Hat die Eigentumstheorie Heinsohns etwas mit der Erforschung der Tiefen des Satans in der Apokalypse zu tun?
Zu Prinzip der „Verteidigung des Eigentums“ gehören die Diebstahl- und Einbruchsängste, gehört das Bild einer Wolfswelt, deren Ordnung durch Gewalt sicherzustellen ist, gehören Hunde, während zum Prinzip der Anerkennung des Eigentums eine Welt gehört, die durch gegenseitige Achtung sich bestimmt. Die Ambivalenz des Eigentumsbegriffs gründet in der Dichotomie zwischen mir und dem Andern.
Der apokalyptische Topos, wonach die Zeit des Antichrist das Gesicht einer Hundes tragen wird, hängt mit Eigentumsbegriff zusammen. Die „Verteidigung des Eigentums“ scheut das Licht, das Eigentum ist etwas, was man (wie die Sexualiät) verbergen muß. Hunde und Skinheads ertragen den Blick des Andern nicht, aber sie koitieren öffentlich.
Der hündische Zwang, überall Duftmarken zu setzen, scheint etwas mit dem Eigentumsbegriff zu tun zu haben.
Ist nicht die Eigentumswirtschaft in ihrer praktischen Realität eine Besitzwirtschaft? Die Eigentümer sieht man nicht mehr, sie sind die unsichtbaren Götter. Wer die Verfügungsgewalt über sein Eigentum an andere delegiert, setzt auf deren Komplizenschaft, möchte sich selbst die Hände nicht mehr schmutzig machen.
Ist das der „Greuel am heiligen Ort“, daß die Eigentümer den Himmel zu ihrem Thron und die Erde zum Schemel ihrer Füße gemacht haben? Und hat nicht das kopernikanische System (mit der Vorstellung des „unendlichen Raumes“) den Himmel, aus dem es den Gott vertrieben hat, zum Thron der Eigentümer gemacht?
Sind Insekten elektromagnetische Tiere, Inertialsystem-Tiere? Und kann es sein, daß Beelzebub, der „Herr der Fliegen“, etwas mit dem mikrophysikalischen Herrschaftskonzept (mit der atomaren Technik) zu tun hat?
Gibt es eine Beziehung der Einheit des Reiches in der Geschichte vom Beelzebub mit der Einheit des Ortes, an dem die Wasser sich sammeln sollen.
In dem Wort von dem „einen Ort“ ist das Eine kein unbestimmter Artikel, sondern eine Zahlbestimmung, und die kabbalistische Anmerkung hierzu ist sprachlich determiniert. Das Mißverständnis rührt daher, daß es, wie es scheint, den unbestimmten Artikel, der ein Subsumtionsverhältnis anzeigt, im Hebräischen (allerdings auch im Griechischen und Lateinischen) nicht gibt. Im Griechischen und Lateinischen gibt es wohl die Beziehung des Einen zum Andern, die aber das Nomen noch unberührt läßt, das erst durch den unbestimmten Artikel in diese Logik mit hereingezogen (und damit zum Substantiv) wird. Das ontologische Prinzip „Unum et verum convertuntur“ begründet (durch die Vermittlung des bonum, das im Eigentumsprinzip gründet) die Herrschaft des Beelzebub.
Der unbestimmte Artikel reflektiert das Anderssein des Einen, er setzt den Weltbegriff voraus. Ist die Frage nach dem Ursprung des unbestimmten Artikels nicht eine sprachgeschichtliche Schlüsselfrage, mit deren Hilfe die sprachlogische Funktion und der Stellenwert des Neutrum sich bestimmen läßt?
In allen modernen Sprachen (Englisch, Französisch, Spanisch, Italienisch) gibt es den unbestimmten Artikel (die sprachliche Form der Subsumtionsbeziehung); in all diesen Sprachen konvergiert der unbestimmte Artikel mit dem Begriff des Einen, nur im Englischen ist er davon unterschieden (Unterscheidung von a und one).
Fundamentalontologie: Das Eigentum ist die metaphysische Wurzel des Besitzes. Ist es nicht eine Funktion des oikos, des Hauses?
Die Begriffsbildung läuft über das Verfahren der Objektivierung: der Unterwerfung und Beherrschung von Feinden (Modell der Objekte).
Erst wenn die Theologie sich von ihrem philosophischen Erbe, vom Einverständnis mit dem Tod (mit der Vergangenheit des Vergangenen) befreit, befreit sie sich selber, wird sie aus einer Theologie hinter dem Rücken zu einer Theologie im Angesicht Gottes (werden die Apostel aus dem Schlaf von Getsemane geweckt).
In folgenden Situationen sind in den Evangelien die drei Apostel Petrus, Jakobus und Johannes mit dabei:
– bei der Heilung der Schwiegermutter des Petrus (Mk 129 parr),
– bei der Heilung der Tochter des Synagogenvorstehers (Mk 537 parr),
– auf dem Berg der Verklärung (Mt 171 parr) und
– in Getsemane (Mt 2637 parr).
Diese drei sind nicht identisch mit den von Paulus so genannten „drei Säulen“ (zu denen der „Herrenbruder“ <nach Karl Thieme identisch mit dem „kleinen“ Jakobus, mit Jakobus Alphäus>, nicht der Zebedäussohn Jakobus gehört). Zu Petrus und Johannes vgl. das Johannes-Evangelium (1323, 1815, 202, 217, 2120) sowie Apg (3,4 und 814).
Welche sprachlogische Funktion haben die Pronomina (Personal-, Demonstrativ-, Frage-, Possessiv-, Reflexiv-, Relativpronomen)? Gibt es eine sprachlogische/sprachgeschichtliche Beziehung zu den Affixen?
