26.3.1997

Ist das Ende des Sündenfalls ein Echo des Anfangs der Schöpfung? Beziehen sich der Acker, der Dornen und Disteln trägt, der Staub, aus dem Adam geworden ist und zu dem er wieder werden wird, und die Wehen der Geburt auf das Tohuwabohu, die Finsternis über dem Abgrund und den über den Wassern brütenden Geistes?
Hängt die Scham mit der Grenze der Individualität, mit der inneren Beziehung von Individuum und Gattung zusammen, mit der Beziehung von Objekt und Begriff? Ist der Boden, in dem der Sich Schämende versinken möchte, die Allgemeinheit des Begriffs, ist die Kollektivscham die Wurzel des Nationalismus?
Hiermit hängt es zusammen, daß die schlimmsten Gemeinheiten die sind, die man selbst nicht mehr wahrnimmt.
Sich den Kopf anderer Leute zerbrechen: Heißt das nicht, den andern die Erfahrung verbieten?
Ist nicht der Antikommunismus immer noch ein Alibi für den Antisemitismus, verschärft seit dem Zusammenbruch des Ostblocks? Nur ist das keine Rechtfertigung des real existierenden Sozialismus.
Strukturwandel der Öffentlichkeit: Die Doppelbödigkeit der faschistischen Öffentlichkeit, das Zusammenwirken des öffentlichen Gerüchts (in dem Wahrheit und Paranoia untrennbar sich mischten) mit seinem macht- und terrorgestützten Dementi (die offizielle Leugnung der Wahrheit, das Verbot, über das offenkundige Grauen zu reden), war ein Produkt des politisch instrumentalisierten double bind. Liegt nicht der eigentliche Strukturwandel der Öffentlichkeit in dem perfektionierten Gebrauch dieses Instruments, insbesondere in den Fortschritten seiner rechtlichen Absicherungen (der gesamte Apparat der Geheimhaltung, des Staats- und Verfassungsschutzes)? Auf das, was die beiden Öffentlichkeitsebenen trennt, verweist der Begriff der Kollektivscham, die Grundlage des neuen Nationalismus, der tiefer gründet, als in einer bloßen Gesinnung: nämlich im logischen Kern der politischen Ökonomie.
Was die Nazis Volksgemeinschaft nannten, heißt heute Standort Deutschland. Damit hängt es zusammen, wenn heute alle sich die Köpfe aller anderen zerbrechen (wenn die Religion unwiderruflich zur Religion für andere geworden ist, deren blasphemische Struktur den Nachkriegs-Atheismus fundiert). Entsetzliche Mischung von Empfindlichkeit und Unsensibilität im Bann der Abwehrmechanismen und Rechtfertigungszwänge. Vgl. hierzu (vor dem Hintergrund der Geschichte ihrer Vergesellschaftung) die Geschichte der Verhärtung des Herzens Pharaos.
Haben Kreuz und Kelch etwas mit der Beziehung der Orthogonalität zur Form der äußeren Anschauung zu tun (gehört das Kreuz zur babylonisch-römischen Tradition)?
Zum Ursprung des Begriffs des Wissens (zu seinen logischen Konstituentien) gehört der Name der Barbaren. Gibt es dazu ein Äquivalent im Sanskrit, in der indischen Urgeschichte (vgl. hierzu die logische Stellung Indiens im Stern der Erlösung)? Oder dringt der Feindbegriff erst in der griechischen Vollendung der mythischen Logik (mit der Schicksalsidee, die dem Ursprung der Philosophie vorausgeht) in den Begriff des Wissens ein? Sind die chinesische und die indische Welt getrennte Formen der Wendung des Feindlichen nach innen und außen?
Der Kapitalismus hat die teleologische Logik der Selbsterhaltung durch Instrumentalisierung in eine Kausallogik transformiert.


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