Mai 1996

  • 6.5.96

    Der Name des Menschensohns erscheint zuerst bei Ezechiel und bei Daniel, er reflektiert bei beiden die Situation im babylonischen Exil. Bei Ezechiel steht er offensichtlich im Zusammenhang mit der Individualisierung der Schuld. Ist dieser (theologische) Begriff des Menschensohns nicht immer mit dem (juristischen) der Person verwechselt worden? Die Individualisierung der Schuld bei Ezechiel bedeutet keine Entlastung (z.B. von der Schuld der Väter), sondern eher einer Verschärfung: Der ezechielische Begriff der Verantwortung schließt auch die für die Sünde des Andern mit ein (vgl. das „dixi et salvavi animam meam“): ein Vorgriff auf Joh 129?
    Der Name des Menschensohn unterscheidet sich vom Begriff der Person wie die Verantwortung von der Zurechenbarkeit: durch den Weltbegriff (und seine exkulpierende Funktion), durch das juristische Prinzip der Nachweisbarkeit (durch die Grenzen der Beweislogik; anders als der Menschensohn gilt die Person als schuldig nicht durch die Tat, sondern nur durch deren Nachweisbarkeit: durchs Erwischtwerden), nicht zuletzt durch ihr Verhältnis zur Gemeinheit: Während der Menschensohn seine moralische Integrität aus der Solidarität mit der Menschheit gewinnt, gewinnt die Person ihre Integrität aus einem strategischen Handlungsbegriff, der darauf abzielt, unter Ausnutzung der Grenzen der Beweisbarkeit die Vorwerfbarkeit von Handlungen auszuschließen. Personalistische Ethiken sind Urteilsethiken, keine Ethiken des richtigen Handelns; deshalb waren alle Wertethiken personalistisch.
    Zu den zehn ägyptischen Plagen: Die Geschichte des Objektivationsprozesses ist die Geschichte der Verstockung, die Entstehungsgeschichte des steinernen Herzens.
    Es ist irritierend, bei Miskotte all die Namen wiederzufinden, die mich in meiner theologischen Phase so verwirrt haben. Was mich ärgert ist, daß er das modische Geschwätz seiner „religiösen“ Kollegen (das Geschwätz, das verschweigt, was wirklich geschehen ist, und eigentlich nur noch als Objekt prophetischer Kritik Beachtung verdiente) ernst nimmt.
    Ist nicht jede Kosmologie, von den Mythen bis zum Urknall, Teil eines durch Verschiebung ins Ästhetische ichfremd und angstfrei gemachten apokalyptischen Gesellschaftsbegriffs? Insbesondere der modernen kosmologischen Konstrukte, die aus hastig zusammengebastelten naturwissenschaftlichen Versatzstücken bestehen, gewinnen ihre Überzeugungskraft nicht aus ihrer naturwissenschaftlichen Konsistenz, sondern aus den gesellschaftlichen Modellen, deren Deckbild sie sind. Hatten nicht schon das Entropiegesetz und die Marxsche Kapitalismus-Kritik eine gemeinsame Basis (deren Nicht-Reflexion dann so verhängnisvolle welthistorische Folgen hatte)?