Juli 1996
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7.7.96
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6.7.96
Marktkolonialismus: Ist das Schuldenproblem der Dritten Welt, insbesondere auch in Lateinamerika, nicht auch darin begründet, daß das belastbare Eigentum in den betroffenen Ländern in fremder Hand sich befindet? Die multinationalen Konzerne entziehen der Idee der Nation im wörtlichsten Sinne den Boden.
Eigentumsgesellschaften sind Eroberungsgesellschaften (die Revolution gegen den Feudalismus ist nur die eine Seite der Sache, der Ausbreitungs- und Eroberungstrieb die andere). Eigentum gibt es nur im Kontext staatlicher Organisation des Eigentums: Liegt die Lücke des Heinsohnschen Konzepts etwa darin, daß er das nationale Problem ausblendet, damit aber auch die Affinität der Eigentumslogik zum Nationalismus (vgl. die Jugoslawienkrise, aber auch den Slogan „Standort Deutschland“)? Ist die Ausblendung der sie fundierenden Beziehung zur Nation nicht ein Teil der Eigentumslogik, die ohne diese Abstraktion nicht zu halten ist?
Wer den Ursprung des Geldes auf den des Eigentums zurückführt, darf eigentlich die Ursprungsgeschichte des Eigentums nicht ausblenden, wobei das Problem auf den Ursprung des Eigentums nicht mehr sich eingrenzen läßt. Auch die Naturwissenschaften gründen in der Eigentumslogik, die nur zusammen mit einer Kritik der Naturwissenschaften sich reflektieren läßt. Und darin liegt das Grundproblem der Kritik der Naturwissenschaften, daß sie die Kritik der Eigentumslogik voraussetzt und mit einschließt: als Kritik der Funktion der Naturwissenschaften im Prozeß der Selbstlegitimation des Bestehenden.
Faszinierend wäre die Analyse der Beziehung des Ursprungs und der Geschichte des Eigentums zur Geschichte der Sexualität, zum Ursprung der Sexualmoral.
Ist nicht der Begriff der Gnade seit Augustinus ein Produkt der gleichen Abstraktion (der gleichen Halbierung), der auch der Ursprung und die Entfaltung der „subjektiven Formen der Anschauung“ sich verdanken: der Konstituierung der Trägheit, des Objektseins, der Passivität, am Ende des Selbstmitleids: „Wie bekomme ich einen gnädigen Gott“? Im Kontext der vergegenständlichten Natur gibt es keinen „gnädigen Gott“!
Hat nicht der Begriff des Eigentums in der Ökonomie den gleichen Stellenwert und die gleiche Funktion wie der Begriff der Trägheit in den durchs Inertialsystem definierten Naturwissenschaften?
Es gehört zur Ambivalenz des Namens Jesu („Jesus Christus“), daß er so wie der Name einer Privatperson klingt, während er doch den Anspruch erhebt, der Name des Messias zu sein (den aufgrund dieser Privatisierung niemand mehr kennt, wie anhand des Problems der Vergöttlichung Jesu leicht sich nachweisen läßt). Wenn die „Todesangst“ Jesu in Getsemane nicht auf die abstrakte Privatperson, sondern zugleich auf die messianische Kraft, die sie verkörpert, und auf den Zustand der Welt, an dem diese Kraft sich mißt, bezogen wird: auf die Angst des Mißlingens, erhält dann diese Geschichte nicht eine ganz andere Bedeutung, ein ganz anderes Gewicht? Drückt die privatisierende Gewalt des Ereignisses nicht exakt in dem Schlaf der Apostel sich aus? Sie haben im wörtlichsten Sinne diese „eine Stunde“ verschlafen. Auch der Messias kann es nicht alleine, er kann es nicht für sich sein.
Ist Christ ein Name, mit dem ich benannt bin, oder ein Begriff, unter den ich subsumiert werde?
Das himmlische Jerusalem der Apokalypse, ist das nicht das nicht das Gegenstück der Schechina im Exil? Ist nicht die christliche Ära die Zeit der Restituierung des geschändeten, verwundeten, zerschlagenen Jerusalem, an deren Ende es als himmlisches Jerusalem (als geschmückte Braut) wiederkehrt? Aber das himmlische Jerusalem wird eines sein, in dem kein Tempel mehr ist.
1968 hat das Generationenproblem erstmals an den Grund der Welt gerührt.
Worauf bezieht sich die Unterscheidung der Bücher, die geöffnet werden, von dem „anderen Buch“, das auch geöffnet wird (Off 2012)? Ähnlich wurde vorher schon zwischen Engeln und „anderen Engeln“ unterschieden (vgl. auch Petrus und den „anderen Jünger“ im Johannes-Evangelium). Was bedeutet dieser Begriff des „anderen“? Das „andere Buch“ ist das „Buch des Lebens“, während die „Bücher“ auf die „Schriften“ zu verweisen scheinen (die in der Passion und Auferstehung Jesu „sich erfüllen“). Bezieht sich das „andere Buch“, das Buch des Lebens, auf etwas, das man im Hinblick auf die Erfüllung der Schrift die Erfüllung des Worts nennen könnte? Und haben dieses „andere Buch“ wie auch die „anderen Engel“ (und der „andere Jünger“) etwas mit dem „einen Sünder“ zu tun (über den größere Freude im Himmel herrscht als über 99 Gerechte) – und mit der verlorenen Drachme? Und bezieht sich darauf der letzte Satz des Jakobus-Briefs?
