März 1996

  • 19.3.96

    Zur Logik der Schuld: Ist die Verurteilung, und mit ihr das Recht, aber auch dessen subjektiver Reflex, die „Empörung“ und die Diskriminierung, ein Säkularisationsprodukt der Magie? Alle Vorurteilsmechanismen, insbesondere der Antisemitismus und der Hexenwahn, leben von dieser säkularisierten magischen Tradition. Aber ist diese magische Tradition nicht dem Referenzsystem der naturwissenschaftlichen Erkenntnis, dem Inertialsystem, schon einbeschrieben?
    Ist nicht der Urknall, wie auch insgesamt die kosmologischen Theorien nach Einstein, Produkt einer Verallgemeinerung, die nach Einstein eigentlich nicht mehr zulässig sein dürfte, der Einstein den Grund entzogen hat?
    Betreibt heute nicht die Menschheit reinen Gewissens ihren eigenen Untergang? Und das nur deshalb, weil sie die Selbstverhexung durch die Orthogonalität (durch das Prinzip und den Grund der Säkularisation der Magie: durch die Logik der Verurteilung) nicht begriffen hat. Die Orthogonalität bezeichnet den Ursprungspunkt des blinden Flecks der Philosophie (und damit generell des Bewußtseins im Bann des Weltbegriffs). Dieser blinde Fleck ist im Dogmatisierungsprozeß (im Begriff und in der Praxis der Orthodoxie, der Priestertheologie) in die Theologie mit hereingenommen worden, in der er sich seitdem widerstandslos ausgebreitet hat. Die hegelsche Logik ist die genaueste Selbstreflexion dieser Ausbreitung des blinden Flecks, der in der Fundamentalontologie Heideggers dann implodiert ist.
    Ist nicht die Implosion das genaueste Bild der Prozesse im mundus moralis heute?
    Verhält sich die Moral zur Ethik wie der mundus zum kosmos oder die natura zur physis (wie die lateinische zur griechischen Sprache)?

