An der pharaonischen Verhärtung des Herzens läßt sich demonstrieren, daß die Personalisierung das Instrument eines Schuldverschubsystems ist, das heute den Geschichtsbegriff vollständig durchherrscht.
Licht und Finsternis sind keine physikalischen, sondern sinnlich-sprachliche Qualitäten.
Wer sich wundert, daß im biblischen Schöpfungsbericht das Licht vor den Leuchten erschaffen wurde, der glaubt nicht an Gott, sondern ans Elektrizitätswerk.
Physis und natura: Mit der Geburt sind die Schmerzen der Wehen, die, als Schmerzen der Frau, dem männlichen Bewußtsein ohnehin nur von außen zugänglich sind, vergessen und verdrängt, während im Begriff der Zeugung die Lust des Zeugens mit erinnert wird (hat die christliche Theologie mit der Einführung der Zeugung in die Trinitätslehre nicht die Idee des seligen Lebens mit dieser Lust verwechselt?).
Das Gewaltmonopol des Staates ist in dem Augenblick ins Zentrum des politischen Bewußtseins gerückt, als es durch die Ökonomie gebrochen und (dadurch, daß es in den Dienst der Ökonomie gestellt worden ist) instrumentalisiert wurde. Waren Idolatrie und Götzendienst nicht eine Vorstufe dieses Vorgangs, der moderne Nationalismus ihr immanentes telos?
Die kopernikanische Wende und der Ursprung der Philosophie: Hat die kopernikanische Wende die Verinnerlichung der Schicksalsidee nicht auf neuer Stufe (als Verinnerlichung der Astrologie) reproduziert?
Ursprung des Nominalismus: Was mit der kopernikanischen Wende verdrängt wurde, läßt an der Subjektivierungsgeschichte sich ablesen: Nach der Subjektivierung der sinnlichen Qualitäten die Leugnung der objektiven Kraft der Kritik und schließlich die Verwerfung der Objektivität der Schuld (die fortschreitende Destruktion der benennenden Kraft der Sprache).
Die kopernikanische Wende hat das Schuldverschubsystem (auf der Grundlage von Personalisierung und Konkretismus) instrumentalisiert. Hier ist der Punkt erreicht, an dem es keinen Ausweg mehr gibt außer dem einzigen (dem Nadelöhr der Theologie), Joh 129 ins Nachfolgegebot mit aufzunehmen.
Drei Stufen der Hoffnung:
– Kafka: Es gibt unendlich viel Hoffnung, nur nicht für uns.
– Benjamin: Hoffnung ist uns nur um der Hoffnungslosen willen gegeben.
– Jakobus: Wer einen Sünder (einen Hoffnungslosen) von seinem Irrweg bekehrt (von seiner Hoffnungslosigkeit befreit), der wird seine Seele vom Tode retten und eine Menge Sünden zudecken. (Jak 520)
Hat dieser „Irrweg“ (ho planäs hodos, der Weg des Irrtums) etwas mit dem Sternendienst, mit Astrologie und Astronomie (und diese mit der Geschichte der Bearbeitung der Schicksalsidee) zu tun?
Wiederholt nicht die Astronomie den gleichen Prozeß, den zuvor die Philosophie gegen den Mythos angestrengt hat, indem sie den Eindruck erweckt, daß wir, durch die Erkenntnis der Gesetzmäßigkeit der Sternenbewegungen, Anteil gewinnen an der Gesetzgebung, Herrschaft erringen über den Himmel? Ist nicht die Astronomie die zweite Stufe der Verinnerlichung des Schicksals, das der Astrologie zufolge in den Bewegungen und Konstellationen der Sterne sich verkörperte und ablesbar schien? Sind nicht Raum und Zeit, die subjektiven Formen der Anschauung, Radikalisierungen der objektivierenden Gewalt des Begriffs?
Nach der Lehre des Islam erschafft Gott die Welt in jedem Augenblick neu (die Schöpfung ist eine reine Demonstration der göttlichen Schöpfermacht), nach jüdischer Tradition erneuert Gott mit jedem neuen Tag die Schöpfung, während nach christlichem Verständnis Gott der Erhalter der Welt ist (die – auch im zeitlichen Sinne – „im Anfang“ erschaffen wurde).
Mai 1996
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19.5.96
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18.5.96
Der Positivismus ist der logische Kern des Verwaltungswissens, wobei in den Naturwissenschaften das Verwaltungsprinzip in den subjektiven Formen der Anschauung mit enthalten ist (der Positivismus ist die Schlange, die auf dem Bauche kriecht und den Staub frißt, den Adam produziert).
„Da gingen ihnen die Augen auf …“: In dem Augenblick, in dem die Menschen lernen, sich in den Augen der andern zu sehen, erkennen sie, daß sie nackt sind.
Das Inertialsystem ist die Rückseite des Buches, in dem die Taten der Menschen verzeichnet sind, des Buches, dessen Siegel am Ende gelöst werden.
Patriarchen und Erzengel gibt es im Bereich der Orthodoxie, Erzengel und Erzbischöfe (archiepiskopoi) gab es in der lateinischen Kirche, bis die Aufklärung der Angelologie den Boden entzogen hat. Seitdem gibt es nur noch Erzbischöfe (und anstelle der Patriarchen Kardinäle). Welche sprachlogische Bewandnis hat es und was drückt sich darin aus, daß das „arch“, das aus dem griechischen archä (Anfang, Prinzip, Herrschaft) sich herleitet, in dieser historischen und geographischen Konstellation sowohl als Suffix als auch (im Bereich der Orthodoxie) als Präfix erscheint?
Sind die „Erzengel“ (deren Vorstellung mit der Siebenzahl sich verbindet) nicht astrologischen Ursprungs, hängen sie nicht zusammen mit der angelologischen Verarbeitung der astrologischen Tradition (gibt es Stellen in der Schrift, in der die Heiden Sternendiener heißen; sind die „Völker“ Sternendiener? – vgl. Eveline Goodman-Thau, Zeitbruch, S. 160, Anm. 378)?
Urbild der Patriarchen sind Abraham, Isaak und Jakob, die „Väter“ der zwölf Stämme Israels.
Patriarchen sind Ursprungsgestalten, Erzbischöfe Teil einer hierarchischen Organisation, einer Verwaltungsordnung (deren logisches und historisches Modell die astrologische Ordnung war).
Sind nicht Marx, Freud und Einstein wirklich die Patriarchen der Selbstkritik der Aufklärung?
Hängt die Differenz im Gebrauch der archä mit der sprachlogischen Beziehung der lateinischen zur griechischen Sprache zusammen. Einer Beziehung, die möglicherweise in der Bildung der Totalitätsbegriffe Natur und Welt vorgebildet ist: der Name der physis leitet von der Zeugung sich ab, der der Natur von der Geburt; und die Zeugung geht der Geburt voraus. Ist nicht die griechische Sprache vordogmatisch (gehört sie nicht zum Bildungsprozeß des Dogmas), während die lateinische Sprache als postdogmatisch sich begreifen läßt (sie setzt das Dogma als gegeben voraus)? Ist die Grenzscheide, die sprachlogische Schwelle, die die Patriarchen von den Erzbischöfen trennt, nicht die gleiche, die auch die physis von der natura trennt (und den kosmos vom mundus: ist nicht die lateinische Variante des Christentums eine „Reinigungs-„, eine Schuldbefreiungsreligion)?
