„Du hast dem Menschen ja gegeben, von anderen auf sich zu schließen und auf Zeugnis selbst von Weibern hin vieles aus seiner Vergangenheit zu glauben.“ (Augustinus: Bekenntnisse, übers. Joseph Bernhart, FTb 1955, S. 11f) Frauen sind demnach an sich weder bekenntnis- noch zeugnisfähig, und A. scheint es als demütigend empfunden zu haben, hier auf einen Tatbestand gestoßen zu sein, dessen Kenntnis er dem Zeugnis „von Weibern“ verdankt (gottseidank wird dieses Zeugnis ergänzt durch den Schluß von anderen auf sich selbst). Wie hat sich das auf das Selbstverständnis des Christentums, auf den Ursprung der Theologie, bei ihm (und bei den anderen „Vätern“, auch bei Konstantin) ausgewirkt, daß nicht selten die Bekehrung durch Mütter vermittelt war? Ist dieses „Demütigende“ nicht eine der Quellen des Objektivierungstriebs? Ist nicht doch mehr an der These, daß das frühe Christentums (seit Maria Magdalena und Petrus) von Frauen angenommen und vermittelt, aber von Männern dann verwaltet wurde? Und ist nicht die Theologie insgesamt der zwanghafte Versuch, das, was sie auf das Zeugnis von Weibern hin glauben, durch den Schluß von anderen auf sich selbst zu verifizieren? Grund des Bekenntnisbegriffes und seiner Folgen bis hin zum Hegelschen Satz „Das Eine ist das Andere des Anderen“? Zusammenhang mit den Bekenntnissen des Jean-Jaques Rousseau: mit dem Inzest-Bekenntnis, dem neuen Naturbegriff (und seiner christologischen Logik), Nutzung des Naturbegriffs als Exkulpationsmaschine (Entlastung des personalen Schuldbegriffs von der „Sünde der Welt „, von der Erbsünde), erster Versuch über die These eines natürlichen Ursprungs der Sprache, Trennung der Sprache von der Reflexion der Schuld (Übernahme der Sünde der Welt).
Der oben zitierte Satz aus den Bekenntnisses des Augustinus erklärt sowohl das Zölibat (seine kirchenpolitische Instrumentalisierung) als auch das Problem Drewermann. Das bedeutet aber auch, daß es möglich sein muß, die Mutterbindung der Kleriker nicht nur psychologisch, sondern aus dem gegenwärtigen Stand der Theologie herzuleiten.
26.05.92
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