29.05.92

Ist nicht die „Gottesruhe“ (Augustinus), das selige Ruhen Gottes in sicher selber, die Kehrseite des Gottesschreckens, den der „selige“ Gott in der Geschichte des Christentums nach außen verbreitet hat?
Hinweis des Augustinus darauf, daß das Kreuzeswort Jesu „Es ist vollbracht“ und die anschließende Grabesruhe dem Ende des Schöpfungswerks und der Ruhe am siebten Tag korrespondiert. Ergibt sich daraus nicht der natürliche Schluß, daß das Christentum insgesamt dann den drei Tagen im Grab (dem Zeichen des Jona) entspricht?
Neutralisiert die Unterscheidung der Erkenntnis vor, in und nach der Sache (die spätere analogia entis) nicht die Bedeutung der Umkehr für die Erkenntnis (Herrschafts-, Schuld- und Verblendungszusammenhang), den Begriff der Prophetie (Grund seiner Umwandlung in Allegorie)?
Es gibt kein Feindbild ohne projektives Element. Und der Götzendienst hat genau diese Funktion: das projektive Element abzustützen, das Feind- (und Herren-)denken zu exkulpieren. In der Philosophie wird dieses projektive Element über den Begriff der Materie, in der Theologie durch die Allegorie, die Vorstellung des Teufels und der Hölle und durch den Zusammenhang von Bekenntnis und Frauenfeindschaft, in der objektiven Realität selber verankert (Grundlage und Reflex des Weltbegriffs).
Die Unterscheidung von Gesinnungs- und Verantwortungsethik gehört zum System der transzendentalen Logik; sie unterliegt selber der moralischen Urteilslust, dem Empörungs-, dem Feinddenken, die sie in der Gesinnungsethik denunziert. Die bloße Gesinnung ist in der Tat bloß Ausdruck des ohnmächtigen Exkulpationswunsches, der durch die Verurteilung des andern glaubt, sich selbst reinwaschen zu können (Sündenbockmechanismus). Sie kommt zu sich selber erst im Verzicht auf Exkulpation: im Kontext der Gottesfurcht. Diese neue Gestalt der Gottesfurcht war das Feuer, das Jesus auf die Erde bringen wollte, und von dem er wünschte, es brennte schon.
Die Vergegenständlichung des Lichts ist mit der Elektrodynamik erkauft. Das am ersten Tage geschaffene Licht hat weniger mit dem physikalischen Objekt als vielmehr mit dem Beginn (der Potenz) der Einsicht zu tun. Das Licht ist das Medium des Angesichts. Extreme des Angesichts: das Lachen und der Schrecken.
Das ist der entscheidende Einwand gegen Heidegger: es gibt keine objektlose Angst; oder anders: es gibt keine Angst ohne Objektbezug. Insofern ist die Angst ein Sinnesimplikat der transzendentalen Logik (ihres apriorischen, aber leeren Objektbezugs) und vom Geltungsbereich der Begriffe Natur und Welt nicht abzulösen. Gegenstand der Angst ist der Tod; und die heideggersche objektlose Angst ist ein Produkt seiner „Entschlossenheit“, des „Vorlaufens in den Tod“, sie ist der Preis für die „Eigentlichkeit“. Der Tod wird immer nur als Tod anderer erfahren. Der eigene Tod ist nicht erfahrbar. Soweit ich mich im eigenen Tod erfahre, erfahre ich mich nur durch Reflexion: als Anderer für Andere. So ist die „Erfahrung“ des eigenen Todes nur ein Sinnesimplikat meines In-der-Welt-Seins. Aber: Stark wie der Tod ist die Liebe. Und Adornos Satz: Heute fühlen sich alle ungeliebt, weil keiner zu lieben fähig ist, wäre insoweit auch auf diese Beziehung von Angst und Tod anwendbar. – Ist die heideggersche „Entschlossenheit“ nicht doch nur der Kult des Selbstmitleids?
Stark wie der Tod ist die Liebe: Schließt das nicht eine neue Gestalt der historischen Erkenntnis mit ein, nämlich als Erinnerungs- und Trauerarbeit. Und ist nicht diese Erinnerungs- und Trauerarbeit im Credo vorbezeichnet in dem Satz: abgestiegen zur Hölle.
In der objektlosen Angst, in der Entschlossenheit und in dem Vorlaufen in den Tod, sowie im Begriff der Eigentlichkeit hat Heidegger etwas von der Innenerfahrung der Arbeit des Begriffs erhascht.
Hoffnung ist uns allein um der Hoffnungslosen willen gegeben: das ist der Anspruch, den die Toten an uns haben.
Entspricht nicht der Feste oben (zweiter Tag) das Trockene unten (dritter Tag)?
Sed libera nos a malo, muß das nicht heißen: sondern befreie uns von der (von unserer) Bosheit.
Kritik des Dogmas, oder die Entkonfessionalisierung der Kirche.
Der Unsterblichkeitsglaube hat das Selbsterhaltungsprinzip in die Theologie eingeschmuggelt.
Hat der Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen etwas mit dem Geld (mit der erkenntnisleitenden Funktion des Geldes in der durch Eigentum definierten Gesellschaft: mit der Geltung des Selbsterhaltungsprinzips) zu tun?
Sind nicht die drei Verleugnungen des Petrus eigentlich Identifikationen mit dem Aggressor, d.h. gleicht Petrus sich nicht durch die Verleugnungen dem anklagenden Prinzip, das von der Magd des Hohepriesters und den Umstehenden vertreten wird, an (bis hin zur Selbstverfluchung)? Beginnen die Verleugnungen nicht mit der Opfertheologie, mit der falschen Übersetzung des „tollere“ im „ecce, qui tollit peccata mundi“ (und ist die Figur des Täufers in diesem Zusammenhang auch typologisch zu begreifen: ist er der Hahn; Geschichte des Herodes; Verhältnis von Wasser- zu Geisttaufe)?
Die Feindesliebe und die Erneuerung des Antlitzes der Erde.


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