Wie der Tempel im Anfang das Haus des Namens war (und dann deutlich vom Haus des Herrn und vom Haus Gottes sich unterscheidet), war auch das Bekenntnis zunächst das Bekenntnis des Namens. Darin war die Beziehung zur Anrufung des Namens, eine Sprachbeziehung, enthalten, die durch die Reflexionsbeziehung zur Schuld, zum Schuldbekenntnis, die mit dem Begriff confessio/Bekenntnis mit gesetzt ist, reversibel gemacht wird, damit aber den Namen löscht (die Beziehung, die im Bekenntnis des Namens sich ausdrückt, ist als eine reine Sprachbeziehung irreversibel – diese Irreversibilität wird, nachdem sie durch die Zeit usurpiert worden ist <durch Subsumtion unter die Zeit>, im Begriff, dem dann ein Objekt korrespondieren muß, neutralisiert: Hat nicht die Kirche im Symbolum das Bekenntnis des Namens durch das Glaubensbekenntnis und dann mit der Eucharistieverehrung den Namen durch die dingliche Gegenwart ersetzt?).
Liegt nicht ein Problem Rosenzweigs im Begriff der Offenbarung im Übergang von der Liebe Gottes zum Schuldbekenntnis der Seele, müßte hier nicht die Gottesfurcht stehen?
Das Gesetz der Reversibilität (in dem der Schuldbegriff gründet) wird durch die subjektiven Formen der Anschauung in die Sprache hineingebracht. Die subjektiven Formen der Anschauung (der Taumelkelch) haben die Sprache instrumentalisierbar gemacht. Sie verwirren die erkennende Kraft des Namens, ohne sie jedoch löschen zu können; sie sind die „Pforten der Hölle“, die die Kirche (und die in ihr aufbewahrte Kraft des Namens) nicht überwältigen werden.
Der Name ist das Herz der Sprache. Aber was sind die „Nieren“ der Sprache? (Sind die Nieren nach innen, was das Herz nach außen ist?)
Jedem Urteil liegt eine Verurteilung zugrunde: Ist diese Verurteilung das Feuer im brennenden Dornbusch?
Im Hogefeld-Prozeß war das Weltgericht in Aktion zu sehen.
Wenn Sehen Urteilen ist, dann ist Augenlust Urteilslust (und nicht – so Ton Veerkamp – „Raffgier der Augen“). Sollte nicht der antisemitische Sprachgebrauch, der das jüdische „raffende“ Kapital dem arischen „schaffenden“ Kapital gegenüberstellte, vor dieser Wortwahl schrecken?
Zur Buberschen „Huld“: Unterscheidet sich nicht die „Huld“ von der Barmherzigkeit sowohl theoretisch wie auch praktisch? Huld ist eine Form der Anerkennung des Knechts durch den „gnädigen Herrn“, die die Herrschaftsbeziehung nicht antastet, sie bleibt eindimensional und im Bann dieser Herrschaftsbeziehung: Der Knecht „huldigt“ seinem Herrn, während der Herr dem Knecht „Huld erweist“, die er ihm sofort entziehen würde, wenn der Knecht versuchen würde, aus dieser Herrschafts- und Huldbeziehung auszubrechen. Huld ist herrschaftsstabilisierend. Von der Barmherzigkeit hingegen heißt es: „Seid barmherzig, wie auch euer Vater in den Himmeln barmherzig ist“. Barmherzigkeit ist eine im Kern theologische Kategorie, ihre Bedeutung und ihre erkenntnisaufschließende Kraft ist nur in theologischem Zusammenhang zu begründen und zu entfalten; Barmherzigkeit gehört zu den Attributen Gottes, von denen Emanuel Levinas einmal gesagt hat, daß sie im Imperativ, nicht im Indikativ stehen (das Bekenntnis ist die öffentliche Manifestation des Hörens dieses Imperativs). In dem Jakobus-Wort „Barmherzigkeit triumphiert über das Gericht“ drückt aufs genaueste der subversive, herrschaftskritische Charakter dieses theologischen Begriffs (und in ihm jeder Theologie, die diesen Namen verdient) sich aus. Barmherzigkeit ist das Gegenteil einer Herrentugend: Bis heute gibt es keine Gestalt der Herrschaft, die nicht, um für ihre Aufgaben sich zu qualifizieren, die Barmherzigkeit, die Fähigkeit, in andere sich hineinzuversetzen, in sich unterdrücken und verdrängen muß. Deshalb gibt es bis heute keine Gestalt der Herrschaft, die nicht für das, was sie sich selbst antun muß, für ihre Verhärtung, den Preis zu zahlen hätte: den der Verblendung, der Erfahrungs- und Wahrnehmungsunfähigkeit. Nur bei ihrer Dummheit (und d.h. nur durch den Geist, dessen erkennende Kraft in der Barmherzigkeit oder, was damit identisch ist, in der erkennenden Kraft des Namens gründet) ist Herrschaft angreifbar. Barmherzigkeit als die jedes Herrendenken sprengende Kraft ist der Kern der Solidarität, die einzige Chance, auch unten den Kopf oben zu behalten. – Wenn Gott die Propheten im Mutterschoß berufen hat, hat er sie dann nicht in der Barmherzigkeit, die der Mutterschoß der Sprache ist, berufen?
Die Barmherzigkeit bringt Licht in den blinden Fleck der Logik, sie sprengt den Begriff durch die erkennende Kraft des Namens.
Gegen Unbarmherzige ist die Barmherzigkeit unbarmherzig: Das Hegel’sche Weltgericht ist nicht das Jüngste Gericht, vielmehr wäre das Jüngste Gericht das Gericht der Barmherzigkeit über das gnadenlose Weltgericht.
Dezember 1996
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17.12.1996
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16.12.1996
„Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern“: Die Bekenntnislogik war das Instrument der Auflösung des Naturbegriffs durch eine Zwangsreflexion, die durch die Opfertheologie (und durch die Geschichte des Weltbegriffs, in der diese gründet) vermittelt ist. Die Bekenntnislogik reflektiert einen Bekenntnisbegriff, der seinem Ursprung im Schuldbekenntnis hat, aus ihm durch ihm durch eine systematische logische Umkehrung hervorgegangen ist (sic, B.H.). In der Bekenntnislogik wird das Schuldbekenntnis, das auf die Fähigkeit zur Schuldreflexion als Selbstreflexion sich gründet, zum Fremdbekenntnis, zum Schuldverschubsystem, zu einem systematischen Instrument der Abwehr, Verschiebung und Projektion. Es ist die gleiche Umkehr, die bei Kant das Verhältnis von reflektierendem und bestimmendem Urteil in der Sache bestimmt (das Instrument dieser Umkehr ist die transzendentale Ästhetik, sind die subjektiven Formen der Anschauung und in ihnen die durch Orthogonalität und Reversibilität definierten Beziehungen der Richtungen im Raum, die das Ungleichnamige gleichnamig machen). Zu den Wirkungen der Bekenntnislogik (aus denen ihre Ursprungsgeschichte sich ablesen läßt) gehört die Selbstzerstörung der an die Sprache gebundenen Sensibilität, die sie durch Empfindlichkeit ersetzt. Die Empfindlichkeit (die insgesamt pathologisch ist) gründet im Rechtfertigungszwang, der selber als Umkehrung der Fähigkeit zur Schuldreflexion, als Produkt der Verdrängung und Unterdrückung dieser Fähigkeit, sich begreifen läßt. Im Kontext dieses Rechtfertigungszwangs gründet eine Logik, unter deren Bann die Differenz zwischen Verstehen und Verzeihen sich verwischt, unkenntlich wird: die Logik der Verurteilung (die dem Satz „Alles verstehen heißt alles verzeihen“ zugrundeliegt). So bleibt Auschwitz unter moralischem Apriori „unverständlich“, während das, was hier geschehen ist, ohne daß das an dem Urteil über das Grauenhafte etwas ändert, unter den Prämissen der Schuldreflexion (die durch den Weltbegriff außer Kraft gesetzt werden) sehr wohl sich verstehen läßt.
