer vom Himmel zu holen, und ich wollte, es brennte schon. Ist dieses Feuer das Symbol des Gegenblicks, das die Formen der Anschauung durchbrechende Element (das Feuer im hebräischen Namen des Himmels)? Und ist dieses Feuer die Verkörperung des „Wer“ (und das Wasser die des „Was“)? Und sind nicht die Formen der Anschauungen die logischen Formen des Deiktischen (der Grund des Heideggerschen „Daseins“)? War die Heinsohnsche Revision der Chronologie nur möglich bei gleichzeitiger Abstraktion von der Bedeutung dieser Revision für die Gegenwart? Das heißt: War sie nur möglich unter den Bedingungen des Konkretismus („Venus-Katastrophe“)? Wie hängt im christlichen Begriff der Liebe das passive, das Ich erweckende und konstituierende Element der Empfindung mit dem aktiven Element der tätigen Liebe (der Barmherzigkeit) zusammen? Liegt nicht dazwischen die Passion und Auferstehung? Zu Ez 412ff: Zu den Attributen der Hölle gehörte in der christlichen Tradition immer auch der Gestank. Der Gestank destruiert und vertreibt die Erinnerung. Haben das Riechen und der Geruch (die göttliche Wahrnehmung der Gebete der Heiligen) etwas mit dem ruach zu tun? Hängt nicht die Beziehung von Kot und Geld mit dieser die Erinnerung destruierenden und vertreibenden Gewalt zusammen? Steckt in der Menschenkot-Stelle bei Ezechiel nicht auch noch die Beziehung zur Geschichte des Opfers: zur Ablösung der Erstgeburt des Menschen durch das Rind (nicht der Armen: die wird ausgelöst durch die Taube, die dann zum Symbol des Heiligen Geistes geworden ist)? Das Exil hat den genealogischen und kollektiven Schuldzusammenhang gesprengt, die Verantwortung individualisiert. Der gesprengte Schuldzusammenhang reproduziert sich im Kontext des „dixi et salvavi animam meam“: Die individualisierte Verantwortung ist auf das Ganze bezogen. Gründet nicht die Kommunikationstheorie in der Trennung der Sprache von ihrer erkennenden Kraft, in der Aufzehrung ihres eigenen Grundes? Das war erst möglich im Banne einer vom Neutrum beherrschten Sprachlogik. Ist nicht die Hegelsche Philosophie, wie an der Dialektik von Herr und Knecht in der Phänomenologie des Geistes nachzuweisen wäre, „kanaanäisch“ (Gen 925)? In der Marxschen Transformation der Hegelschen Dialektik drückt sich das im Paradigma des Tauschprinzips aus. Vergewaltigung: Ist nicht die Orthodoxie (das Dogma, das Bischofsamt und das kirchliche Lehramt) eine Verletzung des Rates der Keuschheit, die auch durchs Zölibat nicht aufzuheben ist?
August 1995
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4.8.1995
Kelch des göttlichen Zorns, das Inertialsystem oder der Ursprung der indogermanischen Sprachen: Wer sich zum Herrn des Raumes macht, wird zum Objekt der Zeit. Das Perfekt ist keine Qualität des Handelns mehr, sondern eine der Zeit: die „vollendete Vergangenheit“.
Transzendentale Ästhetik: Das Reich der Erscheinungen ist der Inhalt des Kelchs.
Wie der Begriff des Ewigen die Vergangenheit von sich ausschließt, so der des Heiligen die Eigentumsfähigkeit, die Verfügbarkeit, die Beherrschbarkeit. Die Idee des Ewigen konstituiert sich in ihrer Beziehung zur Zeit, die des Heiligen in ihrer Beziehung zum Raum. Deshalb gehört zur Heiligkeit die Umkehr. Heiligkeit hat mit den drei evangelischen Räten, mit Armut, Hören und Keuschheit, zu tun.
Die Heiligung des Gottesnamens ist das Abarbeiten der Ontologie in der Theologie. Die Ontologie bezeichnet das Moment der Selbstreferenz in der Philosophie.
Der Säkularisationsprozeß ist die Geschichte der Entfaltung des Eigentumsprinzips, er ist zugleich die Geschichte der Selbstlegitimation des Bestehenden.
Im Modernisiserungsschub des Faschismus ist der beschränkte Untertanenverstand zum Verwaltungsverstand geworden.
Heidegger hat mit seinem Begriff des „In-der-Welt-Seins“ die Distanz, die Kant mit dem Imperativ, daß der Mensch niemals nur als Mittel, sondern zugleich auch als Zweck zu behandeln sei, bezeichnet hat, endgültig aufgehoben, nivelliert, neutralisiert. Dann aber bleibt in der Tat nur das Vorlaufen in den Tod (das die Eigentlichkeit begründet: den verzweifelten Nachhall dessen, was einmal Würde hieß).
Die Paranoia gründet im Eigentumsprinzip.
Gotteserkenntnis, die Erkenntnis, daß Gott den Himmel aufgespannt und die Erde gegründet hat, schließt die Kritik eines Schöpfungsbegriffs, der den Staat und die Welt an einander bindet, mit ein.