Wenn Reinhold Schneider als toter Hund am Fuße des Kreuzes begraben sein, an der Auferstehung nicht teilhaben wollte, steckte darin nicht der wahrhaft begründete Widerwille gegen die Opfertheologie, der Widerwille gegen die (erst heute?) unerträgliche Vorstellung, durch das Blut dieses Opfers von Sünden rein gewaschen zu werden?
Da gingen ihnen die Augen auf, und sie erkannten, daß sie nackt waren: Wie wahr ist der Plural in diesem Satz. Nackte Tatsachen, das sind die vom Blick der Barmherzigkeit entkleideten Tatsachen. Ist nicht die Nacktheit ein logischer Begriff, hat sie nicht Anteil an der Allgemeinheit des Begriffs, als Reflex der Abstraktion, in der der Begriff sich konstituiert?
Nachdem Ham die Blöße seines Vaters nicht zudeckte, wurde nicht er, sondern sein Sohn Kanaan dafür verflucht. Hat nicht jedes Geschwätz, jedes Gerede über andere (das Gerede „hinter dem Rücken“ des Andern, das die Gunst seiner Abwesenheit nutzt), jede projektive Verarbeitung der Unfähigkeit, die eigene Schuld zu reflektieren, und deshalb zur eigenen Entlastung des Mittels der Schuldverschiebung sich zu bedienen, Teil an diesem Mechanismus des Aufdeckens der Blöße? Der Gebrauch, den jede Apartheid und jeder fundamentalistische Rassismus von der Ham-Geschichte macht, greift schon deshalb zu kurz, weil der Fluch nicht Ham (den Hitzigen), sondern Kanaan (den Händler) trifft, damit aber nicht einen Typus des Rassismus, sondern einen der Ökonomie (der eigentumsbegründenden Gelwirtschaft).
Gibt es nicht in einem der Theaterstücke Becketts, im „Endspiel“, einen Ham (zusammen mit Estragon)?
Hat Rosenzweigs Kritik des All (die er mit der sprengenden Kraft der Todesfurcht begründet) etwas mit den weißen Kleidern in der Apokalypse zu tun (mit der Bedeckung der Nacktheit)? „Die Nackten kleiden“, auch das gehört zu den Werken der Barmherzigkeit. Unterm Bann der Eigentumslogik, die durch ihren Systemgrund die Barmherzigkeit ausblendet, die Dinge entkleidet, sie nackt vor Augen stellt, sind wir nur noch Aufdecker der Blöße. Nach Jakobus haben die Reichen „den Gerechten verurteilt, getötet; er widersteht euch nicht“ (56).
Der Gottesname in dem Satz, daß der Gepfählte ein Fluch Gottes ist, ist der Name Elohim (Dt 2123).
Sind nicht die Werke der Barmherzigkeit insgesamt auch Explikationen des Gebots der Heiligung des Gottesnamens? Wie verhalten sich die Werke der Barmherzigkeit („die Hungrigen speisen, die Nackten kleiden …“) zu den Werken, auf die Jesus verweist, als Johannes ihn durch seine Jünger fragen läßt, ob er es sei, der da kommen soll („die Blinden sehen, die Lahmen gehen …“)? Sind nicht die Werke der Barmherzigkeit die Weiterführung dieser Werke?
Verweist der Begriff des Realsymbolischen, der auch die Werke der Barmherzigkeit überhaupt erst gehörig ins Licht rückt, nicht auf die Namenskraft der Sprache, die deren kommunikative Eingrenzung und Abstraktion sprengt? Und rührt dieser Begriff des Realsymbolischen nicht an die Intention, die die Erfüllung der Schrift in die des Wortes zu transformieren trachtet? Die Heiligung des Gottesnamens bezieht sich auf den gleichen Sachverhalt. Barmherzigkeit, nicht Opfer.
Das Inertialsystem (und in ihm die subjektive Form der äußeren Anschauung) macht die Dinge eigentumsfähig
– durch Orthogonalisierung des Raumes, die jede Umkehr in eine andere Richtung des Raumes überführt,
– durch Eliminierung der Umkehr aus dem Begriff der Erkenntnis, durch Fixierung auf die intentio recta,
(beide Momente sind durch das Prinzip der Reversibilität aller Richtungen im Raum miteinander verknüpft)
– durch Veränderung ihrer Beziehung zur Sprache (die mit der Form der Anschauung gesetzte intentionale Objektbeziehung löscht die der Sprache, dem Namen, innewohnende Kraft der Erkenntnis, sie ersetzt den Namen durch den Begriff). -
5.7.96
Der Eigentumskonkretismus, dem Heinsohn verfallen ist, ist ein Trick, mit dem Heinsohn den Begründungszusammenhang, der das Eigentum mit dem Staat verbindet, ausblendet. Wenn er Eigentümer von Nichteigentümern unterscheidet, macht er den Staat zu einem Appendix der Eigentümer (und den Eigentumsbegriff zu einem Teil der Hausbesitzerideologie). Das Geld ist durch eine Eigenschaft definiert, die es von den „Gütern“ ähnlich unterscheidet wie den Raum von den Dingen in ihm (oder wie das Instrument von der Materie, die es bearbeitet): durch die logische (nicht empirische) Eigenschaft der Unvergänglichkeit, die als Folie der Vergänglichkeit die Dinge wie die Waren dem Untergang (der Verarbeitung, dem Verbrauch, dem Verzehr) zueignet. Wenn der Schuldknecht ein Eigentümer ist (S. 180), dann ist der Proletarier ein Schuldknecht seiner selbst. Gezeugt, nicht geschaffen: Güter werden produziert, Geld ist die Voraussetzung einer