(Hierzu:
– Verurteilung des Nationalsozialismus ohne Reflexion des Schreckens nicht möglich;
– Reflexion des Schreckens und Reflexion der subjektiven Formen der Anschauung;
– Schuldverschubsystem, „Entsühnung der Welt“, Entlastung und Enthemmung, das Problem des Strafrechts und die Ohrenbeichte, Kirche und Staat als Produkte der Vergesellschaftung des Opfers und der Rache;
– das Dogma, die Orthodoxie, das Geld, das Inertialsystem und die Logik der Verurteilung, des Schuldverschubsystems;
– das Gebot der Feindesliebe und der imperativische Gehalt der Attribute Gottes;
– die Astronomie und der Name des Himmels.)
Das Problem der Bekenntnislogik ist ein lateinisches (und in der Folge dann ein deutsches) Problem. Die confessio ist ein halbiertes homologein. Sie unterscheidet sich wie das Bekenntnis vom homologein durch die Abstraktion von der Nachfolge (dem christlichen Äquivalent der Umkehr). Augustinus‘ Confessiones stellen dann die Beziehung zum „Sündenbekenntnis“, zur Schuld, her. Das homologein ist als Name der Umkehr aufs zukünftige Handeln bezogen, die confessio aufs vergangene, auf die „Bekehrung“, deren Geschichte Augustinus in seinen Confessiones erzählt, am Ende nur noch auf den Taufakt. Die confessio hat das homologein der Herrschaftslogik unterworfen. Erst als Bekenntnis wird das Bekenntnis endgültig und unentrinnbar zu einem Instrument der Herrschaftslogik: Durch die Umkehr des Schuldbekenntnis im Glaubensbekenntnis bekenne ich die Schuld der Andern, die ich weder bekennen kann noch darf. Durchs Glaubensbekenntnis wird das Christentum zum Christentum für Andere, hat es sich selbst instrumentalisiert. Diese Logik der Instrumentalisierung, die in der Theologie sich entfaltet hat, ist dann zum Modell der naturwissenschaftlichen Aufklärung geworden.
Die Bekenntnislogik reprodziert und stabilisiert die Gewalt des Begriffs, während die Nachfolge den Begriff zurückübersetzt in den Namen (die Blätter des Feigenbaums zurückübersetzt in die Frucht).
Gewinnt die Tatsache, daß nach dem Ende der Märtyrerzeit die geschlechtsspezifische Aufteilung der Heiligen in (männliche) Bekenner und (weibliche) Jungfrauen erfolgt, im Kontext dieser Logik nicht eine ungeheure symbolische Bedeutung?
Es gibt keinen Weltbegriff ohne das projektive (feindbildlogische) Moment, das in dem Namen der Barbaren erstmals sich ausdrückt. Dieses projektive Moment ist in der Bekenntnislogik zur logischen Automatik geronnen: Deshalb gehört zur Bekenntnislogik ein eliminatorischer Wahrheitsbegriff: das Feindbild, die Ausgrenzung der Verräter (der Häresien) und die Frauenverachtung.
Sind nicht die Christen reflektierte Barbaren, und gehörte zur Rehellenisierung des Christentums nicht die erneute projektive Ableitung dieses Syndroms im Namen der Wilden (auch im Begriff der „rohen Natur“, die nur durch Bearbeitung zu humanisieren ist)?
Wer mit dem Verurteilen das Verstehen tabuisiert, die Fähigkeit, auch ins Verurteilte noch sich hineinzuversetzen, unterdrückt, fördert die Barbarei, die aus dem Vorurteil folgt. Und diese Geschichte (die Geschichte des Vorurteils) hat angefangen in der Geschichte der Dogmas, im Kampf gegen die Häresien, die auch nur verurteilt, aber nie verstanden wurden. Wer heute eine transzendentale Logik schreiben wollte, müßte sie als Reflexion der Bekenntnislogik schreiben, ihr Ziel wäre eine Theorie des Antisemitismus, der Xenophobie und des Sexismus. Diese Reflexion könnte dann allerdings vor dem Naturbegriff nicht halt machen, sie würde ihn sprengen.
Im Bekenntnisbegriff ist das Pharisäische zu einem Teil des logischen Systems und damit instrumentalisiert worden. Und die kirchliche Rezeption Pharisäer-Kritik, der Verurteilung der Pharisäer, gehörte zu den Grundlagen des Bekenntnisbegriffs. Das Symbol dieser Geschichte ist das biblische Symbol des Feigenbaums.
Zur Logik der Verurteilung gehört Walter Benjamins These vom mythischen Charakter des Rechts, und es ist nun wirklich ungeheuerlich, daß es – soweit ich sehe – zu Derridas „Gesetzeskraft“, zu seinen Reflexionen zu Benjamins Kritik der Gewalt, aus dem Bereich der Frankfurter Schule keine Erwiderung gibt.
Das Problem, die Geschichte der RAF zu verstehen, gehört in den Umkreis der Reflexion der Logik der Verurteilung (und der Bekenntnislogik). Die RAF ist in extremer und signifikanter Weise (für sich selbst wie für die staatliche Verfolgung) zum Opfer der Logik der Verurteilung geworden. An den RAF-Prozessen wäre nachzuweisen, daß das Problem RAF auf diesem Wege nicht zu lösen ist, es sei den über die Selbstzerstörung der Gesellschaft.
Die Reflexion der Bekenntnislogik schließt die Revision der Geschichte der Aufklärung, die mit der Dialektik der Aufklärung begonnen wurde, mit ein.
Die Bekenntnislogik und das Dogma sind Stabilisatoren der Rechtfertigungszwänge, die durch Reflexion aufzulösen wären.
Der Satz „Richtet nicht, auf daß ihr nicht gerichtet werdet“ widerlegt die Bekenntnislogik, entzieht ihr die Grundlage.
Die Logik der Verurteilung ist ein Sinnesimplikat der Geschichte des Begriffs. Deshalb ist die Weltgeschichte das Weltgericht. Und deshalb konnte Hegel diesen Schiller’schen Satz als Schlußstein seines Systems verwenden. – Aber dagegen steeht der Satz aus dem Jakobus-Brief: Die Barmherzigkeit triumphiert über das Gericht.
Aufgabe einer Theologie heute wäre es, das Dogma zurückzuübersetzen in eine Theologie der Erfahrung, in eine Logik-Kritik, die eins wäre mit dem Konzept, die Theologie hinter dem Rücken Gottes zurückzuübersetzen in eine Theologie im Angesicht Gottes. Das wäre zunächst ein sprachlogisches Problem, in dem ein reales Problem sich verbirgt: das der Apokalypse. Hierzu hat Franz Rosenzweig die ersten Stichworte geliefert: der Name ist nicht Schall und Rauch, und das Problem des Gottesnamens ist gründet in dem logischen Problem des Namens überhaupt. Das logische Problem der Verurteilung ist in der Logik des Begriffs selber präsent in der Frage der Konstituierung des Objekts, in der die Identität des Begriffs gründet. Oder anders: Das Problem des Gottesnamens, das Ton Veerkamp zu Recht ins Zentrum seiner „Autonomie und Egalität“ gerückt hat, ist das Problem der Selbstreflexion des Nominalismus, das in der Philosophie als das Problem der Rettung Kants durch seine Hegel’sche Widerlegung hindurch sich beschreiben läßt. Die Logik selber verändert sich, sie wird mit der Reflexion der Logik der Verurteilung, ihres blinden Flecks (des blinden Flecks, in den allein die Prophetie Licht zu bringen vermag), selber zum Medium der Reflexion. Ein sprachlogisches Hilfskonstrukt der Logik der Verurteilung, das zur Ursprungsgeschichte der Philosophie (und zur Konstituierung des Naturbegriffs) gehört, war der Name der Barbaren. Durch ihn ist der Objektbegriff als Repräsentant des Verurteilten, in dem der Begriff des Begriffs gründet, vermittelt.
