20.2.1997

„In dubio pro reo“: Dieser Grundsatz ist eine praktische Konsequenz aus dem grundlegenden Satz, daß das Unwiderlegbare nicht schon die Wahrheit ist. Feindbilder sind wegen des Rechtfertigungsinteresses, das in sie investiert wird, unwiderlegbar (Rechtfertigung ist ein Imperativ post festum, der dann zum Imperativ apriori, zum Trägheits-Imperativ, wird: zum Gemeinheits-Imperativ; Rechtfertigung erzeugt den Wiederholungszwang); sie sind Instrumente der Entlastung, der Exkulpierung. Sie gründen in der Unfähigkeit zur Schuldreflexion, die sie durch projektive Verarbeitung stabilisieren (Inertialsystem). Zum Stand der naturwissenschaftlichen Aufklärung: Heute dringt die Feindbildlogik in die Familienbeziehungen ein: Darin gründet das double-bind-Syndrom. Die subjektiven Formen der Anschauung (die Produkte der Abstraktion vom Blick des Andern) sind Stabilisierungen des double-bind-Syndroms: die Wege des Irrtums. Ist das Planetensystem die Leugnung des göttlichen Angesichts? Was hat es mit dem Namen, den niemand kennt außer dem, der ihn empfängt (oder der ihn trägt), auf sich (Off 217, 1912)? Ist nicht der „gesunde Menschenverstand“ ein – anstatt an Begriffen – an der Sprache, an ihrer benennenden Kraft, sich orientierender Verstand? Die Kommunikationstheorie setzt diese benennende Kraft der Sprache, ohne die es eine Kommunikation nicht geben würde, einfach nur voraus, anstatt sie zu reflektieren.


Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Adorno Aktueller Bezug Antijudaismus Antisemitismus Astrologie Auschwitz Banken Bekenntnislogik Benjamin Blut Buber Christentum Drewermann Einstein Empörung Faschismus Feindbildlogik Fernsehen Freud Geld Gemeinheit Gesellschaft Habermas Hegel Heidegger Heinsohn Hitler Hogefeld Horkheimer Inquisition Islam Justiz Kabbala Kant Kapitalismus Kohl Kopernikus Lachen Levinas Marx Mathematik Naturwissenschaft Newton Paranoia Patriarchat Philosophie Planck Rassismus Rosenzweig Selbstmitleid Sexismus Sexualmoral Sprache Theologie Tiere Verwaltung Wasser Wittgenstein Ästhetik Ökonomie