  • 18.3.96

    Die Vorstellung, daß die Dinge von außen in den Raum hineinkommen, gründet in der Form des Raumes selbst: er ist die Form der Äußerlichkeit; im Raum beziehen sich die Dinge nur äußerlich auf sich selbst. Das Inertialsystem ist das Formgesetz dieses Sich-auf-sich-selbst-als-ein-Anderes-Beziehens. Ist diese Äußerlichkeit nicht zugleich eine politische, steckt darin nicht die Urgeschichte der Warenform, an den Ursprung des Handels in Raub und Krieg? Der erste Handel ist Außenhandel, Fernhandel; die ersten Waren waren die gefangenen und erbeuteten Sklaven und Frauen. Ist nicht der Raum das Instrument, das die Dinge sowohl technisch als auch ökonomisch beherrschbar macht?
    Rauben, Stehlen, Morden gehören zu den Gründungsakten des Staates (als Organisation einer Gesellschaft von Privateigentümern). Das Geld ist der domestizierte Eroberungskrieg. Beschreibt und definiert das Strafrecht nicht genau jene Aktivitäten als Verbrechen, die einmal den Staat begründeten? Ist nicht die Bekenntnislogik das Produkt der ohnmächtigen und hilflosen Anpassung der Religion an die Logik des Staates? Der Staat bedarf deshalb des Schutzes vor der Verunglimpfung seiner Symbole, weil anders in diesen Symbolen die systematische Demütigung der Bürger durch den Staat zu leicht erkennbar wäre. Im Nationalismus vergessen die Bürger, wer sie sind.
    Knäste sind exterritoriale, rechtsfreie Zonen im Innern der Staaten (Brutstätten der Gemeinheit, die selber kein strafrechtlicher Tatbestand ist). Gefangene sind vogelfrei.
    Die bloße Verurteilung des Faschismus wirkt wie jede Verurteilung: sie begründet und legitimiert die Verdrängung, die Nicht-Wahrnehmung dessen, was man verurteilt, und damit seine Wiederkehr. Die Verurteilung des Faschismus macht blind für die Wahrnehmung des wirklichen Faschismus.
    Alle Dinge sind Ausländer (darin ist ihre Fähigkeit begründet, Eigentum zu werden).
    Bei Ferdinand Ebner gibt es den Begriff des Rads der Generationen; zitiert er hier das „Rad des Lebens“ im Jakobus-Brief? Bezeichnet dieses Rad des Lebens den Generationenwechsel, daß Eltern Kinder haben und Kinder zu Eltern werden? In welcher Beziehung steht die Welt zu diesem Rad des Lebens: ist die „Welt“, die die Eltern an ihre Kinder vererben, wirklich gleich bleibend? Johannes (der Täufer) sollte die Herzen der Väter zu ihren Kindern bekehren (Lk 116).
    Gibt es einen inneren Zusammenhang innerhalb der nachpaulinischen Briefe (von Jakobus, über Petrus und Johannes zu Judas); und ist der Hebräerbrief die Feuerwand, die beide Gruppen von einander trennt? Sind nicht alle nachpaulinischen Briefe apokalyptische Briefe, Briefe, die sich nicht im Bestehenden einrichten? – Was haben Jakobus und Judas mit einander zu tun, und was 2 Pt mit dem Judasbrief?
    Wie verhalten sich die Begriffe „Neues Testament“ (nur im Hebräerbrief?) und „Evangelium“ zueinander und zum Begriff des Bundes (Evangelium: „eine Literaturgattung, die im Zusammenhang mit dem jüdischen Krieg entstanden ist“, TuK Nr. 67, S. 3; vgl. auch die Aufschlüsselung des Begriffs, seine Aufteilung auf die Schriften des NT, ebd., S. 22)? Ist der Schlüsselbegriff der vom „Blut des Bundes“ (Mt 2628, Mk 1424, Hebr 920, 1029, vgl. Ex 248) bzw. vom „neuen Bund in meinem Blut“ (Lk 2229, 1 Kor 1125). – Kann es sein, daß die Beziehung von Kelch, Blut und Bund, zusammen mit dem rätselhaften Wort, daß er vom Gewächs dieses Weinstocks erst im Reiche seine Vaters trinken wird, verständlich wird vor dem Hintergrund der Lehre von der Wiederkunft: Das Christentum als offene Wunde, die erst mit seiner Wiederkunft sich schließen und heilen wird? Und gilt das Testament, das „den Tod des Erblassers voraussetzt“, mit seiner Auferstehung jedoch eigentlich schon hinfällig geworden ist, nur für diese leere Zwischenzeit des „Christentums“?

  • 17.3.96

    Die Person konstituiert sich in der Ursprungsgeschichte des Staates: unter dem Schulddruck und unter dem Rechtfertigungszwang, unter den der Staat die Menschen setzt; sie ist der Kern und das Reflexionsgesetz der pathologischen Verletzlichkeit, die hier sich konstituiert. Sie transformiert die sinnliche Welt in Empfindungen, die Kritik in Meinung und reale Schuld in Schuldgefühle. Der Personbegriff wurde freigesetzt mit der Opfertheologie, mit dem Konzept der „Entsühnung der Welt“ (bereits das Drama, in dem der Personbegriff entspringt, steht in der Tradition des Opfers).
    Das Wissen war das Schwert des Alexander, mit dem er den gordischen Knoten durchschlagen hat.
    Gehören die Masseben (wie auch die Menhire) zur Vorgeschichte des Gnomon? Und ist das Gnomon der Kristallisationskern des Neutrum und der an das Neutrum sprachlogisch sich anschließenden Flexionsformen? Haben der Gepfählte und das Kreuz (oder auch die erhöhte Schlange) etwas mit dem Gnomon zu tun?
    In den Abendmahls-Berichten steht beim Kelch nur in 1 Kor 1125 der Satz „das tut, sooft ihr <daraus> trinkt, zu meinem Gedächtnis“; nur Paulus geht davon aus, daß auch der Kelch zur kirchlichen Feier der Eucharistie gehört. Bei den Synoptikern (Mt, Mk, Lk) steht statt dessen nur der Hinweis, er „werde von jetzt an von diesem Getränk des Weinstocks nicht <mehr> trinken bis zu jenem Tage, wo ich es mit euch neu trinken werde im Reich meines Vaters“ (so Mt 2629, vgl. auch Mk 1425 und Lk 2218).