Ist diese Geschichte nicht ein Teil der Ursprungsgeschichte des modernen Naturbegriffs?
Hat die Grenze zwischen der prä- und postdogmatischen Sprachlogik etwas mit zwischen der Herrlichkeits- und der Namensmystik (zwischen kabod und schem, Merkaba-Mystik und Kabbala) zu tun, und ist nicht in den zehn Sefirot beides enthalten: die Dreizahl der Patriarchen und die Siebenzahl der „Planeten“ (Kether <Krone>, Chochma <Weiheit>, Bina <Verstand> und Chessed/Gedulla <Liebe/Größe>, Gebura/Din <Macht/Strenge>, Rachamim/Tifereth <Barmherzigkeit/Herrlichkeit>, Nezach <beständige Dauer>, Hod <Schönheit>, Jessod <der Grund>, Malchut <das Reich>)?
Hängt die Beziehung der „archä“ zu den kirchlichen Verwaltungsorganisationen mit der der Orthogonalität (und Dreidimensionalität) des Raumes zu seiner (durch die Orthogonalität erzeugten) unendlichen Ausdehnung (zur Unendlichkeit der sechs Richtungen im Raum und ihrer gemeinsamen Beziehung zur Vergangenheit) zusammen?
In welcher logischen Beziehung steht die Form des Raumes zum logischen Begriff der Gattung? Ging Hegel, als er bemerkte, daß „die Natur den Begriff nicht halten kann“, und das mit der Diversifizierung der tierischen Gattungen begründete, nicht von der Objektivität des Raumes aus, hatte er hier nicht vergessen oder verdrängt, daß Kant die Subjektivität des Raumes (und damit seine die Erkenntnis organisierende und zugleich von der Wahrheit abspaltende Gewalt) begründet und nachgewiesen hatte? Gehört nicht die „Gattung“ (ein logischer und biologischer Begriff zugleich) der gleichen Ordnung an, in der auch der Raum sich konstituiert? Begründet nicht die Verabsolutierung des Raumes aus dem gleichen Grunde, aus dem sie mit dem Symbol des Tieres zusammenhängt, den logischen Zwang, der unweigerlich in den Rassismus führt? Ist nicht der Rassismus (der heute dazu führt, daß der Geist auf eine bisher unbekannte Weise geleugnet wird) eine notwendige Folge der Logik des Weltbegriffs, die mit der Form des Raumes mitgesetzt ist? Der Raum ist das Instrument der Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit, der Grund der falschen Einheit von Vergangenheit und Zukunft, die den „Zeitkern“, die Gegenwart, ausschließt (Kern des Schuldverschubsystems: der Pflug, vor den Rind und Esel zugleich gespannt sind). Die Rosenzweigsche Todesfurcht (die Fähigkeit, Angst nicht zu verdrängen, sondern als Erkenntnisorgan zu nutzen) ist das Wahrnehmungsorgan für diesen Zeitkern. -
17.5.96
Die Beziehung von Richten und Gerichtet-Werden drückt in der Logik der Reversibilität aller Richtungen im Raum sich aus, sie drückt in einem Bewußtsein sich aus, das „Rechts und Links nicht unterscheiden“ kann.
Dadurch unterscheidet sich die Sprache von der mathematischen Form des Raumes (von der subjektiven Form der äußeren Anschauung), daß in ihr vorn und hinten, rechts und links und oben und unten sehr deutlich unterschieden sind: Das Im Angesicht und hinter dem Rücken sind zwei verschiedene Sprachen, ebenso das richtende und das verteidigende Wort; und der, der „über“ jemanden redet, redet anders als der, der zuhört oder mit jemandem spricht. Der Begriff ist generell „über“ der Sache, das Objekt ist unten und stumm. In die Sprache selbst dringt der Raum über die Prä- und Suffixe ein, wobei die Präfixe ein System räumlicher (und zeitlicher) Beziehungen zu den Dingen, die Suffixe die Wirkungen des Raumes (und der Zeit) in den Dingen dokumentieren. Eine besondere sprachgeschichtliche Bedeutung und sprachlogische Funktion scheint hier den Sprachen zuzukommen, in denen auch der bestimmte Artikel in die Deklination mit hereingenommen wird. Erkennen läßt sich dieser Prozeß (dessen Radikalität erst in den modernen Sprachen sich manifestiert) an der Transformation des Nomen in das Substantiv, die die Transformation der erkennenden Sprache (die in der Sache sich bewegt, sie zur Sprache bringt, indem sie die Kraft des Namens in den Dingen weckt) in die nur noch mitteilende Sprache (die die Kraft des Namens leugnet und nur von außen auf die Sache sich bezieht) besiegelt.
Die Beantwortung der Frage, ob und wie im Strafrecht synthetische Urteile apriori möglich sind, hängt davon ab, ob ein apriorisches Objekt sich konstruieren läßt: eine Gestalt des Angeklagten, die nur noch Objekt des Verfahrens und ebenso so stumm wie das Objekt ist: ein Angeklagter, der nicht mehr als Angeklagter, sondern als Feind fungiert. Dem kommt die strafrechtliche Definition des Mörders nahe (Mord ist das einzige Delikt im traditionellen Strafrecht, das ein Täterdelikt, kein Tatdelikt ist). Reale Bedeutung gewinnt die Konstruktion des Feindes allerdings erst im Staatsschutzverfahren, in dem dann auch Richter und Staatsanwalt nicht mehr sich unterscheiden lassen, in dem die Verteidiger zu Unterstützern des Feindes und die Besucher zu Sympathisanten werden. Das Staatsschutzverfahren ist kein Problem des Rechts, sondern eines der Logik.
Kritik der Naturwissenschaften: Zu den synthetischen Urteilen apriori des Kapitalismus gehört die Subsumtion der Arbeit unter die anorganische Materie (Kostenfaktor).
Das Dogma, die Orthodoxie, ist ein System synthetischer Urteile apriori der Bekenntnislogik: Die Opfertheologie steht an der Stelle, an der in der Transzendentalphilosophie Kants die subjektiven Formen der Anschauung stehen.
Apokalyptisches Tier: Ausbildung (einschl. Studium) produziert heute dressierte Hunde. -
15.5.96
Die Bekenntnislogik trennt das Erbauliche von der Wahrheit. Das Erbauliche ist das (leere, gereinigte und dann) geschmückte Haus, das offensteht für die Rückkehr der Dämonen. Erkennbar ist das Erbauliche an der Psychologisierung objektiver Vorgänge (an der Vorstellung, die Psalmen ließen sich unreflektiert auf private Erfahrungen und Konstellationen anwenden), an der Neigung zu kontrafaktischen Urteilen, an einem Textverständnis, daß von der Intention des Autors ausgeht („was will uns der Autor damit sagen“) anstatt von der Objektivität sprachlicher Gebilde: von einem Sprachverständnis, das vom Begriff der Information und von der Mitteilungsfunktion der Sprache ausgeht.
