Die Welt ist alles, was der Fall ist: Kopernikus hat den Fall universal gemacht. Die Vertreibung des Lichts ist die Grundlage (und das Ergebnis) der kopernikanischen Wende („…, der ich schaffe die Finsternis und bilde das Licht“ – „Ihr seid das Licht der Welt“).
Der Kelch bildet sich mit dem Blick von oben (mit dem Begriff, der das Objekt unter sich subsumiert). Das Ding, das Objekt ist das Subjekt des Falls. Der Fall ist das Korrelat des Herrendenkens, der Ausgrenzung der Barmherzigkeit (Barmherzigkeit ist eine Sprachqualität: die Sprachqualität der Theologie im Angesicht Gottes).
Der Kelch (das Instrument der Instrumentalisierung) ist das Produkt der Trennung von Gericht und Barmherzigkeit: der Unfähigkeit zur Reflexion des Lichts.
Das politische Denken (das Trinken des Kelches) ist das Werk Babylons, Ägypten (Pharao, das große Haus) symbolisiert den Ursprung der Ökonomie (das Sklavenhaus). – Hat nicht die Kirche, als sie zur Staatsreligion des Römischen Imperiums wurde, das Erbe Ägyptens (Mizrajims) angetreten und das Sklavenhaus verinnerlicht?
Wer glaubt, die Bibel durch sprachliche „Verbesserungen“ (wie die Einfügung von „Schwestern“ in die Apostelbriefe) modernisieren zu können, verkennt ihren objektiven Charakter (die Zuordnung der „Erfüllung der Schrift“ zur Passion und zum Kreuzestod Jesu). Er sucht in der Schrift nicht Erkenntnis, sondern Trost, er sucht eine Moral, die ihn unschuldig macht, indem sie ihn der Verantwortung (und damit der Schuld) enthebt. Die Schrift unterscheidet sich von staatlichen Gesetzen und Erlassen, daß es in ihr nicht um die Verteilung von Pfründen und Privilegien geht, sondern um eine Erkenntnis, die die Reflexionsfähigkeit voraussetzt und begründet: Deshalb sind die „Brüder“ angesprochen (und deshalb heißt es von den Vätern: Laß die Toten ihre Toten begraben), während Maria Magdalena die einzige ist, die die Umkehr vollzogen hat, und nur die Frauen haben dem Anblick des Gekreuzigten standgehalten.
Ist es nicht überhaupt das falsche Verhältnis zur Schrift (die falsche Prophetie, die zwei Hörner hat wie das Lamm und redet wie der Drache), das sich nur konsumtiv zur Schrift verhält, die Schrift unter dem Symbol des Kelchs glaubt begreifen zu können („… ihr werdet den Kelch trinken“)? Wer die Schrift als Trost mißbraucht, macht sie auf falsche Weise gegenwärtig, er macht sie zum Präsens und löscht das Licht der Offenbarung (den Imperativ der Attribute Gottes). Ist nicht die Apokalypse das einzige Heilmittel gegen das Präsens und gegen die Gewalt des Neutrums?
Wo heißt es, daß Golgatha, Ägypten und Sodom der Ort ist, an dem der Herr gekreuzigt wurde?
Die Logik des Wissens ist die Logik des Falls, sie entlastet von der Last der Barmherzigkeit, allerdings um den Preis der Paranoia (das Dogma, die Orthodoxie, subsumiert den „Glauben“ unter die Logik des Wissens).
Die RAF hat seit je nur Präventivschläge geführt, und die waren immer falsch. Sie glaubte, alles im Voraus wissen zu können (zu müssen), nur so war für sie alles klar (ließen sich „klare Fronten“ herstellen). Das Im-Voraus-Wissen, die Verkörperung und der Grund des Wissens überhaupt, steht Bann des Feindbildes.
22.3.1997
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