    Die Privatisierung staatlicher Dienste schränkt die demokratische Kontrolle, die Kontrolle durch Vernunft, ein und ersetzt sie durch die Kontrolle durch die blinden Marktkräfte. Den Müll, den dieses System produziert, soll Verbrechensbekämpfung dann entsorgen. Was bedeutet es, wenn Ökonomie und Justiz auf diese Weise kurzgeschlossen werden; werden so nicht die Voraussetzungen für eine positivistische Rechtspraxis geschaffen, die die Urteilsfindung dann auf ein Verfahren der Konstruktion synthetischer Urteile apriori zusammenschnurren läßt und das Recht – ähnlich wie zugleich auch die Politik – immer mehr dem Verwaltungsverfahren angleicht? Die Kraft des reflektierten Urteils verschwindet im Recht wie in der Politik. Ist dies nicht der Zustand, auf den sich die biblische Geschichte von den zehn ägyptischen Plagen und den Verstockungen des Pharao bezieht?
    Im Exodus ist der Müll, den das Sklavenhaus Mizrajim produziert hat, im Namen Gottes zum befreienden Bewußtsein seiner selbst gekommen.
    Ist nicht jede Gefangenschaft (auch die strafrechtliche) eine Art der Kriegsgefangenschaft, und die „Strafe“ ein nach innen gewendeter Krieg? Deshalb läßt sich das Recht, Krieg zu führen, ohne die Existenz der Todesstrafe nicht begründen.
    Das Gewaltmonopol des Staates ist ein Erbe der Kriege, durch die es einmal begründet worden ist: es ist ein Kriegsrecht. Die Naturwissenschaften wenden dieses Kriegsrecht gegen die Natur; deshalb ist die Reflexion der Naturwissenschaften für den Staat, der die Erinnerung an seinen Ursprung nicht hochkommen lassen darf, so gefährlich.
    Hat das Tier vom Lande (der falsche Prophet) etwas mit der Beziehung von Adam und adama zu tun, und ist der Name des Menschen, auf den die Zahl des Tieres sich bezieht, der Name Adams? Was hat der ben adam mit dem bar enosch zu tun: Ist der ezechielische Menschensohn der ben adam und der danielische der bar enosch?
    17 = 10 + 7; 23 = 30 – 7; und 36?
    Im Englischen gibt es zwei Namen des Himmels, der eine bezieht sich auf den Himmel der Vögel, der andere auf den der Engel. Kann es sein, daß diese Unterscheidung mit der englischen Version des Infinitivs von Sein, mit dem to be, zusammenhängt?
    Ist nicht die Verstockung ein anderer Name für das pathologisch gute Gewissen (ein Sinnesimplikat der Ontologie), das ohnehin seit langem mit der Sündenvergebung und dem christlichen Verständnis der Erlösung verwechselt wird? Verstockung: das ist die Frucht der Opfertheologie und der „Entsühnung der Welt“.
    Das historische Christentum hat ohne es zu wissen die Sünde der Welt auf sich genommen; es käme darauf an, daß es endlich das Bewußtsein davon erlangt, daß es endlich erwacht.