Das Subjekt der Psalmen (und das Objekt der Prophetie) ist nicht eine individuelle Privatperson, sondern Israel (die private „Einfühlung“ in biblische Texte ist erbaulich). Die Austreibung Israels aus der Sprache und aus den Texten kehrt als subjektives Bedürfnis nach der „Gemeinde“ wieder.
Die Jonas-Texte bei Miskotte sind ein Opfer dieser Erbaulichkeit. Erschreckend, mit welcher Verachtung Miskotte von Jonas spricht; trägt sie nicht allzudeutlich projektive Züge? Ist nicht seine Theologie eine Theologie im Bauch des Fisches, eine Theologie, die vor dem Handgemenge, in das sie sich hätte bei Erfüllung des prophetischen Auftrags einlassen müssen, zurückschrickt und nach Tarschisch flieht? Ist es nicht diese Theologie, der die „Gemeinde“ zur Zuflucht, und d.h. zum Bauch des Fisches, geworden ist? Ist nicht die „Verstockung“ des Jonas ein prophetisches Wort an die Kirche (die Gemeinde)?
Weshalb erinnert mich das Wort Gemeinde an Behörde?
Ist nicht das „Herr, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun“ ein Jonas-Wort? Sind nicht die, die Rechts und Links nicht unterscheiden können, auch die, die nicht wissen, was sie tun? Und führt dieses Wort nicht ins „Handgemenge“ mit der Welt?
Zur Geschichte der Verstockung des Herzens: Wenn der Infinitiv Sein mit dem (im Deutschen gleichlautenden) Possessivpronomen der 3. Pers. sing. m. zu tun hat, dann ist die Ontologie die philosophische Grunddisziplin des Patriarchats, aber zugleich auch eine, die nicht mehr weiß, daß sie es ist. Ist nicht Heideggers „Sein zum Tode“ und das „Vorlaufen in den Tod“ die Erfüllung des Worts „Laßt die Toten ihre Toten begraben“, das an einen erging, der, bevor er nachfolgte, erst seinen Vater begraben wollte?
Das Sein, die Kopula des Urteils, an der schon Franz Rosenzweig die „verandernde Kraft“ erkannt hat, ist ein Instrument des Patriarchats: Das Urteil ist nicht zu retten.
Die Selbsterhaltung bedarf nicht der Rechtfertigung, wohl aber der Reflexion: Die unreflektierte Selbsterhaltung betreibt das Geschäft des Feindes.
Das Prinzip, daß man alles darf, sich nur nicht erwischen lassen, läßt sich aus dem Stand der Aufklärung ableiten. Dem entspricht es, wenn das Recht nicht mehr die Tat, sondern das Erwischtwerden diskriminiert, wenn alle Straftatbestände aus Prinzipien der Beweislogik sich ableiten lassen. Ist diese Logik nicht im Prinzip des Strafens begründet? Die Strafe aber setzt an die Stelle der Versöhnung die Sühne, mit der der Staat sich an die Stelle des Opfers setzt: Nicht das Opfer ist das Objekt des Verbrechens, sondern der Staat, und dessen Recht wird nicht durch die Tat, sondern dadurch, daß sie öffentlich wird, verletzt. -
14.5.96
Das Gebot der Feindesliebe schließt die Kritik des Urteils mit ein (die gegenständliche, das Objekt aufsprengende Kraft der Erinnerung). Ist nicht – die Kritik der reinen Vernunft eine säkularisierte Schöpfungslehre, – die Kritik der Urteilskraft eine säkularisierte Offenbarungslehre und – die Kritik der praktischen Vernunft eine säkularisierte Lehre von der Erlösung, und sind nicht die nachfolgenden idealistischen Systeme allesamt in der ersten Stufe, in der der Schöpfungslehre, steckengeblieben? – Fichtes Wissenschaftslehre verstand sich ohnehin nur als Entfaltung der Transzendentalphilosophie; – Schellings Naturphilosophie knüpft zwar an die Kritik der Urteilskraft an, übersieht aber, daß das angestrebte Ziel unter dem Apriori des Naturbegriffs unerreichbar war; – Hegel muß, um die Logik des Weltbegriffs entfalten zu können, den Kern der Kritik der praktischen Vernunft, den Pflichtbegriff und das Sollen, dekonstruieren. Ist der Staat der unreine Geist, der in die Wüste geht (und zugleich der eine Sünder, über dessen Bekehrung mehr Freude im Himmel sein wird als über 99 Gerechte)? Die Wahrheit der Opfertheologie: Wenn der Glaube an die magische Kraft des Urteils (der Quellcode der autoritären Persönlichkeit) wächst und nicht mehr reflexionsfähig ist, wird er wieder seine Opfer fordern. Die Deutschen wollen sein wie die andern Völker und begreifen nicht, daß sie es nicht mehr können. Haben Auschwitz und das Nachkriegsdeutschland mit der Geschichte von dem einen unreinen Geist, der in die Wüste geht und mit sieben anderen unreinen Geistern zurückkehrt, zu tun: Die letzten Dinge dieses Menschen werden ärger sein als die ersten? Die Zivilisationsschwelle, die als Ursprungsgeschichte des Weltbegriffs sich bestimmen läßt, ist die gleiche Schwelle, die die Geschichte von der Vorgeschichte trennt. Ägypten, Assyrien, Babylon, Israel, die Hethiter, die Philister, Kanaan: die ganze altorientalische Welt verhält sich zur Geschichte wie die Sozialhilfeempfänger, die Asylanten, die Arbeitslosen zur zivilisierten Welt. Auf sie man ungestraft seine projektiven Bedürfnisse ableiten darf. Die Unfähigkeit, die Ursprungsgeschichte der Zivilisation zu reflektieren, findet hier ihr vorbezeichnetes Objekt. Bezeichnet nicht Israel die eigentliche Verlegenheit der altorientalischen Geschichte? Die pharaonische Verhärtung des Herzens hat ihre objekiven Gründe im Kontext der Herrschaftsgeschichte, und ihre Rekonstruktion ist ein Mittel zur Erkenntnis der Objektivität, die in der Herrschaftsgeschichte sich bildet. Die Vergangenheit ist nicht vergangen: Das Sklavenhaus besteht weiter, nur als ein Sklavenhaus mit Gummizellen, und d.h. als Irrenhaus. Ist nicht der Habermassche Verfassungspatriotismus ein Glaube an die höhere Einsicht der Irrenärzte? Was hat es mit den Philistern auf sich, und was unterscheidet sie (und ihre Stellung in der Geschichte Israels) von Ägypten, Kanaan und Babylon? Die jüdische Tradition ist aus der Reflexion und der bestimmten Negation der Idolatrie entstanden. Verhält sich der gegenwärtige Stand der altorientalischen Geschichte zum Antisemitismus wie die Kopenhagener Schule zur Deutschen Physik? Oder auf der anderen Seite: Gleicht nicht der Historikerstreit dem der Kopenhagener Schule mit der Deutschen Physik?
