Verantwortung übernehmen heißt heute: lernen zu wissen, was man tut. Und genau das halten heute alle für unmöglich; deshalb stehen sie unter dem Zwang der Absicherung ihres Tuns durch Autorität. Wissen was man tut, das setzt heute prophetische Erkenntnis voraus.
Die Bekenntnislogik bezeichnet den Naturbegriff der gleichen Sache, deren Weltbegriff transzendentale Logik heißt. Bei Kant bleibt dieser Zusammenhang unerörtert, weil durch die Kritik der praktischen Vernunft (die diesen Naturbegriff durch den der Freiheit ersetzt) gleichsam präventiv schon widerlegt worden ist. Ist nicht die Trinitätslehre durch das homoousios (durch einen Akt caesarischer Souveränität) zu einem Instrument der Konstituierung, Rechtfertigung und Abschirmung der intentio recta geworden, einer von der Last der Umkehr befreiten, und so in die Logik des Weltbegriffs sich verstrickenden Erkenntnis (zum Kristallisationskern der Theologie hinter dem Rücken Gottes)? Die creatio mundi ex nihilo ist der Angelpunkt der Beziehung der Theologie zur politischen Ökonomie (vgl. den Begriff der Geldschöpfung und den Ursprung und die Bedeutung des Begriffs des Geistes der Marktwirtschaft). Das Buch Tobias gehört zu den apokryphen Schriften des AT: Hier wird der Fisch gefangen, geschlachtet und instrumentalisiert, und Ninive wird zerstört (Jonas behält am Ende doch Recht gegen Gott). Sind nicht die Pharisäer-Geschichten im NT allesamt Warnungen vor der Bekenntnislogik (vor dem Ursprung der Heuchelei)? Das Paulinische Wort vom Leib als Tempel des Heiligen Geistes (1 Kor 619), Grund der Warnung vor der Unzucht, begründet die theologische Bedeutung der Sensibilität (nicht die kirchliche Sexualmoral). Die Scham hat durch ihre Bedeutung fürs Schuldverschubsystem auch einen technischen Aspekt. Mit dem Personbegriff ist ein Schuldbegriff verknüpft, der – wie die Maske das Gesicht – die Schuld, um die es in Wahrheit geht, verbirgt, unkenntlich macht. Zur Kollektivscham: Das war die Lösung, mit dessen Hilfe die Schuldwahrnehmung verdrängt worden ist. Statt dessen wurde die Scham als Leistung der Schuldbefreiung begriffen (daran ist zunächst die Religion zugrunde gegangen, Fortsetzung folgt). Diese Scham verändert nicht die Tat, irrealisiert nur die Schuld (indem sie sie aus der Beziehung zu Gott herauslöst und in den Weltbegriff integriert und technisch handhabbar macht). Die Wahrheit des Idealismus liegt darin, daß die Welt in der Tat durch Subjektivität konstituiert wird (wobei die Scham zur objekt-konstituierenden Kategorie geworden ist: die Beziehung des Objekts zum Begriff ist eine Beziehung der Scham, und der Begriff ein Akt der Entblößung; die Scham ist das Grundelement des Schuldverschubsystems). Die Welt des Idealismus ist die aufgedeckte Blöße der gefallenen Kreatur, das Instrument des Aufdeckens der Blöße (der Akkusativierung der Dinge) sind die subjektiven Formen der Anschauung.
20.6.1994
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