  • 5.5.96

    Sind die sieben Köpfe des Drachen, wie auch die des Tieres aus dem Meere, nicht sieben Anfänge, sieben Ursprünge?
    Haben die sieben Köpfe (des Drachen wie des Tieres aus dem Meer) etwas mit Joseph und den sieben fetten und mageren Kühen oder den sieben schweren und leeren Ähren zu tun und die zehn Hörner etwas mit den zehn Verstockungen (der Antwort auf die zehn Plagen) des Pharao?
    Beschreiben die zehn Verstockungen (die zehn Verhärtungen des Herzens) nicht die Ursprungsgeschichte des steinernen Herzens? Und bezieht sich darauf das Wort von der Bekehrung der Herzen der Väter zu ihren Kindern?
    Das Entscheidende an der Geschichte der zehn ägyptischen Plagen sind nicht die Plagen (die „Schläge“), es ist die Verhärtung des Herzens des Pharao: das Modell jeder Verhärtung des Herzens, hier erkennbar als Teil eines objektiven, gesellschaftlichen Prozesses.
    Auch der Begriff des Bestehenden ist ein mit dem Präfix be- gebildeter Begriff (wie Bekenntnis, Bekehrung, Besitz). Bezeichnet er nicht ein subjektlos auf einem andern Stehenden: Der Fuß auf unserem Nacken? Gilt für diesen Begriff nicht Joh 129 und das Rind-Esel-Paradigma? Ist das Bestehende nicht die Sünde der Welt, die wir, wenn wir sie nicht als Last auf uns nehmen, anderen als Joch auferlegen? Ist das Bestehende nicht die Sünde wider den Heiligen Geist?
    Zwei Arten des Gebets: Wir erwarten, daß Gott uns erhört; wann erhören wir Ihn?
    Orientiert sich die herrschende Auffassung der altorientalischen Geschichte nicht allein an den Nationen, den Dynastien, den Kriegen und wechselnden Schicksalen der Nationen, während die materielle Grundlage dieser Geschichte, die Geschichte der Ökonomie und der Technik (die der Chronologie der altorientalischen Geschichte den Rahmen und Halt geben könnte), nicht nur im Dunkeln bleibt, sondern, wie es scheint, wie unter einem Rechtfertigungszwang bewußt verwirrt wird. Das Referenzsystem ist der dynastische Rahmen, in den sich alles einzuordnen hat.
    Das Inertialsystem ist ein säkularisiertes Opfer, das das Erbarmen ins Gericht verkehrt, ein Opfer des Subjekts an sich selbst: Sein telos ist die Hybris des Subjekts.
    Die subjektiven Formen der Anschauung, der mathematische Raum und die Vorstellung des Zeitkontinuums, sind das Referenzsystem der transzendentalen Logik.
    Ist die Kopenhagener Schule am Ende der Aufklärung das, was in ihrem Anfang die Astrologie war: das Konzentrat des Irrtums, der im Namen der Planeten erinnert wird. (Bezieht sich hierauf der letzte Satz des Jakobusbriefs?)
    Ist nicht die ekklesia (die Versammlung, die Gemeinde im Tor) der Ort des Gerichts, die gleiche Institution, die im Germanischen Thing hieß: Die gleiche Institution, die dann sprach- und begriffsgeschichtlich zum Ding kontrahiert wurde?
    Ist der babylonische Turm eine Metamorphose der Schlange?
    Die Beziehung von Tauschprinzip und Schuldknechtschaft ist das Bindeglied zwischen Unmittelbarkeit und Vergegenständlichung, zwischen der Vorn-hinten-Beziehung und der Rechts-links-Beziehung, das Paradigma von Vergegenständlichung überhaupt.
    Wird nicht durch den Neoliberalismus, durch die Privatisierung von öffentlichen und staatlichen Diensten der Staat (die letzte Verkörperung des Rechts der Armen) zur Plünderung freigegeben? In der Ökonomie ist der Urknall nicht am Anfang, sondern am Ende, wobei mit der Zeitstruktur auch die dynamische Struktur sich umkehrt: Die Explosion erweist sich als Implosion, als Einsturz und Zusammenbruch aller moralischen Bindungen.
    Die gegenwärtige Phase der Privatisierung: die Reorganisation der Sternenwelt, die bewußte und konsequente Installation schwarzer Löcher.