Ohne das Gewaltmonopol des Staates gibt es keinen Rechtsstaat. Das aber heißt, daß nur die Reflexion des staatlichen Gewaltmonopols den Rechtsstaat daran hindert, zum Instrument der Selbstzerstörung des Staates zu werden.
Im Eucharistiestreit ging es um die Frage, ob das Brot der Leib Christi ist, oder ob es den Leib Christi nur bedeutet. Es ging um die Differenz von Sein und Bedeutung. In dieser Frage war der Ursprung der Phänomenologie, von Hegels Phänomenologie des Geistes bis zur Fundamentalontologie Heideggers, vorgebildet. In der „Frage nach dem Sinn von Sein“ hat Heidegger das Problem zur Unlösbarkeit kontrahiert. Seitdem gibt es die Seinsfrage, die Judenfrage und die Ausländerfrage. – Hat diese Geschichte etwas mit der sprachlogischen Geschichte des Ursprungs der grammatischen Geschlechter zu tun (im Hebräischen gibt beim Nomen kein Neutrum, nur die Geschlechterdifferenz, während das Fragepronomen Person und Sache unterscheidet; hat das Hethitische diese Differenz dann ins Substantiv – von der Prädikatsseite zur Seite des Urteilssubjekts – verschoben, und hat mit dieser Verschiebung die Urteilsform überhaupt erst sich gebildet? Welche Rolle spielt das deiktische Moment, auf das das Deuten im Bedeuten verweist, und das beim Nomen durch den bestimmten Artikel repräsentiert wird? Steht nicht Heideggers Begriff des Daseins unter dem Gesetz der Logik der Trennung von Sein und Sinn: „Warum ist überhaupt etwas, und nicht vielmehr nichts“? Im Hebräischen wird der bestimmte Artikel durch den gleichen Laut ausgedrückt, der auch das Lachen bezeichnet <„ha“>. Nur im Griechischen und im Deutschen wird der bestimmte Artikel zusammen mit dem Nomen dekliniert – wird das Lachen sprachlogisch – als ein die ganze Sprache durchdringedes Gesetz – organisiert. Entspringt der Begriff des Substantivs in der deutschen, dieser durch die Deklination des bestimmten Artikels definierten Sprachlogik? – Das Substantiv ist das ausgelachte Nomen, das „Dasein“ der ausgelachte Mensch <und die Fundamentalontologie dessen entfaltete Selbstreflexion>.) Wirft das Zusammenzwingen von Sein und Bedeutung (in der Frage nach dem „Sinn von Sein“ und im Begriff des „Daseins“) nicht rückwärts ein Licht auf den Ursprung des Neutrums? Mit der Frage „Warum ist überhaupt etwas und nicht vielmehr nichts“ hat sich die Philosophie mit dem Strick erdrosselt, den sie seit den vorsokratischen Anfängen der Philosophie geflochten hat (beschreibt die Geschichte der Verhärtung des Herzens Pharaos dieses Flechten des Stricks?). Das Objekt (das Ding) ist der Grund und der Reflex der Idee des Absoluten.
Auch die Spekulationsgewinne müssen „erwirtschaftet“ werden, wenn auch nicht von denen, die die Gewinne machen. Das „Risiko“ (nach Dirk Baecker die Ware der Banken) ist ein Kalkulationsfaktor jeder Produktion heute. (Das Risiko des Unternehmers war noch sein eigenes Risiko; heute, in der Ära der Bankenfinanzierung und des Managements, ist das Risiko vergesellschaft, und treffen tut’s eh den Falschen; real schlägt es nur bei denen durch, die es nicht zu veantworten und keinen Einfluß drauf haben, aber ihre Existenz verlieren. – Liegt hier nicht die Wurzel einer Moral, die nicht mehr an der Tat, sondern allein am Erwischtwerden sich mißt, und längst Vorsorge getroffen hat, daß das Erwischtwerden an andere fällt?) Panik bricht heute zuerst in den Chefetagen aus; die andern trifft’s unvorbereitet. -
13.5.96
Ist Ezechiel nicht der Kritiker des Erbens (sh. Ez 182ff,20)?
Hat China den Tierkreis und Indien das Planetensystem als Sprach- und Gesellschaftsmodell genommen?
Der Ursprung des Inertialsystems ist in der Geschichte vom Sündenfall aufs genaueste beschrieben: Da gingen ihnen die Augen auf, und sie erkannten, daß sie nackt waren (die Statuen der Griechen waren nackt, und Jesus am Kreuz war nackt).
Sind nicht die Werke der Barmherzigkeit allesamt auch Werke an der Sprache: die Hungernden speisen, die Nackten kleiden, die Kranken besuchen, die Trauernden trösten, die Gefangenen befreien …? Und sind die „Geringsten seiner Brüder“ nicht auch Brüder des Wortes?
Warum sagt Martin Buber, der jeden anderen Namen in seiner hebräischen Fassung wiedergibt, Ägypten und nicht Mizrajim? Ist nicht gerade der Name Mizrajim ein sprechender Name? Aber gilt das nicht auch für die Namen der Gerechtigkeit, der Barmherzigkeit, der Armen und der Fremden, die durch ihre theologische Geschichte zu sprechenden Namen der deutschen Sprache geworden sind?
Die Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit, das steht also schon bei Franz Rosenzweig: „Ohne diese Vorwegnahme (ohne das Antizipieren des Reichs, H.H.) und den inneren Zwang dazu, ohne das ‚Herbeiführen des Messias vor seiner Zeit‘ und die Versuchung, das ‚Himmelreich zu vergewaltigen‘, ist die Zukunft keine Zukunft, sondern nur eine in unendliche Länge hingezogene, nach vorwärts projizierte Vergangenheit“ (Stern der Erlösung 19543, Teil II, S. 180).
Ist nicht der Unsterblichkeitsglaube ein ägyptisches, genauer ein pharaonisches Erbe, und steht es nicht im Kontext der pharaonischen Verstockung des Herzens?
Wer den Naturschutz zu einer Verwaltungssache macht, stellt die Verwaltung unter Naturschutz.
Sind tohuwabohu Natur und Welt, und ist die Finsternis über dem Abgrund das Inertialsystem (das durch den Abgrund seiner Unendlichkeit, durch die es verdunkelt wird, zugleich verdeckt)?
Die politische Theologie hat die Schöpfungstheologie in den blinden Fleck gerückt, aus dem sie nur die Reflexion der Beziehung von Ökonomie und Naturwissenschaft herausgeholt wird (im Kontext des Begriffs der Verwüstung).