Die Reflexion der Verurteilung ist ohne die Reflexion des naturwissenschaftlichen Erkenntnisbegriffs, in dem der Objektbegriff im Kontext seiner Konstituentien sich entfaltet, nicht mehr möglich. Deshalb ist das Kant-Studium immer noch unerläßlich.
Die Fundamentalontologie ist der Statthalter des Fundamentalismus in der Philosophie. Merkwürdig, daß dieser Fundamentalismus, der einmal als weit folgenreicher sich erwiesen hat, weniger Widerstand hervorruft als der religiöse.
Hat nicht der Satz „Seid klug wie die Schlangen und arglos wie die Tauben“ etwas mit dem Traum des Nebukadnezar zu tun? Ist nicht die Klugheit der Schlangen der Traum des Nebukadnezar? Oder anders: Ist nicht die Hegel’sche Philosophie einer der Verkörperungen sowohl der Klugheit der Schlangen als auch des Traums des Nebukadnezar, und war nicht Hegel ein halbierter Daniel, dem nur die Arglosigkeit der Tauben fehlte, um als ganzer Daniel den Traum seiner Philosophie auch deuten zu können?
Die Instrumente der Subjektivierung (der Sinnesqualitäten, der Kritik und der Schuld) wird innerhalb der Gersamtzusammenhangs der transzendentalen Logiken repräsentiert durch die Form des Raumes, durch das Geld und durch die Bekenntnislogik, die das Subjekt in die Rechtfertigungszwänge und deren projektive Verarbeitung hineintreiben.
Die Feindbildlogik transformiert die transzendentale Logik in die Urteilsmoral, sie verwandelt die Moral in eine Herrschaftsinstrument (in die Universalität einer Moral für andere).
Das verteidigende Denken ist nicht nur auf Gesellschaftliches bezogen: Emitte spiritum tuum, et renovabis faciem terrae. Die Logik der Naturwissenschaften ist als reine Objektlogik die Logik der Verurteilung, einer Verurteilung, die heute dahin tendiert, das verteidigende Denken schon vom Grund her auszuschließen.
Die Logik der Verurteilung ist die Logik des Vorteils, sie lebt von der Gewalt des Feindbildes.
Der Staat reproduziert sich durch die Sanktionierung und Ausbeutung des Rachetriebs in der Institution des Rechts, während die Kirche sich über die Sanktionierung und Ausbeutung Unschuldtriebs reproduziert.
Gab es in Israel Knäste (und waren die Schuldknechtschafts-Regelungen wie Sabbatjahr und Jubeljahr Institute zur Knastvermeidung)? Haben die Brunnen, in die Joseph und Jeremias geworfen wurden, etwas mit den Knästen zu tun?
Die Landesgrenze ist wie jede Abstraktionsgrenze eine Verurteilungs- und Schuldgrenze. -
15.12.1996
Verhalten sich nicht das Sklavenhaus und der Eisenschmelzofen wie Raum und Hohlraum?
Heldenverehrung ist säkularisierte Opfertheologie. Gibt es nicht eine Beziehung des Begriffs „Verrat der eigenen Geschichte“ zur postfaschistischen Heldenverehrung, über die nachträglich der Krieg, der nicht zu rechtfertigen war, noch gerechtfertigt werden sollte? Der „Heldentod“ – so wird suggeriert – kann doch nicht umsonst gewesen sein!
Wer glaubt, sein Verhältnis zur Außenwelt über die Feindbildlogik klären zu können, gleicht sich damit eben dieser durchs Feindbild determinierten Außenwelt an. Der Betonwelt entsprechen die Hardliner.
Verzeihen kann ich nur, was mir angetan wurde, nicht, was andern angetan worden ist. Darin gründet die Differenz zwischen Verstehen und Verzeihen. Der Sündenfall der Kirche war es, als sie (über das mißverstandene Wort vom Binden und Lösen) sich zum Stellvertreter aller Opfer erklärte, diese damit ihres Rechts auf Vergebung beraubte (sie zu enteignen und auszubeuten). So hat sie der Staatsgewalt (die den freigesetzten objektlosen Rachetrieb sich aneignete und rechtsstaatlich kanalisierte) den Weg freigemacht. – „Und die letzten Dinge werden ärger sein als die ersten.“
Unsre Beziehung zur Vergangenheit ist durchsetzt von Verurteilungsmechanismen, deren eigentliche Aufgabe darin zu bestehen scheint, die Vergangenheit den Bedürfnissen der Gegenwart anzupassen, damit aber die Selbstreflexion, die ohne Erinnerung (ohne die Reflexion der Fremdheit des Vergangenen) nicht möglich ist, zu unterbinden. Deshalb rückt uns heute die „Sünde Adams“ auf den Leib.
Ist nicht die Ezechiel-Stelle über Noah, Daniel und Hiob ein Hinweis auf die Konstellation, in der insbesondere die Bücher Daniel und Hiob (die später sind als die Prophetie Ezechiels) überhaupt erst verständlich werden? Hängt die Konstellation dieser drei Namen nicht mit dem Problem der Geschichte der Völkerwelt zusammen, die mit der Völkertafel nach der Sintflut beginnt und in Gestalten wie Nebukadnezar und Hiob endet?
Der „Kampf gegen den inneren Schweinehund“ ist der Zeugungsakt, über den der innere Schweinehund sich fortpflanzt. Der Name des „Schweinehunds“ gehört zur Feindbildlogik (das Schwein wälzt sich im Schmutz, der Hund kopuliert öffentlich). Im Namen des Schweinehunds vermischen sich Vorstellungen aus den sexuellen und politischen Tabubereichen mit solchen der Arbeitsmoral (der Pflichtvergessenheit, der Trägheit).
Tritt nicht die Armbanduhr (die einem sagt, ob man hungrig oder müde ist) an die Stelle der Selbstregulierung des vegetativen Systems? Über die Zeit sind wir in den Apparat, der uns beherrscht und unterhält, eingebunden. -
14.12.1996
Ist nicht der erste Satz aus den Weltaltern, darin das „die Zukunft wird geahndet“, der Schlüssel zur Schelling’schen Naturphilosophilosophie? Hat nicht Habermas, der dann später die Idee einer Reflexion der Natur wie eine heiße Kartoffel hat fallen lassen, über Schelling promoviert?
Sind nicht die kantischen Totalitätsbegriffe, Wissen, Natur und Welt, die Stützpunkte, an denen der mathematische Imperialismus seine Herrschaft über die Sprache in der Sprache selbst begründet und absichert? Und die subjektiven Formen der Anschauung sind sowohl das Sklavenhaus und der Eisenschmelzofen Ägypten als auch der Ort der babylonischen Gefangenschaft der Sprache.
Als die Evangelien griechisch verfaßt wurden, als das Christentum seine eigene Schrift nachlieferte, ist das Wort, daß das Lamm die Sünde der Welt auf sich genommen hat, auf eine sehr ironische Weise wahrgemacht worden.
Hat nicht die Verbalisierung des Tetragrammaton, gegen die der Name des Namens als außerordentlich keusch sich erweist, einen hämischen Klang? Ist vielleicht die gegenwärtige Gestalt des Atheismus in Deutschland eine Zuspitzung und Radikalisierung des „eliminatorischen“ Antisemitismus?
Hegels Geschichte des Begriffs ist die Geschichte des Schuldverschubsystems, die Geschichte von Entlastung durch Projektion, deren logisches Zentrum der Staat ist. Die Begriffe Natur und Welt bezeichnen den Installationsapparat des Schuldverschubsystems; wer „die Sünde der Welt auf sich nimmt“, entzieht dem Naturbegriff den Grund (während die Idee der Entsühnung der Welt, die Vorstellung, die Sünde der Welt sei schon „hinweggenommen“, die Logik des Naturbegriffs stabilisiert).
