22.08.90

Offb. 12: Wenn die Frau nicht Maria, sondern Israel meint (KuS, S. 116), dann wäre die „Wüste“ das Exil (aber könnte nicht auch die Kirche gemeint sein?); und der „Sturz“ des „großen Drachen“ auf die Erde könnte Vorgänge beschreiben, die sich kirchen- und gesellschaftsgeschichtlich beschreiben ließen (Einbeziehung der Kirche in den Herrschaftsprozeß, Instrumentalisierung der Religion; Konstituierung des Subjekts in Philosophie, Gesellschaft und Politik durch Verinnerlichung des Schicksals und des dämonischen Orakels; Ursprung von Glaube und Bekenntnis; Zusammenhang von Geldwirtschaft/Tauschprinzip, Objektivationsprozeß, Politik und Religion, Geschichte der Aufklärung). Telos des Drachensturzes wäre die Verwirrung und Zerstörung der Bedingungen seiner Sichtbarkeit: die universale Verblendung, die in den Naturwissenschaften zu sich selber kommt. – Geschichte des Antisemitismus (alle Vorurteile, auch die des kirchlichen Antijudaismus, sind Projektionen) nutzen als Anleitung zur geschichtlichen Selbstreflektion der Kirche. Der Antisemitismus hat nichts mit der „Judenfrage“, aber umso mehr mit der Geschichte der mythischen Selbstverblendung des Christentums zu tun.

Nicht Gott/Welt/Mensch, sondern Juden/Ketzer/Frauen als drei Gestalten des „Nichts“, des Andersseins. Wäre es möglich, mit diesen Ausgangspunkten den „Stern“ neu zu schreiben (Unser Nichtwissen von den Juden, Ketzern und Frauen ist der Grund unseres Gespensterwissens, unserer Vorurteile über Juden, Ketzer und Frauen)? Zusammenhang mit den evangelischen Räten (Armut, Gehorsam und Keuschheit)?

Beziehung unseres Gespensterwissens zum „Bekenntnis“:

– die Juden sind verstockt,

– die Ketzer sind heterodox, sie haben das falsche Bekenntnis,

– Frauen sind bekenntnisunfähig (und verstehen nichts von den Naturwissenschaften).

Das Bekenntnis ist eigentlich das (männliche) Bekenntnis zur eigenen Potenz (deshalb Symbolum?), daher die Notwendigkeit der Projektionen, die begründet sind in

– der eigenen Unbelehrbarkeit,

– der Diskriminierung des Gottsuchens und

– der Unfähigkeit zur Empathie.


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