Auch der Feminismus ist mit der 68er Erbsünde behaftet: Er bleibt ans Urteil gefesselt, an die Mechanismen des Schuldverschubsystems, und verwirft die gegenständliche, das Objekt aufsprengende Kraft der Erinnerung. -
12.5.96
Das Glaubensbekenntnis gleicht logisch dem Schuldbekenntnis, das der Ankläger vom Angeklagten fordert. Beide sind durch Umkehr aufeinander bezogen, sie bilden ein System der Reversibilität: Das juristische Schuldbekenntnis und das darauf gründende Urteil machen die Schuld zu einer dinglichen Eigenschaft des Angeklagten und spricht die Welt frei, während das Glaubensbekenntnis den Bekennenden freispricht und die Welt der verdinglichenden Gewalt des Schuldzusammenhangs unterwirft; es macht dem Schuldverschubsystem (dem Objektivierungsgesetz und der Instrumentalisierung) den Weg frei. Das gemeinsame Referenzsystem beider ist der Weltbegriff, das Herrendenken. Es gibt keinen Weltbegriff ohne Opfertheologie, ohne die Logik der „Entsühnung der Welt“.
Der Bekenntnisbegriff begründet den Glauben an die magische Kraft des Urteils, der dem Naturbegriff, der Historisierung der Gegenwart und dem Herrendenken zugrundeliegt. Seine Grundlage ist die Gegenständlichkeit des Vergangenen (die in der Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit sich vollendet). Gegen den Bekenntnisbegriff steht die Erinnerungsarbeit, die Fähigkeit zur Schuldreflexion.
Verhalten sich nicht Glaubens- und Schuldbekenntnis zueinander wie Natur und Welt? Und ist nicht die Rechtfertigung eine Art Orthogonalisierung? -
11.5.96
Das Schuldverschubsystem gründet in der Angst. Die Apokalypse aber ist das einzige Mittel der Angstbearbeitung, während die gesamte Geschichte der Aufklärung eine Geschichte der Angstverdrängung ist. Das Instrument der Angstverdrängung ist das Urteil, die Trennung von Objekt und Begriff, Natur und Welt (Tiere sind urteilende Wesen).
Die großartige Stelle im Jakobusbrief, in der es heißt, das Gott nicht schilt. Das Donnern und das Brüllen Gottes ist demnach kein Schelten.
Die zehn ägyptischen Plagen sind für den Pharao ein Lernprozeß, der immer tiefer in die Verstockung hineinführt. Und erinnert dieser Lernprozeß nicht an den „Lernprozeß“, der für die Deutschen mit dem Namen Auschwitz verbunden ist (der als Objektivationsprozeß, über seine Historisierung, am Ende nur in die Verstockung führt)?
Der Weltuntergang ist ein Weltuntergang nur für den Pharao und für Mizrajim, für die er in Finsternis und in der Tötung der Erstgeburt endet, während er für Israel der Weg der Befreiung ist. (Vgl. die christlichen Übersetzungen der zehn Plagen mit denen von Zunz und Buber.)
War nicht die Untersuchung des autoritären Charakters von Adorno und anderen eine Material- und Konstruktionsanalyse des Kelchs?
Ist nicht die Geschichte von Kreuz und Auferstehung Jesu seit je nach dem pharaonischen Modell verstanden worden: Der Oberbäcker wurde gehängt, der Mundschenk erhöht?
Der Pharao, der Joseph nicht mehr kannte, kannte auch JHWH nicht, den „Gott der Hebräer“. Hängt die Trennung von Mizrajim und Israel (in der Geschichte der zehn Plagen) zusammen mit der Verstockung durch JHWH? Und ist nicht auch der Name Mizrajim (wie der des Pharao) ein Hinweis zum Verständnis der Verstockungsgeschichte?
Sind Pharao und Mizrajim ein früher Hinweis auf Alexander und das Durchschlagen des gordischen Knotens? Das Durchschlagen des Knotens hat wie die Verstockung des Herzens des Pharao die Katastrophe instrumentalisiert und verdrängt, deren letztes Opfer das verstockte Herz selber ist.
Natur und Welt: Die Lehre von der creatio mundi hat den Staat zum creator gemacht, während, wenn die Natur mit der Schöpfung gleichgesetzt wird, das Subjekt sich als Schöpfer über die Natur erhebt. Der Geniebegriff und das Selbstverständnis der Kunst in der modernen Welt (die sich als „schöpferisch“ versteht) gründen in diesem Naturbegriff.
(Anmerkung zur Kritik der politischen Ökonomie: Das Wertgesetz und das Tauschparadigma entsprechen dem Naturbegriff, die Schuldknechtschaft und das Schuldparadigma dem Weltbegriff.)
Das Jüngste Gericht ist das Gegenteil des Weltgerichts: Im Kontext der Idee des Jüngsten Gerichts ist die Vergangenheit nicht abgeschlossen. Die Idee des Jüngsten Gerichts revoziert das perfectum: die Vorstellung einer „vollendeten Vergangenheit“. Das Jüngste Gericht widerspricht der verdinglichenden Gewalt des Todes, die dem Begriff des Weltgerichts zugrundeliegt, und setzt dagegen die Idee der Auferstehung, das Gericht der Barmherzigkeit über das gnadenlose Weltgericht: die Sprengung der Verliese des Todes. Das Gericht der Barmherzigkeit ist auch darin das Gegenteil des Weltgerichts: Es spricht die Opfer frei, nicht die Täter.
Das wirft ein Licht auf die 68er Wende: Sie hat das Jüngste Gericht mit dem Weltgericht verwechselt; sie hat an die magische Kraft des Urteils geglaubt und die Opfer vergessen.
Die Erben der Reichen des Neuen Testaments sind die, die die Vergangenheit nur ausbeuten, den Mehrwert abschöpfen und das Vergangene insgesamt verdammen.
Adam hat im Paradies die Tiere benannt, und es war keines daruntern, das ihm ein „Beistand gegen ihn“ war. Wäre die Geschichte vielleicht anders verlaufen, hätte Eva die Tiere benannt?
Ist das Erstgeburtsproblem (das Erste, das den Mutterschoß durchbricht) ein Problem der Säugetiere, und hängt es mit der Urgeschichte der Domestikation zusammen? Kann es sein, daß die Domestikation über die Entwendung der Erstgeburt, die dann von Menschen aufgezogen wurde, gelaufen ist, und hängt die Bedeutung des Opfers der Erstgeburt damit zusammen, daß hier Gott die Schuld auf sich nimmt? (War die Erstgeburtsregelung eine gegen die Schuldknechtschaft und das Sklaventum gerichtete Regelung? Spricht dafür nicht auch der hebräische Name der Barmherzigkeit?)
War es eigentlich so falsch, wenn die am fünften Tag von Gott „erschaffenen“ großen Meerestiere (die der Fisch im Buch Jona zitiert) als Walfische verstanden wurden, die Säugetiere waren?
Bezieht sich nicht die Kritik der Naturwissenschaften auf ihr Verhältnis zur Sprache, zielt sie nicht auf die Revozierung der kantischen Definition der Wahrheit als „Übereinstimmung von Begriff und Gegenstand“ (die redundant ist: auch der Gegenstand ist Begriff, und der Begriff Gegenstand)?
