22.6.1995

Zur Geschichte des Bilderverbots: Die Entwicklung von der Judenkarikatur und von der Denunziation zur Sympathisantenhetze entspricht der vom Rundfunk zum Fernsehen. Das fotografierte Bild ist aus seinem eigenen logischen Grunde das Fahndungsbild; das gilt auch für die mediale Präsentation des Gesichts im Fernsehen. Deshalb ist das Angesicht zu unterscheiden vom „Ausdrucksgeschehen der Gesichter anderer Menschen“ (Zitat Brumlik?, vgl. die Rezension Brumliks in der FR von heute). Es geht nicht um „Wege aus dem Bilderverbot“, sondern darum, daß im Angesicht das Bilderverbot sich erfüllt (auch die Logik der Schrift, die in der genetischen Beziehung der Schrift zum Bild gründet, fällt unters Bilderverbot). Das Angesicht und der „Anthropomorphismus“ der Schrift verweisen auf den Sprachgrund der Schrift. Zur Logik der Schrift (und zu den Konstituentien des Weltbegriffs) gehören der Tempel und das Opfer; die Logik der prophetischen Vision hingegen, die im „Leuchten des Angesichts“ sich vollendet, gründet in einem sprachlichen, nicht in einem visuellen Sachverhalt (Ulrich Sonnemann hat einmal gegen die optische, aufs Anschauen verweisende Tradition der philosophischen Tradition auf die Notwendigkeit, mit den Ohren zu denken, hingewiesen): Sie sprengt den Weltbegriff.
Bemerkung zum Bilderverbot: Das Fahndungs- und das Paßfoto, die mehr miteinander zu tun haben, als uns lieb sein dürfte, leugnen nicht nur das Angesicht, sie machen es unkenntlich.
Die Autonomie des Subjekts ist allein noch durch die Idee der Barmherzigkeit zu retten, durch die Kraft, die „Autorität der Leidenden“, den Imperativ, der vom realen Leiden ausgeht, nicht mehr verdrängen zu müssen.
Der Autismus ist die Krankheit des Objekts, das aus dem Bann des Begriffs keinen Ausweg mehr findet.
Kritik der Unendlichkeit, oder die drei Grenzen des Weltbegriffs: Das Angesicht, der Name und das Feuer.
Hat die Autorität der Leidenden nicht etwas mit den Attributen Gottes, die Levinas zufolge im Imperativ, nicht im Indikativ stehen, zu tun?
Die Beziehung von Kant und Hegel läßt sich an ihrem Verhältnis zur Astronomie demonstrieren: Während Kant die kopernikanische Wendung, die Säkularisation des Planetensystems nicht nur akzeptiert hat, sondern zum Kern seines Konzepts gemacht hat, zugleich aber an der Erhabenheit des Sternenhimmels festgehalten hat, hat Hegel diese Erhabenheit des Sternenhimmels neutralisiert und verdrängt, ist jedoch durch seine Kepler-Rezeption in die Nähe des astrologischen Mythos geraten.
Kann es sein, daß die drei Leugnungen Petri als spiegelbildliche Reflexionen der drei Versuchungen Jesu sich begreifen lassen?


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