  • 16.3.96

    Der „erbauliche Ton“ macht es sich in der Bibel gemütlich.
    Der Raum, die Welt und die Logik der Säkularisation.
    Definition der Ökonomie: Die, die oben sind, werden von denen, die unten sind, getragen, aber sie sind verblendet von dem Schein, daß die die unten sind, von ihrer Gnade leben. Das Geld stellt die realen Verhältnisse auf den Kopf.
    Projektive Natur: Bei Rosenzweig gibt es den Begriff der Natur nur im Kontext der „Vorwelt“. Hier ist sie der logische Grund der Objekte des Nicht-Wissens, der aber in der Umkehr (im Kraftfeld der Schöpfung, Offenbarung, Erlösung) sich auflöst. Der Begriff der Umkehr bei Rosenzweig wäre ohne den Naturbegriff gegenstandslos.
    Die ezechielische Individualisierung der Schuld ist nicht identisch mit der juristischen, mit dem Begriff der Person; sie schränkt den Begriff der Schuld nicht ein, sondern erweitert ihn: sie ist die messianische. Nach Ezechiel hat jeder die Verantwortung nicht nur für sein eigenes Tun und Lassen, sondern für das Ganze.
    Erinnert nicht der Begriff der Zunge bei Jakobus an die Feuerzungen des Pfingsttages?
    Ist nicht der Name des Petrus griechischen und der des Paulus lateinischen Ursprungs?
    Die Nichtobjektivierbarkeit des Antlitzes des andern ist die Widerlegung der subjektiven Formen der Anschauung.
    Haben Rechnen und Linken etwas mit rechts und links zu tun?
    Heidegger, das war der katastrophische Einsturz der Philosophie, die Wahrheit des Urknalls, der am Ende sein wird und eigentlich eine Implosion beschreibt. Heidegger hat den Weg freigemacht zu jenem Mißbrauch der Naturwissenschaften, in dem die Theologie verbrannt ist. Ist die Fundamentalontologie nicht das Feuer, das Jesus vom Himmel holen wollte, und er wollte, es brennte schon; nur daß es zu diesem Feuer erst wird, sobald es das Bewußtsein seiner selbst gewinnt.
    Das Angesicht, der Name und das Feuer: Beziehen sie sich nicht auf die Rettung des Sinnlichen, der Kritik und der Erlösung (Sündenvergebung und Befreiung durchs Auf-sich-Nehmen der Schuld)?
    Ist das Angesicht Repräsentant der Kritik der Ästhetik (der Kritik der Urteilskraft), der Name Repräsentant der Kritik der Logik (der Kritik der reinen Vernunft) und das Feuer Repräsentant der Kritik der Ethik (der Kritik der praktischen Vernunft)?
    Es gibt nicht nur eine transzendentale Logik, sondern es gibt drei Logiken, die in einander wie die drei Dimensionen des Raumes sich reflektieren. Zentren der drei Logiken sind der Raum, das Geld und das Bekenntnis (die „Weltanschauung“).
    Wie hängen die drei Dimensionen des Raumes, das Vorne-Hinten, Rechts-Links, Oben-Unten, mit den drei Modi der Zeit: mit Dauer, Folge und Zugleichsein, und wie hängen beide mit den drei Totalitätsbegriffen der kantischen Philosophie, mit dem Wissen, der Natur und der Welt, zusammen?