Hat der letzte Satz des Jakobusbriefs etwas mit dem Gleichnis von dem einen Sünder und den 99 Gerechten zu tun, und kann es sein, daß das Wort vom Lösen sich auf die „Freude im Himmel“ über den einen Sünder bezieht, der sich bekehrt (nur der rettet seine Seele vom Tode, der mit dem einen Sünder die Welt vom Tode rettet)? -
10.5.96
Die Opfertheologie ist ein Teil der Geschichte der Verhärtung des Herzens.
Der Begriff der Kollektivscham, die Fixierung auf „unser Ansehen im Ausland“ und das Stichwort „Standort Deutschland“ haben eine gemeinsame ökonomische Grundlage. War nicht der Adressat der Kollektivscham von Anfang an „das Ausland“?
Die Kollektivscham war Teil eines kollektiven Selbstmitleids (statt eines „gnädigen Gottes“ suchten die Deutschen nach dem Krieg ein Ausland, das sie liebte; in der gleichen Zeit wurde der Behemoth, das Nilpferd, zum Kuscheltier): Darin waren der neue Nationalismus und die Ausländerfeindschaft schon vorprogrammiert.
Die Kollektivscham und das kollektive Selbstmitleid sind zur Grundlage eines magischen Öffentlichkeitsbegriffs geworden, ein Öffentlichkeitsbegriff, der in einem Glauben an die magische Kraft des Urteils gründet (Habermas „Strukturwandel der Öffentlichkeit“ spiegelt diesen Öffentlichkeitsbegriff nur wider anstatt ihn zu reflektieren). Dieser Glaube hat sein telos in der Absicherung des Objektbegriffs (er hat seine Wurzeln in einer noch zu bestimmenden Weise im christlichen Dogma).
Der Begriff der Öffentlichkeit ist ein Korrelat und ein Sinnesimplikat des Weltbegriffs; beide konstituieren sich gemeinsam mit der Philosophie und dem Ursprung und der Entfaltung der res publica. Der Begriff der Öffentlichkeit ist ein apokalyptischer Begriff. Die Versammlung im Tor (in deren Namen der Begriff der Kirche gründet) wie auch das Thing (aus dem der Begriff und die Logik des Dings hervorgegangen sind) sind Embryonalformen der Öffentlichkeit, die es vorher nicht gegeben hat.
Im Namen des Evangeliums klingt der des Engels mit, damit auch die Geschichte der Engellehre (von ihrem biblisch-theologischen Ursprung über ihre frühchristlich-kosmologische Anwendung bis hin zu ihrer Privatisierung in der Gestalt des Schutzengels, der sprachlogisch die Bildung des Substantivs entspricht, grammatisches Indiz der pharaonischen Sprachverfinsterung). – Gibt es eine Untersuchung über die Bedeutung der Engel in den Apokalypsen?
In den Evangelien erscheint ein Engel dem Zacharias (dem er beim Opfer im Tempel die Geburt des Johannes ankundigt), der Maria und dann (im Traum) dem Joseph. Danach erscheinen Engel u.a. nach der Versuchung Jesu in der Wüste (und „dienten ihm“) und bei der Befreiung des Petrus aus dem Gefängnis. Das Antlitz des Stephanus erstrahlte bei seiner Verteidigungsrede vor dem Hohen Rat „wie das Antlitz eines Engels“.
Sind nicht Astrologie und Astronomie in die Prozesse mit eingebunden, die den Zusammenhang des Weltbegriffs mit dem der Öffentlichkeit konstituieren?
Die Habermassche Arbeit über den Strukturwandel der öffentlichkeit hätte ganz anders ausgesehen, hätte er auch das Problem der Kollektivschuld und der Kollektivscham (und damit das Problem der magischen Gewalt des Urteils) darin mit reflektiert. – In welcher Beziehung steht die Erinnerung an Auschwitz zum Begriff der Öffentlichkeit, welche Bedeutung hat sie für den jetzt sich vollziehenden wirklichen „Strukturwandel der Öffentlichkeit“?
Zum Nachfolgegebot: Ist nicht das Auf-sich-Nehmen des Kreuzes das genaue Gegenteil seiner öffentlichen Präsentation, durch die es den Andern als Joch auferlegt wird? (Ist das Kruzifix das Öffentlichkeitssymbol der Kollektivscham?)
Mit der Einführung der Ohrenbeichte wurde das Schuldbekenntnis privatisiert und das Symbolum (und mit ihm das Kruzifix) zu einer res publica: zum „Glaubensbekenntnis“ (Umkehrung des Schuldbekenntnisses, Konstituierung des Schuldverschubsystems, Ursprung des Konfessionalismus, vgl. das Symbol des fruchtlosen, nur noch Blätter tragenden Feigenbaums).
Das Bekenntnis des Namens wäre das Bekenntnis des Heiligen Geistes: das parakletische, das aktiv verteidigende Bekenntnis, das öffentliche Votum für die Armen und Entrechteten (und die Eucharistie wäre wieder das Brotbrechen, das Teilen des Brots mit den Armen).
Das Bekenntnis zum Kreuz wäre die öffentliche Erinnerung an die Opfer des Rechts, zu denen der Kreuzestod gehört.
War nicht der 68er Bruch ein Bruch, der die Erinnerung durch die Verurteilung ersetzt hat (Historisierung des Nationalsozialismus)? Ist nicht die Verurteilung Teil einer Logik, die die Opfer nochmals verrät?
Das Jesus-Wort „Herr, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun“, bezieht sich auf die pharaonische Verhärtung des Herzens, seine Desensibilisierung.
Zu den ägyptischen Plagen: Ist nicht auch der Schöpfungsbericht ein zehnstufiger Prozeß? Gehen nicht den sieben Schöpfungstagen drei Vorstufen voraus: das tohu wa bohu, die Finsternis über dem Abgrund und der Geist über den Wassern?
Mit der Trennung der „Quellen“ (Jahwist, Elohist etc.) hat die historische Bibelkritik die Spuren der Gotteserkenntnis verwischt. -
9.5.96
Joseph und Moses haben mit dem Haus des Pharao zu tun, Daniel und Esther mit dem des Königs von Babylon.
Das Dogma war der erste Versuch der Begründung einer transzendentalen Logik, der Konstruktion synthetischer Urteile apriori. Hierbei hatte die Opfertheologie die Funktion, die bei Kant die subjektiven Formen der Anschauung hatten.
Ist nicht das Dogma die Rekapitulation Ägyptens, die Rekonstruktion des Sklavenhauses, des Eisenschmelzofens und der Verhärtung des Herzens?
Daß Himmel und Erde auch sprachlicher Natur sind, daß der Himmel, der im Anfang erschaffen wurde, am zweiten Tag als Name verwandt wird.
Das Erzählen verhält sich zur Geschichtsschreibung wie das Wort zur Schrift. Beide unterscheiden sich durch ihre Sprachlogik.