Wer den Exodus historisiert, in die Vergangenheit bannt, leugnet ihn. Wir leben immer noch im Sklavenhaus, im Eisenschmelzofen Mizrajim. Hat nicht die Eucharistie etwas mit den Fleischtöpfen Ägyptens zu tun? Erst vor diesem Hintergrund wird die Geschichte der ägyptischen Plagen und der Verhärtung des Herzens Pharaos aktuell und wichtig (einschließlich des Motivs, daß das Opfer, das das Volk Israel in der Wüste darbringen will, den Ägyptern ein Greuel ist).
In der ganzen Schrift steckt etwas immer noch Unabgegoltenes. Nur mit dieser Einschränkung wird man sagen dürfen, daß in Geschichte Jesu die Prophetie sich erfüllt habe: Auch in dieser Erfüllung steckt noch etwas Unabgegoltenes.
Es gibt nicht eine Vergangenheit, sondern es gibt Stufen der Vergangenheit: Der Hierarchiebegriff gilt allein für die Vergangenheit. War nicht die Astrologie das Bild, in dem diese Stufend der Vergangenheit erstmals wahrgenommen worden sind? Ebenso ist der Tod nicht ein einfacher Tatbestand, sondern auch er verkörpert sich in verschiedenen Gestalten. Und sind nicht die Grenzen der Astrologie Todesgrenzen? Das Ungeheuerliche der speziellen Relativitätstheorien liegt darin, daß sie die Richtungsabhängigkeit der Zeit, ihre innere Differenzierung erstmals aufs deutlichste kenntlich gemacht und der Vorstellung einer einheitlichen Zeit, die gleichwohl besteht, den logischen Grund entzogen haben: Die Vergangenheit ist nicht nur vergangen. Hier ist die Zeit erstmals reflexionsfähig geworden. Die Vorstellung des Zeitkontinuums, der Einheit der Zeit, ist der Grund der Orthogonalität des Raumes, des Grundes der Abstraktion. Ist vielleicht hierin (in dieser Beziehung zu den kantischen „subjektiven Formen der Anschauung“) die Lösung des Rätsels der Zahl 666 beschlossen?
Das Inertialsystem ist das zerstörte Antlitz, der zerstörte Name und die Ursprungsgestalt des Feuers. Die Naturwissenschaften haben das Feuer vom Himmel geholt (darauf weist die Apokalyps schon hin).
Das Christentum hat mit der dies dominica den Begriff der Ruhe vom Saturn auf die Sonne verschoben. Hat nicht Tarschisch, woher Salomo das Gold für den Tempel holte, etwas mit der Sonne zu tun? Beide repräsentieren das „Ende der Welt“.
Hat die Entrückung des Paulus (in den dritten Himmel) etwas mit der Verschiebung des Sabbat auf die dies dominica zu tun?
Der Geist muß heute durch die Engführung der Erinnerung hindurch. Die Welt wird unverständlich, wenn man glaubt, man könne die Vergangenheit (auch die Vergangenheit anderer) auf sich beruhen lassen und so, als wäre heute der erste Tag, jeden Tag neu beginnen. Dieser erste Tag: Das wäre in der Tat der letzte.
Aber hat nicht das Inertialsystem genau diese Funktion, ist es nicht der Turm von Babel, der bis an den Himmel reicht, und der zum Grund der Verwirrung der Sprachen geworden ist.
Was bedeuten die Namen von Euphrat und Tigris, und wie unterscheiden sie sich? Der Euphrat findet sich in der Apokalypse wieder, der Tigris im Buch Tobit (Tobias und Rafael haben aus ihm den Fisch gefangen, aus dem sie die Mittel nehmen, mit deren Hilfe Sara vom Dämonen Asmodai und Tobit von seiner Blindheit befreit werden); beide entspringen im Paradies.
Bezeichnen nicht der fahrende Zug, der fallende Fahrstuhl und der Hohlraum Plancks drei Aspekte ein und derselben Sache (das Plancksche Strahlungsgesetz ist so etwas wie das Gravitationsgesetz zur speziellen Relativitätstheorie Einsteins)?
Die Bekenntnislogik ist eigentlich eine Rechtfertigungslogik, und diese Logik konvergiert mit der transzendentalen Logik Kants, die sowohl auf die Naturwissenschaften wie auf die ökonomische Struktur der Gesellschaft sich bezieht.
Was hat es mit der Frucht des Feigenbaums auf sich? Aus Weizen wird Brot, aus der Frucht des Weinstocks wird Wein und aus der Frucht des Ölbaums das Öl hergestellt, mit dem der Messias gesalbt wird. Als Produktionsstätten kommen in der Schrift nur die Kelter vor (bei den Propheten und in der Apokalypse) und der Backofen und der Backtrog (bei den ägyptischen Plagen: die Frösche, die die Backöfen und die Backtröge heimsuchen, gehen auch ins Schlafgemach und aufs Lager). Die Ölpresse scheint nicht vorzukommen, während es zu den Friedensbilder gehört, daß einer unter dem Feigenbaum sitzt (oder wie Nathanael, der „wahre Israelit“, unter dem Feigenbaum steht).
War es nicht eine entsetzliche fundamentalistische Umkehrung, wenn die Kirche die Eucharistie als Transsubstantiation verstanden hat, die auch durch die reformatorische Korrektur nicht besser geworden ist? Was die Kirchen mit dem kannibalistischen Syndrom in die Köpfe und ins Unterbewußte der Gläubigen eingesenkt haben, ist fast nicht mehr reflexionsfähig zu machen. -
13.12.1996
Sensibilität ist das Wahrnehmungsorgan der Barmherzigkeit, Empfindlichkeit das des strengen Gerichts.
Den Kosmos im Licht der Barmherzigkeit erkennen heißt, ihn – anstatt ihn aus der Sicht der Sonne zu sehen – aus der Sicht des Saturn zu begreifen. Ebenso wie es zwei deutlich unterschiedene Begriffe der Reinheit gibt (chemisch reines Wasser, reiner Wein), gibt es auch unterschiedene Begriffe der Ruhe: den relativistischen Begriff der Ruhe (der „Ruhe“ in einem fahrenden Zug oder dem fallenden Fahrstuhl) und den der Sabbatruhe, der erfüllten Ruhe. – Hat nicht Augustinus schon die Sabbatruhe mit der andern, der Ruhe der Trägheit, verwechselt?
Wird nicht allzuleicht die Melancholie mit dem Phlegma verwechselt (und der Sanguiniker mit dem Choleriker)?
Die Gnosis hat als Urhäresie zum Ursprung der Bekenntnislogik einen entscheidenden Beitrag geleistet: nämlich als Feind der „Orthodoxie“ und als ihr Modell zugleich. Neben dem Feindbild und der Ausgrenzung der Verräter aber gehört zur Bekenntnislogik das Moment der Frauenfeindschaft. Ist nicht bis heute die Gnosis, wenn man von der einen Elena Pagels absieht, ausschließlich aus männlicher Sicht gesehen und beschrieben worden, einer Sicht, die insoweit begründet und berechtigt ist, als die Gnosis, mit der das Christentum sich auseinandergesetzt hat, bereits eine von Männern in Regie genommene Gnosis war. Hat nicht Elena Pagels erstmals auf eine Tendenz innerhalb der gnostischen Bewegung hingewiesen, die bisher nur unterdrückt und verdrängt worden ist? Kann es sein, daß die neue Heiligengestalt der virgo, die zusammen mit dem (männlichen) confessor die ursprüngliche Heiligengestalt des Märtyrers abgelöst hat, ein antignostischer Typos war. Haben die Märtyrinnen, die sich geweigert haben, dem Ehebefehl ihrer Väter zu folgen, das nicht aus anderen als sexualmoralischen Gründen getan? Gehört nicht diese Verschiebung von der christlichen Befreiung der Frauen aus der potestas patri in die den männlichen Blick widerspiegelnde und ihn verinnerlichende Zwangslogik der Sexualmoral zu den Folgen der antignostischen Bewegung (die nicht auf das Christentum beschränkt war)? War nicht die Verwerfung der Gnosis überhaupt konstitutiv für die Ursprungsgeschichte der Sexualmoral und des Herrendenkens in den „Weltreligionen“?