  • 15.3.96

    Sind nicht Deklination und Konjugation auch astronomische bzw. astrologische Begriffe?
    Ist der gnomon das Bild des babylonischen Turms; und ist er nicht zugleich der logische Kern der griechischen Sprache? Hat der gnomon als Bild der Orthogonalität etwas mit der Erektion und der Konstituierung des Unzuchtsbechers zu tun?
    Venus-Katastrophe: Ist in der Venus die Lust, die Begierde, erstmals zum Objekt geworden? War die Venus-Katastrophe eine gesellschaftliche Naturkatastrophe?
    Roma locuta, causa finita: Alle dogmatischen Entscheidungen sind Entscheidungen, die eine Revision ausschließen. Darin gleichen sie den Urteilen höchster Gerichte. Ist nicht der Prozeß der Dogmenentwicklung ein Gerichtsverfahren, in dem nicht über Personen (und deren Taten) sondern über Sätze geurteilt wird (die Orthodoxie wird freigesprochen, die Häresie verurteilt)?
    Die Erfüllung der Schrift, das waren die Passion und der Kreuzestod; die Erfüllung des Wortes dagegen wird die Heiligung des Gottesnamens sein.

  • 14.3.96

    Das geozentrische Weltbild war der Kern des Erkenntnisprozesses, in dem die Elemente des Inertialsystems sich herausgebildet haben, an dem zugleich die Logik der Vermittlung sich demonstrieren läßt. Zum geozentrischen Weltbild gehört das Konzept der theoria, es bleibt im Bann der Anschauung, als deren gegenständliche Selbstreflexion es sich begreifen läßt. Die Geozentrik definiert die Rahmenbedingungen des ruhig anschauenden Subjekts, das den am Himmel angeschauten Bewegungen als passiver Zuschauer nur beiwohnt, nicht selbst (wie das Subjekt des heliozentrischen Systems) in diese Bewegungen mit einbezogen ist. Erst bei Kopernikus wird auch die Erde zu einem astronomischen Objekt, ein Vorgang, in dem zunächst die sinnlichen Qualitäten, dann das Denken und am Ende die Schuld subjektiviert werden, den Charakter der Objektivität verlieren.
    Hätte Adorno begriffen, daß der Schuld- und Verblendungszusammenhang ein Teil des Herrschaftszusammenhangs ist, hätte er sich in der Theologie wiedergefunden. Theologie ist die Reflexion des Herrschaftszusammenhangs; nur als Reflexion des Herrschaftszusammenhangs wird sie zur Theologie im Angesicht Gottes; diese Theologie wäre das Bekenntnis des Namens Gottes, der Beginn der Heiligung des Gottesnamens.

  • 13.3.96

    Die Legitimation durch Verfahren gibt es sowohl im Recht wie in der Wissenschaft. Hier heißt sie Methode.
    Modernisierungsschub: Die Methode des Positivismus gründet in der Weigerung, die Beziehung von oben und unten zu reflektieren. Indem sie zwangshaft mit der Position über der Sache sich identifiziert, bleibt sie am Boden kleben wie die Schlange, die auf dem Bauche kriecht und Staub frißt. Suspendiert wird die Reflexion von Herrschaft, die dann auch noch als privilegierte Form der Erkenntnis diskriminiert wird. Diese Diskriminierung nannten die Nazis „Humanitätsduselei“, heute bracht man diesen diskriminierenden Namen nicht mehr, er wirkt auch ohne Benennung, durch reinen „Sachzwang“.
    Theologie und Sprache: Die biblischen Symbole (wie die Schlange, die Dornen und Disteln, der Kelch, der Feigenbaum) sind alle auch Sprachsymbole, Elemente der Selbstreflexion der Sprache. Ihr Ziel ist nicht die Beherrschung der Sprache, sondern Reflexion der Herrschaftsmechanismen, die in der Spracher sich niedergeschlagen haben: die Befreiung der erkennenden Kraft der Sprache.
    Hinter dem Rücken des Neutrum, der Abstraktion vom Männlichen und Weiblichen, bildet sich der Unzuchtsbecher. Hegels Philosophie reicht nur bis zur Erkenntnis des Taumelkelchs.
    Schicksal des Über-Ich in der vaterlosen Gesellschaft: Gilt nicht heute aufs paradoxeste der Satz von der Bekehrung der Herzen der Väter zu ihren Kindern erstmals auch für die Kinder?
    Gibt es außer Sara, der Mutter des Samson, Hannah und Elisabeth noch andere Frauen, die erst im Alter von ihrer Kinderlosigkeit befreit wurden? Und handelt es sich in den genannten Fällen (ausgenommen die Mutter Samsons, die unter den Triumph der Ironie im Buch der Richter fällt) um die Geburt prophetischer Vorläufer (Isaak, den Vater Jakobs/Israels; Samuel, der den Saul und den David gesalbt hat; Johannes, der Jesus getauft hat, aber die Herzen der Väter nicht zu ihren Kindern hat bekehren können)?
    Gibt es einen Zusammenhang zwischen den drei Versuchungen Jesu und den drei Leugnungen Petri (und läßt sich aus den Beziehungen beider der Charakter der Evangelien ablesen)?

