Zu 1 Kor. 321ff (vgl. auch 1 Kor. 111f und Apg. 1824ff):
– Worauf verweist die Zusammenstellung von Paulus, Apollos und Kephas (Welt, Leben, Tod; Gegenwart, Zukunft)? – Apollos Verfasser des Hebräer-Briefes?
– Auffällig das Fehlen der Vergangenheit: Die Vergangenheit ist demnach nicht „unser“, sie liegt nicht (mehr) in unserer Gewalt; heißt das, daß wir der Vergangenheit gehören, Geiseln der Vergangenheit sind (Genealogie, Herrschaft der Logik und des Todes, Trinitätslehre), deren Macht erst in der Erlösung gebrochen wird? Macht über die Vergangenheit, das Vergangene beherrschbar machen (durch Instrumentalisierung der Theologie – z.B. durch die Opfertheologie, durch Verfügbarmachen der Geschichte – die eben so sich entzieht), ist das vielleicht die Ursünde im Christentum: Verweigerung der Gottesfurcht -Begriffslogik als Logik der Herrendenkens vergangenheitsfixiert; Instrumentalisierung des Todes, der eben dadurch Macht über die Menschen gewinnt?
– Theologie als Lehre von den göttlichen Namen ist Erinnerungsarbeit.
– Kein Zufall, daß Grabschändungen eine Spezialität von Rechtsradikalen sind: Zusammenhang mit Kohls blasphemischer „Versöhnung über Gräbern“ (zu Karl Lehmanns Bemerkung vor der Vollversammlung der deutschen Bischofskonferenz: das – und nicht die Erinnerungsarbeit – ist „Vergangenheitsbeschwörung“).
– Macht und Überleben: Unsterblichkeit der Seele und Auferstehung von den Toten.
– Heute ist die Verantwortung erstmals voll in das Gesetz der Nachfolge gestellt: Selbstverständigung (Hoffnung aufs selige Leben) ist nur noch möglich im Rahmen einer Erinnerungsarbeit, die die ganze Schuld der Welt, und d.h. heute die ganze Schuld der Weltgeschichte aufnimmt. Wir haben in der Tat die Sünde Adams geerbt: Gottesfurcht ist das Movens dieser Erinnerungsarbeit.
– Die drei Momente der negativen Trinitätslehre (Judenhaß, Ketzerverolgung, Frauenhaß) als Folgen der versäumten Erinnerungsarbeit; Zusammenhang mit der dogmatischen Vergegenständlichung der Theologie (Abwehr der Vergangenheit; Begründung des kirchlichen Schuldzusammenhangs), dem mißverstandenen Lehrauftrag (Feindesliebe als Erinnerungsgebot gilt auch für die Kirche).
– 1 Kor. 1526ff: „Der letzte Feind, der entmachtet wird, ist der Tod. … wird auch er, der Sohn, sich dem unterwerfen, der ihm alles unterworfen hat, damit Gott herrscht über alles und in allem.“
Gratia perficit naturam (S. 45): Dieser Satz gilt nur auf der Grundlage des pluralen Gebrauchs des Naturbegriffs, nicht jedoch für den Begriff einer Naturtotalität (für den modernen, säkularisierten Naturbegriff, Ersatz des theologischen Schöpfungsbegriffs). Und nicht die Kirche, sondern der Staat (das in Militär, Justiz und Verwaltung institutionalisierte Gewaltmonopol des Staates) ist „Garant der Welt“ (ebd.). Die Kirche ist Statthalter der Verheißungen: der Hoffnung im Anblick des Weltuntergangs, den der Staat (nicht nur im Krieg, sondern auch in den der Erhaltung der Welt dienenden Institutionen) durch die vom Gesetz der Welterhaltung nicht zu trennende Logik des Zerfalls bewußtlos und zwangshaft betreibt.
J.B. Metz übersieht, daß Heideggers „andenkende Erinnerung“ (S. 91) das genaue Gegenteil der Anamnese, der Erinnerungsarbeit, ist; und die „Seinsvergessenheit“ kann durchaus die fundamentalontologische Blockade der Erinnerung durchbrechen. Die Erinnerungsarbeit, Voraussetzung der Befreiung vom Bann der Vergangenheit, eröffnet erst die Zukunft, die nicht dem direkten Zugriff sich erschließt. Das Neue ergibt sich erst in der Konsequenz der Nachfolge aus der Kritik des immergleichen Alten.
Auch ist die „brüderliche Liebe zum Nächsten“ kein „Wagnis“ (S. 89), sondern das durchaus antiheroische Produkt eines verdrängungsfreien, dem Selbstmitleid entronnenen Lebens.
23.01.91
Adorno Aktueller Bezug Antijudaismus Antisemitismus Astrologie Auschwitz Banken Bekenntnislogik Benjamin Blut Buber Christentum Drewermann Einstein Empörung Faschismus Feindbildlogik Fernsehen Freud Geld Gemeinheit Gesellschaft Habermas Hegel Heidegger Heinsohn Hitler Hogefeld Horkheimer Inquisition Islam Justiz Kabbala Kant Kapitalismus Kohl Kopernikus Lachen Levinas Marx Mathematik Naturwissenschaft Newton Paranoia Patriarchat Philosophie Planck Rassismus Rosenzweig Selbstmitleid Sexismus Sexualmoral Sprache Theologie Tiere Verwaltung Wasser Wittgenstein Ästhetik Ökonomie
Schreibe einen Kommentar