Gleitet nicht der Historismus heute in eine Konstellation ab, in der von der Geschichte nur noch die Verwerfung der Vergangenheit bleibt? „Richtet nicht, auf daß ihr nicht gerichtet werdet“: Die Leugnung der Auferstehung, die dem Historismus zugrunde liegt, ist das Gericht der Welt über die Welt.
Hat die Sünde wider den Heiligen Geist (die weder in dieser noch in der zukünftigen Welt vergeben wird) etwas mit den Zeitbestimmungen der apokalyptischen Tiere zu tun?
In der Apokalypse gibt es drei Reflexionsgestalten der Zeit:
– Gott ist der, „der ist, der war und der kommt“,
– er ist „das A und das O, ist der Anfang und das Ende“,
– das Tier aber „war und ist nicht und wird heraufkommen aus der Unterwelt und geht ins Verderben“.
Zu der Zusammenstellung „Stämme, Völker, Sprachen und Nationen“:
– im Buch Daniel fehlen die Stämme (im Buch Esther werden die Sprachen den Völkern, die Schrift hingegen den Juden zugeordnet),
– die Begriffe erscheinen erstmals in den Stammbäumen der Söhne Noes (die Namen der Söhne der Söhne Noes sind die Namen der Sprachen),
– sie weisen zurück auf den Turmbau zu Babel, auf die Verwirrung der Sprache (und auf die Völkertafel und die siebzig Völker).
Hat die Völkertafel (die Zahl siebzig) etwas mit den sieben Köpfen und den zehn Hörnern des Drachen und des Tieres aus dem Meere zu tun?
Haben der Drache und die apokalyptischen Tiere etwas mit der Beziehung des Neutrum zum Ursprung des Natur- und des Weltbegriffs zu tun?
Der Satz, daß die Sünde wider den Heiligen Geist weder in dieser noch in der zukünftigen Welt vergeben wird, enthält keine Drohung, die an eine bestimmte Tat geknüpft wird, sondern beschreibt die innere Logik dieser Tat selber. Ist diese Sünde die des einen Sünders, über dessen Bekehrung große Freude im Himmel herrscht, und ist dieser Sünder der, an dessen Bekehrung die Verheißung der Rettung der eigenen Seele gebunden ist?
Kann es sein, daß die Gematria nur auf die hebräische Schrift anwendbar ist, daß das Problem der symbolischen Zahlenbedeutungen im Kontext der griechischen Sprache auf einer anderen Ebene liegt? Die Zahlensymbolik des Neuen Testamentes läge dann auf dieser Ebene.
Summenzahlen: 10, 36, 153, 276, 666.
Träume sind die nächtlichen Schatten des Herrendenkens. Und es gibt Träume, die man beim Erwachen vergißt. Käme es nicht heute darauf an, diese Träume zu rekonstruieren und dann zu deuten? -
12.12.1996
Ist der Himmel die andere Todesgrenze, die Grenze zur Auferstehung? Und ist es nicht genau diese Grenze, die Kopernikus gegenstandslos gemacht hat?
Das Christentum hat aus der platonischen Höhle, deren Bewohner die Dinge an den Schatten erkannten, die auf ein Licht hinwies, dessen Quelle unsichtbar war, weil sie hinter dem Rücken der Bewohner und der Dinge lag sie, die Hölle gemacht, in der alle, die Bewohner wie die Dinge, dem subjektlosen Blick ausgesetzt sind, der von allen Seiten auf sie fällt. Dieser subjektlose Blick (der mitleidlose Blick der Anschauung) ist der Grund des horror vacui. In einer von Gott verlassenen Welt kann keiner mehr allein sein. Im Begriff der Erscheinungen, der als Inbegriff der Objekte der Anschauung sich definieren läßt, gewinnen die platonischen Schatten ihre allein ästhetisch begründbare Realität.
Reicht die Wahrnehmung Edgar Morins, daß es die Musik ist, die die Schattenwelt des Films dreidimensional (und damit substantiell) macht, die den horror vacui vertreibt und der Schattenwelt, indem sie die Erinnerung an ihre Fundierung im horror vacui unterdrückt, den Schein des Realen verleiht, nicht weit über den Film hinaus; erklärt sie nicht die gegenwärtige Funktion und Bedeutung der Musik insgesamt, insbesondere auch den Bruch in der Musikerfahrung der Nachkriegsgeneration (und korrespondiert dieser Erfahrungsbruch nicht mit der bis heute unaufgearbeiteten Faschismuserfahrung dieser Generation)? Ist die Musik der Ersatz und das Surrogat des Geistes, der in dieser Welt keinen Grund mehr findet?
In welcher Beziehung steht die Musik zum Namen des Himmels (und zur Idee der Erfüllung des Worts), welche Bedeutung haben die Vorstellungen von den Engelschören und den Sphärenharmonien?
Wer die Bedeutung und die Funktion des Begriffs des Scheins bei Hegel begreift, hat das Rätsel der Hegel’schen Logik gelöst. -
11.12.1996
Wenn der Satz stimmt, daß der Klügere nachgibt, sind dann nicht die Richter die Dummen?
Wenn die Attribute Gottes im Imperativ stehen, dann ist der Satz, daß etwas „nicht geht“ (weil es unmöglich ist), als Ausrede nicht mehr brauchbar: Bei Gott ist kein Ding unmöglich.
Ist nicht der Satz, daß die Attribute Gottes im Imperativ stehen, nur ein anderer Ausdruck dafür, daß die erste Philosophie die Ethik ist?
Es gehört zu den Aprioris der RAF-Prozesse, daß die Lücken der Beweislogik zu Lasten der Angeklagten ausgenutzt werden.
Barmherzigkeit und Erkenntnis: Nicht die (passive) Hoffnung, sondern die (aktive) Barmherzigkeit löst die Probleme der Beweislogik.
Heute ist die Konstruktion des Lebens selber herzzerreißend. Der Zustand der Welt nimmt alle in Geiselhaft.
Hat nicht Heidegger die Hegel’sche Idee des Absoluten auf die kürzeste Formel gebracht: auf das „Vorlaufen in den Tod“? Nur: Hegel war noch verzweifelt über das Resultat seiner Philosophie, er wußte sich „von Gott verdammt, ein Philosoph zu sein“; Heidegger hingegen ist ein begeisterter Sympathisant des Seins.
Der Bann, unter dem die Natur steht, der Bann des Naturbegriffs selber, hat seine Wurzel in dem gesellschaftlichen Primat der Selbsterhaltung; er hat mit der Instrumentalisierung der Vernunft einen gemeinsamen Ursprung. Gegen diese Instrumentalisierung der Vernunft stehen die drei evangelischen Räte (die von der Kirche durch Instrumentalisierung nochmals verraten worden sind).
Zu den Einsichten, die der Sprachreflexion sich verdanken, gehört, daß Gott nicht stumm ist. Das Wort Gottes drückt aufs deutlichste in dem imperativischen Charakter der göttlichen Attribute sich aus.
Wenn wir den gegenwärtigen Stand der Naturwissenschaft wirklich begreifen würden, würde es uns dann nicht „wie Schuppen von den Augen fallen“? Stammt das Wort, daß einem etwas wie Schuppen von den Augen fällt, nicht aus dem Buch Tobit? Die Salbe, mit deren Hilfe die Schuppen von den Augen des Tobit lösten, wurde aus der Galle des Fisches gewonnen, den Tobias und Rafael, als der Fisch den Tobias verschlingen wollte, aus dem Fluß Tigris gefangen hatten.
Als Jesus zur Samariterin vom Quell des lebendigen Wassers sprach, hat er da nicht Jesaias zitiert?
Zum Zug, der in den Abgrund rast: Die Schienen dieses Zuges sind die subjektiven Formen der Anschauung (und mit ihnen das Geld und die Bekenntnislogik). Jürgen Habermas hat, als er den kritischen Naturbegriff der kantischen Tradition verwarf und die Natur aus dem Bereich der Reflexion ausschied, dazu beigetragen, den Zug auf diese Schiene zu setzen. Damit hat er dem reflektierenden Urteil die Erkenntniskraft abgesprochen.
