23.3.96

Lauter ist nicht der Unbescholtene, sondern der Offene, der nicht heuchelt, nicht manipuliert, nicht hinterhältig ist, keine Falle stellt. Lauter ist die Wahrheit, die ganz durchsichtig ist, nichts hinter zweideutigen Formulierungen versteckt, die nichts zurückhält, die keine anderen Absichten hegt außer denen, die sie auch ausspricht. Lauter ist das Licht, niemals jedoch ein Objekt, das immer eine Rückseite hat, die man nicht sieht. Über die Lauterkeit des Dogmas und der Orthodoxie wird erst zu befinden sein, wenn es gelingt, sie aus dem Bann der Bekenntnislogik, dem sie unterworfen sind, zu befreien.
Lauterkeit ist die Freiheit von Gemeinheit.
Im Begriff des Ganzen wird ein Objekt vorgestellt, das, nach außen abgeschlossen, rein dem Anschauen sich darbietet: Sein Modell ist die Statue, die nicht sieht, nicht hört, nicht spricht, nicht handelt. Die (Götter-)Statue ist die Erinnerung an das (mythische) Opfer, auf das keine Auferstehung folgt. Bild dieser Ganzheit ist der Heros, das in sich verschlossene, stumme Selbst, niemals der Prophet. Der Begriff des Ganzen gewinnt seine Verführungskraft aus der Konstellation von Opfer und Altar, Statue und Tempel, aus der wahrscheinlich einmal die Institution des Königtums hervorgegangen ist. Er gehört zur Geschichte der Verstrickung von Religion und Herrschaft, aus der das Wort der Offenbarung, das aufs Hören statt aufs Anschauen verweist, einmal den Weg der Befreiung gewiesen hat. Die Idee der Auferstehung antizipiert die Erfüllung des Satzes: Barmherzigkeit, nicht Opfer (das Jüngste Gericht ist das Gericht der Barmherzigkeit über das gnadenlose Weltgericht).
Der Begriff der Kommunikationsgesellschaft abstrahiert von einer Realität, die durch die Schuldenkrise, das Armutsproblem und die Härte der Herrschaftsstrukturen sich definiert. Ebenso ist eine Theorie des kommmunikativen Handelns schon im Ansatz falsch, die nicht auch eine Theorie des Gerüchts, des Vorurteils, der Medien und der Unterhaltung mit einschließt: einer Kommunikation ohne Reversibilität, einer Kommunikation, die zum Reversbild der „subjektiven Formen der Anschauung“ geworden ist: Wie diese vom Blick des Andern, so abstrahiert jene von der Antwort der Andern, vom Dialog. War die Anschauung ein Instrument der Vergesellschaftung von Herrschaft und der Bildung des Subjekts, so ist die Entfaltung und Realisierung der Kommunikationsgesellschaft durch die Medien das Instrument der Gewöhnung und Fixierung der Beherrschten an ihren Objektstatus.
Eine Theorie der Gemeinheit ist nicht möglich ohne eine Kritik der Beweislogik, die aber setzt die Theologie voraus, allerdings eine Theologie, die selber aus dem Bann der Logik der Gemeinheit sich befreit: als Theologie im Angesicht Gottes.
Der Tod Mosis: Das Hegelsche Absolute ist der Ort des erloschenen Feuers im nicht mehr brennenden Dornbusch.
Lk 1111f: Sind wir nicht die Väter, die ihren Kindern, wenn sie um Brot bitten, nichts anderes als Steine zu geben vermögen, wenn sie um einen Fisch bitten, nur eine Natter anbieten können, und statt eines Eis nur einen Skorpion geben können?
Wo entspringt die Differenz zwischen dem Namen des Neuen Bundes und dem des Neuen Testaments, oder verschwimmen nur die Begriffe im Griechischen, in dem diatheke beides, den Vertrag und das Testament, bezeichnet: und das aufgrund einer Logik, die im Vertrag, und damit auch im Tauschakt, noch die Dramatik des Erbens begreift, im Tausch den wechselseitigen Tod der Tauschenden? Ist das Christentum durch die Metaphorik seiner Theologie (in der ein herrschaftsgeschichtlicher Zusammenhang sich widerspiegelt) zum Bewohner des Totenreichs geworden, auf das die Idee der Auferstehung sich bezieht?
Die Geschichte von den Blinden und Lahmen (bei der Eroberung von Jerusalem durch David) erfüllt sich im Inertialsystem: in der Beziehung von Anschauung und Trägheit.
Zum Verhältnis von Spekulation und Reflexion: Der Weltbegriff ist ein Spiegelsystem.


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