Produktion, in der es eigentlich nur sich selbst reproduziert (wie auch der Raum, der durch die subjektive Form der äußeren Anschauung hindurch sich konstituiert). Der philosophische Substanzbegriff ist ein Reflex des Eigentumsbegriffs: auf den Substanzbegriff und seine immanente Logik bezieht sich der trinitarische Begriff der homousia. War nicht die mittelalterliche Eucharistielehre eine sakrale Geldtheorie? Heinsohn abstrahiert von der Tatsache, daß Eigentum überhaupt erst im Prozeß des Ursprungs des Staates, mit dem Staat zusammen, sich konstituiert. Im Eigentumsbegriff steckt das, was heute Staatsgewalt heißt (und jeder Eigentümer hat Anteil an dieser Staatsgewalt; darin gründet der Nationalismus). Eigentumsbildung erfolgt nicht allein durch Revolution (der Schuldknechte gegen die Feudalherrn), sondern auch durch Eroberung, die das Eigentum der Eroberer an der unterworfenen Bevölkerung wie an ihrem Besitz begründet (vgl. die archaischen, regressiven Züge des Jugoslawien-Konflikts). Zur Logik jeder Revolution gehört es, daß sie nicht einfach nur den Staat, sondern ihn zugleich als Eroberungsstaat begründet. Gründet nicht der Missionsauftrag der Kirche in der gleichen Logik (ist nicht das Zeugen in der Trinitätslehre das Movens des Missionsauftrags der Kirche: Gehet hin in alle Welt …)? Hegels Satz, daß eine Grenze bestimmen sie überschreiten heißt, gründet in dieser Eigentumslogik. Es ist die gleiche Logik, die das Anschauen mit der Nacktheit verbindet (und den Ursprung des Staats mit dem Ursprung der Sexualmoral). Die Trinitätslehre hat das Problem, das der Philosophie im Römischen Staat sich stellte, gelöst, aber nur das logische, nicht das herrschaftsgeschichtliche Problem, das in dem logischen sich verbirgt. So ist diese Lösung zur neuen Grundlage einer imperialistische Ideologie geworden. Der Preis für die Hellenisierung war das proton pseudos der Theologie: die Opfertheologie. Steckt nicht in dem polemischen Teil der Heinsohnschen Theorie, in seiner Lust an der Entdeckung der Dummheit der Anderen, genau das tabuisierende Element, ein religiöses Erbe? Tempelwirtschaft: War nicht die „Religion“ ein Instrument der Legitimierung des Kontrakts und damit des „Eigentums“ und der mit ihm sich entfaltenden Logik? Die Tempel-, Priester- und Opferreligion wäre selber zu begreifen als gleichsam embryonale Frühform der Eigentumslogik. Am Astralkult und an der daraus hervorgegangenen Astrologie läßt der Zusammenhang mit der Eigentumslogik, mit der altorientalischen Gestalt der politischen Ökonomie, mit Händen sich greifen. Darin gründet die Vermutung, daß die „Venus-Katastrophe“ weniger auf eine astronomische, als vielmehr auf eine politisch-ökonomische Katastrophe sich bezieht. Sind Jupiter, Mars, Merkur und Venus, aber auch Sonne, Mond und Saturn, Verkörperungen einer an den Himmel projizierten Gesellschaftstheorie? Die „Wege des Irrtums“ (Jakobusbrief) oder die sieben unreinen Geister: Es gibt nicht mehr nur eine Dummheit, sondern eine (abzählbare) Vielheit an Gestalten der Dummheit, die alle durch Unbelehrbarkeit (und jede für sich durch Unwiderlegbarkeit) sich auszeichnen (vgl. die Geschichte der Verhärtung des Herzens Pharaos). „Was ist Wahrheit“ (Pilatus): Heute ist der Wahrheit gegenüber jeder im Vorteil, der sich dumm stellt. Kehren nicht die „theologischen Mucken der Waren“ heute in den wirren Phantasien über die Beziehungen der modernen Naturwissenschaften zur Religion wieder? „Ihr laßt die Armen schuldig werden“ (Goethe): Heinsohn/Steiger weisen „die Hauptlast bei der Verteidigung der Preisstabilität nicht … der Zinspolitik, sondern … der Einkommenspolitik in Gestalt der Nominallohnpolitik“ zu (S. 273). In einer Wirtschaft, in der die Unternehmensleitung nicht mehr Sache der „Eigentümer“, sondern die eines selber „lohnabhängigen“ (besitzverwaltenden) Managements ist, das nach „objektiven“ Grundsätzen einer „betriebswirtschaftlichen Gesamtrechnung“ handelt, erweist sich die Einkommenspolitik als die letzte weiche Stelle in einem ansonsten von lauter „harten Fakten“ bestimmten Kostengerüst. Die letzten „Eigentümer“, die mit ihrem Eigentum (mit ihrer nackten Existenz) für die Schuld, ohne belastbares, pfändbares, jedenfalls in Geld ausdrückbares Eigentum geboren zu sein, haften, sind die Arbeiter und Angestellten. Die Eigentümer haben sich aus der Verantwortung gestohlen, an der sie einmal ihre Würde hatten; die, die die Verantwortung haben, tun nur ihre Pflicht, wissen aber nicht mehr was sie tun (und die Wissenschaft, die ihnen dabei behilflich ist, verkörpert genau dieses Nichtwissen); nur die, die als Eigentumsledige jeder Einwirkungsmöglichkeit beraubt und aller Verantwortung enthoben sind, tragen die ganze Last des Risikos.
