21.06.93

Gründet
– der Raum in der Beziehung von Rechts und Links (Gericht und Barmherzigkeit),
– das Bekenntnis in der von Vorn und Hinten (im Angesicht und hinter dem Rücken, berith und Schwur) und
– das Geld in der von Oben und Unten (Gewalt und Herrschaft und Knechtschaft, diatheke und Tod)?
Und alle drei hängen mit Trägheit, Licht und Schwere (auch mit den drei Aspekten des Bösen: dem Satan, dem Teufel und dem Dämon) zusammen?
Haben Gottesfurcht, Umkehr und Nachfolge etwas mit den drei Abmessungen des Raumes, mit Raum, Geld und Bekenntnis (Bekenntnis des „Namens“!), und mit den drei evangelischen Räten zu tun (entspricht das „Bekenntnis des Namens“ der Keuschheit, das verdinglichte hingegen der Unzucht? – „Lehrzuchtverfahren“).
Die Bekenntnislogik ist wie die des Geldes ein Aspekt der Logik des Inertialsystems.
Die vergangene Zukunft ist die durchs Dogma neutralisierte Parusie-Erwartung.
Das Blutsymbol ist durch die Bekenntnislogik und durch das verdinglichte Dogma nicht nur unkenntlich gemacht worden: es ist in sein Gegenteil verkehrt worden. Es wird durchsichtig, wenn die verdinglichende Gewalt im Dogma getilgt wird, wenn in ihm die Gottesfurcht, die Umkehr und die Nachfolge wiedererkannt werden. Insofern ist die Opfertheologie in der Tat das zentrale Objekt der Weltkritik. Das Dogma ist der Greuel am heiligen Ort.
Die Hegelsche List der Vernunft heißt bei Kant noch schlicht und einfach Betrug (Kr.d.r.V., S. 395).
Im Futur II, im „Es wird gewesen sein“, klingt das „was wird schon gewesen sein“: die enttäuschte Erwartung, nach. Hier wird die Wurzel des Herrendenkens sichtbar: es gründet in der Verzweiflung (die die Wurzel des Neutrums ist, des Objektbegriffs: des Staubs, aus dem Adam ward, und zu dem er wieder werden wird, und von dem die Schlange sich nährt).
Der Vertrag bedarf des Schwures und der damit verbundenen Einrichtungen: des Tempels, der Religion, des Opfers und des Priestertums, während das Testament an den Tod anknüpft.
Trotz des Satzes „Niemand hat eine größere Liebe, als wer sein Leben hingibt für seine Freunde“ war der Kreuzestod kein Heldentod. Obwohl der Heldentod, der die Greuel des Krieges, die den Heldentod begründen, hinter sich verbirgt, sie unsichtbar macht, in der Tradition der christlichen Kreuzestheologie begründet ist (was ein bezeichnendes Licht auf die zentrale Bedeutung des Kreuzestodes in der deutschen Nachkriegstheologie wirft). Hier liegt zweifellos einer der Gründe, weshalb innerkirchlich die Aufarbeitung der Vergangenheit so schwer fällt: die Lösung liegt zu nah. Voraussetzung einer solchen Aufarbeitung wäre in der Tat der Bruch des Tabus, das über dem Heldentod liegt, seine Lösung vom Kreuzesparadigma: die Kritik seiner christlichen Prämissen. Ist nicht der Kreuzestod Jesu die offene Wunde der Geschichte, und die Opfertheologie – als Versuch, die offene Wunde durch Verdinglichung und Instrumentalisierung zu schließen – der blasphemische Kern der christlichen Tradition, nicht mehr nur Produkt der enttäuschten Parusieerwartung, sondern deren Hintertreibung?
Weltkrieg (dessen Name die transzendentallogische Einheit von Welt und Krieg aufs genaueste bezeichnet), Heldentod und Auschwitz bezeichnen den Kulminationspunkt einer bis heute nicht aufgearbeiteten Theologie.
Volk als Schicksalsgemeinschaft ist die Gemeinschaft einer Mordgesinnung, die glaubt, sie könne nicht haftbar gemacht werden. (Dieser Satz löst das Rätsel des Begriffs der „Volkspartei“.) Gilt das gleiche auch für „Bekenntnisgemeinschaften“? Sind nicht Bekenntnisgemeinschaften ebenfalls Schicksalsgemeinschaften? Aber die Differenz zwischen Volks- und Bekenntnisgemeinschaften ist ablesbar an der Differenz zwischen Antisemitismus und Antijudaismus: Das Schicksalhafte des Volks gründet im Biologischen, das des Bekenntnisses in einem Akt, der die Zustimmung per definitionem mit einschließt. Das Volk ist durch Gründung der Gemeinschaft im Blutprinzip antisemitisch; durchs Blutprinzip tritt das Volk in wütende Konkurrenz zum auserwählten Volk.
Müßte der Satz „Ich bin das A und das O (das Alpha und das Omega), der Erste und der Letzte“ (Apk 18, 216, 2213) wegen seines Ursprungs im Hebräischen nicht auf das Aleph und das Taw bezogen werden? Und hängt das mit dem et (dem Akkusativ-Partikel und dem mit) und dem at (dem femininen Du), in dem beide Buchstaben vereinigt sind (die nach kabbalistischer Auffassung das ganze Alphabet, die ganze Schrift, in sich befassen) zusammen? Haben die Griechen das thet und taw durch das Omikron und das Omega (beiden entspricht das hebräische waw) ersetzt: die beiden Verschlußlaute als Grenzbuchstaben durch zwei Vokale? Hängt das damit zusammen, daß die hebräische Sprache eine Sprache im Angesicht, die griechische eine Objektsprache ist (was die christliche Theologie nicht von der Gottesfurcht, der Umkehr und der Nachfolge suspendiert)?


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