  • 4.5.96

    Haben Schwerkraft und Lichtgeschwindigkeit etwas mit den Armen (die unten sind) und den Fremden (die von außerhalb kommen) zu tun? Was entspricht dann dem Export und Reimport der Armut?
    Ist das Proletariat die zur trägen Masse kontrahierte gesellschaftliche schwere Masse (das Trägheitsgesetz ist der naturale Reflex der Lohnarbeit)?
    Es gibt einen Stand der kritischen Reflexion, aus dem sich unmittelbare praktische Konsequenzen nicht mehr ableiten lassen.
    Der Weltbegriff hat (durch Hypostasierung der Urteilsform) das Verhältnis der Sprache zur Realität verändert, er hat einen Begriff der sprachunabhängigen Realität überhaupt erst hervorgebracht.
    In der Bibel kommt es – ebensowenig in der Literatur sonst – nicht darauf an, was der Autor hat sagen wollen. Es kommt darauf an, was in den Texten sich ausdrückt; und das ist bei wirklichen Texten mehr, als der Autor hat sagen wollen. Dieses „mehr“ mag man als Werk des Heiligen Geistes verstehen, und liegt damit vielleicht gar nicht so falsch.
    Der Bubersche Begriff der „Huld“ verschiebt die Barmherzigkeit vom Mütterlichen ins Väterliche (Modell des Gerichts der Barmherzigkeit über das gnadenlose Weltgericht: die Mutter, die ihre Kinder verteidigt). Er malt das Bild einer Versöhnung, in der es der Bekehrung der Herzen der Väter zu ihren Kindern nicht bedarf. Aber zur Huld gehört das Huldigen, die Anbetung der Macht.
    „Spruch des Herrn“: Das kann durchaus ein Brüllen und ein Donnern sein. Daß Johannes die sieben Donner nicht niederschreiben durfte, scheint darauf hinzuweisen, daß hier die Logik der Schrift gesprengt wird, daß dieser Donner nicht mehr schriftfähig ist. Hießen nicht die Zebedäussöhne auch Donnersöhne? Paßt das Bubersche „Sein Erlauten“ nicht zur Buberschen „Huld“?
    Der erste Weltkrieg hat die Weltanschauungssucht hervorgebracht, der zweite hat alle unter Rechtfertigungszwang gestellt (die 68er Bewegung hat gezeigt, daß Praxis nicht schon von den Rechtfertigungszwängen befreit). Beide, die Weltanschauungssucht und die Mechanismen des Rechtfertigungszwangs, verweisen auf den jeweiligen Stand der objektiven Konstruktion der Realität, sie werden verfehlt, wenn man sie individualpsychologisch glaubt begreifen zu können.
    Hängt der Unterschied von Hieroglyphen und Keilschrift mit dem von Sklavenhaus und Tempelwirtschaft zusammen?
    Daß die Welt aus Nichts erschaffen ist, heißt das nicht einfach, daß der Weltbegriff mit der Annihilierung der Prophetie sich konstituiert? Mit dem Ursprung des Weltbegriffs ist die Prophetie zu etwas Vergangenem geworden.
    Ist nicht die Interpretationsfigur in Rosenzweigs Kritik der historischen Bibelkritik („die Schrift ruft ‚Eli, eli‘, und die Theologen meinen, sie ruft den Elias“) sehr präzise zu verstehen: Zitiert er hier nicht eine Stelle aus dem Neuen Testament?
    Das Problem des Christentums liegt darin, daß es der gleichen Welt verfallen ist, als deren prophetische Kritik es allein sich begreifen läßt.

