26.02.91

Bekenntnis und Naturphilosophie: Das Bekenntnis verhält sich zum Subjekt (zur Person) wie der Raum zu den Dingen, insbesondere im Hinblick auf deren Verhältnis zur Zeit (Subsumtion unter die Vergangenheit) und zur Intersubjektivität (Entfremdung). Gibt es ein Natur-Äquivalent des erlösenden Bekenntnisses (Bekenntnis des Namens)?
Verhältnis des Bekenntnisses zum Raum: als reine Form der Äußerlichkeit, als Grenze zwischen Innen und Außen (gesellschaftlich-historisch: zwischen Öffentlichkeit und Privatbereich – gemeinsamer Ursprung von Bekenntnis und Privatsphäre? Erst mit der Öffentlichkeit konstituiert sich der Adressat des Bekenntnisses) ist der Raum notwendig dreidimensional; erst die Dreidimensionalität konstituiert das „Wissen“, die Erkenntnis hinter dem Rücken des Objekts (im Zusammenhang mit der Konstituierung der Vorstellung einer homogenen, linaren, irreversiblen Zeit).
Das Bekenntnis ist die Agentur der induzierten Trägheit: Angleichung ans Trägheitsprinzip. Bekenntnis und objektive Vernunft (der aristotelische intellectus agens: hat seinen Sitz in der Mondsphäre, gleichsam am logischen Ort des Matriarchats; Usurpation durch die Kirche, Zwang zur patriarchalischen Konstruktion der Trinitätslehre, Verhältnis zum Inzesttabu; Maria und das Bekenntnis?).
Das Bekenntnis ist der Kern des Schuldzusammenhangs und der Umkehr (double-bind: kein Ausweg mehr außer durch Theologie).
Die Mode ist eine Metastase des Bekenntnisses (oder: der Sexismus ist eine direkte Konsequenz aus dem Bekenntnissyndrom; die geforderte Unterordnung der Frau unter den Mann ist der genaue Reflex der Selbstunterordnung des Mannes im Bekenntnis). Wenn es einen psychosomatischen Ursprung des Carcinoms gibt, wird er im Bereich des Bekenntnissyndroms zu suchen sein.
Das „Wer nicht für mich ist, ist gegen mich“ ist unter Herrschaftsbedingungen grundsätzlich antisemitisch; im Kontext der Nachfolge (und der Umkehr) jedoch der einzige Weg der Versöhnung, der Befreiung (Genesis und Auflösung des kirchlichen Antijudaismus).
„Im Angesicht des Feindes“: Vor welchem Hintergrund und in welchem Kontext erscheint diese Wendung (Verhältnis zu „Im Angesicht Gottes“ – vgl. Jürgen Ebach)? Bezieht sie sich auf die Tötung des Feindes oder auf die Selbsterkenntnis im Angesicht des Feindes (und hängt nicht das eine mit dem andern zusammen)? Zusammenhang mit der ambivalenten Bekenntnislogik (Versöhnungs- und Kriegslogik). Die Gefahren des Fundamentalismus sind begründet in der historisch-gesellschaftlichen Struktur des Bekenntnisses heute (Bekenntnis und Sündenfall, Subjektivität und Welt, Stellung der Welt im historischen Prozeß: nicht Schauplatz, sondern Subjekt-Objekt der Geschichte).


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