  • 12.3.96

    Wer die Dialektik der Aufklärung einen schwarzen Text (und ihre Autoren schwarze Philosophen) nennt, tut so, als wäre es ins Ermessen oder ins Belieben eines Philosophen gestellt, zu welchen Ergebnissen seine Reflexionen führen. Die Logik, die dem zugrunde liegt, ist die projektive des Nestbeschmutzer-Vorwurfs. Die Bekehrung zum Verfassungs-Patriotismus, die Habermas am Ende vollzogen hat, war eine Bekehrung zum positiven Denken. Sie dogmatisiert die Spaltung von Realität und Meinung, als deren Überwindung Philosophie sich begreift.
    Wie kann man eigentlich Christ sein und zugleich den Kreuzestod Jesu von den politischen Hinrichtungen, von den anderen Kreuzigungen, die die Pilatus-Ära charakterisieren, trennen? Welche Bedeutung hatte hierbei der Gottesmord-Vorwurf, der den kirchlichen Antijudaismus einmal begründet hat (und welche Bedeutung hatte dieser Gottesmord-Vorwurf im Hinblick auf die theologische Rezeption des Weltbegriffs)?
    Allein den Betern kann es noch gelingen …: Gehört zu diesem Begriff des Gebets nicht das Wort Mk 1125 („Und wenn ihr dasteht und betet, so vergebet, wenn ihr etwas wider jemanden habt, …“).
    Es gibt einen Begriff der Politik, der die Ermächtigung in sich zu enthalten scheint, die Anderen zu instrumentalisieren.

  • 11.3.96

    Ist die griechische Elementenlehre, die die Elemente (von der Erde über das Wasser und die Luft zum Feuer) nach ihrer Schwere und Leichtheit ordnet, ein Produkt der im „geozentrischen Weltbild“ hypostasierten Oben-Unten-Beziehung, der gleichen Herrschaftsmetaphorik, die auch die Beziehung des Begriffs zum Gegenstand definiert? Das griechische Subjekt ist das den Raum beherrschende Subjekt (das geometrietreibende Subjekt). Erst Kopernikus dehnt diese Herrschaft auf die Zeit: auf die Erscheinungen und Prozesse im Raum aus. Das Inertialsystem ist nicht nur das Referenzsystem aller Erscheinungen, Begriffe und Gesetze, sondern genauer: das Referenzsystem aller Erscheinungen und Begriffe sowie aller Prozesse und Gesetze. Hat das Wort des Täufers: „Ich bin nicht würdig, seine Schuhriemen zu lösen“ etwas mit der Geschichte Moses‘ vor dem brennenden Dornbusch (mit der Ausschließung des Privateigentums, der Eigentumsfähigkeit im Bereich des Heiligen), und hat dieses Lösen etwas mit dem Binden und Lösen zu tun? Vgl. auch den Satz des Engels Gabriel an Zacharias, daß dieses Kind das Gottesreich vorbereiten wird, indem es die Herzen der Väter zu ihren Kindern bekehren wird. Die Idee des Ewigen schließt das Inertialsystem (die Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit) von sich aus, die des Heiligen das Tauschprinzip (die Eigentumslogik).

