29.01.91

Der „heilige Krieg“ war an Regeln und Bedingungen geknüpft, die einen Rest an Humanität sicherstellten. Das Schlimme im Golfkrieg ist – wenn denn die Informationen stimmen und nicht selber Mittel der Kriegsführung sind – daß Saddam Hussein offensichtlich jedes Mittel recht ist (er jedenfalls mit jedem Mittel droht); er hat von den Christen gelernt.
Reicht es, wenn man gegen den Krieg ist und darauf verweist, daß nicht alle Möglichkeiten eines Embargos und der Blockade und dann der Verhandlungen genutzt worden sind: Gibt es nicht heute angesichts der technischen Sensibilität der Wirtschafts- und Staatsorgane andere Eingriffsmöglichkeiten – ohne Rückgriff auf die Mittel des Krieges -, die das Gleiche, wenn nicht Empfindlicheres bewirken – allerdings auch für die Bevölkerungen, die in jedem Falle Geiseln der Regierenden sind? Wurde die Wirksamkeit dieser Mittel nicht gerade erst bewiesen (im „Erfolg“ des Wirtschaftskriegs gegen den Ostblock)?
Wenn nicht schlimmer, so doch vielleicht in anderer Hinsicht folgenreicher als der heiße Krieg scheinen die Mittel zu sein, mit denen er geführt wird (oder auch geführt werden könnte, stünde dem nicht die unvermeidliche Dummheit der Militärs im Wege):
– „geführt wird“: hier ist auf die perfekte Instrumentalisierung der Information hinzuweisen, die erst aufgrund der modernen Medien (insbesondere des Fernsehens) möglich ist, und die nicht nur den Feind, sondern auch die eigene Bevölkerung (in dem sie ohnehin einen potentiellen Parteigänger des Feindes erkennt) in die Irre führt;
– „geführt werden könnte“: hier wäre auf die technischen Möglichkeiten des Embargos und der Blockade angesichts der hochsensiblen wirtschaftlichen und politischen Machtapparate hinzuweisen (insbesondere die Zufuhr von Rohstoffen und technischem Know how sowie die technische Unterbindung der Informationswege).
Für/gegen Schmied-Kowarzik:
– Verharmlosung der Naturbeherrschung vermeiden („… so kann dies für Marx niemals … bedeuten“ – S. 114);
– Auflösung des Herrendenkens durch Erinnerungsarbeit: Herrendenken und seine materiellen Metastasen (erste und zweite Natur) sind Produzenten, Erben und Tradenten der Last der unaufgelösten Vergangenheit; Absicherung der Verdrängung der Erinnerungsarbeit durch Historismus und Kolonialismus, die im Verdrängungsprozeß wider Willen das Material für die Erinnerungsarbeit bereitstellen (wie im Kern dieses Prozesses auch die Naturwissenschaften). Das Adornosche „Eingedenken der Natur im Subjekt“ ist ein Teil des Eingedenkens der Vergangenheit im Subjekt: nichts ist wirklich vergangen. Natur (und ihre Metastasen) als Alibi fürs Herrendenken, Exkulpierung durch den Naturbegriff: Hier hilft nur Gottesfurcht (seitdem der Himmel keinen Platz mehr hat). (Vgl. Reinhold Schneiders Bild einer gottlosen Gottesfurcht: der Hund am Fuße des Kreuzes.)
– Hinweis auf Habermas, der der Benjamin-, Horkheimer- und Adornoschen sanften Hoffnung auf eine Änderung auch der Natur in einer befreiten Gesellschaft (erstmals, wenn ich recht sehe, in Erkenntnis und Interesse) offen widersprochen hat: sie sei nicht zu halten. Interessant wäre zu untersuchen wie weit die Folgen dieser These in das Konzept seiner Theorie des kommunikativen Handelns hineinreichen und sie um den von H. erwarteten Erfolg betrügen. (Vgl. auch die Bemerkung von Hauke Brunkhorst zur DdA!) Bei H. wird aus der Gottesfurcht die Angst vor der Theologie.
Der „Gihad“, der heilige Krieg: hervorgegangen aus den nomadischen „Razzien“, Vorform der Ausbeutung, die dann im Kapitalismus institutionalisiert (und moralisiert) wird? Bedeutung der Christianisierung? (Vgl. W. Montgomery Watt: Der Einfluß des Islam auf das europäische Mittelalter, Berlin 1988, S. 16)


Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Adorno Aktueller Bezug Antijudaismus Antisemitismus Astrologie Auschwitz Banken Bekenntnislogik Benjamin Blut Buber Christentum Drewermann Einstein Empörung Faschismus Feindbildlogik Fernsehen Freud Geld Gemeinheit Gesellschaft Habermas Hegel Heidegger Heinsohn Hitler Hogefeld Horkheimer Inquisition Islam Justiz Kabbala Kant Kapitalismus Kohl Kopernikus Lachen Levinas Marx Mathematik Naturwissenschaft Newton Paranoia Patriarchat Philosophie Planck Rassismus Rosenzweig Selbstmitleid Sexismus Sexualmoral Sprache Theologie Tiere Verwaltung Wasser Wittgenstein Ästhetik Ökonomie