25.12.89

Problem des menschlichen (göttlichen) Gesichts: Humboldts Hinweis zu Lavater, daß das Problem der Physiognomik ein Sprachproblem sei, führt auf das Begründungsproblem jeglicher Psychologie: Verzerrung ihres Gegenstands durch den Objektivationsprozeß; Sprengung der Charaktermaske; durch physiognomische Erkenntnis hindurch zum Ursprung der Ansprechbarkeit, Physiognomie als Inbegriff der kritischen Erkenntnis und als Durchdringung der Mauer der Nicht-Ansprechbarkeit. – Rosenzweigs Konstruktion des menschlichen (göttlichen?) Antlitzes im „Stern“ (Differenzierung des „Blicks“, Strenge und Empathie; Gericht und Verteidigung; Weltgericht und Paraklet).

Die Instrumentalisierung der Welt (übrigens ein Pleonasmus: die Welt ist das Produkt ihrer Instrumentalisierung, die sich als Welt in dem Maße ausbildet und auskristallisiert, wie die Menschen in ihr und gegen sie ihre Zwecke verfolgen) hat zur Folge, daß objektive von subjektiven Zwecken sich nicht mehr unterscheiden lassen und jede Begründung (auch der objektiven Zwecke: Gerechtigkeit, Frieden, Freiheit) das Stigma der Subjektivität (Verwandlung von Begründung in Rechtfertigung) an sich trägt und als Ideologie erfahren wird. Unschuld und Güte lassen sich nicht verteidigen. Ebenso kann man einer Kränkung nicht mehr ansehen, ob sie eine Verletzung der Ideen, für die jemand einsteht, oder nur des Subjekts als Ursache hat („Majestätsbeleidigung“ und deren Pendant: das Selbstmitleid). Das Leiden am Zustand der Welt und die gekränkte Eitelkeit sind fast ununterscheidbar geworden. An dieser Zweideutigkeit, die das Dogma dingfest und am Ende fast unauflösbar gemacht hat, ist die Theologie zugrunde gegangen.


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