Die heilige Empörung ist die bloße Umkehrung der Kollektivscham: Beide verwechseln die Verdrängung der Reflexion mit der Befreiung von Schuld. So bleiben sie in ihrem Bann, dem sie nicht entrinnen. Zeitenwechsel: Früher hat sich der „Spiegel“ mit Franz-Josef Strauß angelegt, heute legt er sich mit Monika Haas an. Was beide Kampagnen mit einander verbindet, ist allein ein sicherer Machtinstinkt, geändert haben sich nur die Bedingungen (und erst mit ihnen das Objekt). Hat nicht die Geschichte der RAF aufs verhängnisvollste dazu beigetragen, die Öffentlichkeit zu entpolitisieren, sie zu reduzieren auf die Hofberichterstattung der herrschenden versteinerten Verhältnisse? Auch die politische Information gleicht sich immer mehr der Unterhaltung an, deren Qualität ein Gradmesser der Kräfte ist, die notwendig sind, um die Selbstbesinnung der Menschen zu verhindern. Triumph der Barmherzigkeit über das Gericht: Die Rücksichtslosigkeit der Systeme aufbrechen; ihre Rückseite, das, was sich hinter ihrem Rücken verbirgt, und was sie unter dem Zwang ihrer Logik nicht mehr wahrnehmen können, sichtbar machen. Blinde sehen und Taube hören: Die Subsumtionslogik aufbrechen heißt, im blinden Fleck des Begriffs die erkennende Kraft des Namens freisetzen, oder die Sprache als ein (allerdings unter den Bedingungen des Staats verkümmertes und nur durch die Reflexion des Staates hindurch neu zu erweckendes) Organ des Sehens begreifen.
22.10.1996
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