  • 10.3.96

    Das Überzeitliche ist die Unterwelt (deshalb heißt Sterben auch „ad patres ire“: Grund des Partiarchats und der besonderen Rolle der Väter in den Evangelien). Sind nicht die indoeuropäischen Sprachen, die durch ihre Konjugationsformen unterm Bann des Überzeitlichen stehen, ein gleitendes System des Abstiegs zur Hölle?
    Das geozentrische Weltbild, indem es die Beziehung von oben und unten hypostasiert, zur Grundlage der Elementenlehre macht, ist ein Stück Herschaftsideologie. Der hebräische Himmel, dessen Name die Einheit von Wasser und Feuer symbolisiert, ist ein Sprachhimmel, kein Naturhimmel. Die kopernikanische Wendung hat in das geozentrische Weltbild (und in die mit ihr verschmolzene Herrschaftsideologie) eine Scheidung hineingetrieben, die bis heute nicht begriffen ist: Sie hat, indem sie die Beziehung von oben und unten ins Subjekt zurückgenommen und so diese Herrschaftsideologie vergesellschaftet hat, Herrschaft erstmals reflektierbar gemacht. Sie hat der Umkehr (der Bekehrung der Herzen der Väter zu den Kindern, Lk 116) den Boden bereitet.
    Die Orthogonalität ist der Statthalter und der Grund der Logik (und des Staates) in der Mathematik: Die Entdeckung der Winkelgeometrie (im Medium der frühen Astronomie) gehörte zu den Voraussetzungen des Ursprungs der Philosophie (und des Rechts).
    Beschreibt nicht der Satz „Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet“ einen geometrischen Sachverhalt: nämlich daß es die intentio recta nur im Kontext der subjektiven Form der äußeren Anschauung (der Form des Raumes) gibt?
    Verweist nicht diese Beziehung der subjektiven Formen der äußeren Anschauung zur intentio recta auf den Fluch über die Schlange: „Auf dem Boden sollst du kriechen und Staub sollst du fressen“, auf die systemische Unfähigkeit zur Reflexion, auf den Positivismus in Wissenschaft und Recht (und ist nicht das Strafrecht der Versuch der Kodifizierung dieser Unfähigkeit)?
    Problem der Pluralbildung: Kehrt nicht die gleiche Sprachlogik, die der Wendung „Wir Deutschen“ zugrunde liegt, in der Logik der Pluralbildung (im Verhältnis des Genitiv der dritten Person zum Nominativ der zweiten Person pluralis <und zum Possessivpronomen der dritten Person femininum singularis>) wieder? (Hat der Genitiv, die grammatische Herrschafts- und Eigentumsform, im Plural die Kraft, die zweite Person zu objektivieren, zur dritten Person zu machen? Und weshalb greift der Genitiv der dritten Person pluralis, und mit ihm der Nominativ der zweiten Person pluralis, auf eine feminine <„ihre“> und der Dativ der dritten Person pluralis auf eine maskuline Bildung <„ihnen“> zurück?)
    Gibt es einen Zusammenhang der inneren Pluralisierung, der das Femininum mit dem Begriff der Masse verbindet (überhaupt mit dem Begriff, der Ausdruck des „Gemeinsamen“, der Gattung oder der inneren Pluralität, der unter ihm befaßten Objekte ist)? Und sind nicht die Totalitätsbegriffe der europäischen Aufklärung (Wissen, Natur und Welt) Ausdruck des in ihnen verborgenen Mechanismus der inneren Pluralisierung (der innere Grund der Gemeinheit, die beweislogisch nicht zu fassen ist)?
    Das Inertialsystem enthält eine logische Automatik, die das erkennende Subjekt ans Ende der Zeitreihe und ins leere Zentrum (den „Ursprung“) des Raumes setzt. Ausgeblendet werden der Ursprung der Zeit und die Enden des Raumes.

