Confessor und virgo sind als Verkörperungen der reflektierten und der natürlichen Unschuld Spiegelungen der Begriffe Welt und Natur im Medium des Heiligen: Sie rücken das Bekenntnis und die weibliche Unschuld in den Bereich des Unberührbaren. Hängt die Zweideutigkeit des Zeugungsbegriffs in der Trinitätslehre nicht hiermit zusammen: die Idee einer von der Berührung (und Befleckung) mit dem Weiblichen gereinigten Zeugung, die die natürliche männliche Zeugung in den Kern des „Schuldzusammenhangs des Lebendigen“ rückt, sie zum Quellpunkt der Schicksalsidee und ihrer subjektiven Reflexionform, des Begriffs (christlich gesprochen: der Erbsünde), macht?
In jedem Feindbild steckt ein symbiotisches Element. Das gilt für den faschistischen Antisemitismus wie auch für den Bosnienkonflikt. Jede Empörung rechtfertigt mit den Untaten der anderen, über die sie sich empört, die eigenen.
Hat die Trinitätslehre in der Vater-Sohn-Beziehung dieses symbiotische Element theologisiert, und ist die homousia, zusammen mit der Opfertheologie, dem Kern der Bekenntnislogik, der Ausdruck dieser Symbiose?
Der Begriff des horror vacui war auch einmal eine Warnung davor, Erkenntnis auf der Vorstellung des leeren Raumes zu gründen (auf der Grundlage und im Kontext der subjektiven Formen der Anschauung). Für den Schreibenden erzeugt schon das leere Blatt (die tabula rasa) den horror vacui: in diesem horror gründet die Geometrie. Der Historismus, zu dessen Konstituentien die subjektive Form der inneren Anschauung, das vergegenständlichte Zeitkontinuum gehört (der Seitenblick auf die Zeit, der die Ewigkeit unsichtbar macht, indem er es durch das Überzeitliche ersetzt), ist ein Produkt der Nekrophilie des Herrendenkens: der Betondeckel über dem Abgrund der Vergangenheit. Das Herrendenken weiß, daß für es die Hoffnung auf Auferstehung nicht gilt. Deshalb soll sie auch für seine Opfer nicht gelten. Die Ewigkeit, an die das Herrendenken glaubt, die es (u.a. in der philosophischen Unsterblichkeitslehre) sich erhofft, ist die Ewigkeit des Schweigens der Opfer: die Ewigkeit des Todes derer, in denen es seine Richter erkennt („Mächtige stürzt er vom Thron und erhebt die Niedrigen“).
28.11.95
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