Wie die subjektiven Formen der Anschauung, die persönliche Meinung, insbesondere aber wie die Gemeinheit konstituiert sich das Vorurteil im Kontext einer Logik, die die Kriterien der Beweisbarkeit durch die der Unwiderlegbarkeit ersetzt. Wer dieser Logik mächtig ist, gilt als schlau (oder auch als intelligent).
Die subjektiven Formen der Anschauung haben sich hinter dem Rücken des Anschauens, als Referenzsystem der intentio recta, gebildet: Sie sind die Bewußtseinsspuren des Abstraktionsverfahrens, in dem der Begriff der Natur und der Objektbegriff sich bildeten. Das Abstraktionsverfahren selber ist ein gesellschaftliches: Sein Ursprung und sein Motor ist die Herrschaftsgeschichte, deren Beziehung zur Vergangenheit in ihm sich spiegelt. Die Distanz zum Objekt aber gründet in der Beziehung des Herrn zum Beherrschten; der Objektbegriff entspringt mit dem Für-anderes-Sein, in dem die Beziehung des Herrn zum Beherrschten als universale Reflexionsbeziehung sich entfaltet. Die Allgemeinheit dieser Reflexionsbeziehung wird im Weltbegriff zusammengefaßt.
Die Differenz und die Beziehungen zwischen Mechanik, Gravitation und Elektrodynamik reflektieren das Verhältnis und die Beziehungen der drei Dimensionen des Raumes.
Zum Bereich der Elektrodynamik gehört der Generator und die Fortpflanzung.
Unser Verhältnis zur Krankheit ist wie das zur Armut von Elementen des Neids und der Schuldverschiebung durchsetzt. Keiner erträgt mehr, daß hier jemand Mitleid von uns fordert. Wir sind vom Selbstmitleid so besessen, daß wir kein anderes Mitleidsverlangen daneben mehr ertragen.
Die Frage: Wo waren die Schutzengel der Kinder in Auschwitz, läßt sich mit dem Hinweis auf die Racheengel beantworten, von denen die Welt heute besessen ist. Wie anders wäre der unendliche Rachetrieb zu erklären, dem die Menschen heute sich ausliefern?
Ist der Widersacher im Hofstaat Gottes der Engel der Geopferten?
Als umgekehrtes Schuldbekenntnis ist das Glaubensbekenntnis die säkularisierte Sündenvergebung; nur so ist die Lehre von der Rechtfertigung durch den Glauben zu begründen. Aber sind damit der Glaube und sein (durchaus apriorischer, aus seinen eigenen Prämissen ableitbarer) Inhalt nicht erst wirklich böse geworden? Die Logik dieser Lehre ist nur aufzubrechen durch die Aufnahme von Joh 129 ins Nachfolgegebot, zu der es keine Alternative mehr gibt.
War nicht die katholische Eucharistielehre eine Gestalt der projektiven Verarbeitung dieses Nachfolgegebots? Die erste Gestalt dieser Verarbeitung war das Dogma, die Bekenntnislogik.
Nicht den Zölibat „abschaffen“, sondern das Problem, das ihm zugrundeliegt reflektieren, es auflösen ins Weltproblem.
Die Bemerkung, daß man sich zur Prophetie nur auf zwei Weisen verhalten kann: Entweder man ist selber Prophet, oder man ist ihr Objekt, gilt auch für die Historisierung der Prophetie, ihre Vergegenständlichung: Durch sie wird die Theologie, ohne es selbst wahrzunehmen, selber zum Objekt des prophetischen Urteils. Zur Aufforderung, selber Prophet zu werden, gibt es keine Alternative.
Die benennende Kraft der Sprache ist von der Erkenntnis des Namens zu unterscheiden. Erst in der Erkenntnis des Namens löst der Name sich aus dem Schuldzusammenhang, in den das Benennen sich verstrickt. Das Benennen der Tiere durch Adam war durchaus ambivalent: „Aber für den Menschen fand er keine Hilfe, gegen ihn“ (Gen 220).
Hat das Benennen der Tiere etwas mit dem Tierkreis zu tun, und das kreisende Flammenschwert des Kerubs mit dem Planetensystem? Liegt zwischen Tierkreis und Planetensystem die Vertreibung aus dem Paradies?
Ist das Planetensystem das Prisma, das das Bild des Tierkreises erzeugt?
Der astrologische Zusammenhang der Zeichen des Tierkreises mit den Namen der Planeten war das erste weltkonstituierende Kategoriensystem, das im ersten weltkonstituierenden Großreich, in Babylon, sich gebildet hat.
Hat das Schwert des Alexander, mit dem er den gordischen Knoten durchschlagen hat, etwas mit dem kreisenden Flammenschwert des Kerubs zu tun?
Babylon hat das Exil der Schechina begründet, und die Geschichte dieses Exils ist noch nicht zu Ende. Babylon lebt fort in Rom, in jeder Form des Caesarismus, im Dogma, in der Kirche.
Welchen Stellenwert haben die exterritorialen Geschichten der Bibel: Das Buch Hiob ist nicht zu lokalisieren (es spielt irgendwo im Eroberungsbereich der Chaldäer), zu Jona gehört Ninive, zu Daniel Babylon (und Susa), zu Ester Susa?
Abraham, der aus Ur in Chaldäa kommt, ist auf eine Weise mit Babylon verbunden, die sich invers auf das Verhältnis Josephs zu Ägypten bezieht. Hängt das Rätselwort Jesu: „Bevor Abraham ward, bin ich“, hiermit zusammen?
Waigel: Wie hängt das Kruzifix mit der Währungsstabilität (mit der positiven Außenhandelsbilanz: dem Export der Armut in die Dritte Welt) zusammen?
Apokalyptische Mittelstandspolitik: Der Staat füttert die Kuh, die er melken will, er schlachtet sie nicht. (Gibt es einen Zusammenhang mit dem hebräischen Opfer, liegt hier der Schlüssel fürs Verständnis der Opfertiere: Rind, Widder, Lamm, Taube?)
Der Indikativ ist das Instrument der Verinnerlichung des Opfers und der Vergesellschaftung von Herrschaft. Das Opfer war seit je herrschafts- und somit weltbegründend.
26.9.1995
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