Beschreibt nicht die Auferstehung, die Himmelfahrt und das Sitzen zur Rechten Gottes das Verhältnis der Evangelien zur Thora?
Die Logik der Schrift ist der Quellgrund des Weltbegriffs; beiden liegt die Logik des Seins für Andere zugrunde. Sind nicht die Schlange und das Neutrum, die Verstockung und der Kelch allesamt Explikationen der Logik der Schrift?
Namen wie die des Armen, des Fremden, der Gerechtigkeit, der Barmherzigkeit, der Wahrheit sind mit einem Bedeutungsüberschuß aufgeladen, den man nicht ungestraft verwerfen darf. – Unterscheidet sich nicht Buber (und das gilt auch für die Endgestalt seiner Übersetzung der Schrift) von Rosenzweig dadurch, daß er vor der Übermacht dessen, was ist, kapituliert, und drückt sich das nicht in seiner Sprache aus?
Haben wir nicht das, was in den Evangelien Vollmacht heißt, zur Metaphorik entmächtigt und domestiziert?
Wer ist in der Geschichte von den sieben unreinen Geistern „der Mensch“, und was hat es mit dem (am Ende „leeren, gereinigten und geschmückten“) Haus auf sich? Sind beide nicht auf einander bezogen wie in der Philosophie Subjekt und Welt? Und ist nicht die Welt das Haus? Die Konstituierung und Entfaltung des Weltbegriffs ist die Geschichte der Austreibung des einen unreinen Geistes und zugleich die Vorbereitung der Rückkehr der sieben unreinen Geister. Hat diese Geschichte nicht etwas zu tun mit der anderen Geschichte vom Sünder und den 99 Gerechten (den Bewohnern des leeren, gereinigten und geschmückten Hauses) und mit der Geschichte von der verlorenen Drachme? – „Und die letzten Dinge dieses Menschen werden ärger sein als die ersten“: Steckt darin nicht ein Hinweis auf Off 1318?
Liegt nicht die Bedeutung der transzendentalen Ästhetik für die transzendentale Logik darin, daß sie das Urteil unter das Gesetz des Objekts zwingt?
Der Weltbegriff macht die Vernunft zur instrumentellen Vernunft; deshalb können die Freunde der Welt keine Freunde Gottes sein.
Hat nicht die Philosophie erst den Samen zu etwas Männlichem gemacht, ist nicht in der Schrift der Same der Same der Frau – und nur als Same der Schlange männlich?
Wer ist im Zoo hinter Gittern: die Tiere oder die Menschen (die Besucher), und wer blickt wen an: die Menschen die Tiere oder die Tiere die Menschen? Die gleiche Frage gilt auch für Museen und Kunstausstellungen. – Nur im Objekt blicken wir uns selbst an; deshalb sind Objekte Gegenstand der Anschauung (bzw. vor Gericht Gegenstand des „Augenscheins“).
Miskotte hat mir noch einmal die Wolken vor Augen geführt, aus denen mich Adorno wie ein Blitz getroffen hat.
Wird Dieter Georgi nicht zum Opfer einer Äquivokation, wenn er den Bekenntnischarakter des Rechts mit dem Hinweis darauf begründet, daß dieses Recht sich „am Recht des Nächsten“ orientiert? Gehört es nicht zur Logik des Rechts, daß (zusammen mit dem Recht des Eigentums) nur das eigene Recht gesetzlich sich objektivieren läßt? Dem „Recht des Nächsten“ würde ein „Gericht der Barmherzigkeit“ entsprechen, das nur auf der Grundlage des Gebots, nicht auf der des Gesetzes sich bestimmen läßt. -
8.5.96
„Wenn die Götter schweigen“ (Miskotte): Schweigen denn die Götter wirklich, erteilt nicht der Markt allen seine Kommandos (deren Nichtbefolgung die Strafe auf dem Fuße folgt), und hat nicht Ludwig Erhard schon von der „Sünde wider den Geist der Marktwirtschaft“ gesprochen? Potenziert nicht das „Schweigen der Götter“ ihre Macht, weil keiner sie mehr wahrnimmt?
Das Wort von der Sünde wider den Heiligen Geist, die weder in dieser noch in der künftigen Welt vergeben wird, hat auch den ganz einfachen Sinn, daß die Sünde wider den Heiligen Geist die künftige Welt dieser Welt gleichsetzt, und daß das dann eine Welt ist, die keine Vergebung mehr kennt. Das ist die Welt des steinernen Herzens. Vgl. hierzu die Verhärtungen des Herzens des Pharao: Er selbst verhärtete sein Herz (2., 4. und 7. Plage), sein Herz blieb verhärtet (1., 3., 5. Plage) und JHWH verhärtete sein Herz (6., 8. und 9. Plage).
Ist nicht die Verstockung des Pharao ein Hinweis darauf, daß die Reduzierung der Moral auf die Gesinnung zu kurz greift: die Gesinnung ist die Moral des verhärteten Herzens.
Das Wesen des Tieres wird nicht nur durch den Trieb und die Sexualität, sondern ebensosehr durch das, was Max Horkheimer die instrumentelle Vernunft genannt hat, bezeichnet. Die instrumentelle Vernunft steht unter dem Bann des Weltbegriffs, deren Logik sie blind (weil reflexionslos) gehorcht. Die gleiche Logik rückt die zukünftige Welt in den blinden Fleck, macht sie unsichtbar (mit dem Neutrum ist das perfectum zur Form der abgeschlossenen Vergangenheit geworden; vollendet ist nur noch das Tote: die Ware).
Wenn der Indikativ das Gericht und der Imperativ die Barmherzigkeit bezeichnet, ist dann nicht das Gericht der Barmherzigkeit über das gnadenlose Weltgericht der Inbegriff der Lehre?
Oder anders: Ist nicht das Weltgericht die „Erfüllung der Schrift“, die „Erfüllung des Wortes“ dagegen das Gericht der Barmherzigkeit über das gnadenlose Weltgericht?
Goethes Farbenlehre enthält noch die Erinnerung an Licht und Finsternis, die in der naturwissenschaftlichen Farbenlehre verdrängt wird und erinnerungslos verschwindet. Ein ergreifendes Wort: Die Nacht bricht herein! Ist das nicht die Finsternis, die am Tage hinter dem azurblauen Himmel ruht und mit der Nacht „hereinbricht“?
Die Farben (die sinnlichen Qualitäten insgesamt) wurden verdrängt mit der Konstruktion des dreidimensionalen Raumes, die die Senkrechte zur Norm der Fläche gemacht hat. Der sinnliche Raum ist der Ort von Licht und Finsternis, die im mathematischen Raum nicht mehr sich unterscheiden lassen (die Finsternis ist die letzte der ägyptischen Plagen vor der Tötung der Erstgeburt).
Das Licht ist die Erinnerung des ersten Schöpfungstags. Der Herrentag, die dies dominica, die auf diesen Tag sich bezieht, ist der Tag der Erinnerung des Schöpfungswerks, nicht der Verdrängung des Sabbats. Die dies dominica sollte nicht mit dem Sabbat verwechselt werden; der Sonntag erinnert an das Gebot: Ihr seid das Licht der Welt.
