Gibt es einen Zusammenhang zwischen dem Ursprung (und der Logik) der Eucharistieverehrung und der Geschichte der Fälschungen im Mittelalter (vgl. die Funktion der List der Vernunft in der Hegelschen Philosophie)?
Die Habermassche Intersubjektivität und die darauf gegründete Diskurstheorie ist ein Produkt der Kollektivscham (ihrer selbstzerstörerischen und weltbegründenden Gewalt): die schlimmste Form der Verdrängung. Es ist die Scham vor der Welt, die den sich Schämenden in die Fallen der Welt hineintreibt.
Die Schrift und das Geld haben nicht nur das Bewußtsein der Vergangenheit geändert, sondern die Vergangenheit selber.
Ernst und schwer sind gleichbedeutende Begriffe: der deutsche Ernst ist der Grund der deutschen Schwere. Bezeichnet nicht Hegels „Sein-für-Eines“ genau den Punkt, an dem das Leichte (das Licht) in den Ernst und die Schwere umgeformt wird? An diesem Punkt ließe sich die Bedeutung des Hegel-Worts, er sei „von Gott dazu verdammt, ein Philosoph zu sein“, demonstrieren. Mit dem „Sein-für-Eines“ wird die Hegelsche Philosophie atheistisch; hier läßt sich der Bruch in der Hegelschen Philosophie festmachen, der das mit der Phänomenologie anhebende System in das der Enzyklopädie verwandelt; mit diesem Begriff konstituiert sich der Weltbegriff als Totalitätsbegriff und mit ihm die Idee des Absoluten: hier beginnt Hegel, sich seine eigene Philosophie vom Leibe zu halten (das „für“ tilgt das Mitleid, die Barmherzigkeit; oder das „für“ verwandelt einen ungeheuren Satz in Geschwätz).
Mit dem „Sein-für-Eines“ endet der deutsche Idealismus. Hat diese Stelle in der Logik nicht die gleiche Bedeutung für die Philosophie wie – Glenn Gould zufolge – das „b“ im dritten Takt der neunten und letzten Variation von „Sellinger’s Round“ von Byrd für die Musik?
Die logische Funktion des „Sein-für-Eines“ läßt sich an der Frage zum neuen Freund der Tochter demonstrieren: Was ist das für einer, was macht denn der Vater?
Mit dem „Sein-für-Eines“ schließen sich die Pforten der Hölle; das „Sein-für-Eines“ ist eine Existenzbedingung des Absoluten, es ist der Grund aus dem das Absolute hervor- (und in den es zugrunde-) geht: die Finsternis über dem Abgrund.
Zwar stimmt es, daß die Pforten der Hölle die Kirche nicht überwältigen werden, aber der Abstieg zur Hölle bleibt ihr nicht erspart (war nicht die christliche Höllenvorstellung seit je eine projektive Veranstaltung zur Vermeidung, zur Verdrängung der Gottesfurcht).
Ist nicht das Sein-für-Eines der Schlüssel zum Verständnis der mittelalterlichen Transsubstantiationslehre und der Eucharistieverehrung (und steckt dieser Schlüssel nicht in dem Sakraments-Hymnus des Thomas von Aquin: Praestet fides supplementum, sensuum defectui, im Pange lingua)?
Das Sein-für-Eines konstituiert den Geltungsbegriff, er bezeichnet den Punkt in der Sprachlogik, an dem sie vom Tauschprinzip überwältigt wird (Logik der Reklame, die Geltung produziert und – so Adorno – „den Tod verschweigt“; sie verwandelt die Welt ins Totenreich, in ihr erfüllt sich die Abstraktionsgewalt des Inertialsystems). Das Gelten lebt von der projektiven Verarbeitung der Erinnerung (der Macht der Vergangenheit über die Zukunft): hier wird der Abstraktionsakt irreversibel.
Die Weltkriege haben die Resistenzkräfte im Katholiszismus aufgezehrt; übrig geblieben ist das nur noch die Panik reflektierende Dogma: die reine Anpassung an die Welt (als welche im Vatikanum II das Aggiornamento Johannes XXIII mißverstanden wurde).
Wir sind alle Hegelianer: Nur die Hegel-Kritik, zusammen mit der Kritik der Naturwissenschaften, vermag den Bann zu lösen, der auf der Welt (und damit auf uns allen) liegt.
21.6.1994
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