Handel, Banken, Verkehr: Das Trägheitsgesetz wird durchsichtig am Modell der Zirkulation, das Gravitationsgesetz an dem des Kredits.
Wo kommt der Name des „Neuen Testaments“ erstmals vor? Wahrscheinlich (zusammen mit dem Begriff des Erben, der Erbschaft) bei Paulus? Wenn nach Paulus die Christen (als „Kinder Gottes“) „Erben des Reiches“ sind, so werden sie hier in die Passivität der Erwartung gebannt, dem Wort vom Binden und Lösen wird die Grundlage entzogen, das Lösen (oder genauer: jede Alternative zum Binden) wird ausgeschlossen. Das „Neue Testament“ steht unter dem Bann der Vergangenheit. Gründet nicht der Name des „Neuen Testaments“ in der Rezeption des Weltbegriffs?
Was bedeutet Hebr 916f: „Denn wo ein Testament ist, da muß der Tod dessen erfolgen, der es errichtet hat; denn ein Testament ist für den Todesfall fest, weil es keine Kraft hat, solange der lebt, der es errichtet hat“? Heißt das, daß Gott tot ist, oder daß Gott von uns durch eine Todesgrenze getrennt ist?
Die List der Vernunft bezeichnet den projektiven Anteil am Begriff der Erkenntnis und des Wissens: die List der Schuldverschiebung, die die Erkenntnis neutralisiert, sie „objektiv“, „für alle gültig“ macht. Die Idee der Wahrheit aber schließt die Fähigkeit zur Schuldreflexion mit ein (und so, im asymmetrischen Kontext der „Sündenvergebung“, auch das des Bekenntnisses).
Bekenntnis und Sündenvergebung: Nur wer zur Kirche (zur Nation etc.) sich bekennt, wird von der Sünde, nicht dazu zu gehören: von der Sünde der Trennung befreit. In dieser logischen Konstellation (die mit der Entstehung der Großreiche – mit dem Ursprung des Staates – sich bildet und in der Prophetie erstmals reflektiert wird) konstituiert sich der Glaube.
Herrendenken: Das Inertialsystem (Repräsentant des Staats in der Natur) trennt Täter und Opfer in der Katastrophengeschichte, trennt die Verursacher von den Objekten (vgl. die sprachlogische Diffenrenz von Sehen und Hören bei Ezechiel). -
3.8.1995
Es gibt eine Tradition der Wut, die über die Feindbilder der Fremdheit sich fortpflanzt (über Juden, Zigeuner, Heimatvertriebene, Kommunisten, Ausländer, Asylanten). Wie sehr diese Wut schon den großen abendländischen Traditionen immanent ist, mag man an den Namen der Barbaren, der Juden, der Heiden, der Ketzer, der Wilden erkennen. Aus der politisch-gesellschaftlichen Verinnerlichung dieser ursprünglich nach außen (gegen Fremde) gerichteten Tradition stammen das Strafrecht und die Knäste, die dem Rachetrieb eine gesellschaftliche Form und Legitimation geben. Die Geschichte der politisch-gesellschaftlichen Verinnerlichung der Wut ist die Ursprungsgeschichte des Staates, ihre biblischen Realsymbole sind nach Sodom, Jericho und Gibea insbesondere Ägypten und Babylon.
Was ist es, was die Gläubigen so wütend macht, so leicht in Rage versetzt?
Feind-Wahlverwandtschaften: Es gibt kein Feindbild ohne projektiven Anteil, ohne Wahl.
Verwaltete Welt: Seit dem nationalsozialistischen Programm der „Endlösung der Judenfrage“ gleichen Verwaltungsmaßnahmen immer häufiger paranoiden Präventivschlägen (gegen die chaotischen Massen der durch Verwaltung zu Betreuenden: der Schüler, der Fürsorgeempfänger, der Gläubigen, der Arbeitslosen, der Kranken, der Steuerzahler, der Asylanten, der Spaziergänger).
Die Geschichte vom Sündenfall auf die Ursprungsgeschichte des Dogmas beziehen: mit dem Hellenismus als Schlange, der Kirche als Eva, dem Kaiser als Adam und dem Dogma (und dem Sakrament) als der (verbotenen) Frucht vom Baum der Erkenntnis. – Für Augustinus war das Symbolum noch ein Sakrament. Erst die Scholastik hat das Dogma vom Sakrament getrennt: So ist sie zur Ursprungsgeschichte der Aufklärung geworden.
…, sicut et nos dimittimus debitoribus nostris: Das Sündenvergeben ist ein Teil des parakletischen, des verteidigenden Denkens. Hier ist der Punkt, an dem der Anspruch der jesuanischen Botschaft über Ezechiel hinausgeht. Das Amt des Ezechiel war das des warnenden Propheten. Nachdem die Warnung (vor einer Zukunft) zum Urteil (über etwas Vergangenes) verdinglicht war, mußte die neue Gestalt der Prophetie parakletisch sein (durch Erinnerung vermittelt).