Das Sklavenhaus der Sprache: Die subjektiven Formen der Anschauung, das sind die schwarzen Löcher, die mit der Kraft des Namens auch das Licht aus der Sprache heraussaugen, sie entmetaphorisieren, sie zu einem Herrschaftsinstrument entmächtigen.
Insektenforscher: Im Inertialsystem, dem Referenzsystem der naturwissenschaftlichen Erkenntnis, hat sich die theologische Tradition verpuppt.
Die Phänomenologie setzt den gleichen transzendentalen Apparat voraus, dessen Reflexion sie ausblendet. Das gilt schon für die Phänomenologie des Geistes.
Die Mikrophysik ist eine Theorie des verdinglichten, geronnenen Feuers. Hat die europäische Aufklärung damit nicht den ganzen Himmel vermessen: Im Anfang Wasser (Thales), am Ende Feuer?
Die Metaphorik rührt an das sprachliche Wesen der Natur, das nur durch die Kritik ihrer Beziehung zur Zeit hindurch zurückzugewinnen ist.
Steckt im Herrengebet der Dekalog, haben Vater und Mutter etwas mit Himmel und Erde zu tun?
Die Theologie hinter dem Rücken Gottes gehorcht der Logik des Weltbegriffs, die auf den Verrat der Vergangenheit, den Verrat der realen Welt und auf den Verrat der Menschheit hinausläuft. Horkheimers Frage: Wie kann man auf diesem Riesenleichenberg die richtige Gesellschaft errichten, läßt sich als Erinnerung daran verstehen, daß die richtige Gesellschaft nicht gegen die Toten errichtet werden kann.
Als die Sowjetunion das Lenin-Mausoleum errichtete, hat sie das Proletariat verraten. -
7.5.96
Vor Gott sind tausend Jahre wie ein Tag: oder zweitausend Jahre Christentum wie Auschwitz? Nur die Bekenntnislogik hindert uns daran, die Wahrheit und das Gewicht dieses Satzes zu begreifen.
Auch Miskotte steht unter dem Bann der Bekenntnislogik.
Der „Rechtsstaat“ wird durch den Satz widerlegt, daß nur Gott ins Herz der Menschen sieht.
Die dogmatische Rezeption des Weltbegriffs war ebenso provientiell wie verhängnisvoll. Sie hat das Dogma zur Geburtsstätte der Aufklärung gemacht, die christliche Theologie aber zugleich daran gehindert, das zu erkennen (sich in der Aufklärung wiederzuerkennen).
Die subjektiven Formen der Anschauung und das Inertialsystem sind Produkte der Instrumentalisierung des Dogmas, des „Glaubensbekenntnisses“. – Hat das Inertialsystem nicht, was das Dogma auf Erden gebunden hat, auch im Himmel gebunden, und arbeitet nicht in beiden die Kraft des logisch-theologischen Konstrukts von Opfertheologie und Entsühnung der Welt?
Die Opfertheologie und das Konzept von der Entsühnung der Welt fundieren die Verwaltung und legen den logischen Grund für die hierarchische Struktur der Gesellschaft.
Im Englischen ist der clergy der Geistliche, der clerk der Büroangestellte: und die Kirche ist Staatskirche, die queen sowohl Staatsoberhaupt als auch Oberhaupt der anglikanischen Kirche (im Amerikanischen ist der clerk nicht der Verwaltungsangestellte, sondern der Verkäufer/die Verkäuferin: was bedeutet es für die gesellschaftliche Funktion und das Selbstverständnis der Religion, wenn sie am Markt sich orientiert und auf dem Markt sich behaupten muß?).
Die intentio recta macht die Erkenntnis zu einem Instrument und damit beherrschbar.
Erinnert das Wort von der Verwirrung der Sprache nicht an den Namen des diabolos? Und hat der Turm von Babel etwas mit dem Neutrum (und mit der Schlange) zu tun?
Unser Bewußtsein ist ein Bewußtsein der Welt, und die logische Struktur der Welt bestimmt die logische Struktur unseres Bewußtseins. Das aber heißt, daß die Geschichte unseres Bewußtseins in die Geschichte der Welt verflochten ist.
Im griechischen Mythos ist das Schicksal als logischer Kern der Götterwelt hervorgetreten und erkennbar geworden. Das war die historische Voraussetzung des Ursprungs der Philosophie. In der Philosophie hat sich das Subjekt mit der Welt gemein gemacht (hat das Subjekt die Gemeinheit der Welt sich zu eigen gemacht).
Die Geschichte der drei Leugnungen: das Urschisma, der Islam und die Aufklärung, oder die Orthodoxie, der lateinische Katholizismus und die Konfessionalisierung.
Haben die drei Leugnungen Petri nicht auch etwas mit den drei Versuchungen Jesu zu tun: Das Urschisma mit der Verwandlung von Steinen in Brot, die Islamisierung mit der Herrschaftsverführung und die Aufklärung mit dem Sturz von der Zinne des Tempels: einem Ende der Religion, das von keinem Engel aufgefangen wird?
Wenn es einen Fortschritt, eine logische Stufenfolge in der Geschichte gibt, dann war die „Theologie hinter dem Rücken Gottes“, das Dogma und die Orthodoxie (mit der Opfertheologie im Kern) eine Vorstufe der modernen Aufklärung (mit der mathematisch-wissenschaftlichen Naturerkenntnis im Kern), dann hat sie in der wissenschaftlichen Naturerkenntnis „sich erfüllt“.
Anhand des Prinzips der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit läßt sich nachweisen, daß die Reversibilität aller Richtungen im Raum nur für den mathematischen, nicht für den realen Raum gilt: Deshalb ist eine Logik, die sich des Mittels der Beweisumkehr bedient, gemein.
Im Raum ist kein Unterschied zwischen vorn und hinten, rechts und links, oben und unten, wohl aber in der Sprache.
Hat das „voller Augen“ in der Merkaba-Vision (in Ez 118 nur „die Felgen“ <der Räder>, in 1012 „ihr ganzer Leib, ihr Rücken, ihre Hände, ihre Flügel, auch die Räder“ <der Wesen>) etwas mit den subjektiven Formen der Anschauung zu tun?
Adorno Aktueller Bezug Antijudaismus Antisemitismus Astrologie Auschwitz Banken Bekenntnislogik Benjamin Blut Buber Christentum Drewermann Einstein Empörung Faschismus Feindbildlogik Fernsehen Freud Geld Gemeinheit Gesellschaft Habermas Hegel Heidegger Heinsohn Hitler Hogefeld Horkheimer Inquisition Islam Justiz Kabbala Kant Kapitalismus Kohl Kopernikus Lachen Levinas Marx Mathematik Naturwissenschaft Newton Paranoia Patriarchat Philosophie Planck Rassismus Rosenzweig Selbstmitleid Sexismus Sexualmoral Sprache Theologie Tiere Verwaltung Wasser Wittgenstein Ästhetik Ökonomie