20.02.91

Schneisen schlagen:
– Theologie im Angesicht/hinter dem Rücken Gottes (vgl. Jürgen Ebach, UuZ, S. 51ff: Der Gottesgarten liegt im Antlitz Gottes; bedeutet „hinter dem Rücken Gottes“: im Angesicht des Feindes? – Im Angesicht = in den Augen von, im Urteil von),
– Subsumtion der Zukunft (der Versöhnung) unter die Vergangenheit (Theologie hinter dem Rücken Gottes) als Basis des Herrendenkens,
– „sanctificetur nomen tuum“: was geschieht dem Kind, dessen Mutter in seiner Gegenwart über das Kind redet: sie macht das Kind sich selbst und der Mutter zum Feind (und verdeckt diese Feindschaft durch symbiotische Bindung); genau das machen unsere Theologen mit Gott; – haben unsere Theologen einmal nachgefragt, was die Juden unter der „Heiligung des Gottesnamens“ verstehen?
– zum Begriff des Ewigen (Umkehr: Heute, wenn ihr meine Stimme hört),
– Bekenntnis: Herrendenken und Instrumentalisierung,
– Kritik des Personbegriffs (Produkt der Verinnerlichung der falschen Versöhnung),
– Kritik des Inertialsystems (Entfremdung, Grund der Instrumentalisierung, Löschung der benennenden Kraft der Sprache: Produkt der falschen Versöhnung),
– Kritik des Herrendenkens (Begriff und hierarchische Struktur der Logik; Herrschafts-, Schuld-, Verblendungszusammenhang),
– Dornen und Disteln (Ursprung der Gewalt, Herschaft von Menschen über Menschen),
– Ursprung und Kritik der Gewalt (Verhältnis zur Logik; Logos: Begriff oder Name?),
– Ansteckung durch Gewalt: „Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet“
– „Seid klug wie die Schlangen und arglos wie die Tauben“,
– Petrus: Schlüsselgewalt und dreifache Verleugnung: die dritte – die Sünde wider den Heiligen Geist – endet in der Selbstverfluchung,
– imitatio Christi, die Gottesfurcht (dazu gehört auch die Lektüre des Angehörigen-Info),
– Natur und Welt als Totalitätsbegriffe zur Absicherung des Herrendenkens, Neutralisierung der Gottesfurcht (Zusammenhang mit der Grenze/Ausdehnung von Natur und Welt – Rom, Kopernikus),
– Welt und Schöpfung: Ursprung und Geschichte der Häresien (Orthodoxie und Weltbegriff: Instrumentalisierung der Theologie; Äquivalenz von Bekenntnis und Trägheitsgesetz),
– Welt und Geschichte: geschichtliche und kosmische Religion; Genealogie, Chronik, Prophetie vs. Mythos; Christentum und Verweltlichung; Ursprung und Geschichte von Antijudaismus, Ketzer- und Hexenverfolgung,
– Verweigerung/Notwendigkeit der Erinnerungsarbeit (Idee der Versöhnung: offene Zukunft und abgeschlossene Vergangenheit; die Öffnung des Raumes schließt die Vergangenheit ab),
– nicht Ökumene, sondern Entkonfessionalisierung der Kirchen,
– die raf und der Golfkrieg: die Welt gleicht sich immer mehr dem Verfolgungswahn an, durch den sie zugleich falsch abgebildet wird (seid klug wie die Schlangen und arglos wie die Tauben),
– es kommt nicht aufs Rechtbehalten an (Bekenntnissyndrom; Rechtbehaltenwollen als Teil der „Versuchung“: et ne nos inducas in tentationem),
– wer unbedingte Gewißheit: die Zukunft dingfest machen will, zahlt zwangsläufig den Preis der Entfremdung, weil er es nicht erträgt, in der Furcht Gottes zu bleiben; er ist zur Verdummung verurteilt,
– wo kein Kläger, da kein Richter (Hauptsache: nicht erwischt werden): sich der Anklage stellen, anstatt die Schuldgefühle, die sie auslöst, zu verdrängen.
