23.07.88

Unterscheidung der juristischen von der ethischen Person; „Ich“ sagen kann nur diese, während jene – ähnlich dem „transzendentalen Subjekt“, das mit ihm den gemeinsamen Ursprung hat – ausschließlich als Produkt von Vergesellschaftung (Intersubjektivität) sich begreifen läßt. Vor allem jedoch unterscheiden sich beide durch ihr Verhältnis zur Schuld: Die ethische Person ist in Schuld verstrickt, aus der sie sich nur befreien kann, soweit sie diese Verstrickung sich eingesteht, sich der Schuld bewußt wird; die juristische Person wird in dem Maße, in dem sie Schuld vermeidet, der Schuld sich entzieht, zum Ursprung des Schuldzusammenhangs (wie das einzelne Objekt im Raum zum Ursprung eines Inertialsystems: sie wird somit zum Ursprung des Materialismus, auf den sie so wütend reagiert, weil sie in ihm sich erkannt, durchschaut fühlt) und damit absolut schuldig. Das Problem des Christentums und seiner Geschichte scheint daraus herzurühren, daß es diese beiden getrennten Personbegriffe nicht nur nicht unterscheidet, sondern daß sie versucht hat, sie in eins zu setzen (Konsequenzen für die Trinitätslehre?). Aber kann die juristische Person selig werden? Oder gibt es im Bereich des Rechts überhaupt einen Ausblick auf das, was mit der Idee des seligen Lebens einmal gemeint war? – Das Schlimme ist, daß man es den Leuten ansehen kann, daß sie ans selige Leben nicht mehr glauben, daß aber niemand es mehr sieht.


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