22.09.93

Nach Flavius Josephus symbolisieren die vier Farben im Vorhang des Tempels die vier Elemente:
– Scharlach: das Feuer,
– Weiß: die Erde,
– Blau: die Luft und
– Purpur: das Meer.
Sind die „vier Vokale“, die nach Flavius Josephus auf der Kopfbinde des Hohepriesters geschrieben sind, die des Tetragrammaton, die vier Buchstaben des Gottesnamens? Wie verhält sich diese Tradition zum bibelwissenschaftlichen „Jahwä“?
Wer die Religion vollständig auf die Gesinnungs- und Bekenntnisebene schiebt, leugnet die Erkenntnisforderung und den Erkenntnisanspruch der Religion. Diese Beziehung zur Erkenntnis ist im Christentum nach dem Urschisma durch die Gnosis verstellt worden.
Wenn Hegel in der Rechtsphilosophie den Monarchen aus der Logik des Systems ableitet, so rührt er damit an die Logik des Namens. Und er bezeichnet zugleich den Punkt, an dem die messianische mit der Königstradition zusammenhängt.
Sind nicht der Urknall, der schwarze Hohlraum und das schwarze Loch projektive Verkörperungen der Verdrängung des Namens, und stehen sie nicht in einer systematischen Wechselbeziehung (die aus der Logik des Inertialsystems sich müßte ableiten lassen)?
Ist das bara in Imperfektum oder ein Perfektum (Produkt einer nicht abgeschlossenen oder einer abgeschlossenen Handlung)? Oder kommt dieses Verb in der Schrift in beiden Formen (bei Buber erkennbar als „schuf“ und „hat geschaffen“) vor, allerdings mit differerierenden Konnotationen (bis hin zum Gottesnamen)? Und wie verhält das Schaffen zum Machen? Vgl. hierzu den Wechsel in Gen 24a,b:
– vom Imperfekt zum Perfekt, mit anschließender Versetzung in die Vergangenheit („Zur Zeit, da …“) und Änderung des Verbs (von schaffen zu machen),
– von Elohim zu Elohim JHWH und
– von „Himmel und Erde“ zu „Erde und Himmel“ (Vertauschung der Folge der Objekte): aus der unabgeschlossenen Schöpfung von Himmel und Erde wird die abgeschlossene Schöpfung von Erde und Himmel.
Die Unterscheidung der „Quellen“ orientiert sich nicht nur am Gebrauch des Gottesnamens. Welche anderen sprachlichen Kriterien liegen ihr noch zugrunde? Kann es nicht sein, daß sich dahinter ein kompositorisches Element verbirgt?
Läßt sich Bubers Bibel-Übersetzung nicht unter dem Stichwort Ästhetisierung kritisieren (vgl. das „Braus Gottes schwingend über dem Antlitz der Wasser“, in dem das Tätige des Brütens zu einem artistischen Akt wird)? Spielt das nicht mit herein, wenn die Armen, die Fremden, das Opfer, der Geist, die Gerechtigkeit, die Wahrheit, die Barmherzigkeit und andere aus dem Text verschwinden? Was wird aus dem Zorn?
Natur ist der Inbegriff aller Objekte, die der Herrschaft der Vergangenheit unterworfen sind, während der Weltbegriff Vergangenheit und Zukunft dadurch trennt, daß er die Zukunft unter die Vergangenheit subsumiert (nur unter der Herrschaft der Vergangenheit sind Zukunft und Vergangenheit getrennt). Auf diesen Schnitt beziehen sich die Schwertsymbole: vom kreisenden Flammenschwert des Kerubs am Eingang des Paradieses bis zur Duchschlagung des Gordischen Knotens durchs Schwert des Alexander. Konstituiert das Schwert die Zeit, indem es sie von der Ewigkeit trennt, sie der Vergangenheit unterwirft?
Wer ist Malchus?
Das Schwert, das die Wunde schlägt, heilt sie auch (oder: Schwerter zu Pflugscharen): Sind die subjektiven Formen der Anschauung (und ist das Inertialsystem), und mit ihnen das Reich der Erscheinungen, das Werk des Schwertes? Begründet das Schwert mit der Trennung von Zukunft und Vergangenheit (und der Subsumtion der Zukunft unter die Vergangenheit) auch den Begriff des Wissens und die Trennung des Natur- und Weltbegriffs?
Steht nicht die Natur unter dem Bann der Subjektivität? Und ist nicht Adornos „Eingedenken der Natur im Subjekt“ zu radikalisieren durch die Kritik des Naturbegriffs selber?
Ärgernisse müssen kommen, aber wehe denen durch die sie kommen: Ist dieser Fluch nicht auch ein Segen (und ein Fluch nur für die, die den Segen darin nicht sehen)?
Die Wahrheit hat einen Zeitkern (Adorno): Dieser Satz wird mißverstanden, wenn man ihn relativistisch versteht.
Auch Herrschaftskritik ist vor der Gefahr des Herrendenkens nicht gefeit.
Problem der Chronologie: Die sogenannte Tiefenzeit ist ein Versuch, den Naturbegriff so zu verankern, daß er unwiderlegbar wird. Mit der Tiefenzeit kapituliert das Subjekt endgültig vor dem Bann, den es selbst über die Natur legt. Jeder Bann aber ist ein Todesbann.
Nicht nur die Rettung der vergangenen Hoffnung, sondern die Errettung der vergangenen Zukunft (gegen das „Prinzip Hoffnung“).
Wer sind heute die Aussätzigen: Gehören dazu nicht auch die Objekte des Vorurteils, die Juden, die Frauen, die Ausländer?
