22.4.1994

Im Griechischen zieht das Verb
– „freuen“ den Dativ nach sich: der Gegenstand der Freude ist zugleich ihr Adressat; und
– „überlegen sein“ den Genitiv: die Überlegenheit ist eine dem Besitzverhältnis vergleichbare Abhängigkeit.
Vgl. Langenscheidts Kurzgrammatik Altgriechisch, S. 91, 94.
Die -tümer sind Namen, die durchs Urteil des Weltgerichts in Isolationshaft genommen worden, zu Substantiven gemacht worden sind. Modell: das „Deutschtum im Ausland“, vgl. aber auch den Reichtum, das Volkstum, das Christentum, Judentum oder Heidentum. Sind nicht die -tümer insgesamt Ungetümer (monströs wie die apokalyptischen Tiere)?
Reichtum und Armut: Ist die Umkehrung -tum/-mut reiner Zufall; haben -tum und Mut etwas mit einander zu tun?
Heldenmut und Heldentum (oder über die Signatur des Nationalismus am Ende): Der moderne Held (auch der Held im Kunstwerk) definiert sich – wie die Bekenntnislogik, die zu seinen Voraussetzungen gehört, gegen einen Feind (der für ihn den Tod repräsentiert), der antike (zivilisationsbegründende) Held, der Heros, begründet mit dem Recht einen Weltzustand, in dem es überhaupt erst Feinde gibt (und am Ende alle Fremden, die einmal als Gäste galten, zu Feinden geworden sein werden).
Die exkulpierende Kraft des Absoluten, oder: wie hängt der Kaufrausch mit der Ohrenbeichte (und das Absolute mit dem Geld) zusammen? Verwechselt die Theologie seit den Anfängen der Scholastik nicht die Sündenvergebung mit der Abstraktion, hat sie nicht das Opfer zu einem Moment im Abstraktionsprozeß gemacht (Zusammenhang von Theologie, Säkularisation und Inertialsystem)? Entspringt hier der Begriff des Absoluten: der Greuel der Verwüstung? (Ist das Absolute die christliche Version des Ahnenkults, als Abschaffung der Erinnerung?) Das Absolute entlastet von der Last der Vergangenheit, indem es sie verdrängt, sie dadurch aber zum Absoluten macht (vgl. Newtons Begriff des absoluten Raums und seine verborgene Beziehung zu Hegels Logik).
Zum Weltbegriff: Theologie muß heute durch die Wüste der Abstraktion, die Kritik des Absoluten, hindurch.
Das Ökumene-Konzept durch ein Entkonfessionalisierungs-Konzept ersetzen: die Kirche aus dem Bann der Bekenntnislogik (oder aus dem Bann des Absoluten) befreien. Das aber heißt: Theologie im Angesicht Gottes und nicht hinter seinem Rücken.
Im Anfang erschuf Gott den Himmel und die Erde: Wenn die Erde der Inbegriff des Benannten ist, ist dann der Himmel der Inbegriff der benennenden Kraft, die im Namen Gottes gründet (und das Herrendenken – der „Begriff“ – der Turm, der bis an den Himmel reicht)? Bezieht sich darauf das Bild, wonach der Himmel am Ende wie eine Buchrolle sich aufrollen wird? Die Benennung der Tiere durch Adam gehört in diesen Zusammenhang, aber auch das Wort: Der Himmel ist Sein Thron, die Erde der Schemel Seiner Füße. Am Ende, wenn es die Nacht und das Meer, den Tod und die Vergangenheit nicht mehr geben wird, wird Gott die Sonne sein. Und wenn der Sohn Ihm alles unterworfen hat, wird Gott alles in allem sein.
Im Hebräischen ist der Genitiv durch den Bezug zum Nomen, der Akkusativ durch den Bezug zum Verb bestimmt. Die Deklination ergibt sich (ohne Suffixflexion) aus der Stellung im Satz, während sie im (früheren?) Kanaanäischen durch Suffixe sprachlich sich anzeigt. Gibt es einen Zusammenhang dieser Differenz mit der Differenz im Besitzrecht (im Bodenrecht); ist das Eindringen der Deklination in die Nomina ein Symptom der Subsumtion der Erde unters Wertgesetz: der Beginn der flektierenden Sprachen überhaupt, die dann in der Substantivierung der Nomen (der Verlegung der Deklination in den bestimmten Artikel) endet? Sind die flektierenden Sprachen ein Reflex der sich ausbreitenden Geldwirtschaft und deshalb Herrensprachen? Hier ist die Welt zu allem, was der Fall ist, geworden; Der Bann unter dem die Welt steht, ist der Bann des Absoluten.
Sind die die „hebräischen Sklaven“ betreffenden Regelungen (Dt und Jer) nicht auch Sprachregelungen, und gilt das vielleicht für die die Armen und die Fremden geltenden Gebote insgesamt?
Hat die Gnade etwas mit der benennenden Kraft der Sprache zu tun (und mit ihr die Barmherzigkeit und die Gebärmutter: die messianischen Wehen)?
Verhält sich der Infinitiv Sein zum Possessivpronomen 3.Sg.m. wie das Glaubensbekenntnis zum Schuldbekenntnis (und werden Begriffe nicht überhaupt erst dort interessant, wo der Bruch sich zeigt, anstatt wie bei der Trennung der Begriffe Natur und Welt bloß verdrängt zu werden)?
Kontrafaktische Urteile: Der Historiker ist wie der Richter der Beweislogik unterworfen: Seine Urteile (die „Urteile der Geschichte“) müssen nicht wahr, sondern nur hieb- und stichfest sein. Der Fechtboden, auf dem sich das prüfen läßt, ist der Boden der kontrafaktischen Urteile (und auch hier gilt, was auf jedem Fechtboden eingeübt worden ist: Gemeinheit ist kein strafrechtlicher Tatbestand). Die Konsequenzen, die aus der Kritik des Historismus sich ergeben, sind bei Nietzsche und Rosenzweig nachzulesen. Liegt die Auflösung des Problems der kontrafaktischen Urteile in der Theologie?


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