Bekenntnis und Komplizenschaft: Die Komplizenschaft ist in den Weltbegriff bereits eingebaut. Als Bürger des Staates (sowie als Käufer in einer durch Geldwirtschaft bestimmten Gesellschaft) bin ich als Komplize der Herren (durch Identifikation mit dem Aggressor) selbst Herr über die Unterworfenen (und die Produzierenden, die Arbeit und das Produkt der Arbeit anderer). Entlastung von den Schuldgefühlen bringt die Absicherung der Selbstexkulpierung durch das „homologe“ Bekenntnis aller: Wo kein Kläger, da kein Richter. Erst durchs Bekenntnis (durchs Bekenntnis zu den geltenden Werten: zum moralischen Urteil, bzw. durch Identifikation mit dem Aggressor und Verzicht auf die Anklage gegen ihn) werde ich real zum Komplizen. Dieses „Bekenntnis“ (und das gilt heute auch für das kirchliche, konfessionelle Bekenntnis) ist ableitbar als Umkehrung des Schuldbekenntnisses (als falsche Versöhnung: Leugnung der offenen Schuld in der Gegenwart und Dekretierung der Versöhnung als einer in der Vergangenheit bereits geleisteten; Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit; das sich Verstecken des Adam („unter den Bäumen des Gartens“), Flucht aus dem Angesicht Gottes, dreifache Leugnung des Petrus: die dritte – die Sünde wider den Heiligen Geist – endet in der Selbstverfluchung; Instrumentalisierung der Scham).
Ist das homologein (Bekennen) nur ein anderer Ausdruck für das akolouthein (die Nachfolge)? „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben.“
Beherrscht der Mond die Natur und die Sonne die Welt? Die Sonne erleuchtet (herrscht über) den Tag, der Mond die Nacht.
Die Vorstellung des (nicht vorstellbaren) unendlichen Raumes hat Natur und Welt als Totalitätsbegriffe konstituiert: vorher waren beide begrenzt, gab es noch ein Außerhalb.
Der philosophische Begriff des Kontingenten konnte nur deshalb mit dem Schöpfungsbegriff verwechselt werden, weil die Schöpfung selber mit der Welt verwechselt wurde. Beides war erkauft mit einem Tabu über die Erinnerungsarbeit (Kontingenz bezeichnet die Beziehung des Objekts zum Begriff, Schöpfung die zum Namen).
Der Begriff der List der Vernunft ist der Spalt, durch den die benennende Kraft der Sprache entweicht und die Gewalt in die Hegelsche Philosophie Einlaß gefunden hat (vgl. Adornos Hegel-Aufsatz). Heute ist von der List der Vernunft nur die List noch übriggeblieben, der reine Dezisionismus. Nicht zufällig taucht der gleiche Begriff der List auch im Rahmen der Hegelschen Theorie der Naturbeherrschung auf: als Prinzip der Technik; die gesellschaftliche Anwendung des Listbegriffs liegt auf der Hand (vgl. die List des Swinegels und Jürgen Ebachs Bemerkungen dazu, UuZ, S. 154).
Die Sprachverwirrung beim Turmbau von Babel („und machen wir uns damit einem Namen“) wird beschrieben als die Folge eines Eingreifens Gottes, der herabstieg, „um sich Stadt und Turm anzusehen“ (Gen. 111ff).
Erst in der transzendentalen Logik, durch die Einbindung des Objektbegriffs, wird die benennende Kraft des Begriffs, die im traditionellen Begriff des Begriffs noch drinsteckt, gelöscht. Die Geschichte der Philosophie läßt sich hiernach auch begreifen als eine sprachgeschichtliche Auseinandersetzung zwischen Begriff und Namen, mit dem Ziel, den Namen zu neutralisieren (Kampf gegen die Magie, Ursprung des Personbegriffs). Die Verwirrung kommt herein durch die zentrale Funktion des Urteils (und dessen Bindung an den instrumentellen Sprachgebrauch). Die Umformung der Subjekt-Prädikat- in die Objekt-Begriff-Beziehung in der transzendentalen Logik Kants markiert den Punkt, an dem sich die Sprache endgültig von ihrer benennenden Kraft emanzipiert. Hier vollendet sich die Sprachverwirrung (der Turmbau von Babel). Oder: die Postmoderne beginnt mit Kant und Hegel. Hier gibt es einen zwangsläufigen Zusammenhang mit der Interpretation der Geschichte vom Sündenfall (die in der Tradition der Aufklärung und des deutschen Idealismus als die Geschichte der Menschwerdung begriffen wird) und mit der Neigung zum Antisemitismus.