Gibt es eigentlich keinen Theologen, dem beim Kohlschen Wort vom „Umdenken“ (ähnlich wie damals beim Ehrhard-Wort von der „Sünde wider den Geist der Marktwirtschaft“) etwas einfällt? (Es paßt zu einem geistigen Klima, in dem die Reichen die Armen sind, die sich für das Ganze aufopfern.) Ist die Theologie schon so verderbt, daß ihr Gegenteil sich als ihre Verkörperung ausgeben kann (vgl. die „Theologen“ in der CDU, mit denen sich Kohl jetzt umgibt: Hintze und Heitmann, während er bei die Besetzung der Fachressorts Wirtschaft und Finanzen Fachleute um jeden Preis zu meiden versucht). Die Regierungsmannschaft Kohls wird durch das Feuer kabarettistischer Kritik nur noch gestählt (mit Hilfe der Theologie).
Stichwort „falsche Propheten“ (vom Deuteronomium bis zum NT, insbesondere auch in der Apokalypse): Das Problem sind nicht die falschen Propheten selber, sondern das Problem ist eine Politik, die wie ein Magnet die falschen Propheten anzieht. Die falschen Propheten sind am projektiven Gebrauch der Diskriminierungslogik (am instrumentellen Gebrauch der double-bind-Falle) erkennbar:
– „Asylantenflut“: wir überschwemmen die Welt mit der Armut, die wir nach draußen exportieren;
– die Xenophobie ist der Spiegel des Schreckens, den wir in der Welt verbreiten;
– die „Banden-Kriminalität“ (Begründung des „großen Lauschangriffs“) das Spiegelbild der realen Politik und Ökonomie: des Überfalls und der Beraubung der Armen).
Zugleich wird der Anspruch der Religion durch die projektive Ausmalung ihrer raf-Variante: des Fundamentalismus (den es zugleich tatsächlich gibt) destruiert.
Der Weltbegriff als Instrument der Schizophrenisierung: Psychose-Generator.
Das Buch Hiob ist nicht die Antwort auf das Theodizee-Problem, sondern der Nachweis, daß bereits die Frage (notwendig und) blasphemisch ist. Es beschreibt die Grenzen der Urteilskraft, dazu braucht es den „Ankläger“.
Wer nachweist, daß Äpfel keine Birnen sind, hat damit nicht nachgewiesen, daß es keine Birnen gibt.
Ist nicht die große Musik, spätestens seit Bach, der ohnmächtige, aber keineswegs hilflose Versuch, das Problem des Nominalismus (auch des double bind, der Trennung von Ton und Inhalt eines Satzes) zu bestimmen?
Ein Text, der es nicht erträgt, daß Worte in ihm auch gegensätzliche Bedeutungen repräsentieren, kann nicht wahr sein. Der Nachweis, daß ein Text Widersprüche enthält, ist nicht in jedem Falle eine Widerlegung.
Der ontologische Gottesbeweis hat die Selbstoffenbarung Gottes im brennenden Dornbusch neutralisiert (und die Persil-Reklame antizipiert).
Wer die Erfindung der Schrift als technisches Problem begreift, neutralisiert das Problem anstatt es zu lösen. Welches gesellschaftliche (und sprachlogische) Interesse liegt der Erfindung der Schrift zugrunde? Gibt es einen Staat ohne Schrift?
Das Schlimme heute ist, daß unsere Theologie erinnerungslos Abschied von ihrer eigenen Vergangenheit zu nehmen versucht. So macht sie sich selbst zum Agenten des Hasses der Welt. Nur so (durch Identifikation mit dem Aggressor) glaubt sie, selbst der Angriffszone dieses Hasses sich entziehen zu können.
Haben sich nicht alle am Schicksal der raf mitschuldig gemacht, die damals wußten, daß Analysen der raf so falsch nicht waren, dieses Bewußtsein aber verdrängten, weil sie gegen die Sympathisanten-Hetze hilflos waren.
raf und Scheiterhaufen: Beide sind falsche, instrumentalisierende Verkörperungen des Feuers (und seiner Beziehung zum Opfer und zur Sünde der Welt; Zusammenhang des Scheiterhaufens mit der Geschichte der Alchemie, der „Goldmacherkunst“).
Nur von der Sünde wider den Heiligen Geist heißt es, daß sie weder in dieser noch in der künftigen Welt vergeben werde, während es heißt, daß, wer den Vater und den Sohn leugnet, der Antichrist sei (1 Joh 222).
Ist der Feminismus nicht zunächst ein Symptom, nur in einigen Verkörperungen auch schon der Ansatz zu einer Lösung (Elisabeth Schüßler-Fiorenza, Rosemary Radford-Ruether, Mary Daly)?
Ist nicht durch die Logik des Weltbegriffs das Sein zum Haben anderer geworden? Darin gründet die verandernde Kraft des Seins, wird das Sein zu einem Moment im gesellschaftlichen Schuldzusammenhang (als dessen innere Reflexion die Heideggersche Fundamentalontologie zu begreifen ist).
Lassen sich die englische und die deutsche Sprachlogik nicht an der Form der gesellschaftlichen Anrede erkennen: Im Englischen ist die zweite Person sing. mit der zweiten Person plural (you) identisch, im Deutschen reden sich Erwachsene mit dem Personalpronomen der dritten Person plural (Sie) an: Hängt das nicht mit der Beziehung des Seins zum to be zusammen?
Durch den Begriff des Wissens wird die Wahrheit auf Objekte bezogen (als Übereinstimmung von Begriff und Gegenstand definiert).


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