Gemeinheit ist kein strafrechtlicher Tatbestand: Lassen aus diesem Satz die Rechtsinstitute sich bestimmen, die vor allem in der Gefahr stehen, zu Brutstätten der Gemeinheit zu werden (Kriterium: Problem der Nachweisbarkeit und gesellschaftliche Vorurteilsstrukturen; Institutionen im Schatten der gesellschaftlichen Exkulpations-, Rache- und Verdrängungsbedürfnisse; GBA, die Staatsschutzsenate und Knäste)?
Roman Herzog und das Stichwort „Entkrampfung“: Sie wäre wünschenswert, wenn sie auf die Verstrickung ins Schuldverschubsystem sich beziehen würde, auf die Fähigkeit, der Vergangenheit ohne Rechtfertigungszwänge und dem unerledigten raf-Problem ohne paranoide Ängste (die der Wirksamkeit des gleichen Schuldverschubsystems sich verdanken, das sie zugleich verstärken) sich zu stellen. Hinzu käme, daß wir angesichts der Scheußlichkeiten der aufbrechenden Ausländerfeindschaft und der alten Vorurteile endlich aufhören, auf die Wirkung dieser Vorgänge im Ausland zu verweisen, und das eigene Gewissen entdecken würden; das würde jedoch bedeuten, daß wir nicht nur den Rechtsextremismus verurteilen, sondern (auch in der Politik) unsere Solidarität mit den Opfern: den hier lebenden Ausländern und den anderen bedrohten Gruppen (eigentlich allen Minderheiten: Juden, Obdachlose und Behinderte, aber auch jene, die das gemeinsame Vorurteilsobjekt der staatlichen Gewalt und der Rechten zu werden dohen: die Linke), öffentlich und wirksam manifestieren.
Es gibt eine Last, von der man sich nur befreit, wenn man sie auf sich nimmt, während jeder Versuch, sie abzuwerfen, sie vermehrt. In der Unkenntnis dieser Logik liegt der Grundfehler jeglicher Apologetik.
Zu Hyam Maccoby: Hermann Cohen hat die Attribute Gottes als Attribute des Handelns, nicht des Seins, definiert. Wer die paulinischen Selbstzuordnungen (Hebräer, Israelit, Benjaminit) als Seinskategorien auffaßt, muß sie als „Fälschungen“, als „Selbsttäuschungen“ begreifen; aber könnte es nicht sein, daß sie (nach dem Bild der in den Weinstock eingepfopften wilden Weinreben) als Glaubens-, Ziel- (und Handelns-) Kategorien aufzufassen wären, was dann das paulinische Gesetzes-, Glaubens- und Rechtfertigungsverständnis in ein neues Licht rücken würde? Ist die Frage, ob Paulus ein Benjaminit war, eine Frage der Stammeszugehörigkeit (eine „Rassenfrage“), oder bezieht sie sich auf eine paulinische Wahl: auf eine Tradition, der er aus theologischen Gründen glaubt, sich zuordnen zu können (und zu müssen)? Hat Paulus die Theologie insgesamt zur Verkörperung eines wahrhaft ungeheuerlichen Wunschdenkens (das zu seiner Absicherung dann der Vergöttlichung Jesu bedurfte) gemacht? Sind wir hier nicht im Kern des Problems der Fälschungen in der Geschichte (die nicht zufällig ihre Brennpunkte in der Geschichte der Mystik und der Apokalypsen haben), ihres nicht immer aus betrügerischer Absicht zu erklärenden, immer aber legitimationsbegründenden Gebrauchs (in der Schrift reflektiert im Symbol des Kelchs).
Der Glaube schließt die Treue ein und ist das Bindeglied zwischen Hören und Tun („Bewährung“ der Wahrheit): Er „versetzt Berge“. Das Christentum ist auch der Versuch einer Verkörperung des unerhörten Anspruchs, über den eigenen Schatten springen zu können, die Grenzen der Gattung und des Todes (durch Übernahme der Sünde der Welt) zu durchdringen und zu überschreiten.
Is 2222: Die in Mt 1618 und 1818 zitierte Stelle wurzelt in 2 Kön 18.
Was bedeutet es, wenn Paulus in Athen erstmals von „Gott, der die Welt geschaffen hat“ spricht, und ihn zugleich den „Herrn“ und nicht den Schöpfer „des Himmels und der Erde“ (Apg 1724) nennt?
Hängt Kirche mit kyrios, kyriakä (dem Herrn gehörig) zusammen; wäre dann nicht ekklesia mit Gemeinde zu übersetzen?
Die Pyromanie des Christentums: Wer den Anblick der Qualen der Verdammten in den Feuern der Hölle als Ingredientien der Seligkeit im Himmel begreift, hat der Pyromanie (die dann an den Juden, Ketzern und Hexen sich austobte) die Tür geöffnet, gehört zu denen, die diese Feuer entfacht und in Gang gehalten haben. Aber dies waren nicht die Feuer, von denen Jesus wünschte, sie brennten schon.
Zur Theorie des Feuers: Die Logik der Fälschung ist positivistisch nicht aufzulösen.
Sind nicht Staatsschutzverfahren in der Regel kurze Prozesse, die nur endlos hinausgezogen werden?
24.5.1994
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