Der naturwissenschaftliche Erkenntnisprozeß (auf den D.’s Begriff der „Verstandeseinseitigkeit“ primär zu beziehen wäre) ist erkauft mit einer Abstraktionsleistung, die als gesellschaftlicher Prozeß zu dechiffrieren wäre. Die Abstraktion ist ein paralleler Verdrängungsvorgang in Subjekt und Objekt; oder der Abstraktionsleistung am Objekt entspricht eine Verdrängungsleistung im Subjekt. Beide stehen in direkter Abhängigkeit von den Erfordernissen der Selbsterhaltung (des Realitätsprinzips), von der Geschichte der gesellschaftlichen Auseinandersetzung mit der Natur. Das heißt aber, daß der direkte Rekurs auf die verdrängten Emotionen und Gefühle, auf das Irrationale, nicht weiterhilft, da dieser Bereich selber unter dem Bann des Abstraktionsprozesses steht: er ist entstellt und trägt die Narben seiner Geschichte an sich, der Geschichte der Herrschaft. Benjamins Forderung, die Geschichte aus der Sicht der Unterlegenen (und nicht der Sieger) zu schreiben, gilt auch für die Geschichte und die Resultate der Naturwissenschaften. Auch hier (vielleicht sogar zuletzt und vor allem hier?) bereitet parakletisches, verteidigendes Denken die rettende Erkenntnis vor.
Es kommt heute zunächst einmal darauf an, eine Schneise in das Dickicht zu schlagen; die Kultivierung wäre der nächste Schritt.
„Die Kirche ist nicht demokratisch“ – die römische Kongregation für die Glaubenslehre heute, in einer „Instruktion über die kirchliche Berufung des Theologen“ (wobei die Grenzen hinsichtlich der Sexualmoral offensichtlich wieder einmal die wichtigsten sind). So übt sich die Kirche in selffulfilling prophecie.
Die Institution des Klerikers ist bereits Produkt der Verweltlichung der Kirche. Und ihre Kritik ist nur dann sinnvoll, wenn sie die Kritik der Welt mit einschließt. Alles andere greift zu kurz. Kleriker, Hierarchie, Priestertum sind Kristallisationskerne der Instrumentalisierung der Kirche und insofern ihrer Verweltlichung (der Zusammenhang insbesondere von Hierarchie und Instrumentalisierung läßt sich auch an ihrer Beziehung zur alten Planeten- und Engellehre nachweisen: jede Stufe der Hierarchie ist sozusagen ein eigenes Inertialsystem und somit Kristallisationskern der Instrumentalisierung). Die gleiche Kritik, die D. am Kleriker übt, ließe sich mit gleichem Recht auch an anderen Institutionen üben (Politiker, Professoren, Militärs, die unter vergleichbaren objektiven Zwängen ähnlich sich verhalten).
D. hat insoweit recht: Unter den Bedingungen der Geldwirtschaft ist die (Existenz-)Angst unvermeidlich. Eigentum, das im Ernst die Existenz sichert, gibt es eigentlich nicht mehr; und wenn es das noch gibt, so ist sein Bestand nicht mehr von Naturabläufen (wie eine gute Ernte von der geregelten Folge der Jahreszeiten, von Klima und Witterung) abhängig, sondern von den politisch-ökonomischen Bedingungen (Konjunktur, technische Entwicklung, Verschiebungen im gesamtgesellschaftlichen Produktionsprozeß, den niemand mehr durchschaut). Hier liegt der Realgrund der Angst, der insoweit mit der der j Urgeschichte überhaupt nicht mehr vergleichbar ist. Und es ist die Frage, ob gegen diese Angst die (individuelle) Einheit mit Gott, Geborgenheit in Gott o.ä. noch etwas ausrichtet. Hier werden für falsche Probleme falsche Lösungen angeboten. Wenn es noch eine begründbare Theologie gibt, so wird sie die Gesellschaft und den gesellschaftlichen Vermittlungsprozeß in ihre Reflexionen mit aufnehmen müssen. Es gibt die Unmittelbarkeit zur Natur nicht mehr, die einmal Grundlage der theologischen Erkenntnis war.
Schreibe einen Kommentar