29.11.1994

Die göttliche Macht gründet in der Sprache, weltliche Herrschaft in der Logik der Schrift.
Die Form des Raumes homogenisiert die Zeit und materialisiert die Dinge.
War nicht der Tempel die Geburtsstätte des Geldes?
Der parvus error des Islam liegt darin, daß er die Unterscheidung von Schrift und Sprache nicht kennt (oder sie verdrängt).
Die Logik der Schrift abstrahiert vom Zeitkern der Wahrheit und ersetzt ihn durch das Objekt. Sie verfängt sich in den Netzen des Inertialsystems, aus denen sie dann nicht mehr sich lösen kann.
Ist die Höhle Platos nicht eine dreifache Höhle, und sind es nicht (mindestens) drei Umkehrungen, die aus dieser Höhle herausführen? Oder führt nicht heute jede Umkehrung wieder in die Höhle zurück?
„Alles ist Wasser“, und der Versuch des Thales, in dieser Lage wieder festen Grund unter die Füße zu bekommen, führte über die Astronomie und die Geometrie zur Philosophie. Für das Verständnis des Ursprungs der Philosophie ist es nicht unerheblich, wenn man sich daran erinnert, daß Thales den ersten Lehrsatz der Geometrie entdeckt und formuliert und er als erster eine Sonnenfinsternis vorausgesagt hat. Er hat als erster begriffen, daß die Astronomie nicht im Kontext der kosmologischen Spekulationen des Mythos zu begründen ist, sondern allein mit Hilfe der exakten mathematischen Phantasie. Es ist überhaupt wichtig zu begreifen, daß die Geschichte der Mathematik ein Teil der Geschichte der Naturwissenschaften (und wie diese ein Teil der Geschichte der Ökonomie) ist. Die Entdeckung der Null (durch die Inder, die dann über die Araber nach Europa gelangt ist) gehört in den Kontext der Konstituierung des Inertialsystems. Die Null war die Voraussetzung für die Vergleichbarkeit positiver und negativer Zahlen; sie war sowohl eine der Voraussetzungen der doppelten Buchführung (der Subsumtion der Arbeit unters Tauschprinzip) als auch der mathematischen Darstellung und Analyse der Reversibilität aller Richtungen im Raum (der Konstituierung der Form des Raumes). In der Antike war die Beziehung der positiven und negativen Zahlen durch ihre Beziehung zum Besitz (Reichtum und Schuldknechtschaft) qualitativ bestimmt und noch nicht durch das Gesetz ihrer rein mathematischen Beziehung vergegenständlicht (einer der Gründe, aus denen die antiken Erlösungsreligionen sich herleiten). Der Abstraktionsschnitt, der die moderne von der alten Welt trennt, ist theologisch vermittelt.
Opfertheologie und Vergöttlichung Jesu waren zwangsläufige Folgen der theologischen Rezeption des Weltbegriffs, die diesen Abstraktionsschnitt vorbereitet hat. Mit dem Weltbegriff hat die Philosophie sich gegen den Mythos durchgesetzt, ist sie aber zugleich erneut in seinen Bann hineingeraten.
War nicht die Übersetzung von adonai/JHWH mit „Herr“ eine Rückübersetzung in den baal? Wodurch unterscheiden sich adonai und baal?
Wird der Schöpfungsbericht in der Geschichte von den sieben unreinen Geistern widerrufen, oder wird er korrigiert? Dieser Widerruf wäre allerdings von dem durch Astronomie und Deszendenztheorie zu unterscheiden.
Eher geht ein Kamel durchs Nadelöhr, als ein Reicher ins Himmelreich eingeht: Kann das nicht auch heißen, daß der Durchgang eines Kamels durchs Nadelöhr die Bedingung des Himmelreichs ist, das dann das Erbe der Reichen antreten wird? Ist das Bild vom Kamel und vom Nadelöhr – ähnlich wie das Wort von der Übernahme der Sünde der Welt – zu früh verworfen worden?


Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Adorno Aktueller Bezug Antijudaismus Antisemitismus Astrologie Auschwitz Banken Bekenntnislogik Benjamin Blut Buber Christentum Drewermann Einstein Empörung Faschismus Feindbildlogik Fernsehen Freud Geld Gemeinheit Gesellschaft Habermas Hegel Heidegger Heinsohn Hitler Hogefeld Horkheimer Inquisition Islam Justiz Kabbala Kant Kapitalismus Kohl Kopernikus Lachen Levinas Marx Mathematik Naturwissenschaft Newton Paranoia Patriarchat Philosophie Planck Rassismus Rosenzweig Selbstmitleid Sexismus Sexualmoral Sprache Theologie Tiere Verwaltung Wasser Wittgenstein Ästhetik Ökonomie