  • 2.5.96

    Sind die Banken nicht das Modell der repräsentativen Demokratie: Die Einlage der Kunden bilden das Stimmpotential, das die Macht der Banken begründet (nach der Ausbreitung und Vergesellschaftung des Bankwesens bedurfte es der Gewichtung der politischen Stimmen nach Einkommen nicht mehr)?
    Blumenpflücken verboten: Woher kommt der Ausdruck „durch die Blume sprechen“? Ist nicht „Blüte“ auch ein Name für Falschgeld? Die „blühenden Landschaften“, die Kohl versprochen hatte, waren wohl eher metaphorische Landschaften: die neuen Einkaufszentren, der Warenhimmel, der den „Besserverdienenden“ offensteht.
    Blumen sind in der Geschichte der Evolution zusammen mit den Säugetieren, Bäume mit den Primaten entstanden. Bei den Säugetieren gibt es (anders als bei Fischen, Vögeln und Reptilien) erstmals eine Gebärmutter.
    Jonas im Bauch des „großen Fisches“ (nachdem die Schiffsleute ihn ins Meer geworfen hatten, „entbot der Herr einen großen Fisch, Jona zu verschlingen“): Wie ist er dann wieder an Land gekommen („der Herr gebot dem Fisch, und er spie ihn ans Land“)? Hat diese Geschichte (das „Zeichen des Jona“) nicht eindeutig apokalyptische Konnotationen (vgl. das „Tier aus dem Meer“ und das „Tier vom Lande“)?
    Eröffnet die Geldspekulation erstmals den Blick in den Abgrund, über dem bis heute Finsternis liegt?
    Schwur und Blutrache: Waren nicht schon die Asylstädte ein Versuch, den Schwur zu lösen (hängt der Schwur mit dem Binden und Lösen zusammen)? Die sechs Asylstädte gehören zu den (48) Levitenstädten.
    Zum letzten Satz des Jakobus-Briefes gehört die Geschichte von dem einen Sünder und den 99 Gerechten und die Geschichte von der einen verlorenen Drachme.
    Die Ambivalenz des Heideggerschen Sinn-Begriffs („Sinn von Sein“) ist ein Beispiel für die Beziehung von Rind und Esel.
    Zitiert Franz Rosenzweig, wenn er den das Sigel R (Redaktor) für sich mit Rabbenu übersetzt, nicht Maria Magdalena, die den Auferstandenen, den sie zunächst für einen Gärtner gehalten hat, nachdem sie ihn erkennt, so nennt?
    Die Weltgeschichte läßt sich als fortschreitender Objektivationsprozeß begreifen; hier hat der Begriff des Fortschritts sein fundamentum in re. Objekt und Medium dieses Fortschritts ist die politische Ökonomie, in der jede Entwicklungsstufe die Grundlage der nächstfolgenden Stufe ist: keine verschwindet, jede bleibt in jeder nachfolgenden erhalten, und keine kann übersprungen werden. Für die jeweils erreichte Stufe ist jede vorausgegangene eine vergangene, überholte und insoweit „veraltete“ Stufe. Motor dieser „Entwicklung“ ist die Ökonomie; das Gesetz, dem sie gehorcht, ist das Gesetz des Erfolgs, das Gesetz von Sieg und Unterwerfung.
    Die Naturwissenschaften erfüllen ihren gesellschaftlichen Auftrag, die Selbstrechtfertigung des Bestehenden, als theoretischer Reflex der durchs Tauschprinzip beherrschten Praxis. Der Naturbegriff, der den naturwissenschaftlichen Erkenntnisprozeß (wie das kantische „Ich denke“, dessen Erbe er ist) begleitet, bezeichnet den jeweiligen Stand des die Ökonomie wie die Naturerkenntnis gleichermaßen beherrschenden Objektivationsprozesses, kein ein für allemal vorgegebenes All von Objekten; die Einheit des Objekts der Naturwissenschaften ist eine formale, seine materiale Identität eine Funktion des Objektivationsprozesses. Es gibt nicht „die Natur“, sondern nur historisch variable Entwicklungsstufen der Erkenntnis, deren Objektseite jede Epoche als Natur definiert und begreift.