Gibt es eigentlich eine Abhängigkeit des außer jeder Relation zur Gesamtentwicklung des Preisniveaus sich vollziehenden Steigens der Grundstückpreise zur Entwicklung des die Logik der Geldwirtschaft beherrschenden Eigentums insgesamt? Ich vermute, die These ist nicht nur begründbar, sondern auch beweisbar, daß die Preissteigerungen am Grundstückmarkt (die als Folge der durch keine Leistung fundierten, sondern allein die Eigentumsmacht reflektierenden Mieterhöhungen sich begreifen lassen) als Index und als Spiegelbild der Gesteinsverschiebung in der gesamtwirtschaftlichen Eigentumsverteilung sich erweisen. Ist die jeder äußeren Einwirkung sich entziehende (gegen jeden moralischen Appell immun gewordene) Eigentumsmacht nicht die Perfektionierung der gleichen Strukturen und Mechanismen, die in anderen Zeiten im Phänomen der Majestätsbeleidigung sich manifestierte: Ist das Eigentum die unverletzbar gemachte (gegen das Ansinnen der Moral immunisierte) Verletzlichkeit der Herrschaft (die Stelle des Lindenblatts beim Siegfried)? Polanyi hat darauf hingewiesen, daß die Subsumtion des Grund und Bodens, der Arbeit und des Geldes unters Tauschprinzip dem Kapitalismus den Weg freigemacht hat. Welche Konsequenzen lassen sich aus dieser Konstellation angesichts der gegenwärtigen Globalisierung der Ökonomie für die Objekte dieser Subsumtion im einzelnen (für Grund und Boden, für die Lohnarbeit, für die Geldentwicklung) ableiten; rücken diese Konsequenzen nicht auch die Beziehungen dieser Elemente in ein neues Licht (ähnlich wie die Beziehungen der drei Richtungen im Raum)? Die Eigentums- und Geldtheorie Heinsohns und Steigers ist das Produkt einer genauesten Entfaltung der Logik der Ökonomie; aber ist diese Logik nicht eine Harakiri-Logik, ein Instrument der Selbstzerstörung der ökonomischen Theorie: das Opfer der Ökonomie an den Absolutheitskern ihrer eigenen Idee (das Gegenstück des newtonschen „absoluten Raums“)? -
4.7.96
Die Pforten der Hölle (Mt 1618): Der Faschismus hat hat eine atomisierte Selbsterhaltungsgesellschaft hinterlassen, in der alle in der Isolationshaft ihrer Eigentlichkeit sitzen (die Eigentlichkeit ist die unterm universalen, ausweglosen Rechtfertigungszwang allein noch mögliche Gestalt des Selbstbewußtseins, die Keimzelle der neuen Bilder-Religion, der Drache, dessen unendlichen Hunger die Medien zu stillen vergeblich sich abmühen). Jeder sitzt im Hochsicherheitstrakt seines Verdrängungsapparats, als dessen objektives Modell die Naturwissenschaften sich erweisen (die objektivierten Naturwissenschaften, die die Phantasie, aus der sie einmal hervorgegangen sind, absorbiert und stillgestellt haben: die ganze Physik ist zu einer grandiosen, alles ergreifenden „Form der Anschauung“, zu einem unversalen synthetischen Urteil apriori, geworden). Nur durch Schuldreflexion ist der Bann zu brechen. Das Absolute als Schuldverschubsystem, oder der Staat als subjektive Form der Anschauung: Ist die Stillstellung der Phantasie nicht eines der Hauptziele des im Bereich des Staatsschutzes tätigen Ermittlungsapparats? Und ist der Verdacht so unbegründet, daß diese Intention in den Objekten dieses Apparats sich reproduziert? Bewegen sich die Ermittlungen nicht einem Bereich, in dem die Objektivität der Schuld nur durch Abstraktion vom gesellschaftlichen Schuldzusammenhang, durch Projektion, und d.h. auf der Basis des Schuldverschubsystems (im wörtlichen Sinne) sich „bestimmen“ läßt: durch das Verfahren der Konstruktion synthetischer Urteile apriori?
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3.7.96
Gegen den 68er Bruch: Der Faschismus war keine Naturkatastrophe, und das Horkheimer-Wort, daß, wer vom Faschismus redet, vom Kapitalismus nicht schweigen dürfe, wird heute durch Umkehrung wahr: Vom Kapitalismus darf nicht reden, wer vom Faschismus schweigt.
Die 68er Bewegung hat den faschistischen Zivilisationsbruch als Kulturbruch ratifiziert. Mit der Beziehung zum (weiterhin realen) Staat hat sich auch die Beziehung zur Sexualität, das Verhältnis von Eigentum und Besitz, verändert. Die traditionelle Sexualmoral war Ausdruck der am Eigentumsbegriff sich orientierenden Beziehung der Person zu sich selbst. Ist nicht an die Stelle der Eigentumsbeziehung (deren Respektierung die Sexualmoral leisten sollte) das Besitzverhältnis (an die Stelle des Respekts vor dem Andern die Freiheit der Güternutzung) getreten? Gibt es (nach der Globalisierung des Marktes und der Verrottung des Staates) überhaupt noch „Eigentum“? Ist sein Verschwinden nicht am Verschwinden des Tabus auf der Sexualität (mit den Folgen, die das insbesondere für den weiblichen Teil der Gesellschaft hatte) ablesbar?
Das Privateigentum konstituiert die Privatsphäre (den idiotes).
Rühren die Probleme der Theorien Heinsohns nicht daher, daß er einem Theorie- und Objektivitätsmodell sich verpflichtet fühlt, daß aus der Physik stammt? Die vermittelnde Kategorie scheint der Eigentumsbegriff zu sein, der in der Tat einmal den Naturbegriff konstituiert hat: Der Eigentumsbegriff verhält sich zur Geldwirtschaft wie die träge Masse zur Physik insgesamt.
