Was heißt eigentlich: su ei Petros, kai epi tautä tä petra oikodomäso mou tän ekklesian, kai pylai hadou ou katischysousin autäs. kai doso soi kleis täs basileias ton ouranon, kai ho ean däsäs epi täs gäs estai dedemenon en tois ouranois, kai ho ean lyseis epi täs gäs estai lelymenon en tois ouranois. (Mt 1618f, vgl. 1818: hosa ean däsäte epi täs gäs estai dedemena en ourano kai hosa ean lysäte epi täs gäs estai lelymena en ourano.)
– „auf diesem Felsen“: Petrus, der Fels, ist der Grund der Kirche wie die Erde der Grund des Bindens und Lösens, das auch in den Himmeln gilt, ist;
– an Petrus: die Schlüssel des Himmelreichs, beziehen sich auf das Schließen und Öffnen: Objekt im Singular, „in den Himmeln“ im Plural;
– an die Jünger: Binden und Lösen: Objekt im Plural, „im Himmel“ im Singular.
Adornos Bemerkungen „Zum Ende“ in den Minima Moralia: wären sie nicht anzuwenden auf die Kirche, und wäre damit nicht das Lösen vorbezeichnet? Ist nicht die „vollendete Negativität“ die Kirche als steinernes Herz der Welt (die Greuel am heiligen Ort)? In den gleichen Kontext gehört auch das Wort von der vollständigen Säkularisation der theologischen Gehalte, insbesondere die Reflexion auf die Zweideutigkeit des Konzepts der „vollständigen Säkularisation“.
Was ist der Unterschied zwischen Erfahren und Ergehen: Das habe ich erfahren, aber: so ist es mir ergangen.
Die Stummheit des Helden durchdringt seit der Verinnerlichung des Schicksals fortschreitend die Sprache insgesamt. Der Nominalismus ist das wachsende Bewußtsein davon. Diese Stummheit hat sich aber im allgemeinen Gebrauch als Geschwätz unkenntlich gemacht. Die Sprachlosigkeit wird nicht mehr erfahren. Wir selbst haben die Schöpfung als Natur zum Schweigen gebracht.
Bezeichnen das deutsche Sein und das englische to be nicht doch beide ein Possessivverhältnis: das Sein als selbstbezogenes, das to be als fremdbezogenes Possessivverhältnis. Hängt es damit zusammen, daß die englische Sprache und der englische Geist gleichsam hebräischer und alttestamentlicher sind als der deutsche? Hängt es damit zusammen, daß die englische Sprache die Intimkonkurrenz, die in Deutschland diese fürchterlichen Folgen hatte, nicht kennt? Und ist nicht die Schelersche Englandkritik (wie überhaupt die Englandfeindschaft der Deutschen) ein projektiv verschobener Antisemitismus?
Wann hat sich das Neutrum gebildet? Das sprachliche Geschlecht, das den Akkusativ zum Nominativ, das Objekt zum Subjekt macht: Ausdruck der Erfahrung, daß auch die Sache tätig ist. Gibt es einen Zusammenhang zwischen der Bildung des Neutrum und dem Ursprung des Futur II? Gibt es im Hebräischen ein Neutrum, und hängt das Neutrum mit dem Auf-dem-Bauche-Kriechen und dem Staubfressen der Schlange zusammen (ist das Neutrum durch die Institution des Königtums vermittelt – vgl. die Jotam-Fabel)? Das Hegelsche Absolute ist der gefallene Gott.
Josef war ein Zimmermann, Simon/Petrus ein Fischer, Saulus/Paulus ein Zeltmacher.
Das Verhältnis von Bekenntnis und Tat ist genau umgekehrt, als die Bekenntnislogik uns einreden will. Nicht nur das Schuldbekenntnis, auch das „Glaubens“-Bekenntnis folgt (als Rechtfertigung) dem Handeln. Das Bekenntnis steht in der magischen Tradition, wenn es glaubt, sich der Verurteilung durch andere dadurch entziehen zu können meint, daß es gleichsam prophylaktisch in sie mit einstimmt (automatisierte Heuchelei). Das neutestamentliche homologein meint die Nachfolge, nicht das „Lippenbekenntnis“. Zur Bekenntnislogik gehört als Grundlage und als Konsequenz: Man darf alles, sich nur nicht erwischen lassen.
Über den peer-group-Effekt, die Mutprobe und die Komplizenschaft führt das Bekenntnissyndrom direkt in den Faschismus. Aber diese Mechanismen gibt es auf beiden Seiten: Auf der staatlichen Seite (in der Verwaltung, in der Polizei, im Strafvollzug, der jede hierarchische Struktur auf ihren gemeinsamen Nenner bringt) ist der Grundsatz: Sich nur nicht erwischen lassen, durch den anderen „Gemeinheit ist kein strafrechtlicher Tatbestand“ handbar gemacht, instrumentalisiert worden.
Jericho, Sodom, Gibea:
– in Jericho: die Boten Josues werden von der Hure Rahab aufgenommen und vor dem Angriff der Einwohner Jerichos gerettet; beim Untergang Jerichos wird nur Rahab gerettet.
– in Sodom: die Boten JHWHs werden von Lot aufgenommen und vor dem Mob in Schutz genommen; Lot bietet dem Mob seine Töchter an, die Boten JHWHs schlägt die Angreifer mit Verblendung (und retten Lot und seine Töchter).
– in Gibea: ein Levit, der als Fremder im entlegensten Teil des Gebirges Ephraim lebt, kommt mit seiner Nebenfrau (aus Bethlehem in Juda, dem Geburtsort Davids) nach Gibea (dem Geburtsort Sauls), findet keine Herberge, sitzt auf dem Marktplatz bis ein alter Mann, der als Fremder in Gibea lebt, kommt und ihn in sein Haus aufnimmt. Als der Mob kommt und die Herausgabe des Fremden fordert, bietet der Gastgeber seine jungfräuliche Tochter und die Nebenfrau des Leviten an; der Levit greift seine Nebenfrau und bringt sie dem Mob, der bis zum Anbruch der Morgenröte seinen Mutwillen mit ihr treibt. Am Morgen findet der Levit die Frau tot vor der Schwelle. Er nimmt die tote Frau auf seinem Esel mit in seine Heimat, zerschneidet sie dort in 12 Teile und schickt je einen Teil an die Stämme in Israel (es folgt der Rachefeldzug Israels gegen Benjamin, die Zerstörung Gibeas, der Schwur von Mispa, die Neubegründung Benjamins: Raub der Frauen von Jabesch-Gilead).
27.11.92
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