  • 9.3.96

    Hat nicht das Eingedenken der Natur im Subjekt etwas mit der Beziehung des Namens der Barbaren mit dem der Hebräer zu tun: mit der Reflexion (und der Rücknahme) des projektiven Elements in der Erkenntnis, das die Aufklärung mit dem Mythos verbindet?
    Die Zwei-Kinder-Familien stehen unter dem Rentabilitätsbann, die Kinder in diesen Familien unter dem Bann der intentio recta (der Unfähigkeit zur Reflexion). Die Konstellation insgesamt ist der genaueste Ausdruck der moralischen Proletarisierung des Mittelstandes.
    Moral als Instrument des Wegsehens (der Brief von Antje Vollmer/Felix Ensslin): Das moralische Urteil rückt den Urteilenden in die Position dessen, der über der Sache steht und deshalb der Pflicht sich entbunden fühlt, sich in die Sache einzulassen.
    Die hethitische Sprache kennt kein Femininum: Sie ist die Sprache des Staubes (den Adam produziert und die Schlange frißt). Hat nicht Christina von Braun („Nicht-Ich“) den Nachweis erbracht, daß die logozentrische Sprachlogik an diesem hethitischen Erbe teilhat?
    Gilt die Warnung in der Johannes-Offenbarung vor denen, die „die Tiefen des Satans erforschen“ (224), der theologischen Rezeption des Weltbegriffs (dem daraus hervorgegangenen Konstrukt der creatio mundi ex nihilo, in dem das gnostische Erbe in der Theologie fortlebt)? Ist darin nicht schon die Warnung vor der Theologie hinter dem Rücken Gottes enthalten?

  • 8.3.96

    Der Urprung und die Grundlage der Beweislogik liegt in der Mathematik (Euklid, Sokrates und der Sklave). Sie entspringt zusammen mit dem Begriff des Wissens (der der indoeuropäischen Sprachlogik und Grammatik zugrundeliegt).
    Gibt es zwei Ursprünge des Geldes: das gemünzte Schuld- und Tributgeld in Babylon, das Tauschgeld (die „Ringe“) in Ägypten? Und wird heute nicht wieder aus dem Tauschgeld ein Tributgeld? Nur über das Schuld- und Tributgeld aber macht die Ökonomie sich zum Herrn des Staates (wird der Staat zum Haustier der Ökonomie).
    Den beiden Ursprüngen des Geldes entspricht der zweifache Ursprung der Mathematik: der der babylonischen Algebra und der ägyptischen Geometrie (die erst die Griechen mit der Entdeckung der Winkelgeometrie, die die Philosophie, den Naturbegriff und den Begriff begründete, zusammengebracht haben).
    Ist nicht das Experiment des realexistierenden Sozialismus (der keiner war) daran gescheitert, daß er glaubte, die Tauschfunktion des Geldes von seiner Schuld- und Tributfunktion trennen zu können? Das war nur möglich durch Regression auf die Stufe unmittelbarer Herrschaft.
    Hat die Doppelfunktion des Geldes etwas mit der Unterscheidung des Planetensystems vom Tierkreis zu tun? Gibt es eine systemlogische Beziehung der Astrologie zur Tempelwirtschaft und des Tierkreises zum Sklavenhaus und Eisenschmelzofen? Und hängt hiermit der Unterschied zwischen dem Exodus und dem Ende der babylonischen Gefangenschaft (die Israel zum Satelliten Babylons und seine Folgeimperien gemacht hat) zusammen?
    Werden im Tempel, im Haus des Namens Gottes, die beiden Ursprungsmächte Babylon und Ägypten durch die Cherube und die Bundeslade repräsentiert? Und war nicht auch der Tempel ein Gefängnis und ein Sklavenhaus Gottes, das zu seiner Fundierung der Opfer und des Priestertums bedurfte?
    Die Deutschen leiden an einer Staatspsychose, mit dessen Hilfe sie glauben, den Faschismus erhalten und domestizieren zu können. Die Auflösung der Verblendung, in die das hineinführt, wäre eigentlich Sache der Theologie.
    – Vor der ersten Leugnung sagt die Magd des Hohepriesters zu Petrus: „Auch du warst mit Jesus dem Galiläer“.
    – Beim zweiten Mal sagt eine andere Magd zu denen, die dort waren: „Dieser war mit Jesus dem Nazoräer“.
    – Beim dritten Mal sagen die Umstehenden zu Petrus: „Wahrhaftig, auch du bist einer von ihnen; deine Sprache verrät dich“ (Mt 2669ff).
    Ist der Hahn die Inversion der Eule oder die Eule ein maskierter Hahn? Verhält sich nicht die Eule zum Hahn wie der Abendstern zum Morgenstern, und ist die Eule das Symbol der Venus-Katastrophe?

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