Die begriffliche Trennung von Eigentum und Besitz, die mit der von Tausch- und Gebrauchswert zusammenhängt, determiniert die Widersprüche, die Heinsohns Konzept durchziehen (vgl. z.B. S. 129 und 137 zum Verhältnis der Volkswirtschaftslehre zur Geschichte).
Wenn Heinsohn die Geschichte sowohl braucht als auch abwehrt, so drückt sich darin genau die Ambivalenz seiner Theorie aus: Er braucht die Geschichte als Mittel zur Erkenntnis der Logik der Ökonomie, er muß sie abwehren, weil sie diese Logik zugleich zum Sprechen zu bringen droht.
Besitz ist eine Gebrauchskategorie, Eigentum eine Geldkategorie (vgl. Heideggers Unterscheidung des Zuhandenen vom Vorhandenen). Hat nicht Polyani den Ursprung der Eigentumsgesellschaft sehr viel genauer beschrieben, nämlich anhand der Übertragung der Wareneigenschaften auf Grund und Boden (Eigentum), auf die Arbeit (Lohnarbeit) und aufs Geld (Banken)? Heinsohn selber verweist darauf, daß die Lohnarbeit erst in der modernen Entwicklung hinzukommt; verweist das nicht auf eine qualitative Differenz auch beim „Eigentum“ und beim Geld (doppelte Buchführung)?
Der philosophische Reflex des Eigentumsbegriffs ist der Begriff der Substanz (der mit dem Begriff des Substantivs das Verständnis der Grammatik und der Sprache verändert hat, der das Nomen gelöscht und die Sprache zu einem Mittel der Information gemacht hat).
Das Substantiv ist eine Fortbildung des Begriffs der Substanz. Drückt nicht im Begriff des Substantivs eine qualitative Veränderung im Eigentumsbegriff sich aus?
Der Konkretismus Heinsohns manifestiert sich nicht nur in der Theorie der Venus-Katastrophe (in der Ersetzung der gesellschaftlichen Naturkatastrophe durch eine reale kosmische Katastrophe), sondern auch in seinem Eigentumsbegriff, der ihm zu einem festen Grundlagenbegriff wird, und an dem er den historischen Prozeß, dem er entspringt und in dem er sich verändert, nicht wahrnimmt. Die Trennung von Eigentum und Besitz manifestiert sich in den Änderungen der ökonomischen Gesellschaftformen, in der Übertragung der Geschäftsführung an ein Management und im Ursprung und in der Entfaltung und Ausdifferenzierung der Verwaltung (die die Besitzfunktionen des Eigentums realisiert). Aber ist nicht das Eigentum unabhängig vom Besitz (vom Gebrauch, der es qualifiziert) eine leere Abstraktion? Wie das Eigentum im ökonomischen Prozeß sich verändert, kann man heute von jedem Landwirt (noch krasser freilich an den Vorgängen in der Dritten Welt, die jetzt langsam anfängt zu begreifen, was ihr geschieht) erfahren.
Durch seinen Eigentumsbegriff wird dieses Buch zum Kompendium einer Hausbesitzer-Ideologie.
Das Konstrukt der Venus-Katastrophe war notwendig, weil der genetische Zusammenhang des Eigentumsbegriffs mit dem Begriff und der Praxis der Gewalt in der Gesellschaft ausgeblendet wird. Gehört nicht der Eroberungskrieg (wie am modernen Kolonialismus drastisch sich zeigen läßt) zur Ursprungsgeschichte des Eigentums (die Ureinwohner der kolonialisierten Länder „kennen keine Schrift, kein Geld, sind nackt“; sie sind deshalb nicht fähig, über ihren Besitz wie über Eigentum zu verfügen; als „Wilde“ sind sie apriorische Objekte von Gewalt)?
War die Kosntituierung des Eigentums das Ergebnis einer Revolution von innen (bei den Griechen als Revolution gegen den mykenischen Feudalismus), oder war sie das Ergebnis einer Eroberung von außen, durch umherstreifende Brüder- und Männerhorden (Rom, die Hapiru, die „Hebräer“)? Unterscheidet sich darin nicht das Eigentums-Buch vom Patriarchats-Buch Heinsohns?
Irgendjemand hat einmal die Tempel als Säkularisations-Instrumente beschrieben (Entzauberung der Welt durch Konzentration des Heiligen im Tempel). Eine ähnliche Funktion scheinen die christlichen Kirchen, Kathedralen und Dome im Mittelalter gehabt zu haben. Als Säkularisations-Instrument hat der Tempel die Welt eigentumsfähig und damit zur Welt gemacht; deshalb gehören zur Tempelwirtschaft die Kosmogonien.
Waren der Islam das Persien, Frankreich und England hingegen das Griechenland des Mittelalters? Dann war Deutschland das Rom.
Adorno hat mich in die Lage versetzt, mein Faschismus-Trauma zu bearbeiten; anders wäre ich das Opfer dieses Traumas geworden.
Heinsohn: der Drewermann der Nationalökonomie?
Die Orthogonalität ist das Abstraktionsgesetz der Erkenntnis, sie ist zugleich das Formprinzip des Urteils. Durch die Orthogonalität werden die Richtungen des Raumes getrennt und unterschieden und zugleich zueinander in Beziehung gesetzt; das gleiche Formgesetz gilt für die Beziehung von Raum und Zeit und dann auch für die Beziehung von Raum und Zeit zur Materie. Die Orthogonalität (die Entdeckung der Winkelgeometrie durch die Griechen) ist das Modell der Beziehung von Begriff und Objekt. Wie hängt die Entdeckung der Orthogonalität mit dem Ursprung des Eigentumsbegriffs, mit der Unterscheidung von Eigentum und Besitz und mit dem Ursprung des Staates zusammen?