  • 1.5.96

    Kriege haben nach dem Ende des Nationalsozialismus ihre ökonomische raison d’etre verloren. Kriege können heute nur noch als irrationale „heidnische“ Religionskriege geführt werden.
    Die Logik der Vorstellung vom „goldenen Zeitalter“ ist die Logik des Geldes (des „Goldes“), die den Schöpfungsrhythmus umkehrt, das „Gute“ (die Rettung) ideologisch an den Anfang setzt und die Katastrophe ans Ende.
    Der Begriff des Testaments bezeichnet im Ursprung die Besiegelung des Kaufvertrags, der von beiden Seiten zu testieren ist. Zum Testament, und d.h. autoritär, wird er, wenn an die Stelle gleichberechtigter Parteien die einseitige Erbschaftsbeziehung tritt. Dieses Testament bedarf nur noch der Unterschrift des Erblassers, die dann mit seinem Tode wirksam wird. Das Testament gehört zur Vater-Sohn-Beziehung, die autoritär, nicht partnerschaftlich ist.
    Ist nicht die trinitarische Vater-Sohn-Beziehung, in der die Mutter nicht vorkommt, eine Adoptivbeziehung, und ist nicht die „Zeugung“ eine Adoption? Wie hängt das mit der welthistorischen Wendung im Naturbegriff, der im Griechischen auf die Zeugung, im Lateinischen auf die Geburt verweist, zusammen (und mit dem Ursprung des Begriffs der „Materie“, der an die mater, die Mutter erinnert, während die griechische hyle eher an die pharaonische „Verstockung“ gemahnt)?
    Fällt der Schwur rechtsgeschichtlich in die Ursprungsgeschichte der Blutrache? Und hat der Schwur etwas mit dem Siegel (oder der Siegel mit dem Schwur) zu tun (vgl. die Geschichte des Brunnens Beescheba und die Bedeutung seines Namens)?
    Gehören die beiden Elemente des Strafrechts, wonach nicht der Mord, sondern der Mörder bestraft wird, während Gemeinheit kein strafrechtlicher Tatbestand ist (die Personalisierung und die moralische Grenze der Beweislogik), zusammen, sind sie nicht für die Konstruktion und die Funktion des Strafrechts konstitutiv?
    Ist die Kritik des „altorientalischen Rachegotts“ nicht ein Indiz dafür, daß die Kritiker auf die Befriedigung des eigenen Rachetriebs nicht verzichten wollen? Der Rachetrieb ist ontologisch fundiert: Er hängt mit der die Ontologie fundierenden Weigerung, den Begriff des Eigentums (oder im „Sein“ den Zusammenhang des Infinitivs mit dem gleichnamigen Possessivpronomen) zu reflektieren, zusammen.
    Hat der Ort Kana in Galiläa (der Ort der „Hochzeit zu Kana“, der Ort, von dem Heilung des Sohns des königlichen Beamten ausgeht, und der Ort, aus dem Nathanael, ein „wahrer Israelit“, kommt) etwas mit dem Begriff Kana (Eifer, auch mit Simon Kananaeus, und dieser mit Nathanael) zu tun? Verweist dieser Ort auf die Beziehung Jesu zu den Zeloten? – Was hat die Bezeichnung Nazoräer mit Nazareth zu tun; und was hat es mit Iskariot auf sich?
    „Standort Deutschland“: Die Getreidespekulation, Grundlage des Romans von Frank Norris und der Begründung landwirtschaftlicher Marktordnungen, war eine Zeitspekulation, ihr Kern war das Warentermingeschäft, die Terminspekulation. Sind nicht die Geldspekulationen heute vor allem Währungsspekulationen, die in den unterschiedlichen Inflationsraten der nationalen Währungen und in den daraus resultierenden Währungsgefällen gründen: letztlich in den divergierenden Handelsbilanzen, in den Mechanismen der nationalen Konkurrenz, die den Kolonialismus abgelöst und weit effektiver ersetzt haben? Rühren nicht die Probleme der Agrarmarktordnungen, ihr ökonomisches Umkippen, aus diesem Sachverhalt: aus dem Eindringen der Geldspekulation in die Getreidespekulation, die dann im Rahmen einer Marktorganisation nicht mehr aufzufangen war; und läßt sich der Zeitpunkt dieses Umkippens nicht genau bestimmen, ebenso wie seine politischen Folgen
    – das Scheitern der „Entwicklungspolitik“,
    – die Explosion des Bankengeschäfts und die Schuldenkrise der Dritten Welt,
    – das roll back des Neoliberalismus (der „Marktwirtschaft“),
    – die fortschreitende Ersetzung der Politik durch Verwaltung, in der die Gewalt der entfesselten Ökonomie (national und international) sich ausdrückt,
    – der Zusammenbruch der realsozialistischen Staaten,
    – der Abbau des „Sozialstaats“,
    – das Flüchtlingsproblem und seine gnadenlose Regulierung.
    Zur Geldspekulation scheint es keine den (anfänglich durchaus wirksamen) Regelungen der Agrarmarktordnung entsprechenden Lösungen zu geben? Wodurch unterscheidet sich die Geldspekulation von der Getreidespekulation, aus der sie hervorgegangen ist?
    Verweist nicht das Problem der Geldspekulation, das an seinen ökonomischen Folgen zu messen ist, zurück auf die „außenpolitische“ Ursprungsgeschichte der politischen Ökonomie: auf den Zusammenhang von Raub, Handel und Krieg; Ursprung des Staates: Ursprung der Warenform im Fernhandel (Außenhandel, Krieg und Eroberung, Beute, Tribut, Kriegsgefangene, Deportation und Sklavenwirtschaft, Schatzgeld und Zirkulationsgeld; Privateigentum, Tausch und Schuldknechtschaft; pax romana: Recht als Sicherung des Privateigentums.

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