„Ach wie gut, daß niemand weiß, daß ich Rumpelstilzchen heiß“: Gegen die Sprachverwirrung die Dinge zum Sprechen bringen (oder sie beim Namen nennen).
War es vielleicht die beängstigend nahegerückte Gefahr des Wiederauflebens der Magie (nicht nur in Astrologie und Alchimie, sondern näher noch in der neuen Gestalt des Bekenntnisses: des Konfessionalismus), die dann ihr Sündenbock-Opfer in der Hexenverfolgung fand? – Namenszauber und Ursprung der Naturwissenschaften und des Nominalismus, des Objekts der kantischen Kritik? Ritualisierung des Lebens (pompöse Verkleidung: Perücke und Robe) zur Abwehr der andrängenden feindlichen Mächte (der Gewissensmächte: zweite Geburt der Person – Christentum als Gewissenskomfort – Höllensturz). Unausweichlichkeit der Melancholie und der barocken Hybris?
Gewissen und Über-Ich: das Gewissen lebt von der Erinnerungsarbeit, von der Fähigkeit, die Vergangenheit zur benennen (Name, Scham und Schuld), das Über-Ich ist die verinnerlichte, instrumentalisierte Gestalt der falschen Versöhnung, gehört zur Geschichte des Begriffs.
Ich glaube, man muß heute die tiefe Ambivalenz in der Geschichte der Aufforderung an Petrus: „Schlachte und iß!“ (in der Apostelgeschichte) begreifen, um die ganze Tragweite der Entscheidung zur Heidenmission (die mit dem Namen des Petrus, der Kirche, untrennbar verbunden ist; die Auseinandersetzung mit Paulus, in der Petrus die andere Seite vertritt, macht das Gewicht der Entscheidung noch deutlicher) zu begreifen.
Unsere Theologie hat die Gottesfurcht durch die Furcht des Herrn ersetzt (Ursprung und Geschichte der Herrenbegriffs, des Kyrios-Begriffs).
Der Staat oder die installierte Sünde wider den Heiligen Geist.
Einer der Nebeneffekte des Bekenntnissysndroms ist die Gesinnungsethik, bei der in der Regel übersehen wird, daß die „Ge-sinnung“ gerade nicht das Innerste des Menschen bezeichnet, sondern nur das, was der Gesinnte gerne als sein Innerstes nach außen demonstrieren möchte: Der demonstrative (durch den Exkulpationswunsch bestimmte) Grundzug, den die Gesinnung mit dem Bekenntnis gemeinsam hat, ist unverkennbar; er verweist zugleich darauf, daß ohne Ausnahme jede Gesinnung von außen induziert ist (oder auch transplantiert, bei herabgesetzten Immunkräften): Ausdruck dessen, was David Riesman den „außengeleiteten Charakter“ genannt hat; man ist national „gesinnt“, aber einem Menschen, den man liebt, wohl „gesonnen“ (zu diesem Adjektiv gibt es bezeichnenderweise kein verdinglichendes, personalisierendes Substantiv; hierauf kann man niemanden festnageln). Von der Gesinnung (wie auch vom Zwangs-Bekenntnis) ist das Passive, das Unspontane und Unlebendige, das Selbst-Opfer und die dahinter lauernde Wut auf den, der nicht einstimmt, nicht abzuwaschen (es gibt keinen Nationalismus ohne Feinddenken). Jede Gesinnungsethik trägt ausgesprochen exkulpatorische Züge, sie ist ein Akt der Selbstfreisprechung, des reuelosen Sich Unschuldigfühlens, der direkt in den Wiederholungszwang hineinführt. (Begriff der Gesinnung bei Kant?)


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