Im Buch Josue wird das Land Kanaan durchs Los auf die Stämme Israels verteilt. Wann und auf welche Weise erfolgte die individuelle Eigentumsbegründung (zusammen mit der Begründung weiblicher Erbrechte)? In der Bibel wird vom Kauf eines Grundstücks nur im Hinblick auf kanaanitisches Eigentum (bei Abrahams Kauf des Grundstücks für das Grab Saras und bei Davids Kauf der Tenne Araunas) berichtet.
Sind die Probleme, vor die die Philosophie in jeder Epoche neu sich gestellt sieht, die logischen Probleme des Eigentums; und ist die Philosophie deshalb der Reflex der Herrschaftsgeschichte?
Das Armutsgebot, das wir heute ganzen Erdteilen aufzwingen, der Export der Armut in die Dritte Welt: Die Eigentumslosigkeit schlägt die Eigentumslosen zur bloßen Natur, macht sie zu einer brachliegenden Ressource, für die es keine Verwendungsmöglichkeiten mehr gibt: zu herrenlosem Gut.
Nachdem die Aufklärung, und ihrer Folge Kant und der deutsche Idealismus, der Natur schöpferische Kräfte angedichtet hat, hat da nicht Marx, als er glaubte, im Proletariat das Subjekt der Revolution zu erkennen, daraus nur die Konsequenz gezogen (das Proletariat: die Verkörperung er resurrectio naturae)?
Werden heute nicht alle Siege zu Pyrrhus-Siegen?
Ist nicht jede Personalisierung ein Indiz mangelnder Autonomie? Zitiert nicht jede Personalisierung (und jeder Konkretismus) die kollektive Absicherung einer Projektion?
Hängt nicht die mittelalterliche Fälschungsgeschichte mit den übermächtigen Legitimationsbedürfnissen, die die Begründung der Eigentumsgesellschaft wachgerufen hat, zusammen? -
2.7.96
„Selbstverständlich jedoch ist die historische Entstehung des Eigentums für seine wirtschaftstheoretische Auslotung vollkomen bedeutungslos“ (Heinsohn/Steiger, S. 129). Damit blockieren die Autoren die Reflexion der Eigentumsgesellschaft ab, die in der Tat auf eine gesellschaftliche Naturkatastrophe (die Heinsohn in seinem früheren Buch benennt: die Schuldknechtschaft, die vor dem Ursprung der „Eigentumsgesellschaft“ liegt, nicht danach) zurückweist, nicht auf eine kosmische Katatrophe. War nicht die altorientalische Religion, der Tempelkult, das Opferwesen, die Astrologie (Ischtar/Astarte-Kult) der verzweifelte Ausdruck dieser (gesellschaftlichen) Naturkatastrophe, nicht die fundamentalistisch verstandene „Venus-Katastrophe“?
Die Frage des Richters Klein an Birgit Hogefeld, ob sie nicht eine Erklärung abgeben wolle, daß es die raf nicht mehr gibt, verdiente eine präzise Antwort:
– Herr Klein muß wissen, daß Birgit Hogefeld keine verbindliche Erklärung für die „raf“ abgeben kann (ebenso wie er wissen mußte, daß Hubertus Janssen Pfarrer ist und nicht nur sich selbst so bezeichnet);
– in der Sache liegt die Erklärung der raf (vom April 92) vor, in der sie öffentlich ihren Verzicht auf terroristische Aktionen kundtut; und schließlich:
– nicht zuletzt die Vorgehensweise des Gerichts begründet die Vermutung: Bad Kleinen war keine Sache der raf, sondern eine der BAW, des BKA und der GSG 9; bei vernünftiger, von rationalen Motiven geleiteten Planung hätte es zu der Katastrophe nicht zu kommen brauchen, deren Aufklärung der Senat durch seine Ablehnung der entsprechenden Anträge der Verteidigung blockiert; der Verdacht liegt auf der Hand, und er wird durch die Umstände, durch die Art des Vorgehens und die Wahl des Orts der Festnahme erhärtet, daß – aus welchen Gründen auch immer – Tote wenn nicht geplant, so doch billigend in Kauf genommen worden sind. Es ist absolut unverständlich, wie dieses Gericht den angeblichen Mord des GSG 9-Beamten Newrzella durch Wolfgang Grams aus der Beweiserhebung konsequent ausschließt, den gleichen (gerichtlich somit nicht erwiesenen) „Mord“ unter Hinzuziehung fadenscheiniger Konstruktionen dann aber der Angeklagten anlasten will. -
1.7.96
Die Nachkriegsverdrängung in Deutschland hat den Prozeß der Verdinglichung vollendet: sie war das Äquivalent der Konstituierung des Inertialsystems. Mit der Nachkriegsverdrängung ist eine Stummheit in die Verhältnisse eingedrungen, die die Sinnlichkeit unvermittelt und direkt gemacht hat, die der Kritik nur den Ausweg der Gewalt gelassen hat und der Schuld nur den der Projektion. Ist nicht die raf, an der diese Strukturen sich studieren lassen, das getreue Spiegelbild des Staates, den sie bekämpft?
Mit der Fixierung aufs Feindbild transportieren wir den Staat in den Hinterkopf, machen wir uns zu Marionetten des Staates. Der Einzige, der dem sich hat entziehen können, ist dafür gekreuzigt worden, und sein Wort „Herr, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun“ ist das Motto für die Befreiung des Sünders vom Weg des Irrtums (für die Kritik der Astronomie). Der eine Sünder, der sich bekehrt, über den mehr Freude im Himmel herrscht als über die 99 Gerechten: das ist der Staat.