Emitte spiritum tuum et renovabis faciem terrae. Dieser Geist, der das Antlitz der Erde erneuern wird, ist der Geist der Barmherzigkeit, der Geist, der über das Gericht triumphiert, in dessen Bann das Antlitz der Erde steht, dessen Bann dieses Antlitz entstellt. – Ist nicht das kopernikanische System (als Säkularisationsprodukt des Pantheons) das entstellte Antlitz der Erde?
Haben nicht die subjektiven Formen der Anschauung Kants etwas mit den paulinischen Elementargeistern zu tun?
Im Feindbild-Clinch betreibt jede Seite, auch wenn keine es weiß, das Geschäft des Feindes. Und die Staatsschutzsenate sind nur noch Institute des Feindbild-Clinchs. Der Satz Jutta Ditfurths, daß der Staat seine Terroristen braucht, ist heute dahin zu ergänzen, daß ebenso die Terroristen, nachdem sie aus ihren Rechtfertigungszwängen nicht mehr sich lösen können, den Staat brauchen. Für den Zug, der in den Abgrund rast, war die RAF ein Energie-Lieferant.
Wenn die Begriffe der Pflicht und der Verantwortung den Gesetzen der Selbsterhaltung untergordnet werden, dann weiß keiner mehr, was er tut. Die Vorstellung, daß der Markt es schon richten werde, ist gemeingefährlich und am Ende selbstmörderisch.
Heute wird die Religion von denen verraten, die in ihr Trost suchen.
Die Frage nach falsch oder richtig, die heute im Allgemeinen mit der Frage nach der Wahrheit verwechselt wird, wird grundsätzlich im Nachhinein (nicht beantwortet, sondern) entschieden: sie gilt (wie der Begriff des Wissens) nur für Vergangenes, und für Zukünftiges nur in dem Maße, in dem seine Vergangenheit sich antizipieren läßt. Es ist dieser Begriff des Richtigen, der Begriffen wie Orthodoxie, Orthogonalität ihre Schlüssigkeit und ihre objektive Bedeutung verleiht. Der Begriff des Richtigen ersetzt das Was durch das Wie; das Referenzsystem, auf das er sich bezieht, ist das Inertialsystem (der Inbegriff des Richtigen). Im Kontext des Richtigen lassen sich Rechts und Links nicht mehr unterscheiden. Hat hiermit das „Sitzen zur Rechten des Vaters“ (die Rechte ist die Seite der Barmherzigkeit, die Seite des Heiligen Geistes, die der Begriff des Richtigen ins Gegenstandslose verflüchtigt) etwas zu tun? -
10.12.1996
Gemeinde, Behörde, ahnden: Was bedeutet und welche sprachlogische Funktion hat das Suffix -de?
Herrlichkeit, Persönlichkeit: Was drückt in dem doppelten Suffix -lichkeit sich aus?
Dirk Baecker, S. 98: Wenn Unternehmen, anstatt die Dienste der Banken in Anspruch zu nehmen, „auf direkte Kreditmärkte ausweichen“, wird das Geschehen für die Banken intransparent, verlieren sie die „Aufsicht“, die sie kraft ihrer Marktfunktion innehaben. Hat diese „Aufsicht“ funktionslogisch etwas mit dem Titel und der Aufgabe des episkopos zu tun?
Zur Rezension von Titeln zum Thema RAF (von Norbert Seitz) in der FR von heute: das „gigantische Integrationsbemühen zur Dressur von inneren Schweinehunden“ erinnert an den „Kampf gegen den inneren Schweinehund“ in der Nazizeit, der die deutsche Bevölkerung durch Befreiung vom Gewissen, durch moralische Enthemmung in die nationale Gemeinschaft integrieren sollte, in eine „Schicksalsgemeinschaft“, in der jeder seine Pflicht tut und keiner mehr weiß, was er tut; dieser Kampf hat die Menschen auf die „großen nationalen Aufgaben“ vorbereitet, er hat sie für den Krieg und die Endlösung der Judenfrage verfügbar gemacht. Eines der wichtigsten Instrumente dieses Kampfes war in der Tat der Antisemitismus, die Feindbildpflege, die seit je ein Mittel der moralischen Enthemmung gewesen ist. Zählt Norbert Seitz auch die RAF-Prozesse zu den Dressurmitteln, die man um der „gigantischen Integrationsbemühen“ willen hinnehmen muß? Und läßt diese „Dressur“, zu der die Feindbildpflege gehört, noch von den wahrhaft apokalyptischen Mechanismen des Feindbild-Clinchs, der wechselseitigen Angleichung der Feinde, wie sie heute auf beiden Seiten der „Front“ immer deutlicher sich abzeichnet, sich ablösen? Ist es nicht die „Dressur von inneren Schweinehunden“, die am Ende die Schweinehunde züchtet? Schweinehunde gehören zu einer Tiergattung, die jedenfalls nicht dressurfähig ist.
Ein ganzes Volk zieht sich in den Winkel (in die Ecke der Scham) zurück in der Hoffnung, daß das Unwetter, das es selbst verursacht hat, vorüberzieht.
Es gibt eine Freiheit von Scham, die weder unverschämt, noch schamlos ist. Gibt es zu diesem Satz nicht auch eine astronomische Anwendung?
Nach dem Thales’schen „Alles ist Wasser“ ist die Person eigentlich nur noch juristisch faßbar: als eine, die zur Verantwortung gezogen werden kann. Ist die Person nackt und unverschämt, und das Subjekt schamlos? Das Subjekt ist der blinde Fleck der Sensibilität, die Person ist empfindlich (im Sinne des grammatischen, nicht des biologischen Geschlechts sind Männer Subjekte, Frauen Personen; der Anschauende ist nackt und unverschämt, das der Anschauung sich darbietende Objekt ist schamlos).
Die Persönlichkeit gründet im Ansehen einer Person (die im Licht der Gerechtigkeit niemals Grundlage des Urteils sein darf), mit der doppelten Konsequenz: daß nämlich die Persönlichkeit mit dem Anspruch auftritt, dem Recht enthoben zu sein, wie umgekehrt im Kontext eines gerechten Prozesses die Persönlichkeit gegenstandslos ist.
Herrlichkeit ist der Inbegriff des Ansehens des Herrn. kabod, der hebräische Name der Herrlichkeit, verweist auf das Gewicht: Auch die Persönlichkeit kann ihr „Gewicht in die Waagschale werfen“. (Der Ort der Zärtlichkeit ist der Blick. Verbindlichkeiten sind öffentlich geltend zu machen.)
Wollte man den Begriff der „niedrigen Gesinnung“, die den Mörder charakterisiert, definieren, seinen Anwendungsbereich beschreiben, käme man zu einem bemerkenswerten Ergebnis. Niedrige Beweggründe sind im einzelnen bestimmbar und es gibt nur eine begrenzte Anzahl, sie sind abzählbar: Es sind
– politische,
– religiöse,
– sexuelle und
– aus einem Eigentumsstreit ableitbare
Beweggründe. Verweist diese Aufzählung nicht auf die Astrologie, auf die den vier „Himmelsrichtungen“ zugeordneten Planeten, und kann es sein, daß die Astrologie einmal als ein Konstrukt zur Rechtfertigung des staatsbegründenden Mords sich erweisen wird? Worauf bezieht sich dann das christlich-mythische Sohnesopfer und der freudsche Gegenmythos: der Vatermord? Sind nicht die Planeten insgesamt Verkörperungen der Gewalt (zu denen auch die paulinischen Elementarmächte und ihre Entfaltung in den mittelalterlichen Engelhierarchien zu gehören scheinen)?
Voyeur: Aus dem sprachlogischen Sinn des Begriffs der Tatsache (vgl. Dirk Baecker, S. 109) läßt sich ableiten, weshalb Tatsachen nackt sind: Der Begriff der Tatsache verhält sich zur Welt wie das Opfer zum Verfolger, wie das Entblößte zum Unverschämten (zum Begriff der Tatsache gehört der der Beobachtung).
