Hängt die Unterscheidung von Rechts und Links nicht auch mit der von Plus und Minus (Erfindung der Null als Voraussetzung des Inertialsystems) und mit dem Schuldenproblem in der Geldwirtschaft zusammen (Schuldknechtschaft, doppelte Buchführung)? Erst mit der Vorstellung des unendlichen (homogenen und isotropen) Raumes setzt sich die Herrschaft des Tauschprinzips endgültig durch, wird der letzte Widerstand beseitigt. Im Inertialsystem werden die Dinge von allen Seiten von hinten betrachtet, und mit dem Gravitationsgesetz ist in jeder Richtung unten, gibt es kein Oben mehr, das die Gegenbewegung zum Fall anzeigen würde. Seitdem sind die Gottesfurcht und die Gnade (die Barmherzigkeit) grundlos geworden, und ist die Welt alles, was der Fall ist.
Die Reversibilität der Richtungen im Raum ist die Grundlage der mathematischen Gleichung. Und die Gleichheit ist eigentlich die von Vergangenheit und Zukunft, die vermittelt ist durch die Vorstellung des unendlichen, homogenen und isotropen Raumes. Hierbei bedeutet die „Unendlichkeit“ des Raumes letztlich, daß die Endlichkeit der Dinge kein Ende hat, und daß alles, was ist, endlich ist.
Muß nicht die Interpretation der Mikrophysik im Sinne der Kopenhagener Schule (oder zumindest ihrer deutschen Varianten) metaphysiziert, theologisiert werden, um den Widerspruch zu verdecken, der eigentlich einer des (physikalischen und gesellschaftlichen) Systems ist.
Sind nicht die aristotelischen Topoi (seine Lehre vom natürlichen Ort der Dinge) notwendige Elemente seiner Metaphysik, d.h. einer Metaphysik, die den Begriffsrealismus zur Grundlage hat. Auch der Unbewegte Beweger ist ein topologischer Begriff, die Vergeistigung des Falles, Produkt jenes Kurzschlusses, der das Denken des Denkens vergöttlicht, indem er es zum Gegenstand der Theoria, des Schauens, macht (Ursprung der christologischen Logik).
Was wir aufgrund einer schlechten Übersetzung die Schriftgelehrten nennen, sind in Wahrheit die Schreiber gewesen, die allerdings zugleich auch Schriftgelehrte waren. Die Trennung beider Funktionen, der Kopisten von den Scholaren, ist mittelalterlichen Ursprungs und setzt die Kanonisierung der Schrift (und der anderen Autoritäten) voraus. War nicht Esra ein „Schriftgelehrter“?
Die Elemente der Selbstinstrumentalisierung im Tierreich: Der Mensch hat diese Mittel der Selbstinstrumentalisierung (die Hörner, Klauen, Zähne, aber auch die Fisch- oder Vogelgestalt) in seinem Verstand verinnerlicht und in der Hand universalisiert. Sind nicht die Fische und Vögel auf eine sehr viel mathematischere Weise lateral-symmetrisch als beispielsweise die Säugetiere und erst recht die Menschen?
Bei den Pflanzen ist vorne, rechts und oben identisch: sie kennen eigentlich nur oben und unten (Blüte und Wurzel; sie wurzeln im Grunde und „streben zum Licht“). Bei den Tieren wird die Unterscheidung von vorne und hinten bzw. rechts und links erkauft durch die Unfreiheit noch oben, während für den Menschen oben, rechts und vorne getrennte Dimensionen sind.
Die Subjektivierung der sekundären Sinnesqualitäten ist nur ein Aspekt der Sache: Die Subjektivierung der räumlichen Dimensionen ist der verdrängte Grund des gesamten Subjektivierungsprozesses. „Da gingen ihnen die Augen auf, und sie erkannten, daß sie nackt waren“: Diese Scham ist der erste Ursprungsreflex des unendlichen Raumes; er hat zur Voraussetzung die Erkenntnis des Guten und Bösen, die Vorform der instrumentalisierenden, vergegenständlichenden Erkenntnis.
Für die Fische ist das Wasser das Medium der vollendeten Öffentlichkeit: die Fische kennen keine Scham und keine Privatsphäre; die Vögel dagegen haben ihre Nester und ihr Federkleid. (In welcher Beziehung stand die Vogelschau zur Unterscheidung von Rechts und Links?)
Die Fische und die Vögel bewegen sich in einem dreidimensionalen Medium: im Wasser und in der Luft.
Weshalb werden bei der Sintflut die Tiere gerettet und dann zu Nahrung freigegeben?
Im Angesicht, das ist etwas anderes als von Angesicht zu Angesicht. Der Satz „Laß dein Angesicht leuchten über uns“ drückt eher aus, was mit dem „Im Angesicht“ gemeint ist.
Wer eine Sache hinter ihrem Rücken untersucht (wer „über“ eine Sache forscht), muß mit der Verdachts- und Beweislogik arbeiten und dann auch „hinter“ der Sache nach dem Grund suchen. Alle Hypostasierungskonzepte (imgrunde die ganze Philosophie, die Suche nach den archä) verdanken sich dieser Logik und treiben sie in die Dialektik hinein. Diese Hypostasierungslogik ist ein Motor der naturwissenschaftlichen Aufklärung, sie wirkt nach bis hinein in die Kopenhagener Schule: Die Hypostasierung der „Rätsel“ der Mikrophysik dient nur der Stabilisierung dieser Logik, die ihre letzte Stütze in der Vorstellung des unendlichen Raumes hat. Und diese Logik ist die Herrschaftslogik.
Wer „eine Frage in den Raum stellt“, sucht keine Antwort, sondern eine „Lösung“: Grundlage des Verwaltungsdenkens (Zusammenhang mit dem Personbegriff).
Was hat der Caesar, der wie der König (der Gesalbte) in der Heros- und Opfertradition steht, mit der Durchsetzung des Raumes und des Weltbegriffs zu tun, mit der Gewalt, die beide repräsentieren? Wo liegt der Unterschied zwischen der königlichen und der kaiserlichen Gewalt (Zusammenhang mit dem Fernhandel, der Stabilisierung des internationalen Marktes, mit dem Pantheon und der neuen Gestalt und Funktion der Religionen)?
28.01.92
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