Die Beichte hat durch die sakramental verdinglichte Rollenverteilung das Sündenvergeben vom Tun (von der Versöhnung) getrennt, es zum konsumistischen Akt remythisiert. -
2.8.1995
Stehen unsere hebräischen Grammatiken nicht schon unter dem Apriori der griechischen (der indoeuropäischen) Sprachlogik, werden sie nicht hieran gemessen: Gibt es im Hebräischen den Indikativ?
Das Substantiv ist ein Produkt des Indikativs.
Ochs und Esel: Die entscheidende Umkehr, die sich auf das Verhältnis von oben und unten (auf die Herrschaftslogik) bezieht, ist die, daß man die Last auf sich nimmt (anstatt sie als Joch andern aufzuerlegen), und sich so von ihr befreit: Die Fähigkeit zur Reflexion des Schuldverschubsystems und der Verzicht auf seinen Gebrauch in der Erkenntnis.
Der Begriff der Sünde hängt mit dem Sondern, der Trennung, zusammen; auf welche sprachlichen Ursprünge verweisen das peccatum und die hamartia?
Zu Ezechiels Individualisierung der Verantwortung gehört auch das „dixi et salvavi animam meam“: Prophetie als Eingriff. Ist nicht der ein Prophet, der weiß, daß mitschuldig wird, wer nicht eingreift?
Alle Menschen streben nach dem Glück: Dieser Satz ist zweideutig. Während dieses Glück vor Gott im Gutsein besteht, besteht es vorm Staat im Bösen: in der Teilhabe an Herrschaft.
Teekessel: Die wichtigsten Äquivokationen sind nicht nur Äquivokationen. So das Sein, das Zeugen, der Sinn.
Die Schrift ist das Exil des Wortes (und das Exil der Ort der Erinnerung).
Das Dogma ist die Isolationshaft Gottes.
Die Heiligung des Gottesnamens ist die Befreiung der Erkenntnis vom Bann des Urteils, des Begriffs, der Verdinglichung.
Der Gottesname, der nicht ausgesprochen werden durfte, ist der einzige Gottesname, zu dem es keinen Plural gibt (und wenn die historisch-kritische Bibelwissenschaft diesen Gottesnamen ausspricht, tut sie so, als gäbe es einen Plural dazu, als wäre es nur ein jüdischer Gottesname). -
1.8.1995
Übersetzung der Schrift in den Indikativ: Jesus hat einmal einem Pharisäer das Wort in den Mund gelegt: „O Gott, ich danke dir, daß ich nicht bin wie die übrigen Menschen, Räuber, Ungerechte, Ehebrecher, oder auch dieser Zöllner.“ (Lk 1811) Wenn Christen diese Stelle lesen, denken sie: „O Gott, ich danke dir, daß ich nicht bin wie die Pharisäer.“ – Verdankt sich nicht die christliche Vorstellung, daß die Prophetie in Jesus sich erfüllt hat, u.a. der Übersetzung der Prophetie in den Indikativ (mit dem Effekt, daß man die Prophetie historisiert, sie nicht mehr auf sich beziehen muß). Der Aktualitätsbezug, der Kern der Prophetie, ist dadurch entschärft worden, daß diese Aktualität als vergangene gesetzt wird. Hat nicht die griechische (indoeuropäische) Sprachlogik (die der indoeuropäischen Grammatik zugrunde liegt, im Neutrum und im indoeuropäischen Konjugationssystem sich ausdrückt) die Offenbarung im Kern neutralisiert, zerstört, ins Erbauliche umgebogen?
Vgl. hierzu die Worte vom Sauerteig in Lk 121 (Sauerteig der Pharisäer: die Heuchelei) und 1321 (das Reich Gottes … ist gleich einem Sauerteig).
Zur Vorgeschichte der jesuanischen Pharisäerkritik gehört das Buch Kohelet (Eitelkeit und Heuchelei).
Ist nicht die Kritik der Heuchelei (die den Pharisäer-Geschichten im NT zugrunde liegt) in der Tat ein Kernstück des Christentums, verweist nicht die Heuchelei auf den Ursprung und die Funktion des Weltbegriffs, der den Differenzpunkt zwischen der „Botschaft“ Jesu und der Prophetie präzise bezeichnet?
Die Pharisäer haben nicht nur die Grundlagen für das Überleben des Judentums in der Diaspora geschaffen; sie sind zum Spiegel der Kirche geworden, die erst, wenn sie in der Heuchelei, für die die Pharisäer im NT stehen, sich wiedererkennt, vom Bann des Indikativs befreit sein wird.
Der Indikativ ist der sprachlogische Grund und das sprachliche Symbol der Heuchelei (er begründet die Logik des Schuldverschubsystems); der Indikativ ist das Korrelat des Weltbegriffs (er hat die Umkehr zum Bekenntnis gemacht). Die Konstruktion des Indikativs gehört zur Geschichte der Verinnerlichung des Opfers. Auch für den Indikativ gilt: Barmherzigkeit, nicht Opfer.
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