Theologie im Angesicht Gottes: Das ist auch der Ausbruch aus dem Gefängnis der Mathematik (aus der Stummheit der subjektiven Formen der Anschauung). -
9.12.1996
Staatsschutz ist Feindbildpflege.
In allen geschichtlichen Revolutionen haben sich am Ende genau die auf die Märtyrer des Anfangs berufen, die dann zu Erben ihrer Verfolger geworden sind. Das gilt auch für Revolutionen, die keine waren: z.B. für die RAF (die heute ihre Gefangenen instrumentalisiert).
Die Bekenntnislogik ist ein Produkt der Instrumentalisierung des Opfers. Das instrumentalisierte Opfer ist der Naturgrund der Herrschaft, die diese Opfer zur Nährung der Rachephantasien braucht, die die hierarchischen Rechtsordnungen begründen.
Wer die eigene Geschichte nicht verraten will, ist in Gefahr, die eigenen Ziele zu verraten. Ohne den schmerzhaften Prozeß der Reflexion der eigenen Geschichte sind die Ziele nicht zu retten. Ohne diesen Prozeß droht die RAF wirklich an der falschen Alternative, die die Verfolgungsbehörden ihr aufzuzwingen versucht, zugrunde zu gehen: Es geht nicht um Komplizenschaft oder Kronzeugenregelung, sondern um die Wiederherstellung der öffentlichen Diskussion. Der Griff zu Waffe war ein Produkt der Verzweiflung an der Kraft des Arguments, er hat dem Feind die Waffen geliefert.
Ich befürchte, mit der Zwangskomplizenschaft, die hinter dem Stichwort „Verrat der eigenen Geschichte“ sich verbirgt, erzeugt die RAF selber die Kronzeugen gegen sich selbst.
So erbaulich er klingt, der Satz hat einen fürchterlich ernsten Kern: Es kommt nicht darauf an, die eigene Haut zu retten, sondern es kommt darauf an, die eigene Seele zu retten. Nur: Zweitausend Jahre Christentum haben bewirkt, daß niemand mehr weiß, was das heißt.
Anpassung an die Welt hat heute die präzise Bedeutung der Identifikation mit dem Aggressor (der logische Kern dieser Identifikation ist die Bekenntnislogik, die die Opfer zu Verfolgern macht).
Ist es nicht mit dem Urknall wie mit dem Kuchenbacken: Das, was am Ende herauskommt, wurde vorher in anderer Beschaffenheit und Zusammensetzung hineingesteckt? Eine Alternative zur Idee der Schöpfung ist der Urknall ebensowenig, wie das hegelsche Weltgericht eine Alternative zum Jüngsten Gericht gewesen ist. Die theoretischen Elemente, die dem Konstrukt des Urknalls zugrunde liegen, sind allesamt Elemente, die von einer schon bestehenden Welt abstrahiert sind.
Es gibt auch einen historischen Schuldzusammenhang, der aus sich selbst den Schein erzeugt, es gäbe keine Alternative dazu.
Gerechtigkeit ist im Kern eine theologische Idee, und ein Recht, das die Erinnerung daran endgültig preisgegeben hat, wird zum Unrecht.
Der Fehler des Christentums liegt genau in dem buddhistischen Element in ihm: in der Vorstellung, daß einer für sich selig werden könne. -
7.12.1996
Hat die Zahl 666 etwas mit den 99 Gerechten zu tun?
Barmherzigkeit und Erkenntnis:
– Die Frage, ob reflektierende Urteile nur regulative oder auch konstitutive Bedeutung haben, ist bei Kant vorentschieden durch die transzendentale Ästhetik, durch sein Konzept der „subjektiven Formen der Anschauung“. Kant zufolge haben konstitutive Bedeutung nur Urteile, die sich auf Erscheinungen in Raum und Zeit beziehen. Die Einsicht in die Subjektivität von Raum und Zeit eröffnet zwar den Spielraum für reflektierende Urteile, diese haben aber keine konstitutive Bedeutung für mögliche Gegenstände und ihre Erkenntnis.
– Konstitutive Bedeutung haben demnach nur synthetische Urteile apriori, hat nur das Kategoriengeflecht, das mit den subjektiven Formen der Anschauung eigentlich schon mitgesetzt ist.
– Barmherzigkeit triumphiert über das Gericht: Das Gericht verwandelt alles, worüber es ergeht, in Natur (darin gründet die Beziehung des Rechts zum Mythos, auf die Walter Benjamin hingewiesen hat). Konstitutive Urteile, in deren Kontext der Naturbegriff sich bildet, sind richtende Urteile; Inbegriff dieser richtenden Gewalt sind die „subjektiven Formen der Anschauung“, ihr Repräsentant in den Dingen sind die Formen von Raum und Zeit als Formen der Selbstentfremdung der Dinge, als Grund ihres Seins-für-Andere (ihrer Instrumentalisierung); Natur ist der Inbegriff aller Objekte von richtenden Urteilen. Es gibt kein Inneres der Natur, der Naturbegriff selber schließt jedes „Sich-Hineinversetzen“ in die Objekte, auf die er sich bezieht, a limine aus. Die einzige Identifikation, die der Naturbegriff zuläßt, ist die Identifikation mit den Mächten der Naturbeherrschung: die Identifikation mit dem Begriff, der das Objekt außer sich (und unter sich) hat: die „Anpassung an die Welt“.
– Die Kraft der Barmherzigkeit, die Fähigkeit, in den Andern sich hineinzuversetzen und den Bann der Fremdheit zu sprengen, sprengt den Bann der subjektiven Formen der Anschauung und mit ihm den Bann, der auf der Natur liegt: Sie öffnet den Himmel und erneuert das Antlitz der Erde (sie begründet die „größere Freude“ über die Bekehrung des einen Sünders und rettet, indem sie den Sünder vom Weg des Irrtums bekehrt, die eigene Seele).
– Die erkennende Kraft der Barmherzigkeit bewährt sich an der Beziehung des Staates zur Astronomie (in der die Geschichte als Herrschaftsgeschichte und als Geschichte der Verstockung des Herzens erinnert wird).
– Ist die Zahl 666 der Knoten, der zu lösen wäre?
katakauchatei eleos kriseos (Jak 213) – Barmherzigkeit triumphiert über das Gericht (so übersetzen die Einheitsübersetzung, die Zürcher Bibel und Karrer). katakauchaomai – rühme mich; tue groß, brüste mich.
Barmherzigkeit und Naturerkenntnis: Welche Folgen hat die Kritik des Naturbegriffs für die Naturerkenntnis selber?
Es gibt nicht nur ein Inertialsystem, sondern das Inertialsystem hat im Kontext der Mechanik (die dem frühbürgerlichen Handel und dem Handwerk korrespondiert) eine andere Bedeutung als im Kontext des Gravitationsgesetzes (das dem politischen Absolutismus entspricht), und beide sind unterschieden von der Gestalt des Sytems, das der Elektrodynamik und der Mikrophysik zugrunde liegt (dem Korrelat der globalen Durchsetzung der Marktgesetze und ihrer Vorstufe, des Imperialismus).
Ist die Orthogonalität das logische Symbol der Grenze (und ist deshalb die Gerade, die Verkörperung der Richtung, grenzenlos, unendlich)?
Tarschisch ist der Name eines Ortes am Ende der Welt. Salomo hat mit den Tarschischschiffen aus Tyrus aus Tarschisch das Gold für den Bau des Tempels holen lassen. Jona, der Ninive den Untergang künden soll, versucht, nach Tarschisch zu fliehen, woran ihn der Sturm hindert, mit den bekannten Folgen.
