Beitrag zur Logik der Gemeinheit: Der Satz, Jesus habe den Kreuzestod gewollt, ist gemein und blasphemisch. Er ist ihm nicht ausgewichen und er hat ihn nicht verhindert, weil das nur um den Preis des Verrats möglich gewesen wäre. Wer sagt, er habe den Tod gewollt, weil er die Welt entsühnen wollte, dreht ihm das Wort im Munde herum. Ist nicht die dogmatische Theologie insgesamt gemein und blasphemisch, ist sie nicht, wenn sie davon ausgeht, daß die Wahrheit in der Form des Urteils sich müsse dingfest machen lassen, gezwungen, der Schrift das Wort im Munde herumzudrehen?
Es gibt zwei Formen des Erwachsenwerdens: Die eine benutzt das Erwachsensein als Exkulpationsritual, als Generalamnestie der Gemeinheit, die andere erfährt im Erwachsenwerden ihre Mitschuld an der Sünde der Welt.
Das Patriarchat ist die einheitliche Begründung des Herrendenkens und der Logik der Gemeinheit.
Zu den Voraussetzungen eines selbstverantwortlichen, menschenwürdigen Lebens gehören heute neben Nahrung, Wohnung, Kleidung auch die Versorgung mit Wasser, Energie, Information, die insgesamt nur noch über den Markt (gegen Geld) zu haben sind (in dem Beamten-Silo, in dem wir wohnen, gibt es keine Wohnung ohne Fernseher, aber etwa die Hälfte aller Bewohner hat keine Zeitung abonniert: das Fernsehen ersetzt – und intensiviert – den Nachbarschaftstratsch, macht die Welt zum Dorf, während die Zeitung einmal dem Dorf die Welt erschloß). Noch vor hundert Jahren wurden für Bergleute Siedlungen gebaut, die zu den Wohnungen auch noch Stall (für Ziege, Schaf oder Schwein) und Garten enthielten, d.h. eine vom Lohn und vom Markt unabhängige Grundversorgung durch eigene Leistung ermöglichten.
28.3.96
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