Das Schlimme ist, daß man heute selber als Opfer, als „Betroffener“, sich präsentieren muß, wenn man an die Leiden der Anderen erinnern will. Jeder, der für andere sich einsetzt, muß den Verdacht ausräumen, er tue es aus Eigeninteresse. Warum soll man sich dann nicht auch auf dieses Eigeninteresse, daß man in einer Welt nicht leben möchte, in der man für andere nicht mehr sich ensetzen darf, berufen? Heute muß die einfachste Sensibilität noch begründet werden. Damit ist man in der Täter-Opfer-Falle drin, die den Tätern den Weg frei macht, sie unangreifbar macht.
Ist nicht das Meßopfer, die „Wandlung“, die Transsubstantiation, das Deckbild eines anderen Vorgangs: der noch ausstehenden Realisierung?
Gerät nicht die katholische Tradition zur Zeit auf eine Entwicklungsstufe, auf der sie nur durch Realisierung noch zu retten ist?
Daß Maria Magdalena von den sieben unreinen Geistern befreit wird, wird an der gleichen Stelle erwähnt, an der berichtet wird, daß sie die erste war, der der Auferstandene erschienen ist (Mk 169, vgl. hierzu Joh 2011-18, insbesondere v. 14 u.16). Nur bei Lk wird das Ausfahren der sieben Geister schon bei der ersten Nennung der Frauen aus Galiläa erwähnt (Lk 82).
Die Geschichten mit den sieben unreinen Geistern gehören zu den sich wechselseitig erhellenden Geschichten in der Schrift, ähnlich wie die Geschichten über Lazarus. Gehört dazu nicht auch der Jonas ben Amittai, Jair (und Jairus)?
Die Wertethik hat versucht, die Ethik auf die „Gefühle von Lust und Unlust“ zu gründen. Aber gründen nicht die Gefühle von Lust und Unlust selber in der Urteilsform, und käme es nicht darauf an, diese Beziehung aufzuhellen?
Die christliche Gestalt der Unsterblichkeitslehre, die Lehre vom individuellen Seelenheil, der katholische Mythos von Himmel, Fegfeuer und Hölle, hat durch Hypostasierung der Urteilslust die Wahrheit (in der Form des Dogmas) ans Urteil gebunden und das Urteil selber (ähnlich wie der Weltbegriff die Herrschaft) der Kritik entzogen.
Andersens Märchen von „des Kaisers neuen Kleidern“ wäre kein Märchen, wenn der Kaiser ein König wäre.
Zu den im Kontext der naturwissenschaftlichen Erkenntnis nicht mehr rekonstruierbaren Sinnesqualitäten gehören die Farben, das Licht, Wärme und Kälte, Geschmack und Geruch, der Klang, nicht zuletzt das Wort, die Sprache. Ist diese Abstraktion nicht ein verständlicher Vorgang, der sich erklären läßt aus dem Gesetz der „Veranderung“: Ich kann nicht mit den Augen des Andern sehen, mit seinem Gefühl fühlen, mit seinen Ohren Hören, mit seiner Zunge schmecken, mit seiner Nase riechen. Genau das ist aber der Effekt der subjektiven Formen der Anschauung wie auch des Weltbegriffs, daß jeder – ebenso wie er Rechts und Links nicht mehr unterscheiden kann – sich als Anderer für andere erfährt, dann aber mit seinen Augen nicht mehr sehen, mit seinen Ohren nicht mehr hören … kann.
Die Aufgabe, die der Philosophie heute gestellt ist, ist aber nicht die Rekonstruktion der sinnlichen Erfahrung, sondern die Rekonstruktion des Ursprungs der naturwissenschaftlichen Erkenntnis: Erinnerungsarbeit.
Das Prinzip der Reversibilität aller Richtungen im Raum ist die List, mit der der Verstand gegen die Dinge sich durchsetzt. Das Angesicht ist die Realität des durchs Prinzip der Reversibilität Verdrängten: die Widerlegung der Vorstellung eines unendlichen Raumes, gegen die das Angesicht eine andere Unendlichkeit repräsentiert: den Blick des Andern.
Die Schamfalle: Der Angeschaute senkt den Blick, der Anschauende ist frech.
– Die Plagen an dem erkennen, wie sie hervorgerufen werden, was sie wem tun,
. das Blut,
. die Frösche,
. die Mücken,
. das Geziefer,
. die Pest,
. die Beulen und Geschwüre,
. der Hagel,
. die Heuschrecken,
. die Finsternis.
– Welche Plagen werden angekündigt, wie werden sie herbeigerufen?
– Bei welchen Plagen sagt der Herr „Laß mein Volk ziehen, daß es mir diene“?
– Und wie verhält es sich mit dem Opfer, das nach drei Tagen in der Wüste dargebracht werden sollte: Wann wird es wirklich dargebracht, was wird geopfert (das „Scheusal Ägyptens“)? Vgl. die Stelle in der Johannes-Apokalypse, das Sodom, Ägypten und Golgatha zusammenbringt?
Heinsohn/Steiger: Eigentum etc. (Hamburg, 1996).
. Wird hier nicht die Ökonomie in eine Engführung gebracht, aus der sie nicht mehr herauskommt?
. Erneut Berufung auf „kosmische Katastrophen“, kann sich gesellschaftliche Naturkatastrophen (trotz Auschwitz, für das er eine Spezialtheorie braucht) nicht vorstellen (vgl. S. 34)?
. Kennt Hegels Rechtsphilosophie nicht: Staat als Organisation einer Gesellschaft von Privateigentümern (gemeinsamer Ursprung des Staats, des Welt- und des Naturbegriffs).
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