Wenn im Begriff der Ware im wörtlichen, außenpolitischen Sinne des Wortes die Beziehung auf eine Grenze, ein Stück Fremdheit und ein Moment des Barbarischen (das im Begriff der rohen Natur, aus der die Waren durch Bearbeitung gewonnen sind, nachklingt) enthalten ist, was bedeutet das für die Logik des Geldes, auf dessen Begriff der der Ware bezogen ist? Hängt es nicht hiermit zusammen, daß an den einzigen Stellen der Schrift, an denen es den Kauf von Grundstücken geht (um die Subsumtion des Bodens unters Tauschprinzip), es sich um Grundstückkäufe von Nicht-Israeliten, von Bewohnern Kanaans handelt (das Grab Saras und den Grund, auf dem dann der Tempel erbaut wurde).
Wie hängt der Tempel, die Geschichte des Tempels, mit der Ursprungsgeschichte des Geldes zusammen?
Die Logik des Geldes ist astrologisch: das Geld verweist auf die „Enden“ der sechs Richtungen des Raumes, die die Planeten verkörpern, konkret: die Sonne und der Mond (Gold- und Silberwährung), aber auch die anderen Planeten (Jupiter, Mars, Venus und Merkur, oder auch die vier apokalyptischen Reiter).
Ist es nicht merkwürdig, daß Kopernikus und Newton mit dem Münz- und Finanzwesen zu tun hatten? Haben nicht die kopernikanische Wende und das newtonsche System den Weg für die Entdeckung, Eroberung und Ausbeutung der außereuropäischen Welt und für den Kapitalismus in Europa freigemacht?
Hängen nicht Geld und Schwur mit einander zusammen, und beziehen sich nicht beide auf den Himmel?
Das Geld hängt mit dem Inertialsystem auf ähnliche Weise zusammen wie das Foto im Personalausweis mit dem Angesicht des Menschen: es ist eine Abbildung, die das Abgebildete unkenntlich macht.
Die endlichen Bilder des Unendlichen sind Bilder des Schreckens. Die Götterbilder versuchen diesen Schrecken zu bannen, indem sie ihn instrumentalisieren, als Schrecken für andere verwenden. Götzen sind Schreckverschubsysteme. Deshalb lehrt die Schrift die Gottesfurcht, erkennt sie in ihr den Anfang der Weisheit.
Gegen das Leichte: Vom Schweren hat die göttliche Herrlichkeit ihren Namen. Nur wenn ich die Last auf mich nehme, wird diese Herrlichkeit für mich erkennbar. Das Schuldverschubsystem ist das System der Verblendung.
Da gingen ihnen die Augen auf, und sie erkannten, daß sie nackt waren: Voraus geht der Cherub, der mit dem kreisenden Flammenschwert das Tor des Paradieses bewacht (und auf den Cheruben thront Gott).
Die Grundgeschichte der Aufklärung müßte sich an der Geschichte der Banken (deren Ursprung mit dem der Tempel zusammenfällt) demonstrieren lassen. Welchen Punkt in dieser Geschichte bezeichnet die Vertreibung der Geldwechsler und der Taubenhändler (so bei Matthäus und Markus, bei Lukas nur allgemein der „Verkäufer“, bei Johannes zusätzlich zur Vertreibung der Geldwechsler und Taubenhändler auch die der „Verkäufer von Ochsen und Schafen“)?
Zur Bedeutung der Zahl zehn: Aus welchem Grunde hatte das römische Jahr zehn Monate, und was bedeuten die Namen der Monate?
Der Weizen, der unter die Dornen fällt, ist das nicht das Wort, das unter die subjektiven Formen der Anschauung fällt? Hat nicht Heidegger die Sorge, in der Jesus die Dornen erkennt, unter die der Weizen fiel, zum Zentrum der Fundamentalontologie gemacht?
Die Theologie hinter dem Rücken Gottes ist, ohne daß sie es weiß, eine Geldtheorie. -
6.12.1996
Wie hängen die drei Elemente Name, Umkehr und Angesicht mit den drei Elementen im Stern der Erlösung zusammen, mit Gott Welt Mensch? Bezieht sich nicht der Name auf Gott, die Umkehr auf die Welt und das Angesicht auf den Menschen? Aber steckt nicht im Angesicht des Menschen das verborgene Angesicht Gottes und der Welt, schließt nicht die Umkehr, die auf die Welt sich bezieht, die des Menschen und dann auch die Umkehr Gottes mit ein, und ist nicht im Namen Gottes der verborgene Name der Dinge und der Menschen mit enthalten?
Ist die „Zahl eines Menschen“ nicht der Fluchtpunkt einer Sprache, die ihre erkennende Kraft, die Kraft des Namens, verloren hat? Bezieht sich hierauf nicht das Wort, daß, wer einen Sünder von seinen Wegen des Irrtums bekehrt, seine eigene Seele rettet? Und bezieht sich nicht auch das Wort von dem einen Sündern, über dessen Bekehrung größere Freude im Himmel herrscht als über 99 Gerechte, auf diese „Zahl eines Menschen“? Und hat die „Zahl des Menschen“ nicht etwas mit der Geschichte von den sieben unreinen Geistern (die den Wegen des Irrtums korrespondieren) zu tun?
Sind die sieben unreinen Geister die Herren über die Wege des Irrtums?
Welche irdischen Väter kommen in den Evangelien vor, neben
– Zacharias, Joseph, Zebedäus?
– Gehört nicht insbesondere der Vater dessen dazu, dem Jesus sagt: „Laß die Toten ihre Toten begraben“, auch der Vater eines Besessenen, der königliche Beamte, dessen Sohn krank war, Simon Ischarioth (der Vater des Judas), dazu Simon von Cyrene (der Vater des Alexander und Rufus)?
– Dazu gehören dann noch die in den Namen der Söhne bezeichneten Väter, die Väter des Bartholomäus, des Simon Barjonas (Petrus), des Bartimäus, aber auch des Barabbas.
– Und beziehen sich auch die Beinamen auf Väter: Alphäus, Thaddäus, Kleophas?
Der Tod ist ein Meister aus Deutschland: Aus einem auf der Straße aufgeschnappter Gesprächsfetzen, es ging offensichtlich um einen Arzt: „Er ist sehr nett, und er hat eine Mordspraxis.“ Gehören dazu nicht der Mordshunger und der Mordsspaß, der Mordskerl, das Mordsweib und das Mordskind (auch die Bombenstimmung; dem Bedeutungsfeld dieser Bildungen kommt der Gebrauch des adjektivs „geil“ unter Jugendlichen heute nahe)? Woher kommt und was bedeutet eigentlich die Wendung: aus seinem Herzen keine Mördergrube machen (gemeint ist: frei heraus, ohne „falsche“ Rücksicht auf die „Empfindlichkeit“ von Anwesenden, in ihrer Gegenwart hinter ihrem Rücken über sie reden)? Wie hängt dieser Gebrauch des Mordbegriffs mit dem strafrechtlichen Begriff des Mords zusammen? – Etymologisch bezeichnet der Mord die Instrumentalisierung des Sterbens, nicht nur das einfache Töten, sondern ein Töten für einen außerhalb des Tötens liegenden Zweck (Kluge, S. 488).
Ist nicht die ganze Theologie heute eine, die in Gottes Gegenwart hinter seinem Rücken über ihn redet? Ist die Vorstellung eigentlich so absurd, daß man über Gott nur im Bewußtsein seiner Gegenwart reden darf, daß man eine Theologie (als „Reden über Gott“) ohne eine Reflexion, die dem Gebet zumindest ähnlich ist, blasphemisch zu nennen gezwungen ist? Damit hängt es zusammen, daß eine Theologie, die diesen Namen verdient, zusammen mit der Naturwissenschaft (mit dem objektiverenden Erkenntnisbegriff) nicht bestehen kann.
Die Schrift ist die moralische Norm der Gegenwart, die Gegenwart die Verständnis-Norm der Schrift.
Wie lange ist eine Theologie noch zu halten, die nur noch ihre destruktiven Kräfte auslebt (vom privaten Bereich über die Liturgie, das Dogma, die Moral und die Politik bis in die Ökonomie)?
Ist nicht die Zentrierung der Moral in der Sexualmoral die Venus-Katastrophe?
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